Minnebegegnungen - Parzival und die Frauen: Unterschied zwischen den Versionen

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Minnebegegnungen ''Parzivals''. Dabei wird anhand ausgewählter Textstellen<ref>Alle Versangaben beziehen sich auf die genannte Textausgabe.</ref> untersucht, unter welchen Umständen ''Parzival'' auf die verschiedenen Frauen trifft und wie sich sein jeweiliges Entwicklungsstadium auf den Umgang mit diesen auswirkt.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Minnebegegnungen ''Parzivals''. Dabei wird anhand ausgewählter Textstellen<ref>Alle Versangaben beziehen sich auf die genannte Textausgabe.</ref> untersucht, unter welchen Umständen ''Parzival'' auf die verschiedenen Frauen trifft und wie sich sein jeweiliges Entwicklungsstadium auf den Umgang mit diesen auswirkt.
== Die verfehlte Begegnung: ''Jeschute'' ==
== Die verfehlte Begegnung: ''Jeschute'' ==
''Jeschute'' ist die erste Frau, die ''Parzival'' außerhalb ''Soltanes'' sieht. Sie liegt alleine und schlafend in ihrem Zelt. Jeschute wird als wunderschön beschrieben. Sie ist die Verkörperung des mittelalterlichen Schönheitsideals und ''"truoc der minne wâfen"'' (130,4): Ihr Mund ist leuchtend rot, die Zähne strahlend weiß und gerade, die Gliedmaßen lang und die Haut weiß wie Schnee (vgl. 130,4 ff.). Der Erzähler ist so begeistert von ihrem Äußeren, dass seine Beschreibung sie als ein ''"Kunstwerk göttlicher Schöpfung"'' [Russ 2000: 68] preist ''"si was geschicket unt gesniten, / an ir was künste niht vermiten: / got selbe worthe ir süezen lîp."'' (130,21 ff.). Sie ist ohne Zweifel eine Frau, die eine erotische Ausstrahlung hat und das Verlangen der Männer weckt. ''Parzival'' beeindrucken jedoch weder ihre weiblichen Reize noch ihre Schönheit. Er verspürt kein Minneverlangen, sinnliche Reize haben auf ihn noch keine Wirkung. Einzig der Ring am ''vingerlîn'' Jeschutes zieht ihn in seinen Bann (vgl. 130,26 ff.). Zu diesem Zeitpunkt ist der junge Held erst kürzlich von ''Soltane'' aufgebrochen und befindet sich noch im Entwicklungsstadium der ''pueritia''<ref>Näheres zur Entwicklung Parzivals unter: [http://mediaewiki.org/wiki/Adoleszenz_in_der_Ritterwelt Adoleszenz in der Ritterwelt]</ref>, in welchem er noch nicht empfänglich für Minne ist. ''Parzival'' dringt lediglich in das Zelt ein, um die Lehre ''Herzeloydes'' zu befolgen: ''"dô dâhte er an die muoter sîn: / diu riet an wîbes vingerlîn"'' (130,29 f.). Während er buchstäblich die Lehre der Mutter befolgt, deren Symbolcharakter der junge ''tôr'' nicht erkennt, raubt er ''Jeschute'' emotionslos Kuß, Umarmung und Ring (vgl. 131,13 ff.). Denn statt sich den Kuss, die Umarmung und den Ring einer Frau durch seinen Minnedienst zu verdienen, welcher sich vor allem durch einen liebe- und respektvollen Umgang auszeichnet, verhält er sich gegenüber der Herzogin genau gegenteilig. Durch sein rücksichtsloses sowie brutales Verhalten entehrt er ''Jeschute'' und bringt Leid über sie. ''Parzival'' ist zu diesem Zeitpunkt schlichtweg zu jung, zu unerfahren und zu ''tump'', um mit einer Frau wie ''Jeschute'' zusammenzutreffen. Die Begegnung zeigt, wie weit er noch von der Verwirklichung der wahren Minnelehre entfernt ist [Boesch 1977]. Während die Begegnung für ''Parzival'' vorerst ohne Konsequenzen bleibt,<ref>Genau genommen zieht er sogar einen Nutzen aus dem Vorfall, da er den geraubten Ring später als Entgelt für eine Übernachtung bei einem gierigen Fischer nutzt.</ref> wird ''Jeschute'' von ihrem Mann ''Orilus'' bitter bestraft. Erst im fünften Buch der Geschichte begegnet er den Eheleuten ein zweites Mal und macht sein Vergehen wieder wett.<ref>Siehe hierzu: [[Parzival, Jeschute und Orilus Wolfram von Eschenbach, Parzival | Parzival, Jeschute und Orilus]] </ref>
''Jeschute'' ist die erste Frau, die ''Parzival'' außerhalb ''Soltanes'' sieht. Sie liegt alleine und schlafend in ihrem Zelt. Jeschute wird als wunderschön beschrieben. Sie ist die Verkörperung des mittelalterlichen Schönheitsideals und ''"truoc der minne wâfen"'' (130,4): Ihr Mund ist leuchtend rot, die Zähne strahlend weiß und gerade, die Gliedmaßen lang und die Haut weiß wie Schnee (vgl. 130,4 ff.). Der Erzähler ist so begeistert von ihrem Äußeren, dass seine Beschreibung sie als ein ''"Kunstwerk göttlicher Schöpfung"'' [Russ 2000: 68] preist ''"si was geschicket unt gesniten, / an ir was künste niht vermiten: / got selbe worthe ir süezen lîp."'' (130,21 ff.). Sie ist ohne Zweifel eine Frau, die eine erotische Ausstrahlung hat und das Verlangen der Männer weckt. ''Parzival'' beeindrucken jedoch weder ihre weiblichen Reize noch ihre Schönheit. Er verspürt kein Minneverlangen, sinnliche Reize haben auf ihn noch keine Wirkung. Einzig der Ring am ''vingerlîn'' Jeschutes zieht ihn in seinen Bann (vgl. 130,26 ff.). Zu diesem Zeitpunkt ist der junge Held erst kürzlich von ''Soltane'' aufgebrochen und befindet sich noch im Entwicklungsstadium der ''pueritia''<ref>Näheres zur Entwicklung Parzivals unter: [http://mediaewiki.org/wiki/Adoleszenz_in_der_Ritterwelt Adoleszenz in der Ritterwelt]</ref>, in welchem er noch nicht empfänglich für Minne ist. ''Parzival'' dringt lediglich in das Zelt ein, um die Lehre ''Herzeloydes'' zu befolgen: ''"dô dâhte er an die muoter sîn: / diu riet an wîbes vingerlîn"'' (130,29 f.). Während er buchstäblich die Lehre der Mutter befolgt, deren Symbolcharakter der junge ''tôr'' nicht erkennt, raubt er ''Jeschute'' emotionslos Kuß, Umarmung und Ring (vgl. 131,13 ff.). Denn statt sich den Kuss, die Umarmung und den Ring einer Frau durch seinen Minnedienst zu verdienen, welcher sich vor allem durch einen liebe- und respektvollen Umgang auszeichnet, verhält er sich gegenüber der Herzogin genau gegenteilig. Durch sein rücksichtsloses sowie brutales Verhalten entehrt er ''Jeschute'' und bringt Leid über sie. ''Parzival'' ist zu diesem Zeitpunkt schlichtweg zu jung, zu unerfahren und zu ''tump'', um mit einer Frau wie ''Jeschute'' zusammenzutreffen. Die Begegnung zeigt, wie weit er noch von der Verwirklichung der wahren Minnelehre entfernt ist [Boesch 1977]. Während die Begegnung für ''Parzival'' vorerst ohne Konsequenzen bleibt,<ref>Genau genommen zieht er sogar einen Nutzen aus dem Vorfall, da er den geraubten Ring später als Entgelt für eine Übernachtung bei einem gierigen Fischer nutzt.</ref> wird ''Jeschute'' von ihrem Mann ''Orilus'' bitter bestraft. Erst im fünften Buch der Geschichte begegnet er den Eheleuten ein zweites Mal und macht sein Vergehen wieder wett.<ref>Siehe hierzu: [[Parzival, Jeschute und Orilus (Wolfram von Eschenbach, Parzival) | Parzival, Jeschute und Orilus]] </ref>


== Die verfrühte Begegnung: ''Liaze'' ==
== Die verfrühte Begegnung: ''Liaze'' ==

Version vom 9. Juli 2015, 12:21 Uhr

Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Minnebegegnungen Parzivals. Dabei wird anhand ausgewählter Textstellen[1] untersucht, unter welchen Umständen Parzival auf die verschiedenen Frauen trifft und wie sich sein jeweiliges Entwicklungsstadium auf den Umgang mit diesen auswirkt.

Die verfehlte Begegnung: Jeschute

Jeschute ist die erste Frau, die Parzival außerhalb Soltanes sieht. Sie liegt alleine und schlafend in ihrem Zelt. Jeschute wird als wunderschön beschrieben. Sie ist die Verkörperung des mittelalterlichen Schönheitsideals und "truoc der minne wâfen" (130,4): Ihr Mund ist leuchtend rot, die Zähne strahlend weiß und gerade, die Gliedmaßen lang und die Haut weiß wie Schnee (vgl. 130,4 ff.). Der Erzähler ist so begeistert von ihrem Äußeren, dass seine Beschreibung sie als ein "Kunstwerk göttlicher Schöpfung" [Russ 2000: 68] preist "si was geschicket unt gesniten, / an ir was künste niht vermiten: / got selbe worthe ir süezen lîp." (130,21 ff.). Sie ist ohne Zweifel eine Frau, die eine erotische Ausstrahlung hat und das Verlangen der Männer weckt. Parzival beeindrucken jedoch weder ihre weiblichen Reize noch ihre Schönheit. Er verspürt kein Minneverlangen, sinnliche Reize haben auf ihn noch keine Wirkung. Einzig der Ring am vingerlîn Jeschutes zieht ihn in seinen Bann (vgl. 130,26 ff.). Zu diesem Zeitpunkt ist der junge Held erst kürzlich von Soltane aufgebrochen und befindet sich noch im Entwicklungsstadium der pueritia[2], in welchem er noch nicht empfänglich für Minne ist. Parzival dringt lediglich in das Zelt ein, um die Lehre Herzeloydes zu befolgen: "dô dâhte er an die muoter sîn: / diu riet an wîbes vingerlîn" (130,29 f.). Während er buchstäblich die Lehre der Mutter befolgt, deren Symbolcharakter der junge tôr nicht erkennt, raubt er Jeschute emotionslos Kuß, Umarmung und Ring (vgl. 131,13 ff.). Denn statt sich den Kuss, die Umarmung und den Ring einer Frau durch seinen Minnedienst zu verdienen, welcher sich vor allem durch einen liebe- und respektvollen Umgang auszeichnet, verhält er sich gegenüber der Herzogin genau gegenteilig. Durch sein rücksichtsloses sowie brutales Verhalten entehrt er Jeschute und bringt Leid über sie. Parzival ist zu diesem Zeitpunkt schlichtweg zu jung, zu unerfahren und zu tump, um mit einer Frau wie Jeschute zusammenzutreffen. Die Begegnung zeigt, wie weit er noch von der Verwirklichung der wahren Minnelehre entfernt ist [Boesch 1977]. Während die Begegnung für Parzival vorerst ohne Konsequenzen bleibt,[3] wird Jeschute von ihrem Mann Orilus bitter bestraft. Erst im fünften Buch der Geschichte begegnet er den Eheleuten ein zweites Mal und macht sein Vergehen wieder wett.[4]

Die verfrühte Begegnung: Liaze

Die vollkommene Begegnung: Condwiramurs

Textausgabe

Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.

Fußnoten

  1. Alle Versangaben beziehen sich auf die genannte Textausgabe.
  2. Näheres zur Entwicklung Parzivals unter: Adoleszenz in der Ritterwelt
  3. Genau genommen zieht er sogar einen Nutzen aus dem Vorfall, da er den geraubten Ring später als Entgelt für eine Übernachtung bei einem gierigen Fischer nutzt.
  4. Siehe hierzu: Parzival, Jeschute und Orilus