Typologie im Tristan (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen

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==Typologie==
==Typologie==
Prinzip der christlichen Geschichtsdeutung <br/>
Bezeichnend für die christlichen Geschichtsdeutung des Mittelalters war ihre eschatologische Ausrichtung. Eschatologisch (von altgrichisch τὰ ἔσχατα ''ta és-chata'', „die äußersten/letzten Dinge“ [wikipedia 2011] ) bedeutet "auf das Ende hinweisend" und bezeichnet ein heilsgeschichtliches Verständnis der Geschichte, nach dem alles, was geschieht, letztendlich der Erfüllung des göttlichen Plans dient.<br/>
Verhältnis Typus Antitypus <br/>
Hier setzt die Typologielehre an die grundsätzlich darauf beruht, jedem in der Geschichte oder Dichtung vor Christus auftauchenden "Typus" einen auf Christus und den göttlichen Heilsplan bezogenen "Antitypus" zuzuordnen. Ihr zu eigen ist also der grundlegende Gedanke der Analogie: Die Welt ist ein Buch, das es zu lesen gilt. So werden Figuren und Geschehnisse aus dem Alten Testament als Allegorien neutestamentlicher Figuren und Geschehnisse gedeutet (z.B. die Opferung Isaaks als Vorahnung des Opfertods Christi [Luther 2008:1. Mose 22,1-19]), doch auch die heidnische Literatur wird christlich umgedeutet (und somit sozusagen "exorziert" und [Antikenrezeption zur Zeit Gottfrieds|als Kulturschatz in die christliche Ära hinübergerettet]). So wird zum Beispiel Orpheus, der in die Unterwelt hinabsteigt, zu einem äußerst populären Antitypus für Christus, der den Tod überwindet, und begegnet uns heute in unzähligen Darstellungen auf mittelalterlichen Kunstwerken.
 
 
führt Gottfried eine "säkularisierte Typologie" ein?
führt Gottfried eine "säkularisierte Typologie" ein?


==Tristan / David==
==Tristan / David==

Version vom 9. Januar 2011, 20:39 Uhr

In diesem Artikel soll das Prinzip der Typologie kurz angesprochen aber nicht tiefgehend erläutert werden. Vielmehr sollen hier Textstellen genauer betrachtet werden, in denen Tristans Inszenierung als Held Parallelen zu alttestamentlichen Glaubenshelden aufweisen.

Typologie

Bezeichnend für die christlichen Geschichtsdeutung des Mittelalters war ihre eschatologische Ausrichtung. Eschatologisch (von altgrichisch τὰ ἔσχατα ta és-chata, „die äußersten/letzten Dinge“ [wikipedia 2011] ) bedeutet "auf das Ende hinweisend" und bezeichnet ein heilsgeschichtliches Verständnis der Geschichte, nach dem alles, was geschieht, letztendlich der Erfüllung des göttlichen Plans dient.
Hier setzt die Typologielehre an die grundsätzlich darauf beruht, jedem in der Geschichte oder Dichtung vor Christus auftauchenden "Typus" einen auf Christus und den göttlichen Heilsplan bezogenen "Antitypus" zuzuordnen. Ihr zu eigen ist also der grundlegende Gedanke der Analogie: Die Welt ist ein Buch, das es zu lesen gilt. So werden Figuren und Geschehnisse aus dem Alten Testament als Allegorien neutestamentlicher Figuren und Geschehnisse gedeutet (z.B. die Opferung Isaaks als Vorahnung des Opfertods Christi [Luther 2008:1. Mose 22,1-19]), doch auch die heidnische Literatur wird christlich umgedeutet (und somit sozusagen "exorziert" und [Antikenrezeption zur Zeit Gottfrieds|als Kulturschatz in die christliche Ära hinübergerettet]). So wird zum Beispiel Orpheus, der in die Unterwelt hinabsteigt, zu einem äußerst populären Antitypus für Christus, der den Tod überwindet, und begegnet uns heute in unzähligen Darstellungen auf mittelalterlichen Kunstwerken.


führt Gottfried eine "säkularisierte Typologie" ein?

Tristan / David

David bei Saul

Das außergewöhnlich gute Harfenspiel als Eintrittskarte in den Königspalast (bei Marke und bei Isolde)

David und Goliath

Kampf gegen Morold: Ein Jüngling gegen einen übermächtigen Gegner (ab V. 6.866)

Tristan und Josef

Eine weitere Geschichte aus der Bibel, zu der sich Parallelen herstellen lassen, ist die Geschichte Josephs aus dem 1. Buch Mose. Als Lieblingssohn seines Vaters Jakob zieht er den Neid seiner Brüder auf sich, die ihn in eine Zisterne werfen. Dort finden ihn Händler und verkaufen ihn als Sklave nach Ägypten. Durch seine Gabe als Traumdeuter gewinnt er in der Fremde schnell Ansehen. Die Frau des Kämmerers, für den er arbeitet, versucht ihn zu verführen und als Joseph sie zurückweist, wird er ins Gefängnis geworfen. Auch hier hilft ihm wieder seine Begabung als Traumdeuter und er gelangt schließlich an den Hof des Pharaos und in die Position des Zweitwichtigsten Mannes nach ihm. Dort findet auch die Wiedervereinigung mit seinem Vater statt, als seine Brüder während einer Dürreperiode nach Ägypten kommen, das Dank Josefs Deutungen auf die Dürren vorbereitet war.[1]


Die Hauptelemente dieser Geschichte lassen sich auch im Tristan finden. Die hier behandelten Punkte folgen im wesentlichen der von Evelyn M. Jacobson vorgenommenen Auflistung der Basiselemente der Geschichte.[Jacobson 1985: S.570] Auch Tristan ist der Lieblingssohn seines (Zieh-)Vaters: "Wan er in werderhaete/ und bôt ez baz im einem/ dan aller der dekeinem/ [...]/ sîner eigenen kinde/ was er sô vlîzec niht sô sîn." [2182-2187].[2] Es ist zwar nicht der Neid der Brüder, der ihn ungewollt und ohne des Wissens des Vaters von zu Hause fortbringt, dennoch sind sie daran beteiligt. Wenn sie auch nicht ihre Schuld, sie sind aber dennoch die Auslöser da [Jacobson 1985: S.573] "zwei des marschalkes kint/ [...]/ an ir vater kâmen/ und bâten den bihanden,/ daz er in durch Tristanden/ der valken koufen hieze."[2169-2177].

Tristan wird also unfreiwillig nach Cornwall verschlagen so wie Josef nach Ägypten. Beide Male ist es in den Händen von Kaufleuten, in denen sie in die Fremde gelangen. In der Fremde kommen beide in niedriger Position an den Königs- bzw. Pharaohof, Josef als Sklave des Kämmerers, Tristan als angeblicher Sohn eines Kaufmannes [3099-3104]. Bei beiden sind es ihre Talente, nicht ihre Abstammung, die sie zu Ehre bringen. Josef zeigt sein Talent als Traumdeuter. Tristan fällt gleich durch mehrere Fähigkeiten auf: Jagdkunst [2810-2817], Musikspiel, sowohl auf dem Horn [3209-3214] als auch auf der Harfe [3567-3572], und Fremdsprachenkenntnisse [3690-3694].

Ab diesem Punkt sind die Parallelen nichtmehr so deutlich sondern haben eher schematischen Charakter. Beide wachsen in der Fremde auf und schaffen es in der Fremde zum zweiten Mann nach dem Herrscher aufzusteigen. Tristan gelingt dies kurze Zeit nach seiner Ankunft in zwei Schritten: erst ernennt Marke ihn zu seinem "gesellen"[3725/3726], dann zu seinem rechtmäßigen Erben [5152-5158]. Josef hat dieses Glück erst zum Ende seiner Geschichte, nachdem er schon im Gefängnis war und wieder begnadigt worden ist.

Trotz ihres Erfolges bleiben sie doch Außenseiter am Hof und ziehen den Neid anderer auf sich. Tristan ist zwar zuerst allseits beliebt, erst nach seiner ersten Irlandfahrt, als seine Macht deutlicher wird, beneiden die anderen ihn aber so sehr, dass er sogar fürchten muss ermordet zu werden [8365-8378].

Beide werden vom Hof verbannt, Josef wegen einer Anschuldigung angeblichen Missbrauchs, Tristan wegen seiner tatsächlichen Beziehung zu Isolde [16603/4].

Nach einem augenscheinlichen Unschuldsbeweis, kann Tristan wieder an den Hof zurückkehren. Josef wird vergeben, da seine Traumdeuterischen Fähigkeiten erneut gebraucht werden und sich bewähren, er bewahrt Ägypten vor einer Hungersnot.

Ein Element, das Jacobson nicht nennt, ist die Wiedervereinigung mit dem Vater. Riwalin gelangt auf der Suche nach Tristan schließlich an Markes Hof und kann seinen Ziehsohn wiedersehen. Josefs Vater kommt während der Dürre nach Ägypten, nachdem seine Brüder Josef um Korn gebeten haben.



  1. Diese Gliederung folgt der von Evelyn M. Jacobson, S.570
  2. Alle Textzitate nach der unten angegebenen Reclam-Ausgabe[Krohn 2007]


Literaturnachweise

<HarvardReferences />

  • [*Jacobson 1985] Jacobson, Evelyn M.: Biblical Typology in Gottfried's Tristan und Isolde. In: Neophilologus 69 (1985), S.568-578.
  • [*Krohn 2007] Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn, Bd. 1 u. 2: Text, Bd. 3: Kommentar, 8./9./12. Aufl., Stuttgart 2007-2008 (RUB 4471-4473).
  • [*Luther 2008] Luther, Martin (2008): Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers; [Bibeltext in der revidierten Fassung von 1984]. Standardausg., durchges. Ausg. in neuer Rechtschreibung, [Nachdr.]. Stuttgart: Dt. Bibelges.