Liebestod: Unterschied zwischen den Versionen

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Jedoch darf man nicht davon ausgehen, dass die Ästhetik des Mittelalters so zu verstehen ist wie heute. Sie bildet nicht etwa ein in sich abgeschlossenes System des Ästhetischen, ist also nicht ein Begriff über den verhandelt wird, sondern spiegelt sich in theologischen, philosophischen und rhetorischen Diskursen, in denen Fragen der Manifestation des Göttlichen im Irdischen geklärt werden.[Kiening: S. 174] Oftmals sind es eben die oberflächigen Ebenen, also alles Sinnliche, Wahrnehmbare, worin sich die Ästhetik manifestiert. Eine diskursive Metaebene ist in der mittelalterlichen Literatur für die Verortung der Ästhetik noch nicht von Nöten. Auch der Liebestod stellt eine solche Oberfläche dar. Durch ihn werden (wie weiter unten im Einzelnen betrachtet werden wird) spezifische Arten von Liebe, Konflikte des lebendigen Menschen mit der höfischen Idealgesellschaft und Spannungsverhältnisse zwischen Personen verarbeitet und erst ästhetisch verpackt. Erst viel später in neuzeitlicherer Literatur wird der Liebestod zur Allegorie, zum Abstraktum. Für Richard Wagner stellt das Motiv des Liebestods, das er in seiner Oper "Tristan und Isolde" verarbeitet, beispielsweise eine philosophische, ja metaphysische Ideologie dar, die schon nicht in Worte zu fassen, kaum noch in Musik zu fassen ist. Bei Wagner wird der Tod zum transzendenten Erlösungserlebnis, der in Gottfrieds von Straßburg ausschließlich Ausdruck innigster Verbundenheit und unzerbrechlicher emotionaler Liebe bleibt. Das Konzept des Liebestods bleibt eine in den Tod mündende Liebe, die nur solange Ausdruck besitzt, wie sich die Liebenden mitteilen können - alles was danach kommt, bleibt im Verborgenen und kann nur erhofft werden.
Jedoch darf man nicht davon ausgehen, dass die Ästhetik des Mittelalters so zu verstehen ist wie heute. Sie bildet nicht etwa ein in sich abgeschlossenes System des Ästhetischen, ist also nicht ein Begriff über den verhandelt wird, sondern spiegelt sich in theologischen, philosophischen und rhetorischen Diskursen, in denen Fragen der Manifestation des Göttlichen im Irdischen geklärt werden.[Kiening: S. 174] Oftmals sind es eben die oberflächigen Ebenen, also alles Sinnliche, Wahrnehmbare, worin sich die Ästhetik manifestiert. Eine diskursive Metaebene ist in der mittelalterlichen Literatur für die Verortung der Ästhetik noch nicht von Nöten. Auch der Liebestod stellt eine solche Oberfläche dar. Durch ihn werden (wie weiter unten im Einzelnen betrachtet werden wird) spezifische Arten von Liebe, Konflikte des lebendigen Menschen mit der höfischen Idealgesellschaft und Spannungsverhältnisse zwischen Personen verarbeitet und erst ästhetisch verpackt. Erst viel später in neuzeitlicherer Literatur wird der Liebestod zur Allegorie, zum Abstraktum. Für Richard Wagner stellt das Motiv des Liebestods, das er in seiner Oper "Tristan und Isolde" verarbeitet, beispielsweise eine philosophische, ja metaphysische Ideologie dar, die schon nicht in Worte zu fassen, kaum noch in Musik zu fassen ist. Bei Wagner wird der Tod zum transzendenten Erlösungserlebnis, der in Gottfrieds von Straßburg ausschließlich Ausdruck innigster Verbundenheit und unzerbrechlicher emotionaler Liebe bleibt. Das Konzept des Liebestods bleibt eine in den Tod mündende Liebe, die nur solange Ausdruck besitzt, wie sich die Liebenden mitteilen können - alles was danach kommt, bleibt im Verborgenen und kann nur erhofft werden.
Ebenso kann sich die Ästhetik der vormodernen Zeit im gegenseitigen Wechselspiel zwischen materialisierender und spiritualisierender Dimension manifestieren . Gerade weil der Sinn der Gesellschaft stärker an Materialitäten und Körpern haftet, entwickelt sie eine Hermeneutik, die sich gerade der Aufhebung des Körperlichen und Materiellen widmet[Kiening: S. 192]. Für den Liebestod bedeutet dies, dass sich durch das Sterben alles Materielle auflöst und eine spirituelle Welt hinter dem Tod denkbar wird. Allerdings nur denkbar, sie bleibt christliche Fiktion, wogegen bei den Figuren Wagners Gewissheit über das Sein nach dem Tod herrscht.
Ebenso kann sich die Ästhetik der vormodernen Zeit im gegenseitigen Wechselspiel zwischen materialisierender und spiritualisierender Dimension manifestieren . Gerade weil der Sinn der Gesellschaft stärker an Materialitäten und Körpern haftet, entwickelt sie eine Hermeneutik, die sich gerade der Aufhebung des Körperlichen und Materiellen widmet[Kiening: S. 192]. Für den Liebestod bedeutet dies, dass sich durch das Sterben alles Materielle auflöst und eine spirituelle Welt hinter dem Tod denkbar wird. Allerdings nur denkbar, sie bleibt christliche Fiktion, wogegen bei den Figuren Wagners Gewissheit über das Sein nach dem Tod herrscht.
==Liebestod vs. Selbstmord==
==Liebestod vs. Selbstmord==
Gerade das spirituelle Moment am Liebestod ist ganz wesentlich. Im Liebestod kann das Christentum mit dem Tod als Ausweg in Einklang gebracht werden. Für die Charaktere des mittelalterlichen Romans stellt der Selbstmord keine Option dar. Der Liebestod als Versagen der körperlichen Kräfte aus Schmerz über den Verlust der Liebe, stellt eine Möglichkeit dar, sich von dem Leiden an der Welt freizumachen und kann dann als verhinderter Selbstmord gelesen werden [Ridder: S. 320]. Gerade im Artusroman sind Selbstmordgedanken durchaus präsent, man betrachte den Iwein Hartmanns von Aue, der in der Wildnis dem Wahnsinn verfällt und kein ehrenvolles Menschenleben mehr führt. Durchgesetzt wird die Idee der Selbstentleibung jedoch nicht. Umgangen wird der Selbstmord allerdings nicht durch den Liebestod, sondern durch einen neuen rehabilitierenden âventiure-Weg.
Gerade das spirituelle Moment am Liebestod ist ganz wesentlich. Im Liebestod kann das Christentum mit dem Tod als Ausweg in Einklang gebracht werden. Für die Charaktere des mittelalterlichen Romans stellt der Selbstmord keine Option dar. Der Liebestod als Versagen der körperlichen Kräfte aus Schmerz über den Verlust der Liebe, stellt eine Möglichkeit dar, sich von dem Leiden an der Welt freizumachen und kann dann als verhinderter Selbstmord gelesen werden [Ridder: S. 320]. Gerade im Artusroman sind Selbstmordgedanken durchaus präsent, man betrachte den Iwein Hartmanns von Aue, der in der Wildnis dem Wahnsinn verfällt und kein ehrenvolles Menschenleben mehr führt. Durchgesetzt wird die Idee der Selbstentleibung jedoch nicht. Umgangen wird der Selbstmord allerdings nicht durch den Liebestod, sondern durch einen neuen rehabilitierenden âventiure-Weg.
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Gerade in diesem Gebot erfüllt sich doch letztendlich der Liebestod. Das göttliche Gesetz wird nicht verletzt, der Protagonist macht sich nicht an sich und Gott schuldig, wie etwa beim Selbstmord und die Verbundenheit zweier Seelen, die eigene und die des "Nächsten", wird immanent durch den Tod mit und für den Partner in vollkommener Liebe.  
Gerade in diesem Gebot erfüllt sich doch letztendlich der Liebestod. Das göttliche Gesetz wird nicht verletzt, der Protagonist macht sich nicht an sich und Gott schuldig, wie etwa beim Selbstmord und die Verbundenheit zweier Seelen, die eigene und die des "Nächsten", wird immanent durch den Tod mit und für den Partner in vollkommener Liebe.  
==Motivationen des Liebestods im Tristan==<ref>
 
==Motivationen des Liebestods im Tristan<ref>
Zitationen aus dem Tristan-Text sind zu finden in: Gottfried von  Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach  dem Text von    Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem  Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Stuttgart  2007-2008. (RUB 4471-4473).  
Zitationen aus dem Tristan-Text sind zu finden in: Gottfried von  Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach  dem Text von    Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem  Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Stuttgart  2007-2008. (RUB 4471-4473).  
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Im Tristan-Roman von Gottfried von Straßburg, bzw. in dessen vollendenden Fortsetzungen sind drei verschiedene den Liebestod motivierende Momente von Bedeutung. Diese werden hier erläutert. Doch zuerst muss ein Blick auf die Liebestode von Tristan und Isolde geworfen werden, allerdings kann dazu nicht Gottfrieds Text herangezogen werden, der von Gottfried selbst nie fertig geschrieben wurde, sondern die Fortsetzungen von Ulrich von Türheim und Heinrich von Freiberg: Dort stirbt der verwundete Tristan, nachdem ihm gesagt wurde, dass Isolde, die er verlassen hatte, um ihre Ehre zu retten, nicht kommen werde, um ihn zu heilen. Was geht in Tristan aber genau vor? Zum einen stirbt er an der Wunde, die ihm geschlagen wurde, aber noch tötlicher muss der Schmerz sein darüber, dass Isolde vermeintlich nicht kommen wird, sie sich von ihm abgewendet haben soll, weil er Isolde Weißhand ehelichte. Es ist also zu mindesten gleichen Teilen auch das verlorene Liebesglück und der damit verbundene Liebesschmerz verantwortlich für Tristans verscheiden. Wir halten also fest, dass Tristan den Liebestod stirbt. Als nun Isolde den toten Tristan erblickt, bricht ihr Herz und sie will nur noch sterben. Sie findet nämlich keine Möglichkeit über seinen Tod hinweg zu kommen, wohl aber die Möglichkeit ihm zu folgen. Dieser Aspekt rückt ihr Sterben nah an den Freitod heran; da sie aber am gebrochenen Herzen stirbt, muss ihr Tod als Liebestod gelesen werden. Im beidseitigen Sterben, in Trauer umeinander, löst sich jede Grenze auf, die das Paar von einander trennte. Die Grenze der Geschlechtlichkeit, der fleischlichen Hülle und gesellschaftlichen Norm. Die Vereinigung in ewiger Liebe vollzieht sich und nicht zuletzt deswegen, weil sie in der Erinnerung der Gesellschaft als absolutes Liebespaar ewig weiter existieren.  
Im Tristan-Roman von Gottfried von Straßburg, bzw. in dessen vollendenden Fortsetzungen sind drei verschiedene den Liebestod motivierende Momente von Bedeutung. Diese werden hier erläutert. Doch zuerst muss ein Blick auf die Liebestode von Tristan und Isolde geworfen werden, allerdings kann dazu nicht Gottfrieds Text herangezogen werden, der von Gottfried selbst nie fertig geschrieben wurde, sondern die Fortsetzungen von Ulrich von Türheim und Heinrich von Freiberg: Dort stirbt der verwundete Tristan, nachdem ihm gesagt wurde, dass Isolde, die er verlassen hatte, um ihre Ehre zu retten, nicht kommen werde, um ihn zu heilen. Was geht in Tristan aber genau vor? Zum einen stirbt er an der Wunde, die ihm geschlagen wurde, aber noch tötlicher muss der Schmerz sein darüber, dass Isolde vermeintlich nicht kommen wird, sie sich von ihm abgewendet haben soll, weil er Isolde Weißhand ehelichte. Es ist also zu mindesten gleichen Teilen auch das verlorene Liebesglück und der damit verbundene Liebesschmerz verantwortlich für Tristans verscheiden. Wir halten also fest, dass Tristan den Liebestod stirbt. Als nun Isolde den toten Tristan erblickt, bricht ihr Herz und sie will nur noch sterben. Sie findet nämlich keine Möglichkeit über seinen Tod hinweg zu kommen, wohl aber die Möglichkeit ihm zu folgen. Dieser Aspekt rückt ihr Sterben nah an den Freitod heran; da sie aber am gebrochenen Herzen stirbt, muss ihr Tod als Liebestod gelesen werden. Im beidseitigen Sterben, in Trauer umeinander, löst sich jede Grenze auf, die das Paar von einander trennte. Die Grenze der Geschlechtlichkeit, der fleischlichen Hülle und gesellschaftlichen Norm. Die Vereinigung in ewiger Liebe vollzieht sich und nicht zuletzt deswegen, weil sie in der Erinnerung der Gesellschaft als absolutes Liebespaar ewig weiter existieren.  
===Die spezifische Art der Liebe und ihre Unumkehrbarkeit im Tod===
===Die spezifische Art der Liebe und ihre Unumkehrbarkeit im Tod===
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Es sollen nun einige Beispiele angeführt werden, wie das Motiv des Liebestods in anderer mittelalterlicher Literatur verwendet wird und welche Aspekte dabei im Mittelpunkt stehen.
Es sollen nun einige Beispiele angeführt werden, wie das Motiv des Liebestods in anderer mittelalterlicher Literatur verwendet wird und welche Aspekte dabei im Mittelpunkt stehen.
===Liebestod in Rudolfs von Ems "Wilhelm von Orleans"===
===Liebestod in Rudolfs von Ems "Wilhelm von Orleans"===
In "Wilhelm von Orleans" findet sich vor allem ein Spannungsverhältnis zwischen feudalhistorischem Leitbild und der Absolutheit der Liebebeziehung.
In "Wilhelm von Orleans" findet sich vor allem ein Spannungsverhältnis zwischen feudalhistorischem Leitbild und der Absolutheit der Liebebeziehung. Wilhelm von Orleans stirbt, wonach seine Frau Elye unmittelbar einen Sohn gebirt. Als sie von dem Tod ihres Mannes erfährt reagiert sie aber anders als wir es von Blanscheflur kennen. Elye versteinert nicht. Sie sichert ihrem neugeborenen Sohn zuerst die Herrschaft. Dazu nimmt sie zuerst alle Herrschaftsfunktionen ihres Mannes und lässt die Fürsten einen Eid auf die zukünftige Herrschaft ihres Sohnes schwören. Erst anschließend bricht sie an der Bahre ihres Mannes zusammen. Sie küsst den Toten, drückt ihn an sich und ihr Herz bricht[Ridder: S. 314 f.]. Hier hat die Chronologie der Abläufe der Geschehnisse, die zum Liebestod führen entscheidende Rolle. Der Liebestod hat hier didaktische Funktion, die eine ideale Herrschaft demonstrieren soll; die aus der Minne selbst enstehenden beziehungsimmanenten Konflikte, werden der gesellschaftlich-höfischen Sphäre, der Herrschaftspragmatik, untergeordnet[Ridder: S. 327].  
===Liebestod in Konrads von Würzburg "Partonopier===
===Liebestod in Konrads von Würzburg "Partonopier===
==Liebestod als Motiv der neueren Literatur==
==Liebestod als Motiv der neueren Literatur==

Version vom 6. Februar 2011, 01:47 Uhr

Der Liebestod ist in vielen literarischen Werken ein zentrales Motiv - man könnte es auch ein ästhetisches Konzept nennen. In diesem Artikel sollen wesentliche Merkmale und Besonderheiten des Konzepts: "Liebestod in der Literatur" aufgezeigt werden. Ebenfalls soll betrachtet werden, welche Differenzierungen es innerhalb des Konzepts gibt und welchen Problemen ein Schriftsteller mit dem Motiv des Liebestods möglicherweise aus dem Weg gegangen ist.

Ästhetisches Konzept: Liebestod

Der Liebestod ist in der Liteartur des Mittelalters ein beliebtes Motiv. Dabei wird immer eine mehr oder weniger unerfüllte, doch immer problematische Liebe abgehandelt, die sich am Ende nicht erfüllt - zumindest endet sie nicht in der Erfüllung in der Hinsicht, dass sich das Liebespaar gefahrlos in der höfischen Gesellschaft lieben darf. Am Ende steht dagegen ein oder zwei gebrochene Herzen, der Tod oder Abwesenheit des einen Liebespartners und der daraus resultierende Liebestod des anderen. Der Liebestod bildet also im Mittelalter ein ästhetisches Konzept, das in ganz verschiedenen Formen und in veränderter Art und Weise immer wieder die literarische Landschaft prägt. Jedoch darf man nicht davon ausgehen, dass die Ästhetik des Mittelalters so zu verstehen ist wie heute. Sie bildet nicht etwa ein in sich abgeschlossenes System des Ästhetischen, ist also nicht ein Begriff über den verhandelt wird, sondern spiegelt sich in theologischen, philosophischen und rhetorischen Diskursen, in denen Fragen der Manifestation des Göttlichen im Irdischen geklärt werden.[Kiening: S. 174] Oftmals sind es eben die oberflächigen Ebenen, also alles Sinnliche, Wahrnehmbare, worin sich die Ästhetik manifestiert. Eine diskursive Metaebene ist in der mittelalterlichen Literatur für die Verortung der Ästhetik noch nicht von Nöten. Auch der Liebestod stellt eine solche Oberfläche dar. Durch ihn werden (wie weiter unten im Einzelnen betrachtet werden wird) spezifische Arten von Liebe, Konflikte des lebendigen Menschen mit der höfischen Idealgesellschaft und Spannungsverhältnisse zwischen Personen verarbeitet und erst ästhetisch verpackt. Erst viel später in neuzeitlicherer Literatur wird der Liebestod zur Allegorie, zum Abstraktum. Für Richard Wagner stellt das Motiv des Liebestods, das er in seiner Oper "Tristan und Isolde" verarbeitet, beispielsweise eine philosophische, ja metaphysische Ideologie dar, die schon nicht in Worte zu fassen, kaum noch in Musik zu fassen ist. Bei Wagner wird der Tod zum transzendenten Erlösungserlebnis, der in Gottfrieds von Straßburg ausschließlich Ausdruck innigster Verbundenheit und unzerbrechlicher emotionaler Liebe bleibt. Das Konzept des Liebestods bleibt eine in den Tod mündende Liebe, die nur solange Ausdruck besitzt, wie sich die Liebenden mitteilen können - alles was danach kommt, bleibt im Verborgenen und kann nur erhofft werden. Ebenso kann sich die Ästhetik der vormodernen Zeit im gegenseitigen Wechselspiel zwischen materialisierender und spiritualisierender Dimension manifestieren . Gerade weil der Sinn der Gesellschaft stärker an Materialitäten und Körpern haftet, entwickelt sie eine Hermeneutik, die sich gerade der Aufhebung des Körperlichen und Materiellen widmet[Kiening: S. 192]. Für den Liebestod bedeutet dies, dass sich durch das Sterben alles Materielle auflöst und eine spirituelle Welt hinter dem Tod denkbar wird. Allerdings nur denkbar, sie bleibt christliche Fiktion, wogegen bei den Figuren Wagners Gewissheit über das Sein nach dem Tod herrscht.

Liebestod vs. Selbstmord

Gerade das spirituelle Moment am Liebestod ist ganz wesentlich. Im Liebestod kann das Christentum mit dem Tod als Ausweg in Einklang gebracht werden. Für die Charaktere des mittelalterlichen Romans stellt der Selbstmord keine Option dar. Der Liebestod als Versagen der körperlichen Kräfte aus Schmerz über den Verlust der Liebe, stellt eine Möglichkeit dar, sich von dem Leiden an der Welt freizumachen und kann dann als verhinderter Selbstmord gelesen werden [Ridder: S. 320]. Gerade im Artusroman sind Selbstmordgedanken durchaus präsent, man betrachte den Iwein Hartmanns von Aue, der in der Wildnis dem Wahnsinn verfällt und kein ehrenvolles Menschenleben mehr führt. Durchgesetzt wird die Idee der Selbstentleibung jedoch nicht. Umgangen wird der Selbstmord allerdings nicht durch den Liebestod, sondern durch einen neuen rehabilitierenden âventiure-Weg. Noch einige Worte darüber, warum der Selbstmord keinen Platz in der Literatur einnehmen darf: Gerade in einer postheidnischer Epoche wie dem Mittelalter gelten christliche Dogmen noch in ganz anderer Art und Weise. So ist der Suizid natürlich als vom Christentum radikal tabuisiertes Phänomen undenkbar[Huber: S. 128]. Zudem haben wir immer den christlichen Ritter als Thema, sei es nun in der âventiure-Epik oder im Heldenroman. Das Christentum und dessen Spiritualität beansprucht seinen festen, unverrückbaren Platz. So ersetzt der Liebestod das dramatische Moment des Suizid und kann als christliches Sterben und Erlösung verstanden werden, zumal man sein eigenes Leben, ganz frei von narzistischen Mitleidsansprüchen, seiner verlorenen Liebe opfert und ihr nachfolgt - was dem christlichen Nächstenliebe-Gedanken, zugegeben in potenzierter Form, sehr ähnlich ist.

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.
Dies ist das höchste und größte Gebot.
Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.[1]

Gerade in diesem Gebot erfüllt sich doch letztendlich der Liebestod. Das göttliche Gesetz wird nicht verletzt, der Protagonist macht sich nicht an sich und Gott schuldig, wie etwa beim Selbstmord und die Verbundenheit zweier Seelen, die eigene und die des "Nächsten", wird immanent durch den Tod mit und für den Partner in vollkommener Liebe.

Motivationen des Liebestods im Tristan[2]

Im Tristan-Roman von Gottfried von Straßburg, bzw. in dessen vollendenden Fortsetzungen sind drei verschiedene den Liebestod motivierende Momente von Bedeutung. Diese werden hier erläutert. Doch zuerst muss ein Blick auf die Liebestode von Tristan und Isolde geworfen werden, allerdings kann dazu nicht Gottfrieds Text herangezogen werden, der von Gottfried selbst nie fertig geschrieben wurde, sondern die Fortsetzungen von Ulrich von Türheim und Heinrich von Freiberg: Dort stirbt der verwundete Tristan, nachdem ihm gesagt wurde, dass Isolde, die er verlassen hatte, um ihre Ehre zu retten, nicht kommen werde, um ihn zu heilen. Was geht in Tristan aber genau vor? Zum einen stirbt er an der Wunde, die ihm geschlagen wurde, aber noch tötlicher muss der Schmerz sein darüber, dass Isolde vermeintlich nicht kommen wird, sie sich von ihm abgewendet haben soll, weil er Isolde Weißhand ehelichte. Es ist also zu mindesten gleichen Teilen auch das verlorene Liebesglück und der damit verbundene Liebesschmerz verantwortlich für Tristans verscheiden. Wir halten also fest, dass Tristan den Liebestod stirbt. Als nun Isolde den toten Tristan erblickt, bricht ihr Herz und sie will nur noch sterben. Sie findet nämlich keine Möglichkeit über seinen Tod hinweg zu kommen, wohl aber die Möglichkeit ihm zu folgen. Dieser Aspekt rückt ihr Sterben nah an den Freitod heran; da sie aber am gebrochenen Herzen stirbt, muss ihr Tod als Liebestod gelesen werden. Im beidseitigen Sterben, in Trauer umeinander, löst sich jede Grenze auf, die das Paar von einander trennte. Die Grenze der Geschlechtlichkeit, der fleischlichen Hülle und gesellschaftlichen Norm. Die Vereinigung in ewiger Liebe vollzieht sich und nicht zuletzt deswegen, weil sie in der Erinnerung der Gesellschaft als absolutes Liebespaar ewig weiter existieren.

Die spezifische Art der Liebe und ihre Unumkehrbarkeit im Tod

Ganz wesentlich hier ist das Neben- und Ineinander von Liebe und Tod. Im Prolog des Romans werden die edelen herzen (V. 47) dazu aufgefordert Freude und Leiden und Liebe und Tod als integrierende Bestandteile der absoluten Liebe kompromißlos zu bejahen[Ridder: S. 306].[3] Schon vor Tristans Geburt wird dieses Modell deutlich. Während Tristans Mutter Blanscheflur mit Tristan schwanger ist, erhält sie die Nachricht über den Tod ihres Geliebten Riwalin. Ihr Herz versteinert und kaum nachdem sie Tristan zur Welt gebracht hat, stirbt auch sie an gebrochenem Herzen ihren Liebestod. Für Tristan ist das Zusammenspiel von Liebe und Leid nun unabwendbares Schicksal, kam er doch schon vor seiner Geburt in Kontakt mit der Problematik. Zunächst wird Tristan in der Liebestrankszene wieder konfrontiert mit dem Liebe-Tod-Modell, denn der Trank verbindet seinen Leib und seine Seele untrennbar mit dem Leib und der Seele Isoldes.

si haeten beide ein herze
ir swaere was sîn smerze,
sîn smerze was ir swaere.
si wâren beide einbaere
an liebe unde an leide
und hâlen sich doch beide,
an liebe unde an leide (V. 11727 - 11731)

Tristan und Isolde sind nun untrennbar miteinander vereint, wo zuvor zwei Individuen waren, ist nun untrennbare Einheit: si wurden ein und einvalt, die zwei und zwîfalt wâren ê. (V. 11716 f.) Diese Einheit und Unumkehrbarkeit im Tode ist schon daran deutlich, dass sie auch in allem leide unzertrennbar sein werden. Am Ende bleibt nur der Liebestod als Ausweg.

Konflikt mit der höfischen Gesellschaft durch ehebrecherische Liebe

Für die Tristanminne fehlt schon von Beginn an der öffentliche Raum in der höfischen Gesellschaft. Trotz aller List und Verstellungskünste folgt die Verbannung in die Minnegrotte, wo Tristan und Isolde zwar in völliger Verbundenheit leben, aber ohne êre (V. 16875 - 16877) abseits der höfischen Gesellschaft existieren müssen. Daran, dass das Leben ohne êre und abseits des Hofes nicht auf Dauer möglich sein kann für das Paar, denn sie kehren freiwillig an den Hof zurück, wo sie nicht mehr frei lieben dürfen, zeigt sich, dass sich die Liebe nur dann als absolut und glücklich machend erweist, wenn sie in der Gesellschaft öffentlich stattfinden kann. Da ja ihre Liebe aber nicht möglich ist in der höfischen Umgebung, entsteht ein Spannungsverhältis, das seine (Er)Lösung nur im gemeinsamen Tod, im Liebestod nämlich, erhalten kann. Aus dem Konflikt mit der Gesellschaft, der Unmöglichkeit, individuelle Liebeserfüllung und gesellschaftliches Ansehen gleichzeitig zu erreichen resultiert das Leid - ein Leid, das aus der Minne selbst resultiert - welches nur durch den Tod getilgt werden kann [Ridder: S. 309 f.]. Denn Leid und Tod, Liebe und Freud, sind eng und unzertrennbar verknüpfte Größen.

Spannungsverhältnis zwischen Tristan, Isolde und Isolde Weißhand

Die Liebenden selbst sind dem Anspruch der Minne aber selbst auch nicht durchgehend gewachsen. So heiratet Tristn nämlich aus Kummer um Isoldes Abwesendheit Isolde Weißhand, die in der Fremde um ihn wirbt. Er heiratet sie, weil er in ihr die blonde Isolde, welche er liebt, wiedersieht: Im Namen vorallen Dingen. Tristan ist dem Liebesschmerz, der ihn befällt also nicht gewachsen. Das daraus resultierende gespannte Verhältnis lässt nur Leid zu, denn Isolde Weißhand wird herausfinden, dass Tristan sie nicht liebt und belügt ihn, so dass er denkt die blonde Isolde habe sich von ihm abgewandt: er stirbt an gebrochenem Herzen und Selbstvorwürfen[4].

Der Liebestod in anderer mittelhochdeutschen Literatur

Es sollen nun einige Beispiele angeführt werden, wie das Motiv des Liebestods in anderer mittelalterlicher Literatur verwendet wird und welche Aspekte dabei im Mittelpunkt stehen.

Liebestod in Rudolfs von Ems "Wilhelm von Orleans"

In "Wilhelm von Orleans" findet sich vor allem ein Spannungsverhältnis zwischen feudalhistorischem Leitbild und der Absolutheit der Liebebeziehung. Wilhelm von Orleans stirbt, wonach seine Frau Elye unmittelbar einen Sohn gebirt. Als sie von dem Tod ihres Mannes erfährt reagiert sie aber anders als wir es von Blanscheflur kennen. Elye versteinert nicht. Sie sichert ihrem neugeborenen Sohn zuerst die Herrschaft. Dazu nimmt sie zuerst alle Herrschaftsfunktionen ihres Mannes und lässt die Fürsten einen Eid auf die zukünftige Herrschaft ihres Sohnes schwören. Erst anschließend bricht sie an der Bahre ihres Mannes zusammen. Sie küsst den Toten, drückt ihn an sich und ihr Herz bricht[Ridder: S. 314 f.]. Hier hat die Chronologie der Abläufe der Geschehnisse, die zum Liebestod führen entscheidende Rolle. Der Liebestod hat hier didaktische Funktion, die eine ideale Herrschaft demonstrieren soll; die aus der Minne selbst enstehenden beziehungsimmanenten Konflikte, werden der gesellschaftlich-höfischen Sphäre, der Herrschaftspragmatik, untergeordnet[Ridder: S. 327].

Liebestod in Konrads von Würzburg "Partonopier

Liebestod als Motiv der neueren Literatur

Fazit

Einzelnachweise

  1. Das Doppelgebot der Liebe. Matthäus. 22, 37-40; Die Bibel.
  2. Zitationen aus dem Tristan-Text sind zu finden in: Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Stuttgart 2007-2008. (RUB 4471-4473).
  3. vorallen Dingen die Verse 57 - 70 im Prolog sind von Belang
  4. Auch hier liegt nicht mehr Gottfrieds Text zugrunde, sondern die Fortsetzungen.

Literatur

<HarvardReferences />

  • [*Huber] Huber, Christoph: Spiegelungen des Liebestodes im 'Tristan' Gottfrieds von Straßburg, in: Tristan und Isolde. Unvergängliches Thema der Weltkultur, hg. von Danielle Buschinger und Wolfgang Spiewok, Greifswald 1996 (Wodan), S. 127-140.
  • [*Kiening] Kiening, Christian: Ästhetik des Liebestods. Am Beispiel von 'Tristan' und 'Herzmaere', in: Das fremde Schöne. Dimensionen des Ästhetischen in der Literatur des Mittelalters hg. von Manuel Braun und Christopher Young, Berlin/New York 2007 (Trends in medieval philology), S. 171-194.
  • [*Ridder] Ridder, Klaus: Liebestod und Selbstmord. Zur Sinnkonstitution im Tristan, im Willehalm von Orlens und in Partonopier und Meliur, in: Tristan und Isold im Spätmittelalter. Vorträge eines interdisziplinären Symposions vom 3. bis 8. Juni 1996 an der Justus-Liebig-Universität Gießen, hg. von Xenja von Ertzdorff, Amsterdam 1999 (Chloe), S. 303-329.