Recht (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen
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Die Auslobung einer Braut ist zur Zeit Gottfrieds zwar ein beliebtes Romanmotiv, in der Realität existierte sie jedoch nicht.[Combridge 1964: 58] Einige "Rechtsgültigkeiten" lassen sich aber aus anderen Romanen ableiten<ref>Als Vergleich werden Wolframs Parzival und das Nibelungenlied herangezogen.</ref>. So ist es üblich, dass ein Werberwille vorhanden ist und die Braut stellvertretend für den Bräutigam<ref>Demnach ist es rechtlich gültig, dass Marke und nicht Tristan der Bräutigam ist.</ref> geworben wird.[Combridge 1964: 58] Abweichend ist jedoch die Fremdauslobung im Tristan: Nicht die Braut selbst, sondern der Vater preist die Tochter als Belohnung an, was die Verbindlichkeit jedoch nicht verändert. | Die Auslobung einer Braut ist zur Zeit Gottfrieds zwar ein beliebtes Romanmotiv, in der Realität existierte sie jedoch nicht.[Combridge 1964: 58] Einige "Rechtsgültigkeiten" lassen sich aber aus anderen Romanen ableiten<ref>Als Vergleich werden Wolframs Parzival und das Nibelungenlied herangezogen.</ref>. So ist es üblich, dass ein Werberwille vorhanden ist und die Braut stellvertretend für den Bräutigam<ref>Demnach ist es rechtlich gültig, dass Marke und nicht Tristan der Bräutigam ist.</ref> geworben wird.[Combridge 1964: 58] Abweichend ist jedoch die Fremdauslobung im Tristan: Nicht die Braut selbst, sondern der Vater preist die Tochter als Belohnung an, was die Verbindlichkeit jedoch nicht verändert. | ||
===Gerichtsverhandlung=== | ===Gerichtsverhandlung=== | ||
In einer Gerichtsverhandlung soll geurteilt werden, ob dem Truchsessen die Braut zusteht oder nicht. Den Angaben des Romans zufolge handelt es sich um ein Königsgericht, das nach Landrecht urteilt und in dem der König gleichzeitig als Richter und Partei auftreten kann.[Combridge 1964: 62] Urteilsfinder sind die Barone, die Königin wird vom König vertreten. | In einer Gerichtsverhandlung soll geurteilt werden, ob dem Truchsessen die Braut zusteht oder nicht. Den Angaben des Romans zufolge handelt es sich um ein Königsgericht, das nach Landrecht urteilt und in dem der König gleichzeitig als Richter und Partei auftreten kann.[Combridge 1964: 62] Urteilsfinder sind die Barone, die Königin wird vom König vertreten. Der Truchsess klagt also gegen den König seine Belohnung (Isolde) ein, denn er ist rechtlich dessen Gläubiger.[Combridge 1964: 62] Um vor Gericht möglichst gute Chancen zu haben, achtet der Truchsess direkt nach dem vermeintlichen Kampf darauf, genügend Beweise vorlegen zu können: Er kämpft mit dem toten Tier (V. 9197ff.), steckt sein Schwert in dessen Rachen (V. 9207ff.), bittet Augenzeugen zur Kampfstelle und lässt den Kopf abschneiden und mitnehmen (Verse 9211ff.). Diesen bringt er vor Gericht auch direkt bei der Anklage als Beweismittel an: | ||
:''hie lît das houbet, seht ez an. | |||
:''daz selbe urkünde brâhte ich dan. | |||
:''nu loeset iuwer wârheit. | |||
:''küneges wort und küneges eit | |||
:''diu suln wâr unde bewaeret sîn.'' (V. 9815ff.) | |||
Königin Isolde zweifelt den Beweis umgehend an, um ihren Zweifel jedoch genauer auszuführen zu können, muss sie sich vom König nachträglich die Redeerlaubnis<ref>Sie selbst hat dem König aufgetragen, sie zu vertreten und zu ihr zu einem geeigneten Zeitpunkt das Wort zu erteilen (vgl. V. 9751ff.)</ref> einholen.[Combridge 1964: 63] Sie gibt nun bekannt, einen anderen Ritter zu kennen, der den Drachen getötet habe - eine Verpflichtung gegenüber dem Truchsessen sei somit nicht entstanden[Combridge 1964: 63]. Der Truchsess bietet daraufhin einen freiwilligen gerichtlichen Zweikampf an[Combridge 1964: 64], für den drei Tage später ein Termin festgesetzt wird. | |||
Da Tristan zum Kampftermin zunächst nicht erscheint, pocht der Truchsess weiter auf sein Recht und hat zur Erhärtung seiner Beweislage die Augenzeugen mitgebracht. Als Tristan erscheint, willigt der Truchsess ein, die Verhandlung erneut zu eröffnen und zieht den freiwilligen Kampf zunächst zurück. Tristan führt nun seinerseits die abgetrennte Zunge als Beweis an, die das Gericht davon überzeugt, dass der Truchsess nicht der Drachentöter gewesen sein kann.[Combridge 1964: 65] Den Anspruch auf Isolde erhebt nun Tristan und der König gibt ihm statt. Das bringt den Truchsessen dazu, Einspruch zu erheben und erneut einen Kampf herauszufordern. Isolde sagt jedoch aus, dass das Urteil nicht mehr geändert werden wird und obwohl Tristan zum Kampf bereit ist, hört der Truchsess auf seine Begleiter, die ihm vom Kampf abraten. | |||
==Anmerkungen== | ==Anmerkungen== | ||
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Version vom 16. Dezember 2010, 18:11 Uhr
Welche Formen und Auffassungen von Recht im Tristan vorkommen, wie Recht und welche Rechtsbegriffe dort definiert werden, damit soll sich dieser Artikel auseinandersetzen.
Eherecht
Unter dem Oberbegriff des Eherechts werden sämtliche Rechtsgeschäfte untersucht, die im Zusammenhang mit der Ehe oder der Eheschließung von Isolde und Marke stehen.
Isolde als Belohnung
Mit einem königlichen Eid verspricht König Gurmun von Irland seine Tochter Isolde dem Mann als Ehefrau, der es schafft, den bedrohlichen Drachen von Irland zu töten (Verse 8902ff). Es handelt sich also um eine Auslobung, die als einseitiger Muntvertrag rechtlich verbindlich ist.[Combridge 1964: 57f.] Dies bedeutet für Gurmun, dass er dazu verpflichtet ist, seine Tochter an den erfolgreichen Kämpfer zu verheiraten - sofern er adlig und ein Ritter ist (vgl. Vers 8913). Genau diese Verbindlichkeit nutzt der Truchsess zu seinem Vorteil, denn so verhasst er dem Königshaus ist, gibt es keine rechtliche Möglichkeit, den Vertrag als nichtig erklären zu lassen (V. 9264ff.). Die Mutter Isolde zieht deshalb ihre Künste zu Rate und beruft sich auf Gott: "ouch sol uns got dar vor bewarn" (V. 9278), die Tochter sieht den einzigen Ausweg im Tod: "ê ich's gevolge, sô stich ich/rehte in mîn herze ein mezzer ê." (V. 9286f.).
Die Auslobung einer Braut ist zur Zeit Gottfrieds zwar ein beliebtes Romanmotiv, in der Realität existierte sie jedoch nicht.[Combridge 1964: 58] Einige "Rechtsgültigkeiten" lassen sich aber aus anderen Romanen ableiten[1]. So ist es üblich, dass ein Werberwille vorhanden ist und die Braut stellvertretend für den Bräutigam[2] geworben wird.[Combridge 1964: 58] Abweichend ist jedoch die Fremdauslobung im Tristan: Nicht die Braut selbst, sondern der Vater preist die Tochter als Belohnung an, was die Verbindlichkeit jedoch nicht verändert.
Gerichtsverhandlung
In einer Gerichtsverhandlung soll geurteilt werden, ob dem Truchsessen die Braut zusteht oder nicht. Den Angaben des Romans zufolge handelt es sich um ein Königsgericht, das nach Landrecht urteilt und in dem der König gleichzeitig als Richter und Partei auftreten kann.[Combridge 1964: 62] Urteilsfinder sind die Barone, die Königin wird vom König vertreten. Der Truchsess klagt also gegen den König seine Belohnung (Isolde) ein, denn er ist rechtlich dessen Gläubiger.[Combridge 1964: 62] Um vor Gericht möglichst gute Chancen zu haben, achtet der Truchsess direkt nach dem vermeintlichen Kampf darauf, genügend Beweise vorlegen zu können: Er kämpft mit dem toten Tier (V. 9197ff.), steckt sein Schwert in dessen Rachen (V. 9207ff.), bittet Augenzeugen zur Kampfstelle und lässt den Kopf abschneiden und mitnehmen (Verse 9211ff.). Diesen bringt er vor Gericht auch direkt bei der Anklage als Beweismittel an:
- hie lît das houbet, seht ez an.
- daz selbe urkünde brâhte ich dan.
- nu loeset iuwer wârheit.
- küneges wort und küneges eit
- diu suln wâr unde bewaeret sîn. (V. 9815ff.)
Königin Isolde zweifelt den Beweis umgehend an, um ihren Zweifel jedoch genauer auszuführen zu können, muss sie sich vom König nachträglich die Redeerlaubnis[3] einholen.[Combridge 1964: 63] Sie gibt nun bekannt, einen anderen Ritter zu kennen, der den Drachen getötet habe - eine Verpflichtung gegenüber dem Truchsessen sei somit nicht entstanden[Combridge 1964: 63]. Der Truchsess bietet daraufhin einen freiwilligen gerichtlichen Zweikampf an[Combridge 1964: 64], für den drei Tage später ein Termin festgesetzt wird. Da Tristan zum Kampftermin zunächst nicht erscheint, pocht der Truchsess weiter auf sein Recht und hat zur Erhärtung seiner Beweislage die Augenzeugen mitgebracht. Als Tristan erscheint, willigt der Truchsess ein, die Verhandlung erneut zu eröffnen und zieht den freiwilligen Kampf zunächst zurück. Tristan führt nun seinerseits die abgetrennte Zunge als Beweis an, die das Gericht davon überzeugt, dass der Truchsess nicht der Drachentöter gewesen sein kann.[Combridge 1964: 65] Den Anspruch auf Isolde erhebt nun Tristan und der König gibt ihm statt. Das bringt den Truchsessen dazu, Einspruch zu erheben und erneut einen Kampf herauszufordern. Isolde sagt jedoch aus, dass das Urteil nicht mehr geändert werden wird und obwohl Tristan zum Kampf bereit ist, hört der Truchsess auf seine Begleiter, die ihm vom Kampf abraten.
Anmerkungen
Literatur
<harvardreferences />
- [*Combridge 1964] Combridge, Rosemary Norah: Das Recht im 'Tristan' Gottfrieds von Straßburg. Berlin 1964.