Reinharts Bosheit (Reinhart Fuchs): Unterschied zwischen den Versionen
Amanda (Diskussion | Beiträge) |
Amanda (Diskussion | Beiträge) Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 9: | Zeile 9: | ||
Am Anfang kann man eine Reihe von Listen sehen, die alle Fehlschlagen. Reinhart scheitert dabei die Hühner und den Raben zu überlisten und seine Jagd ist somit nicht erfolgreich. Jedoch kann man trotz der hinterhältigen Absichten Reinharts, verstehen, dass es auf seine tierischen Instinkte zurückzuführen ist, wenn man aus der Sicht einer biologischen Tierwelt auf seine Aktionen schaut. Reinhart muss schließlich was essen, um zu überleben. In diesen Episoden scheint der Fuchs nicht nur zu handeln, um anderen Schaden zuzufügen, sondern sich darauf zu konzentrieren an Essen zu gelangen. | Am Anfang kann man eine Reihe von Listen sehen, die alle Fehlschlagen. Reinhart scheitert dabei die Hühner und den Raben zu überlisten und seine Jagd ist somit nicht erfolgreich. Jedoch kann man trotz der hinterhältigen Absichten Reinharts, verstehen, dass es auf seine tierischen Instinkte zurückzuführen ist, wenn man aus der Sicht einer biologischen Tierwelt auf seine Aktionen schaut. Reinhart muss schließlich was essen, um zu überleben. In diesen Episoden scheint der Fuchs nicht nur zu handeln, um anderen Schaden zuzufügen, sondern sich darauf zu konzentrieren an Essen zu gelangen. | ||
{| | {| | ||
| (255-275) | | (255-275)<ref>Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg. und übersetzt von Karl-Heinz Göttert, Reclam, Stuttgart 1976.</ref> | ||
|- | |- | ||
!Mittelhochdeutsch !! Übersetzung||Mittelhochdeutsch !!Übersetzung | !Mittelhochdeutsch !! Übersetzung||Mittelhochdeutsch !!Übersetzung | ||
Zeile 46: | Zeile 46: | ||
Und tatsächlich läuft der erste Streich den Reinhart zusammen mit den Wölfen ausführt erfolgreich: | Und tatsächlich läuft der erste Streich den Reinhart zusammen mit den Wölfen ausführt erfolgreich: | ||
{| | {| | ||
|(458-474;485-490) | |(458-474;485-490)<ref>Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg. und übersetzt von Karl-Heinz Göttert, Reclam, Stuttgart 1976.</ref> | ||
|- | |- | ||
! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung || Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | ! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung || Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | ||
Zeile 86: | Zeile 86: | ||
{| | {| | ||
|<ref>Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg. und übersetzt von Karl-Heinz Göttert, Reclam, Stuttgart 1976.</ref> | |||
|- | |||
|Reinhartis drivwe warin laz,||Von Treue konnte bei Reinhart keine Rede sein; | |Reinhartis drivwe warin laz,||Von Treue konnte bei Reinhart keine Rede sein; | ||
|- | |- |
Version vom 3. Januar 2021, 16:05 Uhr
Ist Reinhart Böse?/ Die Bösartigkeit von Reinhart Fuchs./ Reinharts Bösartigkeit/Bosheit.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Bösartigkeit des Fuchses Reinhart aus dem von Heinrich der Glîchezære[1] verfassten Tierepos. Die verschiedenen Stufen seiner Listen sollen analysiert werden, mit Absicht die Entwicklung seiner Bosheit zu dokumentieren. Somit werden sowohl Reinheits Absicht und Bereitwilligkeit Schaden anzurichten, als auch Reinheits eigene Wahrnehmung seiner Moral im Fokus liegen.
Historische Hintergründe
Stufen der Listen
(allgemein Zeugs)
Gescheiterte Streiche
Am Anfang kann man eine Reihe von Listen sehen, die alle Fehlschlagen. Reinhart scheitert dabei die Hühner und den Raben zu überlisten und seine Jagd ist somit nicht erfolgreich. Jedoch kann man trotz der hinterhältigen Absichten Reinharts, verstehen, dass es auf seine tierischen Instinkte zurückzuführen ist, wenn man aus der Sicht einer biologischen Tierwelt auf seine Aktionen schaut. Reinhart muss schließlich was essen, um zu überleben. In diesen Episoden scheint der Fuchs nicht nur zu handeln, um anderen Schaden zuzufügen, sondern sich darauf zu konzentrieren an Essen zu gelangen.
(255-275)[2] | |||
Mittelhochdeutsch | Übersetzung | Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|---|---|
Nv horet, wie Reinhart, | Nun hört, wie Reinhart, | dines vater trewe waren gvt, | Die Treue deines Vaters war gut, |
der vngetrewe hovartta, | der untreue Höfling | ovch hore ich sagen, daz sippeblvt | Auch höre ich, dass man sagt, dass Blutsverwandschaft |
warb vmb sines neven tot. | sich um den Tod seines Neffen bemühte. | von wazzere niht vertirbet. | von Wasser nicht vertrieben wird. |
daz tet er doch ane not. | Das tat er jedoch ohne Grund. | trvt neve, nv bedenke mich! | Geliebter Neffe, nun bedanke ich mich! |
Er sprach: ,lose, Dizelin, | Er sagte: Lieber, Dizelin, | din neve alsvst erstirbet. | Dein Neffe geht auf diese Weise zugrunde. |
hilf mir, trvt neve min! | Hilf mir, mein geliebter Neffe! | daz macht dv erwenden harte wol. | Das lässt dich wohl stark zurückschrecken. |
dir ist leider miner not niht kvnt: | Dir ist meine Verzweiflung leider nicht bekannt: | vom stanke ich grozen kvmmer dol.' | Der Gestank bereitet mir große Sorgen. |
ich wart hvete vru wunt; | ich wurde heute früh verwundet; | Der rabe zehant hinnider vlovc, | Der Rabe flog sofort herab, |
der kese liet mir ze nahen bi. | Der Käse liegt mir zu nahe. | dar in Reinhart betrovc. | da betrog ihn Reinhart. |
er smecket sere, ich vurcht, er si | Er schmeckt sehr, ich fürchte, er sei | er wolde im helfen von der not | Er wollte ihm aus der Not helfen, |
mir zv der wunden schedelich. | schädlich für meine Wunden. | dvrch trewe, daz was nach sin tot. | aus Treue, dass war später sein Tot. |
Dennoch fehlt der Methode mit der Reinhart sich den anderen Tieren nährt jegliche Empathie. Er schmeichelt den Tieren um ihr Vertrauen zu erlangen nur um sie dann zu betrügen. Durch die Personifikation der Tiere scheint das Jagen eine ganz neue Bedeutung zu erlangen. Das Tierepos weist den Tieren Gefühle Gedanken und Eigenschaften (Intelligenz) zu, wodurch das handeln des Fuchses nicht mehr auf animalische Instinkte zurückgeführt werden kann, sondern impliziert, dass der Fuchs Verstand hat und somit auch ein Gewissen besitzen sollte.
Reinharts Scheitern am Anfang zeigt, dass die anderen Tiere, vor allem die kleineren wie der Huhn, der Rabe und der Kater sich vor ihm in acht nehmen und damit rechnen überlistet zu werden. Diese Vorsicht erschwert Reinhart die Jagt.
Erster erfolgreiche Streich mit den Wölfen
Reinhart, obwohl Füchse keine Rudeltiere sind, sucht sich Verbündete und gelangt zu der Wolfsfamilie. Im Gegensatz zu den "Gegnern", die Reinhart bis jetzt hatte, sind die Wölfe nicht wachsam und wenn doch, reicht ihnen die Aussage Reinharts, dass sie stärker sind und somit einen Vorteil ihm gegenüber hätten. Das Angebot mit Reinhart zusammen zu arbeiten schein auch verlockend. Die Wölfe sind für Reinhart anfangs nur ein Mittel zum Zweck. Jedoch scheint es vorerst nicht, als würde er sie überlisten wollen, er will sich einfach nur ihrer Kräfte bedienen.
Und tatsächlich läuft der erste Streich den Reinhart zusammen mit den Wölfen ausführt erfolgreich:
(458-474;485-490)[3] | |||
Mittelhochdeutsch | Übersetzung | Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|---|---|
Reinhart hvb sich sa, | Darauf eilte Reinhart zu einer Stelle, | e dan der gebvre mochte wider kvmen, | ehe der Bauer zurückkommen konnte, |
do der gebvr hine solde gan. | wo der Bauer vorbeikommen mußte. | so hat er den bachen genvmen | hatte er den Schinken weggenommen |
einen vuz begonde er vf han | Er zog einen Fuß an | vnd hat in schire vressen | und ihn schleunigst verschlungen. |
vnde sere hinken, | und hinkte sehr; | Y sengrin begonde lachen, | Isengrin fing an zu lachen: |
er liez den rvcke sinken, | dazu knickte er den Rücken ein, | Reinhartes wart vergessen. | An Reinhart dachte keiner. |
recht als er ime were enzwei. | als sei er ihm zerschlagen. | (...) | |
der gebvre in vaste aneschrei, | Der Bauer schrie heftig auf ihn ein. | er sprach: , wol mich des gesellen min! | "Wohl mir bei diesem Gefährten! |
den bachen warf er vf daz gras, | Er warf den Schinken ins Gras, | wi mochte wir baz inbizzen sin? | Wie hätten wir einen hübscheren Bissen finden können? |
nach Reinhartes kel ime gach was. | denn ihm war es nur noch um Reinharts Kehle zu tun; | ich weiz im disez ezzens danch.' | Für diese Mahlzeit ist ihm mein Dank gewiß." |
sin colbe was vreislich. | seine Keule sah entsetzlich aus. | do weste er niht den nachclanch. | Er ahnte aber noch nicht das Ende. |
Reinhart sach vmme sich | Reinhart blickte sich um | Reinhart qvam spilinde vnde geil, | Reinhart näherte sich ganz vergnügt |
vnde zoch in zv dem walde. | und lockte ihn zum Wald hin. | er sprach: ,wa ist hin min deil?' | und meinte:" Wo ist mein Anteil geblieben?" |
Ysingrin hvb sich balde: | Isengrin machte sich rasch auf den Weg: |
Diese Stelle zeigt nicht nur Reinharts ersten erfolgreichen Streich, sondern womöglich auch den Grund weshalb er anfängt seine Listen auf was anderes zu konzentrieren als die Jagd. Trotz der Personifikation des Fuchses, bleibt Reinhart weiterhin ein Fuchs, futterneidisch und aggressiv. Die Wölfe, lassen ihm nichts von der Beute übrig, die er durch seinen Plan erbeutet, was Reinhart mehr stört als er vorerst zeigt. Sein ganzes Verhalten nach dieser Szene schein sich zu verändern und auf Rache abzuzielen.
Listen werden zu Straftaten
[5] | |
Reinhartis drivwe warin laz, | Von Treue konnte bei Reinhart keine Rede sein; |
er gefror ie baz unde baz. | immer mehr fror jener ein. |
,Dirre eimir swerit', sprach lsingrin. | "Der Eimer wird mir zu schwer", klagte Isengrin. |
,da han ich gezellit drin | "Ich habe schon dreißig Aale darin gezählt", |
drizic ale', sprach Reinhart, | antwortete Reinhart, |
,diz wirtein nuzze vart; | "das Unternehmen wird sehr erfolgreich; |
kunnint ir stille gestan, | wenn Ihr Euch nur ruhig verhaltet, |
zehinzic wellint drin gan.' | werden hundert hineingehen." |
Alsez do begunde dagen, | Als es nun Tag wurde, |
Reinhart sprach: | meinte Reinhart: |
,ich wil ivch mere sagin: | "Ich kann nur sagen: |
ich furhte, wir unsir giticheit | wir müssen unsere Gier |
uil sere engeltin; mir ist leit, | - fürchte ich-sehr büßen; es macht mir Sorge, |
daz so uil uisce drinne ist; | daß so viele Fische im Eimer sind; |
ich neweiz der zuo neheinen list. | denn jetzt ist meine Kunst am Ende: |
ir mugint sie niht uz erhebin. | Ihr dürftet sie kaum herausheben können; |
sehint, ob ir sie mugint irwegin.' | seht zu, ob Ihr sie auch nur ein wenig fortbewegen könnt, |
lsingrin geriet zucken, | Isengrin begann zu ziehen, |
daz is begunde drucken | aber das Eis hielt |
den zagel, er muoze da stan. | seinen Schwanz fest, so daß er bleiben mußte. |
Reinhart sprach: ,ich wil gan | Reinhart sagte: "Ich werde mich |
nah unsirn bruoderin darhaim: | zu unsern Mitbrüdern nadl Hause aufmachen, |
dirre gewin wirt niht clein.' | denn dieser Erfolg ist wahrlich nicht gering." |
Der dag begunde uf gan, | Da wurde es vollends Tag, |
Reinhart huob sich dannan. | und Reinhart machte sich davon. |
Nach allem was Reinhart den Wölfen angetan hat und endlich vor Gericht geführt wird, flieht er sich in einem Dachsbau gefolgt von Hersante, Isegrins Gattin, die stecken bleibt und somit Reinhart ausgeliefert ist, der sie vor allen Anwesenden erniedrigt.
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
do gewan si schire schande genuc: | Nachdem sie sicher genug Schande erlitten hatte: |
sine mochte hin noch her, | Sie steckte fest und konnte weder rein noch raus, |
Reinhart nam des gvten war, | Reinhart nahm sein Glück wahr, |
zv eime andern loche er vz spranc, | und sprang zu einem anderen Loch wieder raus, |
vf sine gevateren tet er einen wanc. | seinem Gevater/Freund fügte er (seelischen) Schaden zu. |
Isengrine ein herzen leit geschach: | Isegrin tat das Herz weh: |
er gebrvtete si, daz erz an sach. | Er vergewaltigte sie, so dass er es mit ansehen musste. |
Reinhart sprach: ,villibe vrvndin, | Reinhart sagte: ,Sehr geliebte Freundin, |
ir schvlt talent mit mir sin. | Ihr werdet heute den ganzen Tag mit mir sein. |
izn weiz niman, ob got wil, | Es weiß keiner, ob Gott will, |
dvrch ewer ere ich iz gerne verhil.' | (aber) ich verheimliche es gerne um Eurer Ehre willen.' |
vern Hersante schande was niht deine, | |
si beiz vor zorne in die steine, | sie biss vor Wut in die Steine, |
ir kraft konde ir nicht gefrvmen. | ihre Kraft konnte ihr nicht helfen. |
Reinhart entkommt auch diesmal, trotz seiner offenkundigen Straftat, und lässt unbekümmert die entehrte Wölfin liegen. Konnte man seine Taten bis jetzt noch rechtfertigen, so geht an dieser Stelle die Möglichkeit den Fuchs zu entschuldigen verloren. Die Bosheit des Fuchses ist nicht mehr nur auf seine Gier und auf sein Egoismus zurück zu führen, die in der Tierwelt gewisser Weise zum Überlebensinstinkt zu gehören scheinen, sondern beruhen auf die pure Absicht des Fuchses andere Beteiligte zu verletzen und ihnen Schaden zuzufügen. Diese Absicht ist in einigen seiner vorherigen "Listen" oder besser gesagt "Straftaten" enthalten, kann aber ab der Vergewaltigung deutlich als solche gesehen werden.
Man könnte versuchen mit Fortpflanzungsinstinkten zu argumentieren, jedoch können sich Wölfe und Füchse nicht paaren, außerdem schein Reinhart sich seiner Aktionen bewusst zu sein.
Bösartigkeit
Reinharts Moral-Wahrnehmung
Schluss
Literaturverzeichnis
- ↑ Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg. und übersetzt von Karl-Heinz Göttert, Reclam, Stuttgart 1976.
- ↑ Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg. und übersetzt von Karl-Heinz Göttert, Reclam, Stuttgart 1976.
- ↑ Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg. und übersetzt von Karl-Heinz Göttert, Reclam, Stuttgart 1976.
- ↑ Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Bd. 2: 'Reinhart Fuchs', 'Lanzelet', Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, Berlin 1980 (Grundlagen der Germanistik 25), S.22.
- ↑ Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg. und übersetzt von Karl-Heinz Göttert, Reclam, Stuttgart 1976.