Die Weibliche Rede bei Neidhart: Unterschied zwischen den Versionen

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
Zeile 10: Zeile 10:


In diesem Artikel wird versucht auf die Frauenrollen in Neidharts Sommer und Winterliedern einzugehen und insbesondere zu untersuchen wann, wie und warum die Frauen hier zu Wort kommen.  
In diesem Artikel wird versucht auf die Frauenrollen in Neidharts Sommer und Winterliedern einzugehen und insbesondere zu untersuchen wann, wie und warum die Frauen hier zu Wort kommen.  


=Sommer und Winterlieder=
=Sommer und Winterlieder=
Zeile 55: Zeile 56:


Zusammenfassend lässt sich sagen, das Neidhart hier einen Bruch des traditionellen Minnesangsschema getätigt hat.  
Zusammenfassend lässt sich sagen, das Neidhart hier einen Bruch des traditionellen Minnesangsschema getätigt hat.  


=Die Weibliche Rede Neidharts Winterliedern am Beispiel Winterlied 9=
=Die Weibliche Rede Neidharts Winterliedern am Beispiel Winterlied 9=


Winterlieder sind meist Monologlieder des Sänger- Ichs, in denen es oft auf eine Streit mit den ''dörpern'' heraus läuft.
Winterlieder sind meist Monologlieder des Sänger- Ichs, in denen es oft auf eine Streit mit den ''dörpern'' heraus läuft.
Zeile 139: Zeile 142:
Das macht auch bewusst wieso das Mädchen so sauer wegen des Griffel-Raubes ist. Der Griffel steht hier sicher als Symbol des Liebesbeweises. Aber der Sänger raubte ihn ihr wieder und könnte mit ihm schlimme Sachen anstellen.  
Das macht auch bewusst wieso das Mädchen so sauer wegen des Griffel-Raubes ist. Der Griffel steht hier sicher als Symbol des Liebesbeweises. Aber der Sänger raubte ihn ihr wieder und könnte mit ihm schlimme Sachen anstellen.  
Dem Sänger wird klar, er muss um seine Liebe kämpfen und selbst das selbstbewusste, schnippische Verhalten seines Mädchens bringt ihn davon nicht ab, es macht sie für ihn sogar noch attraktiver.  
Dem Sänger wird klar, er muss um seine Liebe kämpfen und selbst das selbstbewusste, schnippische Verhalten seines Mädchens bringt ihn davon nicht ab, es macht sie für ihn sogar noch attraktiver.  




Zeile 147: Zeile 151:
Neidharts Frauenbild in diesem Winterlied ist sehr modern. Sie wirken selbstbestimmt, sagen was sie denken und wie sie sich fühlen. Wird eine Frau enttäuscht oder nicht so behandelt wie sie es gerne hätte, scheut sie sich nicht zu zeigen und zu sagen dass sie das nicht gut findet, egal was die Gesellschaft sagt. Sie steht zu ihrem Wort, ist selbstbestimmt und hört nicht auf einen Mann.  
Neidharts Frauenbild in diesem Winterlied ist sehr modern. Sie wirken selbstbestimmt, sagen was sie denken und wie sie sich fühlen. Wird eine Frau enttäuscht oder nicht so behandelt wie sie es gerne hätte, scheut sie sich nicht zu zeigen und zu sagen dass sie das nicht gut findet, egal was die Gesellschaft sagt. Sie steht zu ihrem Wort, ist selbstbestimmt und hört nicht auf einen Mann.  
Neidhart thematisiert aber nicht nur die Rolle der Frau als Geliebte. Im nächsten Abschnitt ,zum Thema Sommerlieder , werden weitere Rollen vorgestellt.  
Neidhart thematisiert aber nicht nur die Rolle der Frau als Geliebte. Im nächsten Abschnitt ,zum Thema Sommerlieder , werden weitere Rollen vorgestellt.  


=Die Weibliche Rede in Neidharts Sommerliedern=
=Die Weibliche Rede in Neidharts Sommerliedern=


Neidharts Sommerlieder zeigen mehrere Arten von Frauengesprächen auf. Diese werden nun folgend einzeln besprochen
Neidharts Sommerlieder zeigen mehrere Arten von Frauengesprächen auf. Diese werden nun folgend einzeln besprochen


==Mutter-Tochter Gespräche==
==Mutter-Tochter Gespräche==

Aktuelle Version vom 31. März 2021, 09:41 Uhr


Die hohe Dame des Minnesangs - so lautet das gängige Handbuchwissen - zeichnet sich aus durch ihre Idealität und Unerreichbarkeit; sie gilt als der Inbegriff der Schönheit und Tugend, als erstrebenswertes Wunschobjekt des Sänger-Ichs in seiner Rolle als unermüdlich Werbender und im Glück seiner Werbung zugleich Leidender[1]


So beschreibt Edith Wenzel in ihrem Buch Manlîchiu wîp, wîplîch man das typische Frauenbild im Minnesang. Die Frau ist ein Wunschobjekt des Sängers, die sich meistens ohne zu Wort zu kommen, hingibt. Doch bei Neidhart ist das anders. Er lässt Frauen zu Wort kommen, Probleme austauschen und sogar miteinander streiten.

In diesem Artikel wird versucht auf die Frauenrollen in Neidharts Sommer und Winterliedern einzugehen und insbesondere zu untersuchen wann, wie und warum die Frauen hier zu Wort kommen.


Sommer und Winterlieder

Neidharts Lieder werden in Sommer und Winterlieder unterteilt, die jeweils mit einem Natureingang beginnen. Dieser Natureingang besteht bei den Sommerliedern aus fröhlichen Klängen über den Sommerbeginn und das Blühen der Natur. ( weiteres dazu :

  1. WEITERLEITUNG Natureingang und Symbolik in den Liedern Neidharts

Beispiel Sommerlied IV, Strophe I

Mittelhochdeutsch Übersetzung
sî wir alle Wir sind froh
frô mit schalle! und jubeln!
sumer ist komen in diu lant. Sommer ist in das Land gekommen.

Der Wintereingang dagegen ist trist und beinhaltet Klagen über den vergangenen Sommer. Oft spricht der Sänger von der genommenen Freude bei Wintereinbruch. Beispiel Winterlied 24:

Summer, dîner süezen weter Sommer, auf dein schönes Wetter
müezen wir uns ânen: müssen wir verzichten:
dirre kalte winder trûren unde senen gît. dieser kalte Winter erweckt Trauer und Sehnsuchtsschmerz.


Doch eins haben beide Lieder gemeinsam. Bei beiden steht der Tanz und Feierei im Mittelpunkt. Im Sommer unter schönen Linden, während im Winter in den Stuben getanzt wird. Und das ist auch der Ort des ganzen Geschehens. Die Tänze sind nicht zur Unterhaltung gedacht, sondern eher zur sexuellen Kontaktaufnahme mit dem anderen Geschlecht.[2]

Diese erwähnte Grundstimmung, findet sich ebenfalls im Inhalt der Lieder wieder. In den Sommerliedern steht der Sänger immer gut da. Er wird umschwärmt und die Frauen wollen mit ihm tanzen. In den Winterliedern dagegen, hat er meist Herzschmerz und leidet.

Das Minneschema ist in den beiden Liedern sehr unterschiedlich. In einem Aufsatz von Kurt Ruh stellt er drei verschiedene Minnesängetypen gegenüber. Die des klassischen Minnesangs, die Minne in den Sommerliedern und die Minne in den Winterliedern. Zunächst macht er auf die er Tatsache aufmerksam, dass sich Neidharts Minnekonzeption genetisch aus dem etablierten Schema der hohen Minne erklärt.[3]

Für Ruh ist es ein Dreieck, dass die Lieder beschreibt. Der Sänger, der einen niedrigeren Stand hat, umwirbt eine höfische Dame, doch die Gesellschaft sieht so etwas nicht gerne. Doch Neidhart verändert dieses Schema in den Sommerliedern und der Sänger steht nun im Stand, über der Dame. Der soziale Status wurde so also getauscht. (zu weiterem Rollentausch später.) Die Dame begehrt nun den Sänger und nicht umgekehrt.[4]

In den Winterliedern meint Ruh, ist zwar der soziale Status der beiden vertauscht, aber nicht das klassische Minneverhältnis aufgehoben. Das bedeutet der Sänger trauert in den Winterliedern auch um seine verlorene Liebe und um das Scheitern, wie auch in der hohen Minne.

Zusammenfassend lässt sich sagen, das Neidhart hier einen Bruch des traditionellen Minnesangsschema getätigt hat.


Die Weibliche Rede Neidharts Winterliedern am Beispiel Winterlied 9

Winterlieder sind meist Monologlieder des Sänger- Ichs, in denen es oft auf eine Streit mit den dörpern heraus läuft.

Strophe III

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Engelwân und Uoze Engelwân und Uoze
die zwéne sint mír geház sind beide von mir gehasst
schaden unde nîdes muoz ich mich von in versehen) (vor ihrem Schaden und Neid muss ich mich in Acht nehmen)
und der geile Ruoze: und der übermütige Ruoze:
wie tíuwer er sich vermáz, wie sehr er sich rühmt,
der bestüende mich durch sî! die drîe widerwehen und dachte mich zu bekämpfen! Die drei Widersacher

Seltener aber handelt es sich bei einem Winderlied um ein Dialoglied. Dies aber ist bei Winderlied 9 der Fall. In diesem Lied gibt es einen Konflikt zwischen dem Sänger-Ich und seiner Dame. Es beginnt, wie gewohnt, mit einem klassischen winterlichen Natureingang . Hier werden die schweigenden Vögel und die schlafenden Blumen erwähnt, die Hinweise auf den vergangenen Sommer darstellen. Gleichzeitig spricht das Sänger-Ich von der unerwiderten Lieber seiner Angebeteten, was oft mit dem Ende des Sommers und des Beginns des Winter verglichen wird. Doch der Sänger will nicht aufgeben und malt sich eine Zukunft mit ihr aus.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Nu ist der kleinen vogelîne singen Nun haben die Vögel aufgehört zu singen
und der liehten bluomen schîn vil hast zergân. und die schönen Blumen blühen nicht mehr
wolde ein wîp mir liebez ende bringen wollte mir eine Frau das Ende unserer Liebe bringen

In diesem Lied ist das Hauptthema der Raub des Griffels der Dame. Dieser Griffel wurde ihr widerwillig entwendet und der Dieb nimmt diesen als Pfand zu sich. Dieses Griffel Symbol kann man wörtlich oder metaphorisch verstehen. Entweder es wurde ihr ein Gegenstand entwendet oder ihre Jungfräulichkeit geraubt. ( mehr dazu im Artikel : Spiegelraub .......)

Ab Strophe III, Vers , beginnt der eigentliche Dialog: Strophe III, Vers 3 ff.:

Mittelhochdeutsch Übersetzung
sagt mir, liupper herre, dûhte ich iuch sô blas Sag mir, mein lieber Herr,
daz ir mir mîn grüffel nâmet unverdienter dinge? dass ihr mir meinen Griffel unverdient entwendeten
Jâne will ich nimmer iuwern treieros gesingen Hier ich will nicht mehr Treieros (ein Tanzlied singen )
Noch nâch iu den reien niht enspringen und deinen Reihen nicht enspringen

Die Frau kommt zu Wort und spricht über den Griffel-Raub. Sie fühlt sich nicht wohl damit und bestraft ihn mit abwesender Aufmerksamkeit. Der Sänger möchte sie natürlich nicht verlieren und versucht sie zu beruhigen. Doch beide erwarten etwas anderes voneinander und der Streit geht weiter. Die Frau reagiert aber, wie wir es von einem Minnelied nicht gewöhnt sind, selbstbewusst und bestimmt.Sie betont auch, dass er kein Recht auf den Pfand hätte, der er erwähnte.

Strophe IV, Vers 5ff.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Wâ gesâht ir ie wîp die man alsô gephenden? Was .... gepfändet
Jâ getrûwe ichz sust nâch mînem willen wol volenden Ja meine teuerste, mein Wille wird voll endet
nâch dem grüffelîne muose ich senden. nach dem Griffel muss ich holen

Obwohl der Sänger ein deutlich höheren sozialen Stand besitzt als die Dame, nimmt sie sich das Recht Selbstbestimmt zu agieren. Sie wirkt als moderne, mutige Frau. Bestätigt wird dies sogar vom Sänger-Ich selbst.

Ich gesach nie jungez wîp sô lôse, diu ir lîp den mannen kunde baz versagen. (Vers 1,2/Str.V)

Siegfrieg Beyschlag übersetz diesen Vers wie folgt :

"Noch nie erlebt’ ich junges Weib so schnippisch, die sich die Männer so vom Hals zu halten wußt."[5]

Danach erinnert der Sänger sich zurück, an gemeinsame Momente mit des Mädchens. Er spricht vom „Heutragen“, was auf eine niedrigere Schicht des Mädchens hinweist. Man kann dieses „Heutragen“ auch verstehen wie „Blumen brechen“. Diese Metaphern weisen auf einen vollzogenen Akt hin, der nach den Worten des Sänger im Sommer stattgefunden haben muss. Das macht auch bewusst wieso das Mädchen so sauer wegen des Griffel-Raubes ist. Der Griffel steht hier sicher als Symbol des Liebesbeweises. Aber der Sänger raubte ihn ihr wieder und könnte mit ihm schlimme Sachen anstellen. Dem Sänger wird klar, er muss um seine Liebe kämpfen und selbst das selbstbewusste, schnippische Verhalten seines Mädchens bringt ihn davon nicht ab, es macht sie für ihn sogar noch attraktiver.



Das Frauenbild in Neidharts Winterliedern

Neidharts Frauenbild in diesem Winterlied ist sehr modern. Sie wirken selbstbestimmt, sagen was sie denken und wie sie sich fühlen. Wird eine Frau enttäuscht oder nicht so behandelt wie sie es gerne hätte, scheut sie sich nicht zu zeigen und zu sagen dass sie das nicht gut findet, egal was die Gesellschaft sagt. Sie steht zu ihrem Wort, ist selbstbestimmt und hört nicht auf einen Mann. Neidhart thematisiert aber nicht nur die Rolle der Frau als Geliebte. Im nächsten Abschnitt ,zum Thema Sommerlieder , werden weitere Rollen vorgestellt.


Die Weibliche Rede in Neidharts Sommerliedern

Neidharts Sommerlieder zeigen mehrere Arten von Frauengesprächen auf. Diese werden nun folgend einzeln besprochen


Mutter-Tochter Gespräche

Mutter-Tochter Dialoge sind, wie der Name schon sagt, Gespräche zwischen Mutter und Tochter. In diesen findet meist eine Auseinandersetzung der beiden Frauen statt, in der die fürsorgliche Mutter ihre Tochter vor den Männern warnt. Die Mutter ist der Meinung, ihre Tochter sollte sich für Männer, mit dem gleichen Stand interessieren und nicht für einen Ritter. Doch auf den Rat der Mutter hört die Tochter nicht. Meistens droht die Mutter mit Gewalt und ihrer Autorität, wenn die Tochter nicht auf sie hört. Dies ist z.B. in den Sommerliedern 16,18 und 23 auch der Fall.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Der muoter der wart leit, Der Mutter war es leid,
daz diu tohter niht enhôrte, daz si ir vor geseit; dass die Tochter nicht darauf hörte, was sie ihr vorher sagte;
iz sprach diu stolze meit: so sprach das stolze Mädchen:
"ich hân im gelobt: des hât er mîne sicherheit. "Ich habe es ihm versprochen: daher hat er mein Vertrauen.
waz verliuse ich dâ mit mîner êren? Warum sollte ich damit mein Ansehen verlieren?
jâne wil ich nimmer widerkêren, Hier will ich niemals zurückkehren,
er muoz mich sîne geile sprünge lêren. er muss mich seine frohe Sprünge lehren

Für weitere Informationen:

  1. WEITERLEITUNG Mutter-Tochter-Dialoge am Beispiel von Sommerlied 18

Dieser Abschnitt zeigt einige Charaktereigenschaften die man der Rolle der Tochter zuordnen kann. Sie ist naiv, unerfahren und sehr unvernünftig. Wobei die Mutter die Gegenteilige Rolle spielt. Hier agiert die Mutter noch nett, wobei sie in anderen Liedern mit Gewalt droht oder sogar handgreiflich wird. „si gap ir einz, daz in dem hûse erschal; / über al / gap si ir vil starke slege schiere[…]" Dies weist auf ein sehr unhöfisches Verhalten hin. Die Tochter wird oft als frech, prahlend dargestellt die nur noch Augen für einen Mann hat. Sie kann es gar nicht erwarten, ihn zu sehen und bei ihm zu sein. Egal was ihre Mutter sagt Ihr ist jedes Mittel recht und sie tut alles um zum Tanz zu kommen. Trotz allem ist die Tochter, in fast allen Lieder, der Mutter überlegen. Nichts desto Trotz vergessen beide eins, sie sind immer noch dem Vater unterlegen, der hier aber nie zu Wort kommt.[6]


Und so führen diese beiden Gruppen von Sommerliedern von anscheinend harmloser Frühlings- und Sommerfreude zur Enthüllung eines menschlichen Verhaltens, das von der Spannung zwischen vitalem Lebens- und Lusttrieb, der alle Fesseln abwerfen will, und dem Widerstand durch die Bindungen menschlichen Existierens in gesetzten Ordnungen beherrscht wird, Spannungen, worin sich Abgründe unbedachten Spielens mit dem Sinnenverwirrenden Eros, Mißachtens der Wirklichkeit, Lieblosigkeit und Bedenkenlosigkeit gegenüber dem anderen auftun.[7]

In diesem Zitat beschreibt Beyschlag seiner Ansicht nach die Mutter Tochter Gespräche. Er weist darauf hin wie sehr die Ungezügeheit der Tochter und Mutter zum Vorschein kommen. Die Triebe der Frauen spielen eine große Rolle, die ihr nicht höfisches Verhalten noch einmal unterstreichen.

Mutter- Tochter Gespräche existieren auch mit vertauschten Rollen.Hier spielt die Tochter die sorgende Rolle, die sonst die Mutter übernimmt. Neidhart verwendet diesen Rollentausch in einigen Liedern wie z.B. im Sommerlied 1. Das Verhalten der Mutter entspricht hier einem liebeslustigen Mädchens, die übermütig und naiv handelt.


Mittelhochdeutsch Übersetzung
Ein altiu diu begunde springen Die Alte begann
hôhe alsam ein kitze enbor: si wolde bluomen bringen wie ein Rehkitz zu springen; sie wollte Blumen bringen
tohter, reich mir mîn gewant: Tochter, reich mir mein Kleid
ich muoz an eines knappen hant Ich muss an die Hand eines Mannes
er ist von Riuwental genant. der Riewental genannt wird.

Aber auf die Warnungen der Tochter hört die Mutter nicht. Sie rebelliert, wie es normalerweise ihre Tochter tun würde, und versucht durch Autorität zu überzeugen.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
„tohter lâ mich âne nôt!“ "Tochter, du lässt mich gehen!"

Hier sieht man, dass nicht nur die Mädchen bei einem Tanz einen Ritter überzeugen wollen, sondern auch deren Mütter. „wa umbe sollte ich hie bestân/ sît ich sô vil geverten hân?“ (Vers 4,5/ Str.III)

Ingrid Bennewitz versucht in ihrem Aufsatz , dieses Rollenverhalten mit Aussagen von Nancy Friday über die Strukturen von Mutter-Tochter zu vergleichen. Nach Nancy Friday waren viele neidisch auf ihre Freundinnen oder Töchter und darauf gab es zweierlei Verhaltensweisen. Entweder sie entzogen sich dem Wettbewerb, weil sie keine Chance sahen oder legten ein Konkurrenzverhalten auf[8]

Die Mutter

Nicht nur die angebeteten Mädchen stehen im Zentrum Neidharts, sondern auch ihre Mütter. Deswegen bekommt sie hier auch einen eigenen Unterpunkt, da sie eine besondere Rolle bei Neidhart spielen kann. Bei einem Rollentausch übernehmen die Mütter ebenso die sommerliche Freude und fühlen sich auf einmal wieder jung und wollen mit zum Tanz. Sandra Linden stellt in ihrem Text "Die Lebenslustige Alte“[9] fest, dass die die Figur der Lebenslustigen Alten als Gegenfigur zur Tochter steht.

Beyschlag beschreibt die Mutter Gespräche wie folgt: „Und so führen diese beiden Gruppen von Sommerliedern von anscheinend harmloser Frühlings- und Sommerfreude zur Enthüllung eines menschlichen Verhaltens, das von der Spannung zwischen vitalem Lebens- und Lusttrieb, der alle Fesseln abwerfen will, und dem Widerstand durch die Bindungen menschlichen Existierens in gesetzten Ordnungen beherrscht wird, Spannungen, worin sich Abgründe unbedachten Spielens mit dem Sinnenverwirrenden Eros, Mißachtens der Wirklichkeit, Lieblosigkeit und Bedenkenlosigkeit gegenüber dem anderen auftun.“[10]


Lieder die diese Situation darstellen sind das Sommerlied 1,9 und 17. Im Sommerlied 17 freut sich die Tochter auf einen bevorstehenden Tanz. Diese Freunde geht über auf die Mutter, die sich plötzlich wieder jung fühlt.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
wan daz mînem hâre Was ist denn mit meinen Haaren,
die will ich bewinden mit sîden. die will ich mit einem Seidenband bändigen.
tohter, wâ ist mîn rîse Tochter, bind sie mir hoch

Sie will ihre Tochter zum Tanz begleiten, doch die Tochter übernimmt nun die fürsorgliche Rolle und will sie davon abhalten und rät ihr lieber zu Bett zu gehen.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
“wer hât iuch beroubet "wer hat dich der sinne gar? deiner Sinne beraubt? slâfe't! Geh schlafen!"

Doch die Mutter überredet sie schließlich und begleitet sie zu dem Tanz. Wie si den strît liezen, will ich iu bescheiden: daz magedîn begunde sîner muoter leiden.

In diesem Lied merkt man sofort, dass die Rollen vertauscht wurden. Die Mutter wirkt ungeduldig und will umbedingt zum Tanz und die Tochter spielt hier die Rolle der Beschützerin und rät ihr davon ab.


Die Gespielinnen

In diesen Dialogen unterhalten sich zwei Freundinnen miteinander und reden meistens über gemeinsame Wünsche und Interessen, sowie ihr Vertrauen dem anderen gegenüber. [11]

Im Zentrum ihrer Gespräche steht natürlich ihre Werber. Ähnlich wie bei bei den Mutter- Tochter Gesprächen lassen sich die Frauen nicht auf einen Mann gleiches Standes ein, sondern auf einen Mann mit eines höheren Standes. Kommt es zum Streit zwischen den beiden, verfliegt sofort das höfische, das sie vorgeben zu sein. Der häufigste Streitgrund der Frauen ist natürlich das Thema Mann. Ein Beispiel für ein Gespräch unter Freundinnen finden wir im Sommerlied 14. Dieses beginnt mit einem sommerlichen Natureingang .

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Ine gesach die heide Ich sah die Wiese
nie baz gestalt noch nie in dieser Gestalt
in liehter ougenweide In dem schönen Anblick
den grüenen walt den grünen Walt

Der Sänger fordert die Mädchen auf, sich einen Partner für den nächsten Tanz zu suchen um den Sommer willkommen zu heißen.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
ir mägde, ir sult iuch zweien, Ich Mädchen sucht euch einen zweiten
gein dirre liehten sumerzît in hôhem muote reien.’' die schöne Sommerzeit zu feiern.

Nachdem weiter über den Sommer geschwärmt wird, spricht der Sänger die Mädchen an. Er beschreibt sie als sorglos und gut gelaunt. Sie sollen sich für die Männer etwas hübsches anziehen. "zieret iuch, daz iu die Beier danken, die Swâbe und die Vranken! ir brîset iuwer hemde wîz mit sîden wol zen lanken."


Ab Strophe 4 kommt das erste Mädchen zu Wort und klagt über die Männer. Sie will sich nicht hübsch machen, um dann nicht umworben zu werden. Doch ihre Freundin ermutigt sie und weiß sicher, dass es jemanden gibt der sich für sie interessiert und es noch Männer gibt die gerne um eine Frau werben “die noch gerne dienent guoten wîben“

Hier unterstützen sich die Mädchen gegenseitig, so wie es in einer Freundschaft üblich sein sollte. Durch die Worte ihrer Freundin entscheidet sie sich dann doch dafür, mit ihr auf den Tanz zu gehen und sich nach Männern umzuschauen. Vorher gibt sie ihrer Freundin noch ihren Gürtel. Das ist für Beyschlag eine sehr unhöfische Geste. Die Gürtelgabe weist auf Ungeduld und Sehnsüchte hin.[12]

Anders verhalten sich die befreundete Mädchen in Sommerlied 20. In diesem Lied erzählt eine der anderen von ihrem Verehrer, doch will seinen Namen nicht nennen. Das macht die andere Freundin sauer und es kommt zu einem Streit ,mit derber Wortwahl. Hier wird, wie schon erwähnt, die höfische Sprache total vergessen und sie verfallen in einen derben Streit.

Strophe VII:

Mittelhochdeutsch Übersetzung
'Ich mac wol dîn ungevüege schelden: Ich mag wohl dein unartiges Verhalten schimpfen
dû muost immer wider mich sô gelfer worte enkelden. du musst mich immer wieder so….
wir hieten beide baz gedagt. wir hätten beide gesagt
hiute sî dir widersagt hätte ich dir widersprochen
dienest unde triuwe! unsere Treue
dîn muot ist iteniuwe.“’ dein Mut ist mir neu ….

Nach diesem Streit entzweit die Freundschaft („si wurden beide ein ander gram Stophe 8) und die beiden sehen sich nie wieder. Man könnte sogar davon sprechen, dass ein Mann die Freundinnen entzweit. Es endet leider mit derben Beschimpfungen und dem Ende einer Freundschaft, alles wegen einem Mann und Eifersucht.

Sänger-Mädchen Dialoge

Aber nicht nur Frauen reden bei Neidhart miteinander, so wie es bisher aufgezeigt wurde. Unterhaltungen zwischen einem Mädchen und einem Ritter findet man z.B. in den Sommerliedern 13, 22 und 24. Meist beginnen diese mit einem Selbstgespräch des Mädchens ,wie im Sommerlied 13. Sie beklagt sich über die Gesellschaft ( „huote“) aber freut sich auf den bevorstehenden Tanz mit ihrem Angebeteten. “Worte des liebenden Mannes, Bekenntnis steter gegenseitiger Herzensverbundenheit, Leid des Getrenntseins und Beglückung im Wissen um vriunt und triuwe“ zeichnet diese Gattung der Lieder Niedharts aus.[13]

So sehnt sich im Sommerlied 13 der Mann nach dem Mädchen und in Sommerlied 24 das Mädchen nach dem auf sie wartenden Mann. In diesen Liedern wird die Freunde über das Zusammensein und die Liebe nicht verschwiegen , sondern frei raus geäußert, trotz dass die Gesellschaft sie nicht zusammen sehen will.[14]



Die Funktion der Weiblichen Rede

Was aber hat es auf sich, dass Neidhart die Frauen in seinen Liedern zu Wort kommen lässt? Grob gesagt liest man raus, dass sich die Gedanken der Frauen nur um die Männer drehen. Dass die Frauen einen niedrigeren Stand besitzen als die Männer fällt sofort auf. Sie drücken sich unhöfisch aus, vor allem wenn es zu einem Streit mit Mutter oder Freundin kommt und nehmen keinen Blatt vor den Mund. Sie sprechen aus was sie wollen und geben bescheid wenn etwas nicht so läuft wie sie es gerne hätten. Sie wird nicht mehr begehrt sondern wird zu dem Part der begehrt sie erscheint in dieser Rolle nicht länger als passive Statue, sondern als aktiv Handelnde, die von sexueller Lust getrieben zu sein scheint.[15]

So gesehen werden die Rollen der Geschlechter verdreht. Selbst wie wir gesehen haben wechseln die Rollen ihre Seite. Die fürsorgliche Mutter wird zu einer tanzwütigen Frau und die jungen Frauen zu sich Sorgen machenden Töchtern.

Fazit

Das typische Frauenbild des Mittelalters gilt hier nicht mehr. Bei Neidhart ändert sich aber das ganze und die Frau, die eigentlich begehrt wird, begehrt nun die Männer. "Sie erscheint in dieser Rolle nicht länger als passive Statue, sonder als aktive Handelnde, die von sexueller Lust getrieben zu sein scheint"[16]

Doch scheint es als würde ihr Trieb die Frauen bestimmen. Oft, vor allem während eines Streites, wird unhöfliche Sprache verwendet, was auf einen niedrigeren Stand hinweist. Das ist ein weiterer Hinweis auf den Rollentausch Neidharts. In seinen Liedern ist der Ritter der mit dem höheren Stand und nicht wie sonst die Dame.

Insgesamt darf man auch behaupten ,dass Neidhart ein modernes Frauenbild aufzeigt. Seine Frauenrollen sind sehr verschieden, sodass man annehmen kann, er habe sich viel mit den verschiedenen Seiten der Frauen beschäftigt damit er sie vielseitig darstellen kann.

Literaturverzeichnis

Bennewitz, Ingrid: Manlîchiu wîp, wîplîch man Zur Konstruktion der Kategorien 'Körper' und 'Geschlecht' in der deutschen Literatur des Mittelalters. Hrsg. von Ingrid Bennewitz und Helmut Tervooren. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1999

Bennewitz, Ingrid:"Wie ihre Mütter?" Zur männlichen Inszenierung des weiblichen Streitgesprächs in Neidharts Sommerliedern. Stuttgart : Heinz, 1994

Beyschlag, Siegfried : Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergament-Handschriften und der Melodien. Hrsg. von Siegfried Beyschlag. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975

Linden, Sandra: Die liebeslustige Alte. Ein Topos und seine Narrativierung im Minnesang. In: Elm/Fitzon/Liess/Linden 2009,

Ruh, Kurt. „Neidharts Lieder. Eine Beschreibung des Typus.“ In: Neidhart. Hrsg. v. Horst Brunner. Darmstadt 1986

Schweikle, Günther: Neidhart. Stuttgart 1990 (SM 253)

  1. Manlîchiu wîp, wîplîch man Zur Konstruktion der Kategorien 'Körper' und 'Geschlecht' in der deutschen Literatur des Mittelalters. Hrsg. von Ingrid Bennewitz und Helmut Tervooren. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1999, S. 264.
  2. Bennewitz, Ingrid: "Wie ihre Mütter?" Zur männlichen Inszenierung des weiblichen Streitgesprächs in Neidharts Sommerliedern. Stuttgart : Heinz, 1994, S. 181.
  3. Ruh, Kurt. „Neidharts Lieder. Eine Beschreibung des Typus.“ In: Neidhart. Hrsg. v. Horst Brunner. Darmstadt 1986 S.263.
  4. Ruh, Kurt. „Neidharts Lieder. Eine Beschreibung des Typus.“ In: Neidhart. Hrsg. v. Horst Brunner. Darmstadt 1986 S.295
  5. Beyschlag, Siegfried. „Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergament- Handschriften und die Melodien.“ Darmstadt 1975 S.151
  6. Bennewitz, Ingrid: "Wie ihre Mütter?" Zur männlichen Inszenierung des weiblichen Streitgesprächs in Neidharts Sommerliedern. Stuttgart : Heinz, 1994, S. 192ff.
  7. Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergament-Handschriften und der Melodien. Hrsg. von Siegfried Beyschlag. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975, S. 560.
  8. Bennewitz. S. 181.
  9. Sandra: Die liebeslustige Alte. Ein Topos und seine Narrativierung im Minnesang. In: Elm/Fitzon/Liess/Linden 2009, S. 137–164
  10. Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergament-Handschriften und der Melodien. Hrsg. von Siegfried Beyschlag. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975, S. 560
  11. Bennewitz, Ingrid: "Wie ihre Mütter?" Zur männlichen Inszenierung des weiblichen Streitgesprächs in Neidharts Sommerliedern. Stuttgart : Heinz, 1994, S. 190.
  12. Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergament-Handschriften und der Melodien. Hrsg. von Siegfried Beyschlag. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975, S. 554.
  13. Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergament-Handschriften und der Melodien. Hrsg. von Siegfried Beyschlag. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975, S. 549.
  14. Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergament-Handschriften und der Melodien. Hrsg. von Siegfried Beyschlag. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975, S. 554.
  15. Manlîchiu wîp, wîplîch man Zur Konstruktion der Kategorien 'Körper' und 'Geschlecht' in der deutschen Literatur des Mittelalters. Hrsg. von Ingrid Bennewitz und Helmut Tervooren. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1999, S. 265.
  16. Manlîchiu wîp, wîplîch man Zur Konstruktion der Kategorien 'Körper' und 'Geschlecht' in der deutschen Literatur des Mittelalters. Hrsg. von Ingrid Bennewitz und Helmut Tervooren. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1999, S. 265