Parzivals Glaubensverlauf: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Gotteslehre in Soltane ===
=== Gotteslehre in Soltane ===


In Soltane entsteht zwischen Parzival und seiner Mutter ein Gespräch über Gott. Dabei fragt der junge Parzival Herzeloyde:
In Soltane entsteht zwischen Parzival und seiner Mutter ein Gespräch über Gott. Dabei fragt der junge Parzival Herzeloyde<ref> Vgl.: [[Parzivals Erziehung durch Herzeloyde und ihre Folgen (Wolfram von Eschenbach, Parzival)]] </ref>





Version vom 12. Juli 2015, 16:06 Uhr

Dieser Artikel thematisiert Parzivals Glaubensverlauf im Geschehen des gesamten Epos. Als Ausgangspunkt dient die Gotteslehre von Parzivals Mutter, Herzeloyde in Soltane. [1] Weitere Schwerpunkte des Artikels sind der Auslöser für die Lossagung von Gott, der Wendepunkt durch das Gespräch mit Trevrizent, die Rückkehr zum christlichen Glauben und immer wieder die Analyse, inwiefern sich das göttliche Wirken und das höfische Erzählen von Gott im Parival auswirken. Im Folgende sollen die Gliederungspunkte und die Frage, inwiefern sich Herzeloydes Gotteslehre auf den Glaubensverlauf des Protagonisten in dessen Leben auswirkt skizziert, interpretiert und kritisch hinterfragt werden. [2]



Gotteslehre in Soltane

In Soltane entsteht zwischen Parzival und seiner Mutter ein Gespräch über Gott. Dabei fragt der junge Parzival Herzeloyde[3]


119, 17-24
Ôwê muoter, waz ist got? Ach Mutter, was ist das: Gott?
sun, ich sage dirz âne spot. Mein Sohn, es ist kein Spaß, was ich dir jetzt sage:
er ist noch liehter denne der tac, Er ist noch heller als die Sonne,
der antlitzes sich bewac der sich entschloss, Gestalt anzunehmen
nâch menschen antlitze. nach des Menschen Bild.
sun, merke eine witze, Mein Sohn, merke dir die Lehre:
und flêhe in umbe dîne not: Zu ihm sollst du flehen;
sîn triuwe der werlde ie helfe bôt. Seine Treue hat noch nie den Menschen Hilfe verweigert.


Auf diese Frage antwortet Herzeloyde, dass Gott noch heller ist als die Sonne und die Gestalt des Menschen hat. Sie lehrt ihrem Sohn zusätzlich: Er soll sich für die Ewigkeit merken, dass er zum Schöpfer jederzeit flehen kann, wenn ihm irgendetwas fehlt, denn laut ihr hat seine Treue noch nie den Menschen Hilfe verweigert. Sie fährt fort und erzählt von einem Mann, der schwarz ist. Hierbei geht es um den Teufel, der zur Hölle gehört. Die Mutter warnt ihren Sohn vor dieser Gestalt und rät Parzival sich niemals zu ihm hinziehen zu lassen. Herzeloydes Gotteslehre ist eine typische Lehre für das Mittelalter. Denn damals war die Lehre von Gut und Böse bzw. Gott und dem Teufel weit verbreitet. Die metaphorische Beschreibung Herzeloydes in eine Hell-dunkel-Charakterisierung unterlegt das mittelalterliche Glaubensbild [Haas 1964]: vgl. 62. Sie vermittelt Parzival mit dieser einfachen Erklärung ein sehr kindliches und naives Bild von Gott, weshalb der junge Parzival den Eindruck erhält, dass Gott ihm in jeder Lebenslage hilfsbereit und treu zur Seite stehen wird. Czerwinski schreibt in seinem Buch über die kontrastierende Darstellung Herzeloydes zwischen der untriuwe (Untreue) des Teufels und der triuwe (Treue) Gottes als eine charakteristische Darstellung für das Mittelalter und schreibt auch, dass die im weiteren Handlungsverlauf zu Missverständnissen führt [Czerwinski 1989]: vgl. 162. Folgendes Szenario spielt sich kurz nach dem Gespräch ab. Herzeloydes Sohn ist im Wald und verknüpft das aufkommende Geräusch von Hufgetrampel mit dem womöglich anreitenden Teufel. Als er jedoch drei Ritter erkennt, ist Parzival der Überzeugung, jeder von ihnen ist Gott. Aufgrund jener Annahme und der Tatsache, dass der Ritter Karnahkarnanz einen wunderschönen Waffenschmuck trägt, wirft sich der Junge vor den Männern auf den Boden. In dieser Situation trifft Herzeloydes Gotteslehre, dass der Schöpfer vom hellen Licht dargestellt wird, für Parzival zu. Natürlich ist seine kindliche und naive Schlussfolgerung, dass der Herrgott vor ihm steht, falsch. Jedoch kann man Parzival keinen Vorwurf machen. Viel mehr liegt das Problem bei der missverständlichen Gotteslehre von Herzeloydes und dem isolierten Leben in Soltane. Es ist auffällig, dass bei Textstellen in Wolframs Epos, die einen Gottesbezug thematisieren, sich die Erzählinstanz zurückzieht. Mit dieser Thematik beschäftigt sich Susanne Knaeble. Sie schreibt, dass sich in diesen Situationen die Erzählinstanz keineswegs als Herr über die Geschichte oder Figurenwelt ausgibt. Vielmehr tritt die Erzählinstanz personalisiert auf, wie in diesem Beispiel durch Herzeloyde. [Knaeble 2011: vgl. 298]

Auslöser-Gralsburg

Gründe für die Abwendung von Gott

Auf der Suche nach dem Gral trifft Parzival auf der Burg Munsalvaesche ein. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er nicht, in jenem Augenblick dem Gral so nahe zu sein, wie nie zuvor. Leider versäumt Parzival aufgrund seiner Unwissenheit, Anfortas die erlösende Frage zu stellen, die ihn zum Gral führen würde. Sigune, Parzivals Cousine klärt ihn später über sein Versäumnis bzw. seinen Fehler auf. Der junge Mann ist verärgert und sieht die Schuld bei Gurnemanz, welcher ihn nicht ausreichend gelehrt hat. Einige Zeit und viele Kämpfe später wird Parzival in die Artusgesellschaft aufgenommen. In einem Gespräch mit der Gralsbotin Cundrie erfährt Parzival seine Herkunft und dass er nun verflucht ist, weil er in der entscheidenden Situation auf Munsalvaesche versagt hat. Der Protagonist ist nach diesem Misslingen mit sich selbst und der Welt höchst unzufrieden.


332,1-7
Der Wâleis sprach ´wê waz ist got? Da sprach der Wâleise: „ Weh, was ist Gott?
wær der gewaldec, sölhen spot Wäre er doch nur ein großer Herr!
het er uns pêden niht gegebn, Er hätte uns beide nicht so zum Gespött gemacht,
kunde got mir kreften lebn. wenn er mit Macht zu herrschen wüsste.
ich was im diens undertân, Ich habe ihm immer treu gedient,
sît ich genâden mich versan. seit ich weiß, was das ist: die Huld des Herrn.
nu wil i´m dienst widersagn: Jetzt sage ich mich los von ihm.


Die Verdrossenheit Parzivals kommt in dieser Textstelle deutlich zum Ausdruck. Er realisiert aufgrund der deutlichen Darlegungen von Cundrie und Sigune nun selbst, wie nahe er dem Gral einst war. Parzival fühlt sich auf der Gralsburg eindeutig von Gott alleine gelassen und sagt, dass er sich dadurch zum Gespött gemacht hat. Ihm ist Gottes Verhalten unerklärlich, weil er sich nie etwas ihm gegenüber zu Schulden hat kommen lassen. Die Summation der geschilderten Gründe, führt zu der Lossagung vom Schöpfer. Der Auslöser der Lossagung ist somit das nicht-einschreiten Gottes in der dortigen Situation. Die Vorkommnisse auf der Gralsburg markieren erneut Parzivals tumpheit[[1]] und sein einfaches Weltbild. Die obige Textstelle ist auch ein Rückbezug zu Parzivals Kindheit in Soltane und zur Gotteslehre seiner Mutter. Denn auf der Seite 332,1 fragt Parzival: „ Weh, was ist Gott?“. Diese Frage stellte er auch als Kind seiner Mutter. Jene Fragestellung, die sich ausschließlich durch zwei unterschiedliche vorangestellte Ausrufe unterscheidet, verdeutlicht, dass Parzival aufgrund der Gotteslehre seiner Mutter noch immer nicht weiß, wer dieser Herr ist. Der Auszug 332,1-7 stellt den Protagonisten, wie damals als ein Kind in Soltane unwissend, weltfremd und verloren dar. Seine Abwendung zeigt auch, dass er bis dato nicht versteht, was die Funktion Gottes ist. Allerdings kann man Parzival hierbei nur zum Teil Vorwürfe machen, da seine tumpheit beispielsweise auch zu großen Teilen seiner Mutter zu verschulden ist. Ein interessanter Ansatz zur Gottesentfremdung führt auch Ranke in seinem Werk auf. Er schreibt, dass Wolfram sich im Parzival überwiegend mit dem Verhältnis des höfischen Ritters zu Gott beschäftigt. Das Versagen auf der Gralsburg veranschaulicht, welche fatalen Folgen die formale Erziehungskultur und „Höflichkeit“ für das Miteinanderleben haben kann. Denn in dieser Situation wird Parzival durch jenen Erziehungsstil aufgehalten. Dadurch wird laut Ranke seine Stimme im Herzen, dass Unmittelbare und Echte im Menschen zum Schweigen gebracht. Das Befolgen dieser starren, erlernten Regeln führt ihn zum Schluss zum Sturz, zur Verzweiflung und zur Gottesentfremdung. [Ranke 1953: 29] Die geschilderte Abwendung von Gott ist laut Knaeble ein typisches Beispiel, inwiefern sich religiöse Denkmuster im höfischen Erzählen festigen. Die inszenierte Beziehungslosigkeit der Helden von der höfischen Gesellschaft und ihre Reintegration sind bezeichnend für die Schöpfung eines Helden. Parzival durchläuft durch seine Lossagung von Gott und zum Teil auch mit einhergehend von der Gesellschaft dieses theoretische beschriebene Erzählmuster. Dadurch thematisiert der Epos mit diesem Auszug, ein religiöses Verfahren, welches sich als ein Muster im Bezug auf die Kulturspezifika des mittelalterlichen Textes gibt. [Knaeble 2011: vgl. 300] Aufgrund der geschilderten Situation wird den höfischen Rittern, in diesem Fall Parzival, eine paradoxe Identität zugewiesen. Zum einen wird ihm die providentielle Ordnung Gottes und zum anderen Kohärenz in den epischen Abläufen zugeteilt. Dadurch ist Parzival der Weg zum Heilbringer in seiner Bezugsgesellschaft und die Gewährung göttlicher Gnade als Geschlossenheit gegeben. [Knaeble 2011: vgl. 301]

Zeit der Gottlosigkeit

Seit der Abwendung von Gott ist Parzival alleine unterwegs und weiterhin auf der Suche nach dem Gral. Er möchte sich den Gral erkämpfen und ohne Gottes Gnade sein Ziel erreichen. Antriebskraft sind sein Ehrgeiz und das Mitleid für Anfortas. Es ist auffällig, dass der Protagonist nach der Abwendung von Gott im Werk in den Hintergrund tritt. Der Grund könnte ein mittelalterliches Bußemotiv sein. Denn damals musste sich der Sündige so lange von seinem Herrn fernhalten, bis jener ihm verzeiht. Ob das von Eschenbach gezielt so geschrieben wurde, oder ein Zufall ist bleibt offen. [Bumke 1991: 147 f.] Tatsache ist jedoch, dass Parzival in der Zeit vor und nach der Lossagung von Gott befleckt war bzw. ist. Die erste Sünde ist der Tod seiner Mutter, die Zweite das Schweigen auf der Gralsburg, die Dritte die Tötung Ithers in seiner gottlosen Zeit und die Vierte die Abwendung von Gott. Ein Ansatz ist, dass die erste Sünde Parzival die Worte auf der Gralsburg abgeschnitten hat und dadurch kommt es zu dieser unglücklichen Aufsummierung der Sünden. Angeblich hat Parzival fünf Jahre lang keine Kirche besucht und Gott in dieser Zeit auch vergessen. [Bumke 1991: 129] Nach einer längeren, intensiven Reise trifft Parzival erneut im Lager seiner Cousine Sigune ein und bekommt von ihr erneut den Weg zur Gralsburg erklärt. Schon nach kurzer Zeit verliert Parzival die Spur und ist sehr unglücklich darüber. Kurz darauf trifft er jedoch einen grauen Ritter und dessen Familie. Auch bei diesem beklagt er sich über Gott. Der graue Ritter rät ihm mitzukommen, denn er ist auf dem Weg zu einem Einsiedler, um Buße zu tun. Da Parzival an einem Karfreitag mit Waffen unterwegs ist, empfiehlt der graue Ritter ihm, mitzukommen. [Czerwinski 1989: 165] Trotz Parzivals Lossagung von Gott und der darauf resultierenden Bedeutungslosigkeit des Karfreitags, begleitet er den Ritter und seine Familie. Die Worte des Fremden bringen Parzival zum Nachdenken. Zum ersten Mal nach seiner Abwendung vom Herrn, denkt er wieder an jenen. (451,9 f.) Er sagt, dass heute vielleicht der Tag gekommen ist, an dem die Hilfe Gottes eintritt. Jene Aussage zeigt, dass Parzival nachdenklich wird, ob er mit seiner kompletten Lossagung und dem Alleingang richtig liegt. Eine innere Stimme sagt ihm, dass er Gott vielleicht noch mal eine Chance geben sollte. Denn mit seiner Distanzierung in den letzten Jahren war er bis dato nicht erfolgreicher.

Wendepunkt durch Trevrizent

Parzival kommt aufgrund des grauen Ritters am Karfreitag zu Trevrizent, seinem Oheim. Der Empfang ist freundlich und Parzival berichtet von seinem Sündenbekenntnis.


456, 29-30
„ Her, nu gebt mir rât: Mein Herr, jetzt helft mir,
ich bin ein man der sünde hât.“ ich bin ein Mann, der Sünden hat.“


Es ist das erste Mal, das Parzival selbst von einer Sünde spricht. Seine Aussage bzw. Einsicht ist von großer Bedeutung, denn es ist ein Anzeichen, dass er bemerkt, mit seiner Lossagung von Gott nicht mehr auf dem richtigen Weg zu sein. Es ist als Wendepunkt seiner Stellung gegenüber Gott zu werten. Parzival erzählt von seinem schweren Hass gegenüber Gott und sagt sogar, dass er einen Krieg gegen ihn führt. (461, 9). In intensiven Gesprächen ergründet Trevrizent die Ursachen von Parzivals Distanzierung gegenüber dem Herrn und führt ihn auf den Weg der Buße und Reue. Er belehrt ihn über Erbsünde, Gottes Barmherzigkeit, Treue und beschreibt ihn als Inbegriff der Liebe. Außerdem informiert ihn Trevrizent über die Geheimnisse des Grals und die Geschichte seiner Hüter. Im gleichen Zug rät er Parzival nicht nach dem Gral zu suchen. Man kann ihn nicht suchen, sondern kann nur zu ihm berufen werden. Von Trevrizent erfährt Parzival, dass der leidende Anfortas sein leiblicher Mutterbruder ist. Zusätzlich öffnet der Oheim Parzivals ihm die Augen für die Sünden, die er mit dem Tod der Mutter und Ithers auf sich genommen hat. Bei Parzivals Eintreffen am Karfreitag bei Trevrizent führt jener Waffen mit sich. Daraufhin spricht der Oheim von Hochmut und trifft den zentralen Punkt. Trevrizent fordert Parzival zum Aufruf der Demut aufgrund seines Hochmuts des Gotteshasses auf. Vierzehn Tage lang teilt Parzival das asketische Leben Trevrizents. Durch das Empfangen des heiligen Abendmals am Ostersonntag scheidet Parzival frei von Sünden. Danach geht er von ihm als ein innerer Gewandelter. [Bumke 1991: 91f.] Dass sich ein Wendepunkt in Parzivals Glaubensverlauf vollstreckt, unterstreicht zusätzlich die Textstelle, in der er sagt, dass er seit seinem Aufbruch bei Trevrizent, fest auf Gott vertraut (741, 25).

Parzival kommt zu Trevrizent (UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 339, Bd. 2, Bl. 335r.)

Nun stellt sich die Frage, inwieweit gewisse Handlungsschemata auf das höfische Erzählen von Gott zurückzuführen sind. Dabei schreibt Knaeble von den Koinzidenzien. Im Höfischen und Religiösen sind Koinzidenzien Augenblicke im Textverlauf, in denen im höfischen Erzählen ein Paradoxon als Thema erörtert wird. Dadurch wird die Frage aufgeworfen, wie der Text mit dem Dilemma „Erzählinstanz oder Gott“ umgeht und wie die Beobachterposition besetzt wird. Knaeble beschreibt die Bewegungsposition folgendermaßen: „Dabei handelt es sich zum einen um die Nutzung der Möglichkeit zur Auslagerung an das religiöse System, bei welcher über religiöse Semantisierung ein Verweis auf Gott als dem besonderen, selbst paradoxen Beobachter geleistet wird, der in seiner Funktion als Kontingenzformel den Umgang mit der Paradoxie erlaubt.“ [Knaeble 2011: 298] Der Textabschnitt, indem Parzival bei Trevrizent ist und es viele religiöse Gespräche gibt, ist folgende Bewegungsrichtung des Erzählens auffällig: Die Erzählinstanz zieht sich zurück und überträgt diese Aufgabe auf die Figurenwelt. [Knaeble 2011:vgl. 298] Religiöse Äußerungen über den Schöpfer werden erkennbar und symptomatisch auf die Figurenebene verlagert. Ein sehr gutes Beispiel im Epos für dieses Erzählverhalten sind Trevrizents theologischen Äußerungen, Belehrungen und Deutungen. In jenem Abschnitt wird die Figur des Trevrizent und seine religiösen Botschaften bewusst von der Erzählinstanz inszeniert und in den Vordergrund gestellt. [Knaeble 2011:vgl. 299]

Rückkehr zum christlichen Glauben

Bevor Parzival den Weg zurück zum Schöpfer findet, reist er lange Zeit auf ruhelosen Irrfahrten einsam durch die Länder. Ranke ist der Meinung, dass erst der ritterliche Einsiedler Trevrizent mit seiner gründlichen Lehrrede über das Wesen Gottes und den Sündenfall der Menschheit erheblich zu Parzivals Rückkehr zum christlichen Glauben beiträgt. [Ranke 1953: vgl. 29] Dieser erklärt ihm die Dimension der Verstricktheit des Individuums in Sünde und Schuld. Zusätzlich spricht er über die Größe der Liebestat des leidenden Heilands, der seinen Ritterhochmut zurechtweist und sein Mitleiden und zugleich seinen angespannten Willen des Gralssuchers aufsucht. Erst dadurch wird Parzival innerlich reif, durch die von Gottes Rat zugedachte Krönung seines Strebens. Nach langem Kämpfen erreicht Parzival endlich das Gralskönigtum. [Ranke 1953: 30] Die Rückkehr zum Glauben wird für Parzival mit der Berufung zum Gral gekrönt. Als Cundrie ein zweites Mal erscheint, verkündet sie ihm diese freudige Botschaft: „ Wohl dir, Sohn des Gahmuret, Gott will dir jetzt gnädig werden.“ (781, 1-3) Dadurch wird Parzival von der nimmersatten Gier auf der Suche nach dem Gral befreit und bekommt gleichzeitig auch seinen hart erkämpften Seelenfrieden. Parzival ist von dieser Nachricht sehr gerührt und sagt auch, dass Gott nun sehr wohl an ihm durch diese Berufung getan hat. Bis zum Ende des Epos bleibt Parzival dem christlichen Glauben und Gott treu.

Anmerkungen

  1. Folgender Artikel dient zum besseren Verständnis von Parzivals Glaubensverlauf: Mutter-Sohn-Beziehung (Herzeloyde-Parzival)
  2. Um einen groben Gesamtüberblick zu erhalten, eignet sich folgender Artikel: Inhaltsangabe "Parzival" (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
  3. Vgl.: Parzivals Erziehung durch Herzeloyde und ihre Folgen (Wolfram von Eschenbach, Parzival)


Weitere ähnliche und ergänzende Artikel zu Parzivals Glaubensverlauf:
siehe auch: Die Lehren Herzeloydes
siehe auch: Parzivals Gotteszweifel
siehe auch: Religion im Parzival
siehe auch: Das Gottesbild Parzivals

Fazit

Nach einer ausführlichen Auseinandersetzung mit Parzivals Glaubensverlauf in den unterschiedlichen Phasen im Epos sollte nun ein abschließendes Resümee gezogen werden. Parzival wird in Soltane von Herzeloyde über Gott belehrt. Die Beschreibung, der Mutter, dass Gott heller ist als die Sonne, vermittelt dem Jungen ein sehr naives und einfaches Bild vom Schöpfer. Mit dieser Erklärung verlässt er kurz darauf seine Mutter. Im weiteren Verlauf der Handlung trifft Parzival auf der Gralsburg ein und ist dem Gral so nahe, wie nie zuvor. Allerdings versäumt er es, die Frage zu stellen, die ihn zum Gral gebracht hätte. In dieser Situation ist Parzival zum ersten Mal in einem inneren Konflikt mit Gott. Aufgrund seines Verständnisses über Gott ist ihm unerklärlich, weshalb dieser ihn auf der Gralsburg im Stich gelassen hat und dadurch gleichzeitig zum Gespött gemacht hat. Diese Situation ist der Auslöser für Parzivals Abwendung von Gott. Eschenbach schreibt im Epos, dass Parzival ungefähr fünf Jahre abgewendet von Gott lebt. In diesen Jahren betritt er kein einziges Mal eine Kirche, ist aber weiterhin auf der verbitterten Suche nach dem Gral. Durch Parzivals Treffen des grauen Ritters am Karfreitag begleitet er jenen zum Einsiedler Trevrizent. Der Einsiedler führt Parzival durch zahlreiche Gespräche wieder auf den Weg der Buße und Reue. Die Begegnung des grauen Ritters und die anschließenden Gespräche mit Trevrizent stellen den Wendepunkt in Parzivals Glaubensverlauf dar. Das Epos endet, indem Parzival zum Gralskönig ernannt wird. Zu Beginn des Artikels wurde außerdem die Frage gestellt, inwieweit sich das göttliche Wirken und das höfische Erzählen von Gott im Parival auswirken. Es sollte kritisch hinterfragt werden, inwiefern der Inhalt des Epos gezielt an die Kriterien des höfischen Erzählens angepasst werden. Der Unterpunkt „ Abwendung von Gott“ thematisiert das religiöse Denkmuster im höfischen Erzähler. Demnach ist laut Knaeble Eschenbachs Erzählmuster bzw. Parzivals Glaubensverlauf ein typisches Beispiel für mittelalterliche Werke. Die Abwendung von Gott, bzw. die Isolation Parzivals von der Gesellschaft und später die Reintegration durch die Ernennung zum Gralskönig sind gefestigte Bestandteile des höfischen Erzählens. Durch diesen Handlungsablauf wird die Schöpfung des Helden erst bezeichnend. Insgesamt kann im Werk Parzival von einer multiperspektivischen und polysemantisierenden Erzählkonzeption gesprochen werden, die das Verfolgen von Kunst und Religion mit ihrer transzendenten und immanenten Ausrichtung zulässt.[Knaeble 2011]:vgl. 300 Die Aussagen Trevrizents und gleichzeitig Parzivals Erleben erhalten keinen auffälligen Wertungshorizont. Abschließend sollte festgehalten werden, dass durch das höfische Erzählen von Gott und dessen Wirken schon zu Beginn des Epos ein Erzählmuster des Protagonisten Parzivals im Handlungsverlauf vorgegeben ist. Durch dieses Muster lässt sich auch Herzeloydes Gotteslehre ein Stück weit erklären. Denn ihre triviale Gotteslehre ist später mitunter ein Auslöser für Parzivals Abwendung von Gott und den damit vorgesehene Verlauf des Epos.

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.


Sekundärliteratur

<HarvardReferences />


[*Bumke 1991] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, Stuttgart/Weimar: J.B. Metzler 1991.

[*Czerwinski 1989] Czerwinski, Peter: Der Glanz der Abstraktion. Frühe Formen von Reflexivität im Mittelalter, Frankfurt/ New York: Campus 1989.

[*Haas 1964] Haas, Alois, M.: Parzivals Tumpheit bei Wolfram von Eschenbach, Berlin 1964 (Philologische Studien und Quellen 21).

[*Knaeble 2011] Knaeble, Susanne: Höfisches Erzählen von Gott. Funktion und narrative Entfaltung des Religiösen in Wolframs Parzival, Berlin/ New York: Walter de Gruyter 2011.

[*Ranke 1953] Ranke, Friedrich: Gott Welt und Humanität. In der deutschen Dichtung des Mittelalters, Basel: Benno Schwabe und Co. 1953.