König Artus (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen

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===Beispiele für Artus' mangelnde Durchsetzungsfähigkeit===
===Beispiele für Artus' mangelnde Durchsetzungsfähigkeit===
====Der Konflikt mit Ither====
====Der Konflikt mit Ither====
Als Parzival erstmals vor König Artus stand und die rote Rüstung von [[Ither (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Ither]] forderte, übernahm sofort [[Keie (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Keie]] das Zepter in die Hand und schickte den unerfahrenen Knaben in den Kampf mit Ither. In Eschenbachs Version war es Artus nicht möglich sich gegen Keies Auftrag aufzulehnen und lies Parzival ziehen. Er rechnete nicht damit, dass Parzival den Kampf gegen den starken Ritter Ither überleben und sogar gewinnen könne[Pratelidis 1994: S. 65-66]. Mit dieser Aussage ist auch der Gedanke widerlegt, dass Artus Parzival hinterhältig dazu angestiftet hat, Ither zu töten um die Fehde zu beenden, was ein Bruch des Fehdeverbots an der Tafelrunde bedeutet hätte[Pratelidis 1994: S.202-203].<br />
Als Parzival erstmals vor König Artus stand und die rote Rüstung von [[Ither (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Ither]] forderte, übernahm sofort [[Keie (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Keie]] das Zepter in die Hand und schickte den unerfahrenen Knaben in den Kampf mit Ither. In Eschenbachs Version war es Artus nicht möglich sich gegen Keie durchzusetzen und lies Parzival ziehen. Er rechnete nicht damit, dass Parzival den Kampf gegen den starken Ritter Ither überleben und sogar gewinnen könne[Pratelidis 1994: S. 65-66]. Mit dieser Aussage ist auch der Gedanke widerlegt, dass Artus Parzival hinterhältig dazu angestiftet hat, Ither zu töten um die Fehde zu beenden, was ein Bruch des Fehdeverbots an der Tafelrunde bedeutet hätte[Pratelidis 1994: S.202-203].<br />


====Die Bluttropfenszene====
====Die Bluttropfenszene====

Version vom 5. Juni 2012, 14:47 Uhr

Der Namesgeber der Gattung "Artusroman" tritt auch im "Parzival" als Figur auf, auch wenn er nur als eine Nebenfigur auftritt. Anders als in vielen Artuserzählungen ist König Artus im Parzival vollkommen entmystifziert und tritt nicht als allmächtiger Herrscher auf, sondern als normaler König.

König Artus' Familie und Verwandtschaftsbeziehungen

Über die nahe Verwandschaft von König Artus erfährt man bereits einiges im zweiten Buch von Parzival. Er wird als der einzige Sohn von Utrapandragûn vorgestellt. Artus' Mutter Arnive (Parzival, 661,7f)[1] wurde vom Pfarrer bzw. Pfarrer Clingschor entführt. Man erfährt außerdem, dass Artus einen Sohn hatte, der ebenfalls umgekommen ist. (Parzival, 65,29-66,9) Der Name seines Sohnes war Ilinot, der während seinem Ritterdienst für Florie von Kanadic gefallen ist (Parzival, 383,9f; 585,29-586,4). Somit hat Artus keinen männlichen Nachfolger mehr, sodass ihm einer seiner Neffen nachfolgen wird. Seine Neffen, die Kinder seiner Schwestern, sind Gawan, Beacurs und Gaherjet. Alle drei sind mögliche Nachfolger. Wer letztendlich als Nachfolger von König Artus bestimmt werden wird, bleibt im Parzival offen[Pratelidis 1994: S. 53]. Artus ist mit Ginover verheiratet, die mit ihrem Gemahl das Oberhaupt des Artushofes bildet.
Artus stammte von Mazadan ab. Die Sohne von Madazan bildeten jeweils eine eigene Linie, der Lazaliez-Linie und der Brickus-Linie. Artus entsprang der Brickus-Linie, während Gahmuret, Parzivals Vater, ein Nachfahre Lazaliez-Linie war[Pratelidis 1994: S. 46]. Somit besteht auch eine entfernte Verwandtschaft zwischen Artus und Parzival.

Artus' Territorium

Wolfram von Eschenbach gibt nur sehr vage Informationen über das Territorium, über das Artus herrscht. Man erfährt von Gramoflanz, dass Artus sehr bekannt ist und über viele Länder regiert (Parzival, 685,21-23). Das Kernland von Artus' Reich ist Bertane, was ihm den Spitznamen der "Berteneise hêrre" einbrachte (Parzival, 273,5). Weitere Länder unter seiner Gewalt sind Engellant und Löver. Innerhalb von seinem Gebiet besitzt er viele Residenzen wie die Hauptstadt Nantes in Bertane und die Orte Dianazdrun und Bems in Löver. Eschenbach nennt noch die Stützpunkte Schmailot und Burg Karidoel, lässt aber offen, wo genau diese zu finden sind. Artus besitzt auch eine Lagerstätte am Fluss Plimizoel, die allerdings außerhalb von seinem Herrschaftsbereich zu finden ist. Durch seine ganzen Residenzen und Lagerstättet lässt sich erahnen, dass Artus eine Reiseherrschaft betrieb[Pratelidis 1994: S. 59-60].

Seine Herrschaftsweise

Wie bereits erwähnt, war die Herrschaft von Artus eine Reiseherrschaft[Pratelidis 1994: S. 78]. Er reiste innerhalb seines Reiches von Ort zu Ort und hielt dort, wo er sich aufhielt, Hof. Artus war wie zu Beginn erwähnt kein allmächtiger Herrscher wie er in vielen anderen Geschichten dargestellt wird. Sogar Parzival fragte zu Beginn bei seinem ersten Besuch am Artushof bereits: "ich sihe hie mangen Artûs: wer sol mich ritter machen?" (Parzival, 147,22f). Eschenbach verhinderte einie sofortige Erkennung von Artus, was seine Herrlichkeit deutlich reduziert [Pratelidis 1994: S. 65]. Somit verliert das "Idealbild des Friedenskaisers" seine Wirkung. Im Parzival wird er sowohl als Feldherr als auch Friedensfürst dargestellt[Pratelidis 1994: S. 61]. Artus besaß außerhalb seines Reiches kaum Macht.
Etwas besonderes in der Herrschaft von Artus war die Tafelrunde. Sie ist untrennbar mit der Figur des Artus verbunden und findet auch im Parzival ihre Verwendung. Waces, der Dichter von "roman de Brut" beschrieb die Tafelrunde als politisches Instument um Randordnungsstreitigkeiten zwischen den Vasallen des Königs einzudämmen. Am runden Tisch saß keiner vorteilhafter als der anderer und alle saßen auf der selben Höhe[Pratelidis 1994: S. 105]. Eschenbach beschrieb die Tafelrunde als zweites wichtiges Zentrum der ritterlichen Welt neben der Gralsburg Munsalvaesche. Die Tafelrunde war für den Artushof so wichtig, dass an jeder Residenz eine zu finden war und die Reisegesellschaft sogar eine improvisierte Tafelrunde mit sich führte. Die Tafelrunde ist ein Symbol für die Gleichstellung der Anwesenden[Pratelidis 1994: S. 106-107]. Wie für Könige üblich waren Artus' Reisen und Auftritte sehr prunkvoll gestaltet und zeigten auf den ersten Blick eine heile wunderbare Welt. "Selbstinszenierung" war für ihn und seine Verwandten ein Muss um ihre Herrschaft darzustellen [Pratelidis 1994: S. 63]. So herrschaftlich er sich auch gab, er besaß innerhalb seines Territoriums keine uneingeschränkte Macht. Er besaß zwar das letzte Wort, musste allerdings die Entscheidungen mit seiner Gefolgschaft absprechen [Pratelidis 1994, S. 64]. Viele Ereignisse, wie z.B. die Ehestiftungen vor Joflanze galten in der Forschung als alleinige Taten von Artus, die ihn erfolgreich und als "Schöpfer eines 'Super-Happy-Ends'" darstellten, geschahen aufgrund von Beratungen mit der Gefolgschaft: Artûs was frouwen milte: sölher gâbe in niht bevilte. des was mit râte vor erdâht (730,11-13). Die Gefolgschaft bestand großteils aus unabhängigen Rittern und Frauen, die aufgrund ihres freien und mächtigen Standes, ihren Platz und ihr Mitspracherecht erkämpfen konnten[Pratelidis 1994: S. 65].
Doch auch Artus trug Schuld an der starken Position des Rates. Immer wieder trifft man auf Passagen, in denen Artus' mangelnde Entscheidungs- und Durchsetzungsfähigkeit dargestellt wird.

Beispiele für Artus' mangelnde Durchsetzungsfähigkeit

Der Konflikt mit Ither

Als Parzival erstmals vor König Artus stand und die rote Rüstung von Ither forderte, übernahm sofort Keie das Zepter in die Hand und schickte den unerfahrenen Knaben in den Kampf mit Ither. In Eschenbachs Version war es Artus nicht möglich sich gegen Keie durchzusetzen und lies Parzival ziehen. Er rechnete nicht damit, dass Parzival den Kampf gegen den starken Ritter Ither überleben und sogar gewinnen könne[Pratelidis 1994: S. 65-66]. Mit dieser Aussage ist auch der Gedanke widerlegt, dass Artus Parzival hinterhältig dazu angestiftet hat, Ither zu töten um die Fehde zu beenden, was ein Bruch des Fehdeverbots an der Tafelrunde bedeutet hätte[Pratelidis 1994: S.202-203].

Die Bluttropfenszene

Auch in der Bluttropfenszene sind Beispiele für Artus' Schwäche zu finden. Da sich der Hof zu dieser Zeit auf fremden Territorium befand, hat Artus ein Kampfverbot ausgesprochen um Konflikten vorzubeugen. Als wegen Parzival fälschlicherweise Alarm gegeben wurde, stürmte der Ritter Segramors ins Zelt von Artus und bedrängte diesen so lange, bis er ihm befahl, Parzival auf die Heide zu verfolgen. Doch auch Keie erpresste Artus mit der Aufkündigung seines Dienstes, damit Artus einen Befehl zurücknahm. In dieser Szene sieht man gut, dass Artus wesentlich abhängiger von den Rittern ist, als sie von ihm. Einen bedingungslosen Gehorsam durfte er nicht erwahrten[Pratelidis 1994: S. 64-65].

Urians' Bestrafung

Auch als es um die Verurteilung des Frauenschänders Urian ging, konnte Artus, der die Gerichtsbarkeit inne hatte, umgestimmt werden. Normalerweise hat Artus die Entscheidungsgewalt bei Gericht, die Hofgesellschaft nur eine appellierende Funktion. Artus verurteilte Urian zum Tode, doch konnten Gawan und Ginover ihn zu einer Abmilderung überreden. Lange wurde diese Entscheidung als Schwäche von Artus beurteilt, doch Anna-Maria Matthias wies nach, dass es sich um eine Rücksichtnahme auf Gawans "êre" (Parzival, 527,26) handelte[Pratelidis 1994: S. 67-68].


Fußnoten

  1. Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl.,Berlin/New York 2003.


Literaturverzeichnis <HarvardReferences/>
[*Pratelidis 1994] Pratelidis, Konstantin: Tafelrunde und Gral, Die Artuswelt und ihr Verhältnis zur Gralswelt im "Parzival" Wolframs von Eschenbach, Würzburg 1994 (Würzburger Beiträge zur deutschen Philologie 12).