Parzival, Jeschute und Orilus (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen
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===Parzivals und Jeschutes tragisches Aufeinandertreffen=== | ===Parzivals und Jeschutes tragisches Aufeinandertreffen=== | ||
Nachdem Parzival seine Mutter Herzeloyde verlassen hat, entdeckt er auf seinem Weg ein Zelt, in dem eine Frau liegt. Bei der Schlafenden handelt es sich um Jeschute, die Ehefrau des Duc Orilus de la Lande(129, 27)<ref>Alle Zitate folgen der Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns revidiert und kommentiert von Eberhard Nellmann, übers. von Dieter Kühn, 2 Bde., Frankfurt a.M. 2006. </ref>, von deren Schönheit Parzival sogleich angezogen wird (130, 4-25). Parzival entdeckt einen Ring an ihrem Finger und erinnert sich daran, dass seine Mutter ihm einst riet, den Ring und die Gunst einer Frau zu erobern (127, 27-28). Daraufhin springt Parzival auf Jeschutes Bett bedrängt sie (131, 1-2). Die Ehefrau des Orilus wacht daraufhin auf, doch wehrt sich vergebens gegen Parzival, da dieser nun auch noch versucht, sie zu küssen (131, 15). Auch hier befolgt er wiederum den Rat seiner Mutter Herzeloyde, die ihm einst empfohlen hat, eine schöne Frau gleich in die Arme zu nehmen und zu küssen (127, 29-30). Parzival geht sogar so weit, dass er sie vergewaltigen will, woraufhin sie sich wieder zu wehren versucht (131, 17-20). Die Ehefrau von Orilus kann sich jedoch vorläufig erst einmal retten, da der Sohn Herzeloydes plötzlich Hunger verspürt und von ihr ablässt (131, 22). Jeschute bittet ihn, den Ring und die Schließe, die er ihr abgenommen hat, zurückzugeben (132, 10-11) und warnt gleichzeitig vor ihrem Ehemann (132, 12-14): | Nachdem Parzival seine Mutter Herzeloyde verlassen hat, entdeckt er auf seinem Weg ein Zelt, in dem eine Frau liegt. Bei der Schlafenden handelt es sich um Jeschute, die Ehefrau des Duc Orilus de la Lande (129, 27)<ref>Alle Zitate folgen der Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns revidiert und kommentiert von Eberhard Nellmann, übers. von Dieter Kühn, 2 Bde., Frankfurt a.M. 2006. </ref>, von deren Schönheit Parzival sogleich angezogen wird (130, 4-25). Parzival entdeckt einen Ring an ihrem Finger und erinnert sich daran, dass seine Mutter ihm einst riet, den Ring und die Gunst einer Frau zu erobern (127, 27-28). Daraufhin springt Parzival auf Jeschutes Bett bedrängt sie (131, 1-2). Die Ehefrau des Orilus wacht daraufhin auf, doch wehrt sich vergebens gegen Parzival, da dieser nun auch noch versucht, sie zu küssen (131, 15). Auch hier befolgt er wiederum den Rat seiner Mutter Herzeloyde, die ihm einst empfohlen hat, eine schöne Frau gleich in die Arme zu nehmen und zu küssen (127, 29-30). Parzival geht sogar so weit, dass er sie vergewaltigen will, woraufhin sie sich wieder zu wehren versucht (131, 17-20). Die Ehefrau von Orilus kann sich jedoch vorläufig erst einmal retten, da der Sohn Herzeloydes plötzlich Hunger verspürt und von ihr ablässt (131, 22). Jeschute bittet ihn, den Ring und die Schließe, die er ihr abgenommen hat, zurückzugeben (132, 10-11) und warnt gleichzeitig vor ihrem Ehemann (132, 12-14): | ||
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Version vom 27. Mai 2012, 21:00 Uhr
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Parzivals und Jeschutes tragisches Aufeinandertreffen
Nachdem Parzival seine Mutter Herzeloyde verlassen hat, entdeckt er auf seinem Weg ein Zelt, in dem eine Frau liegt. Bei der Schlafenden handelt es sich um Jeschute, die Ehefrau des Duc Orilus de la Lande (129, 27)[1], von deren Schönheit Parzival sogleich angezogen wird (130, 4-25). Parzival entdeckt einen Ring an ihrem Finger und erinnert sich daran, dass seine Mutter ihm einst riet, den Ring und die Gunst einer Frau zu erobern (127, 27-28). Daraufhin springt Parzival auf Jeschutes Bett bedrängt sie (131, 1-2). Die Ehefrau des Orilus wacht daraufhin auf, doch wehrt sich vergebens gegen Parzival, da dieser nun auch noch versucht, sie zu küssen (131, 15). Auch hier befolgt er wiederum den Rat seiner Mutter Herzeloyde, die ihm einst empfohlen hat, eine schöne Frau gleich in die Arme zu nehmen und zu küssen (127, 29-30). Parzival geht sogar so weit, dass er sie vergewaltigen will, woraufhin sie sich wieder zu wehren versucht (131, 17-20). Die Ehefrau von Orilus kann sich jedoch vorläufig erst einmal retten, da der Sohn Herzeloydes plötzlich Hunger verspürt und von ihr ablässt (131, 22). Jeschute bittet ihn, den Ring und die Schließe, die er ihr abgenommen hat, zurückzugeben (132, 10-11) und warnt gleichzeitig vor ihrem Ehemann (132, 12-14):
"[...]hebt iuch enwec: wan kumt mîn man, | "[...] Verschwindet! Wenn mein Mann erscheint, |
ir müezet zürnen lîden, | bekommt ihr einen Zorn zu spüren, |
daz ir gerner möhtet mîden." | den Ihr besser fliehen solltet!" |
Diese Aussage verdeutlicht, dass Jeschute ihren Ehemann und dessen Reaktion, wenn er Parzival sehen würde, fürchtet. Die Reaktion Parzivals auf Jeschutes Warnung hin wirkt hierbei fast schon ironisch (132, 16-18):
"we waz fürht ich iurs mannes zorn? | "Ha, was fürcht ich seinen Zorn?! |
wan schadet ez iu an êren, | Nur: wenn es Eurer Ehre schadet, |
sô wil ich hinnen kêren." | werde ich mich jetzt empfehlen." |
Parzival erkennt in dieser Situation nicht, dass er mit seinem Verhalten der Ehre Jeschutes bereits massiven Schaden zugefügt hat. Selbst als er wegreitet, ist er sich keiner Schuld gegenüber ihr bewusst. Im Gegenteil: Er ist stolz, den Ring und die Schließe erobert zu haben (132, 25). Die Tatsache, dass Parzival nicht darüber nachdenkt, ob er die Ratschläge seiner Mutter falsch verstanden haben könnte und Jeschute, obwohl sie sich wehrt, weiter bedrängt, sind "[...] in der absoluten Begrenztheit seines Horizonts zu suchen. Er, der sich durch die strikte Befolgung der mütterlichen Ratschläge eigentlich als besonders vorbildlich erweisen möchte, wird schuldig, weil er nicht vermag, über sein stark ausgeprägtes Ich-Gefühl hinauszusehen und auf seine Mitmenschen als Menschen mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen zuzugehen."[*Emmerling 2003: S.268]
Orilus' Reaktion auf Jeschutes angeblichen Ehebruch
Als Jeschutes Ehemann zurückkehrt, bemerkt er sogleich, dass seine Frau Herrenbesuch hatte (132, 28-30). Selbst als Jeschute beteuert, keinen Liebhaber zu haben, glaubt er seiner Ehefrau nicht (133, 9-13). Die Tatsache jedoch, dass sie Parzivals Schönheit erwähnt, macht Orilus' Misstrauen nur noch größer (133, 18-22). Orilus sucht die Gründe für den vermeindlichen Ehebruch darin, dass sie ihm zuliebe einst ihren höheren Titel auf gegeben habe (134, 1-3). Durch die zahlreichen Kämpfe, die Orilus aber bestritten hat, will er beweisen, dass er ihrer und des Titels würdig sei (134, 5-135, 24), was zugleich auf eine gewisse Unsicherheit seinerseits hindeutet. Als Strafe für Jeschutes angebliches Vergehen will er ihr jede seelische und körperliche Liebe verwehren (136, 1-4 und 136, 28), in Zukunft nicht mehr mit ihr speisen (136, 26-27) und ihr äußeres Erscheinungsbild so wie das ihres Pferdes verschlechtern (136, 29-137,4). Somit soll die Strafe, die er seiner Frau auferlegt, auch von außen sichtbar sein. Jeschute, die sehr unter dem drohenden Liebesentzug leidet (136, 13-14), akzeptiert das Urteil ihres Mannes jedoch und wiedersetzt sich ihm nicht (137, 8-9). Um seine Ehre wieder zurückzuerlangen, will Orilus Parzival verfolgen und im Kampf herausfordern (137, 15-19). Auch hier will er sich folglich wieder im Kampf beweisen.
Parzivals Wiedergutmachung und Versöhnung der Eheleute
Seit dem Aufeinandertreffen von Parzival und Jeschute und deren Bestrafung durch ihren Ehemann ist einige Zeit vergangen, als sich die beiden wieder treffen. Parzival trifft auf eine Frau, deren Pferd und auch ihr Äußeres sehr heruntergekommen sind (256, 17-257-17). Nach kurzer Zeit erkennt er in der Frau Jeschute wieder (258, 1-2), die ihn sogleich für ihre jetzige Lage verantwortlich macht (258, 12-14). Parzival, der beteuert, seitdem keiner Frau mehr Leid hinzugefügt zu haben, erkennt Jeschutes missliche Lage und es entsteht Mitgefühl in ihm (258, 17-23). Parzival will ihr helfen, sie warnt jedoch, wie schon einst, vor ihrem Ehemann (259, 11-14). Durch das Auftreten Jeschutes wird ersichtlich, dass ihr Ehemann ihr immer noch nicht vergeben hat und er sie weiterhin seinen Zorn spüren lässt. Als Orilus schließlich registriert, von wem seine Frau begleitet wird, ist er sogleich kampfbereit und misst sich mit Parzival in einem Duell (260, 25-28; 262, 1). Im Folgenden rechtfertigt der Erzähler sowohl Orilus' Verhalten, als auch Jeschutes Unschuld. Er gesteht dem Ehemann zwar zu, dass er vom Ehebruch seiner Gattin überzeugt war und deshalb seine Ehre beschädigt worden sei (264, 6-11), kritisiert jedoch gleichzeitig die Härte, mit der er seiner Ehefrau begegnet ist, die überhaupt keine Schuld an dem Vorkommnis mit Parzival trägt (264, 2-5; 264, 12-15). Der Sohn Gahmurets, um Wiedergutmachung bemüht, fordert Gattenliebe für Jeschute (264, 20-22) und kann Orilus schließlich im Kampf überwältigen (265, 18-24). Dieser jedoch will seiner Frau nicht vergeben (266, 10-11), was deutlich macht, wie tief verletzt er immer noch wegen ihres angeblichen Ehebruchs ist. Er bietet Parzival Ländereien an, um sein Leben zu retten (266, 22-26). Parzival akzeptiert jedoch nur die Gattenliebe für Jeschute und schließlich willigt Orilus ein, um sein Leben zu retten (268, 5-6). Parzival entschuldigt sich in einer Rede für sein damaliges Fehlverhalten, das er auf mangelnden Verstand zurückführt (269, 24-25) und beteuert, dass Jeschute keine Schuld an dem Vorkommnis treffe (270, 1). Durch den Kampf mit Orilus und die Wiederherstellung von Jeschutes Ehre erkennt Parzival sein Fehlverhalten und will die Verantwortung dafür übernehmen. Dies deutet darauf hin, dass er seit der ersten Begegnung mit Jeschute an Reife gewonnen hat. Orilus ist nun vollständig von dem tadellosen Verhalten seiner Frau überzeugt, und gesteht ein, dass es ein Fehler gewesen wäre, sie damals im Zelt alleine zu lassen (271, 2-3). Er rechtfertigt sein Verhalten jedoch damit, dass er Jeschute für schuldig gehalten habe, als diese von Parzivals Schönheit berichtete (271, 4-5). Durch die Versöhnung fühlt sich Jeschute wieder als glückliche Ehefrau (272, 7-9), was verdeutlicht, wie sehr sie unter der Zurükweisung und Bestrafung durch ihren Ehemann gelitten hat, und die Wiedervereinigung endet in einer gemeinsamen Liebesnacht (273, 12-17). Die Wiederherstellung der Ehre spiegelt sich auch in Jeschutes Äußerem, da sie nun wieder ihrem Stand gebührend eingekleidet wird (273, 25) und ein gutes Pferd erhält (274, 1-5).
Literaturangabe
<references>
Forschungsliteratur
<HarvardReferences /> [*Emmerling 2003] Emmerling, Sonja. Geschlechterbeziehungen in den Gawan-Büchern des "Parzival". Wolframs Arbeit an einem literarischen Modell. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2003.
- ↑ Alle Zitate folgen der Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns revidiert und kommentiert von Eberhard Nellmann, übers. von Dieter Kühn, 2 Bde., Frankfurt a.M. 2006.