Sigunes Bedeutung für die Entwicklung Parzivals: Unterschied zwischen den Versionen

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=== 1. Begegnung ===
=== 1. Begegnung ===
Dem ersten Aufeinandertreffen von Sigune und Parzival geht neben dem  Tod Herzeloydes (128, 23f), der das endgültige Austreten Parzivals aus der Obhut seiner Mutter markiert, auch die Begegnung mit [[Parzival, Jeschute und Orilus (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Jeschute]] (130,1-131, 19) und somit Parzivals erster Fauxpas voraus. Diese Episode wird im Gespräch mit Sigune nochmals aufgegriffen. Durch sie wird die Figurenkonstellation veranschaulicht [Draesner 1993: 267]. Während Parzival bei Jeschute war, kämpfte Schionatulander mit Orilus. Nach dessen Sieg kommt er heim und beschuldigt Jeschute ihn zu betrügen(133,6-10). Daraufhin nimmt er die Verfolgung Parzivals auf (138,1-4). Diese Bedrohung wird Parizval erst durch Sigune vor Augen gefühlt, sie warnt ihn und verdeutlich, dass er zur einem neuen Verknüpfungspunkt für Erzählungen in einer bereits bestehenden Welt wird [Draesner 1993: 267].  
Dem ersten Aufeinandertreffen von Sigune und Parzival geht neben dem  Tod Herzeloydes (128, 23f), der das endgültige Austreten Parzivals aus der Obhut seiner Mutter markiert, auch die Begegnung mit [[Parzival, Jeschute und Orilus (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Jeschute]] (130,1-131, 19) und somit Parzivals erster Fauxpas voraus. Diese Episode wird im Gespräch mit Sigune nochmals aufgegriffen. Durch sie wird die Figurenkonstellation veranschaulicht [Draesner 1993: 267]. Während Parzival bei Jeschute war, kämpfte Schionatulander mit Orilus. Nach dessen Sieg kommt er heim und beschuldigt Jeschute ihn zu betrügen(133,6-10). Daraufhin nimmt er die Verfolgung Parzivals auf (138,1-4). Diese Bedrohung wird Parizval erst durch Sigune vor Augen gefühlt, sie warnt ihn und verdeutlich, dass er zur einem neuen Verknüpfungspunkt für Erzählungen in einer bereits bestehenden Welt wird [Draesner 1993: 267].  
Parzival ist von den ersten Zusammentreffen mit Sigune überfordert und weiß nicht, wie er regieren soll und greift daher auf den Rat seiner Mutter zurück „ ''er sî trûric od freuden var, die bat mîn mouter grüezen gar''" (138, 25ff). Dieses Verhalten verdeutlicht sein Mangel an Erfahrung im Umgang mit andern Menschen und seine fehlende Emphatiefähigkeit. Zieht man nun das ''aetates''-Modell zum Lebensalter im Mittelalter her, ließe sich Parzival in dieser Szene auf der Ebene der ''pueritia'' verorten[Sassenhausen 2007: 68]. Denn er ist ungestüm und möchte nur kämpfen (139, 7f), ohne Mitgefühl für Sigune zu empfinden. Im Umgang mit ihr wird in dieser Situation sein momentaner Entwicklungsstand sichtbar.  
Parzival ist von den ersten Zusammentreffen mit Sigune überfordert und weiß nicht, wie er regieren soll und greift daher auf den Rat seiner Mutter zurück „ ''er sî trûric od freuden var, die bat mîn mouter grüezen gar. Got halde iuch''" (138, 25ff). Dieses Verhalten verdeutlicht sein Mangel an Erfahrung im Umgang mit andern Menschen und seine fehlende Emphatiefähigkeit. Zieht man nun das ''aetates''-Modell zum Lebensalter im Mittelalter her, ließe sich Parzival in dieser Szene auf der Ebene der ''pueritia'' verorten[Sassenhausen 2007: 68]. Denn er ist ungestüm und möchte nur kämpfen (139, 7f), ohne Mitgefühl für Sigune zu empfinden. Im Umgang mit ihr wird in dieser Situation sein momentaner Entwicklungsstand sichtbar.  
Im Weiteren klärt Sigune ihn über seine Herkunft (V.140, 25-30) und das Schicksal seiner Familie (141, 5-10) auf. Daher tritt sie hier auch als Wissensvermittlerin für Parzival, aber auch für die Rezipienten in Erscheinung. Sie führt die einzelnen Episoden zusammen und verbindet sie zu einer sinnstiftenden Geschichte. Aus diesem Grund hilft sie Parzival zum „1.Schritt der Selbsterkenntnis“ [Bumke 2004: 58].
Im Weiteren klärt Sigune ihn über seine Herkunft (V.140, 25-30) und das Schicksal seiner Familie (141, 5-10) auf. Daher tritt sie hier auch als Wissensvermittlerin für Parzival, aber auch für die Rezipienten in Erscheinung. Sie führt die einzelnen Episoden zusammen und verbindet sie zu einer sinnstiftenden Geschichte. Aus diesem Grund hilft sie Parzival zum „1.Schritt der Selbsterkenntnis“ [Bumke 2004: 58].


=== 2. Begegnung ===
=== 2. Begegnung ===
Nach seinem Versäumnis auf Munsalvӕsche trifft Parzival zum zweiten Mal auf Sigune. Auch hier erkennt er sie nicht sofort, was unter anderem auch an ihrem veränderten Aussehen liegt ''„ôwê war kom dîn rôter munt?“'' (252, 27). Daher begrüßt Parzival seine Cousine wie eine Fremde, ebenso wie bei ihrer ersten Begegnung. Interessant ist hierbei jedoch, die Art und Weise des Grußes.<br />
Nach seinem Versäumnis auf Munsalvӕsche trifft Parzival zum zweiten Mal auf Sigune. Auch hier erkennt er sie nicht sofort, was unter anderem auch an ihrem veränderten Aussehen liegt ''„ôwê war kom dîn rôter munt?“'' (252, 27). Daher begrüßt Parzival seine Cousine wie eine Fremde, ebenso wie bei ihrer ersten Begegnung. Interessant ist hierbei jedoch, die Art und Weise des Grußes.<br />
'''Anrede erste Begegnung'''<br />
'''Anrede erste Begegnung'''<br />



Version vom 5. Juni 2015, 16:08 Uhr

Hinweis: Dieser Artikel entsteht derzeit im Rahmen des Haupt- und Oberseminars zu Wolfram von Eschenbachs Parzival und befindet sich noch in der Entstehung.

In diesem Artikel sollen die vier Begegnungen zwischen Sigune und Parzival im Hinblick auf deren Bedeutung für Parzivals Werdegang analysiert werden. Interessant wird hierbei sein, herauszufinden, inwieweit Sigune als Richtungsgeberin für einen vom Weg abgekommenen Helden zu sehen ist [Schnyder 2008: 129]. Zumal sie immer dann in Erscheinung tritt, wenn Parzival am Scheideweg steht.

Die Figur Sigune

„ein frouwe ûz rehtem jâmer schrei:
ir was diu wâre freude enzwei."
(138, 13f)

Dies ist das Erste, was man über Sigune erfährt. Sie leidet sehr, da ihren Geliebten Schionatulander im Kampf mit Orilus getötet wurde (141, 8f). Pikant ist jedoch, dass er in ihrem Dienst umkam, wodurch sie Sigune die Schuld für seinen Tod gibt (141, 11f). Im weiteren erfahren wird, dass Sigune Parzivals Cousine ist (141, 25f) und das sie einen Teil ihrer Kindheit bei seiner Mutter Herzeloyde verbracht hat (141, 13). Sigune als Figur im Parzival lässt sich aus mehreren Perspektiven betrachten und analysieren, neben ihrer Rolle als wilde Person und Aussteigerin, wird sie auch als Baumheilige (249, 14-17) betrachtet [Schwietering 1920: 140]. Allerdings soll in diesem Artikel der Fokus auf ihre Funktion als Wegbegleiterin für Parzivals Entwicklung gelegt werden.

Die vier Sigune-Begegnungen

1. Begegnung

Dem ersten Aufeinandertreffen von Sigune und Parzival geht neben dem Tod Herzeloydes (128, 23f), der das endgültige Austreten Parzivals aus der Obhut seiner Mutter markiert, auch die Begegnung mit Jeschute (130,1-131, 19) und somit Parzivals erster Fauxpas voraus. Diese Episode wird im Gespräch mit Sigune nochmals aufgegriffen. Durch sie wird die Figurenkonstellation veranschaulicht [Draesner 1993: 267]. Während Parzival bei Jeschute war, kämpfte Schionatulander mit Orilus. Nach dessen Sieg kommt er heim und beschuldigt Jeschute ihn zu betrügen(133,6-10). Daraufhin nimmt er die Verfolgung Parzivals auf (138,1-4). Diese Bedrohung wird Parizval erst durch Sigune vor Augen gefühlt, sie warnt ihn und verdeutlich, dass er zur einem neuen Verknüpfungspunkt für Erzählungen in einer bereits bestehenden Welt wird [Draesner 1993: 267]. Parzival ist von den ersten Zusammentreffen mit Sigune überfordert und weiß nicht, wie er regieren soll und greift daher auf den Rat seiner Mutter zurück „ er sî trûric od freuden var, die bat mîn mouter grüezen gar. Got halde iuch" (138, 25ff). Dieses Verhalten verdeutlicht sein Mangel an Erfahrung im Umgang mit andern Menschen und seine fehlende Emphatiefähigkeit. Zieht man nun das aetates-Modell zum Lebensalter im Mittelalter her, ließe sich Parzival in dieser Szene auf der Ebene der pueritia verorten[Sassenhausen 2007: 68]. Denn er ist ungestüm und möchte nur kämpfen (139, 7f), ohne Mitgefühl für Sigune zu empfinden. Im Umgang mit ihr wird in dieser Situation sein momentaner Entwicklungsstand sichtbar. Im Weiteren klärt Sigune ihn über seine Herkunft (V.140, 25-30) und das Schicksal seiner Familie (141, 5-10) auf. Daher tritt sie hier auch als Wissensvermittlerin für Parzival, aber auch für die Rezipienten in Erscheinung. Sie führt die einzelnen Episoden zusammen und verbindet sie zu einer sinnstiftenden Geschichte. Aus diesem Grund hilft sie Parzival zum „1.Schritt der Selbsterkenntnis“ [Bumke 2004: 58].

2. Begegnung

Nach seinem Versäumnis auf Munsalvӕsche trifft Parzival zum zweiten Mal auf Sigune. Auch hier erkennt er sie nicht sofort, was unter anderem auch an ihrem veränderten Aussehen liegt „ôwê war kom dîn rôter munt?“ (252, 27). Daher begrüßt Parzival seine Cousine wie eine Fremde, ebenso wie bei ihrer ersten Begegnung. Interessant ist hierbei jedoch, die Art und Weise des Grußes.

Anrede erste Begegnung

mittelhochdeutsch neuhochdeutsch
"er sî trûric od freuden var, „Scheint jemand traurig oder fröhlich-
die bat mîn mouter grüezen gar. Mutter riet mir, stets zu grüßen."
Got halde iuch" Gott mit euch!
(138, 25ff)


Anrede zweite Begegnung

mittelhochdeutsch neuhochdeutsch
„frouwe, mir is vil leit Edle Frau, Ihr tut mir leid
iwer senelîchiu arebeit. in Eurem großen Seelenschmerz.
Bedurft ir mînes dienstes iht, Wenn ich Euch irgend helfen kann,
in iwerem dienste man mich siht" so sieht man mich in Eurem Dienste.
(249, 27-30)


Ist Parzival bei dem ersten Aufeinandertreffen noch unsicher und greift daher auf den Rat seiner Mutter zurück, wird er hier gereift. Die Anrede „frouwe" (249, 27) wirkt höfisch und verdeutlich die respektvolle Gesprächsaufnahme. Parzival löchert seine Gegenüber nicht mehr ungestüm mit vielen Fragen, sondern bekundet dezent sein Interesse, indem er sein Mitgefühl ausdrückt und seine Hilfe anbietet. Aufgrund dessen kann sich unser Protagonist hier nicht mehr auf der Stufe der pueritia befinden, anstelle von pueritia steht nun wohl adolescentia. Dort ist der Mensch zeugungsfähig und hinsichtlich gesellschaftlicher Belange eingeschränkt mündig. Eine emotionale Ausgeglichenheit wird den Menschen erst bei iuventus zugeschreiben [Sassenhausen 2007: 68f]. Diese ist bei Parzival trotz seiner Anteilnahme bei Sigune noch nicht festzustellen, da er sich dem Gralskönig Anfortas auf ''Munsalvӕsche verwehrt (242, 13-18). Seine innerliche Haltung gegenüber Leid und Leidensbereitschaft kann diese noch nicht als etwas Positives zulassen [Draesner 1993: 272]. Unterstrichen wird diese durch seine Aussage „wir sulen disen tôten man begraben" (253, 8), die zeigt, dass er sich nicht in Sigunes Gemütslage einfühlen kann und ebenso nicht bereit ist, ihre Trauer zu akzeptieren. Er versucht zwar das normativ Richtige zu tun, vergisst aber dabei, dass es für Sigune nicht das Beste ist. In dieser Situation sind die Rollen, der Beratenden und des Beratenen vertauscht. Diese ändert sich aber schnell wieder, als Sigune Parzival über seine Verfehlung beim Gralskönig aufklärt.

3. Begegnung

4. Begegnung

Fazit

Literaturangaben

Textausgabe

  • Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns revidiert und kommentiert von Eberhard Nellmann, übers. von Dieter Kühn, 2 Bde., Frankfurt a.M. 2006.

Sekundärliteratur

<HarvardReferences /> [*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36). <HarvardReferences /> [*Draesner 1993]Draesner, Ulrike: Wege durch erzählte Welten. Intertextuelle Verweise als Mittel der Bedeutungskonstitution in Wolframs Parzival. Frankfurt am Main, 1993 (Mikrokosmos 36). <HarvardReferences /> [*Sassenhausen 2007]Sassenhausen, Ruth: Wolframs von Eschenbach Parzival als Entwicklungsroman. Gattungstheoretischer Ansatz und literarpsychologische Deutung, Köln/Weimar/Wien 2007. <HarvardReferences /> [*Schnyder 2008]Schnyder, Mireille: Der Wald in der höfischen Literatur: Raum des Mythos und des Erzählens. In: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung. 13, 2008. <HarvardReferences /> [*Schwietering 1920]Schwietering, Julius: Sigune auf der Linde. In: ZfdA (1920), S.140-143); (wieder In: Ders., Philologische Schriften. Hgg. von Friedrich Ohly/ Max Wehrli. München 1969, S. 362-384).