Belacane (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
K (Textersetzung - „<HarvardReferences />“ durch „“) |
||
Zeile 136: | Zeile 136: | ||
=Literaturangaben= | =Literaturangaben= | ||
Althoff, Gerd: Verwandte, Freunde und Getreue: zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter, Darmstadt 1990. [*Althoff 1990] | Althoff, Gerd: Verwandte, Freunde und Getreue: zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter, Darmstadt 1990. [*Althoff 1990] | ||
Aktuelle Version vom 19. April 2024, 16:00 Uhr
Die zentrale Frauenfigur des ersten Buches des Parzivals von Wolfram von Eschenbach ist die Mohrenkönigin Belacane von Zazamanc. Der Ritter Gahmuret trifft durch einen Sturm geleitet in ihrer Stadt ein, während diese gerade schwer belagert wird. Das Motiv für die Belagerung ist Rache für den verstorbenen Helden Isenhart, welcher angeblich durch die Schuld der Belacane getötet worden war. In ihrer Not engagiert sich die junge Königin sehr für die Hilfe des berühmten Ritters Gahmuret und durch seine unglaubliche Kampfesstärke können die wichtigsten ihrer Feinde geschlagen und die Belagerung somit beendet werden. Aus Dank dafür wird Gahmuret zum König von Zazamanc gekrönt und der Ehemann der heidnischen Belacane. Nach einer gewissen Zeit in ihrem Reich zieht es ihn jedoch wieder hinaus in die Ferne, um Abenteuern und Kämpfen entgegenzutreten und so verlässt er Belacane heimlich. In einem Abschiedsbrief schiebt er ihre heidnische Herkunft und Religion, die ihn bis dahin jedoch nicht gestört hatten, als Gründe vor. Belacane war zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger und erwartete ihr gemeinsames Kind, den elsterngleichen Halbbruder Parzivals, Feirefiz.
Beschreibung bei Wolfram
Auftreten und Aussehen
Wolfram beschreibt die schwarze und heidnische Belacane, die sicherlich nicht dem Schönheitsideal der Zeit Wolframs entspricht, als sehr schön. Er hebt ihre Fremdheit positiv hervor und erhebt sie über viele andere Frauen (28,10-17). Sie wird vom Auftreten her stets als "küneginne riche | große Königin" (23,22) beschrieben und ihre Handlungen sind zumindest am Anfang sehr zielgerichtet. Sie nutzt ihre Schönheit und Keuschheit um Gahmuret für ihre Zwecke zu gewinnen und hat damit auch Erfolg (24,16-20). Später verliert sie sich immer mehr in ihrer Zuneigung zu Gahmuret und büßt dadurch einen Teil ihrer Selbstsicherheit ein, bis sie schließlich voller Kummer über Gahmurets Abreise ist (56,28-57,14).[Noltze 1995: S. 112]
Reaktionen der Umwelt
Belacane selbst hat einerseits Zweifel, ob Gahmuret sie wegen ihrer Hautfarbe nicht abstoßend finden würde und andererseits, ob ihre Vasallen Gahmuret als möglichen neuen Herren akzeptieren würden (22,8-14). Dadurch zeigt sie auf, dass diverse Differenzen durchaus existent sind. Jedoch zerschlagen sich beide Bedenken sehr schnell, denn Gahmuret fühlt sich zugleich zu ihr hingezogen und auch ihre eigene Umgebung reagiert nicht negativ auf die unterschiedlichen Hautfarben, ganz im Gegenteil erwählen ihre Fürsten Gahmuret sogar schnell zu ihrem Hauptmann (24,29-25,1). Auch im späteren Verlauf der Belagerung, als Gahmuret eine Aussöhnung herbeiführt, wird sie von den weißen, christlichen Königen und Fürsten genauso behandelt wie eine der Ihrigen und küsst und versöhnt sich so mit ihren Angreifern (48,1-5).
Belacanes Beziehung zu Isenhart
Vorgeschichte
Vor dem Eintreffen Gahmurets hat Belacane bereits eine bewegende Geschichte hinter sich, diese wird im 1. Buch des Romans durch Belacane und ihre Leute selbst erläutert. Sie berichtet von ihrem geliebten Isenhart, dem König von Azagouc, der um sie geworben hatte und viele ritterliche Taten in ihrem Namen vollbracht hatte. Doch in ihrer mädchenhaften Scham wollte Belacane sich ihm nicht so bald hingeben und so hatte sie ihn vor immer weitere Questen gestellt, um seine Mühen, aber auch ihre Leiden der Sehnsucht weiter zu verlängern.
nu hât mîn schamndiu wîpheit | Nun hat meine mädchenhafte Scham |
sîn lôner erlenget und mîn leit. | die Zeit bis zur Belohnung immerfort gesteckt und auch meine Leiden. |
(27,9-10)
In diese Questen hatte sich Isenhart immer weiter hineingesteigert, bis es ihn schlussendlich sein Leben gekostet hatte:
dem helde erwarp mîn magetuom | So brachte meine Jungfernschaft, |
an rîterschefte manegen ruom. | dem Helden viel Ehre ein in Ritterkämpfen. |
do versuocht i'n, ober kunde sîn | Da stellte ich ihn dann auf die Probe, ob er |
ein friunt. daz wart vil balde schîn. | mein Geliebter sein könne. Das wurde schnell offenbar: |
er gap durh mich sîn harnas | Seine Rüstung schenkte er, um mir zu gefallen |
enwec, daz als ein palas | weg, und alles Kriegsgerät, auch das, was |
dort stêt (daz ist ein hôch gezelt: | dort steht wie eine Burg, es ist ein hohes Zelt: |
daz brâhten Schotten ûf diz velt). | Die Schotten brachten es auf dieses Feld. |
dô daz der helt âne wart, | Als der Held nun ohne Rüstung war, |
sin lîp dô wênic wart gespart. | so wurde erst recht der Leib nicht viel geschont. |
das lebens in dâ nâch verdrôz, | Das Leben war ihm da fast widerwärtig, |
mange âventiure suohter blôz. | vielen Abenteuern bot er die bloße Brust. |
dô ditz alsô was, | Als dies so war, |
ein fürste (Prôthizilas | da ritt einmal ein Fürst- Prothizilas |
der hiez) mîn massenîe, | hieß der, mein Lehensmann, |
vor zageheit der vrîe, | er kannte keine Feigheit - |
ûz durch âventiure reit, hinaus auf Abenteuer: | hinaus auf Abenteuer: |
dâ grôz schade in niht vermeit. | Da gab ein schlimmes Unglück, das verfehlte ihn nicht. |
zem fôrest in Azagouc | Im Wald von Azagouc |
ein tjost im sterben niht erlouc, | log diese Tjost nicht, die ihm vom Sterben sprach. |
die er tet ûf einem küenen man, | Die zielte er auf einen kühnen Mann, |
der ouch sîn ende aldâ gewann. | Der auch an diesem Ort sein Ende fand, |
daz was mîn friunt Isenhart. | das war mein Geliebter Isenhart. |
ir ieweder innen wart | Jeder von den beiden musste |
eines spers durh schilt und durh den lîp. | ein Speereisen fühlen, das fuhr durch den Schild und durch den Leib. |
(27,11-28,5)
Durch seine Liebe zu Belacane war der König Isenhart also umgekommen und wegen ihrer indirekten Beteiligung an seinem Tod, hatten seine Verwandten und Vasallen sie belagert. Belacane selbst hat ein sehr schlechtes Gewissen deshalb. Zwar streitet sie die Schuld an Isenharts Tod, im Sinne der Angreifer, ab (27,1-2), jedoch bereut sie ihre vermeintliche Dummheit, sein Werben überhaupt zugelassen zu haben (26,26-28).
Schuldfrage
Isenharts Rächer werfen Belacane vor, sie habe den Tod ihres Geliebten hervorgerufen und verdiene deswegen die Rache. Belacane selbst streitet ihre Schuld jedoch ab. Auch wenn im Roman gar nicht weiter danach gefragt wird, ob Belacane nun Schuld am Tod des Isenhart trägt oder nicht, scheint diese Frage doch interessant. Einerseits muss klar gesehen werden, dass der konkrete Auslöser seines Todes das unberüstete Kämpfen in den Wäldern von Azagouc gewesen war. Diese Kämpfe hatte er als Minnedienst für seine Erwählte angetreten. Seine Rüstung hatte er dabei abgelegt, weil sie immer mehr und mehr Prüfungen von ihm gefordert hatte und ein normales Tjostieren deswegen nicht mehr genug war, um weitere Ehre zu gewinnen. Auch dieser Fakt ist demnach ausschließlich Belacane zuzuordnen. Den tödlichen Tjost hatte Prôthizilas, ein Vasall der Belacane, geführt, jedoch nicht in ihrem Auftrag oder Namen, sondern lediglich durch seine eigene Kampfeslust und seinen Drang nach Ruhm und Ehre. Der Kampf war also von beiden Kontrahenten hervorgerufen worden, auch wenn sie Isenhart dazu gebracht hatte, die Kämpfe generell zu suchen. Ihre Aktivitäten bei Isenharts Tod waren also das Zulassen seines Minnestrebens, auch wenn dies ihn in Gefahr gebracht hatte, und darüber hinaus die endlosen Prüfungen, die sie ihm auferlegt hatte. An seinem direkten Tod war sie nur durch diese beiden Fakten beteiligt gewesen, da sie Prôthizilas keinen Auftrag oder Ähnliches gegeben hatte. Erläuternd muss aber hinzugefügt werden, dass das Kämpfen um Minne zu gewinnen, auch mit dem möglichen eigenen Tod, in der Parzivalswelt durchaus nicht sehr ungewöhnlich ist. Die Ritter suchen dieses Risiko eigenständig, wenn sie sich den Konventionen der Werbung anschließen. Es gibt einige andere Ritter, die ebenso im Dienste der Minne den Tod gefunden haben, wie Ilinot (586,10), Schianatulanders oder Frimutel (474,10-13). Abschließend kann also gesagt werden, dass Isenhart seinen Tod selbst herbeigeführt hatte, in dem er sich diesen stets wachsenden Herausforderungen nicht entzog. Belacane hatte keine Intention, ihn in den Tod zu schicken, wie sie es selbst schon gesagt hatte, war es wie ein Unfall. Sie war also an Isenharts Tod nur durch die Intensivierung ihrer Prüfungen beteiligt, hat ihn aber weder direkt herbeigeführt, noch gewollt. Die Anschuldigungen der Angreifer sind also nicht haltbar. Verantwortlich für den Tod des Isenharts sind vielmehr die Art und Weise des Minnewerbens, die ihm sein Stand vorgegeben hatte, seine eigene Ergebenheit bis in den Tod und Belacanes mädchenhafte Scham. Die Belagerung von Pâtelamunt ist aus Sicht der Angreifer aber auf jeden Fall notwendig, ihre verwandtschaftliche Pflicht zwingt sie dazu, Isenhart zu rächen und für sie ist Belacanes Unschuld nicht ersichtlich.[Althoff 1990: S. 78][Delabar 1990: S.133]
Belacanes Beziehung zu Gahmuret
Handlungsverlauf
Gahmures Handlungen in Zazamanc sind hier hervorragend erläutert. Seine Beziehung zu Belacane nimmt während seiner Befreiung der Stadt einen starken und gefühlsintensiven Verlauf, der den beiden eine erfüllte, aber kurze Ehe verschafft. Besonders gut werden Belacanes Gefühle bereits beschrieben, als sie Gahmuret das erste Mal sieht: (23,22-28)
der küneginne rîche | Der Königin, der großen Dame, |
ir ougen fuogten hôhen pîn, | brachten ihre Augen hohen Schmerz, |
dô si gesach den Anschevîn. | als sie den Anschevîn erblickte. |
der was sô minneclîche gevar, | Man musste ihn lieben, wenn man ihn sah |
daz er entslôz ir herze gar, | und also schloss er ihr Herz ganz auf - |
es waere ir liep oder leit: | ob es ihr süß war oder weh, sie konnte nicht anders. |
daz beslôz dâ vor ir wîpheit. | Früher hatte mädchenhafte Schüchternheit es immer verschlossen gehalten. |
Parallelen zu Isenhart
Belacanes letzter Geliebter war der König Isenhart, wie Gahmuret war auch er ein herausragender Vertreter der Ritterschaft und ein großer Kämpfer. Da Gahmuret so aufällig alle Aspekte des Isenhart übernimmt und ihn so weit beerbt, könnte man nach Parallelen, im Verhältnis zu Belacane, zwischen den zwei Recken suchen. Jedoch zeigt hier bereits ein kurzer Blick, dass eine Vergleichbarkeit kaum besteht: Isenhart scheitert an den immensen Prüfungen der Belacane und wohl aufgrund dieser schlechten Erfahrungen lässt sie bei Gahmuret alles sehr schnell geschehen und verlangt nach ihrer Rettung keine weiteren Taten. Zwar scheint die emotionale Grundlage dieselbe zu sein, sie hat beide Kämpen ausgesprochen gern, jedoch bestehen auch viele der weiteren Besonderheiten zu ihrer Beziehung mit Gahmuret bei Isenhart nicht, allen voran die unterschiedlichen Hautfarben und Religionen.
Trennung
Nach einer gewissen Zeit bei Belacane sehnt sich Gahmuret wieder so sehr nach Abenteuern, dass er kurzerhand heimlich flieht (54,17-55,16). Er hinterlässt seiner Frau einen Brief, in dem die Begründung angegeben ist, er könne nicht bei ihr bleiben, da sie keine Christin sei und käme möglicherweise zurück, wenn sie sich taufen ließe (56,25-26). Dieser Grund ist jedoch offensichtlich vorgeschoben und Gahmuret hält seine Sehnsucht nach Abenteuern nicht mehr aus (54,17-20). Eine genaue Analyse des Briefes und der Gründe dazu findet sich hier.
Vergleichbarkeit mit Herzeloyde
Eine mögliche Vergleichbarkeit der Liebesbeziehungen ist hier sehr gut dargestellt. Das Fazit daraus jedoch ist, dass Herzeloyde und Belacane in ihrer Beziehung zu Gahmuret zwar grundsätzlich vergleichbar sind und auch einige offensichtliche Gemeinsamkeiten haben, die Beziehung selbst jedoch eine andere ist. Herzeloyde klagt sich Gahmurets Liebe und Ehe geradezu ein, obwohl er sie gar nicht wirklich möchte. Sie führen eine zwar als glücklich beschriebene Ehe, jedoch wird hierbei nicht weiter auf Liebe eingegangen (100,8-14). Mit Belacane hat Gahmuret jedoch eine geradezu romantische Beziehung, sie ist zwar nur von kurzer Dauer, in dieser Zeit wird sie jedoch als sehr intensiv beschrieben und auch nach Gahmurets fluchtartiger Abreise lässt ihn die Zeit mit Belacane nicht so schnell los (61,8-12).
Feirefiz
Das Erbe der Belacane
Feirefiz ist der Sohn der Belacane und des Gahmuret. Gahmuret weiß bei seiner Flucht bereits von Belacanes Schwangerschaft und schreibt seinem Sohn einige Zeilen über seine Abstammung in den Abschiedsbrief an Belacane (55,28-56,24). Dieser Sohn, Feirefiz, wird sein Nachfolger als König von Zazamanc und Azagouc. Seine Existenz wird zuerst von Cundrîe (317,3-10) und danach von Belacanes Tante Ekuba erwähnt (328,3-329,10). Beide betonen seine große Macht als König von Azagouc und Zazamanc und seine große Ritterlichkeit. Feirefiz wird als Gegner, Freund und Bruder des Parzival eine wichtige Rolle im folgenden Roman spielen. Die Details dazu finden sich hier und sein Verhältnis zu Parzival wird hier gut erklärt. Feirefiz Ehe mit Repanse de Schoye und ihr gemeinsamer Sohn Johan führen das Blut der Belacane von Zazamanc auch über den Parzival hinaus weiter.
Literaturangaben
Althoff, Gerd: Verwandte, Freunde und Getreue: zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter, Darmstadt 1990. [*Althoff 1990]
Delabar, Walter: Erkantiu sippe unt hoch geselleschaft. Studien zur Funktion des Verwandtschaftsverbandes in Wolframs von Eschenbach Parzival, Göppingen 1990. [*Delabar 1990]
Noltze, Holger: Gahmurets Orientfahrt: Kommentar zum ersten Buch von Wolfram 'Parzival' (4,27-58,26), Würzburg 1995. [*Noltze 1995]
Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.