Die Fingerepisode (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)

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Einordnung in den Textzusammenhang

Die Fingerepisode beginnt bei Strophe 340. Gleich zu Beginn des Turniers von Brixen wird Ulrich ein Finger von Ulschalk von Bozen von der Hand gestochen. Zunächst hängt der Finger noch "an einer ader" (FD 345), nachdem der dortige Meister diesen aber nicht adäquat behandeln konnte, zieht Ulrich nach Bozen, um den dort ansässigen Meister um Hilfe zu fragen. Dieser kann Ulrich versorgen, weshalb er aber sieben Tage ruhen muss. In dieser Zeit kommuniziert Ulrich über einen Boten mit der Dame und sendet ihr auch mehrere Lieder. Zwar ist der Schmerz für ihn kaum auszuhalten, jedoch überwiegt der seelische Schmerz, weil er in dieser Zeit nicht im Namen seiner Herrin kämpfen kann. Er versichert ihr aber über den Boten, dass er den Finger in ihrem Dienst verloren habe und dass dies ein besonderes Zeichen seiner Stetigkeit sei (vgl. FD 374ff.). Die Dame erfährt später jedoch, dass Ulrich seinen Finger gar nicht wirklich verloren hat, sondern dass dieser, wenn auch krumm, wieder an Ulrichs Hand angewachsen ist. Sie hält dies dann dem Boten vor:

"Ir künnet bede losens vil,
eines ich dir doch sagen wil:
du sagtest mir (daz ist mir zorn),
daz er het einen finger vlorn
in minem dienst - des ist niht.
min munt von wahrheit des giht:
er hat in noch, ist mir geseit,
da von ist mir din mengen leit." (FD, 430)
(...)
"Ich gan im sines vingers wol,
wan daz man mir niht liegen sol.
er hat in noch, des hastu mir
ein teil gelogen; daz wize ich dir:
(...) (FD,432)

Der Bote kann die Dame nicht beschwichtigen und so teilt er Ulrich ihren Unmut postwendend mit. Daraufhin lässt sich Ulrich tatsächlich den Finger abhacken (vgl. FD 440) und nimmt sich vor, ihn ihr zu schicken. Er dichtet schließlich das zweite Büchlein, verpackt es prächtig und schickt ihr, den Finger darin eingepackt, das Büchlein zu (vgl. FD, 444ff.).
Als die Dame das Präsent vom Boten erhält, bezeichnet sie die Tat zunächst als "tumpheit" (FD 448). Als sie das Büchlein aber liest, wird sie traurig:

mir tuot das vingers sterben we,
doch durch dins herren liebe niht,
wan daz din munt gein mir des giht,
er hab in von den schulden min
verlorn, des muoz ich truric sin." (FD, 450)
(...)
"Nu rite hin wieder und sage im daz,
er möhte den vrowen verre baz
gedienen ob er in hete noch,
den vinger sin; und sage im doch,
daz ich in welle hie behaben
in miner lade also begraben,
daz ich in sehe wol alle tage -
uf min warheit im daz sage. (FD, 453)

Auf der einen Seite also weist sie die Zuneigung Ulrichs wieder ab, bezeichnet seine Tat als Dummheit und möchte damit am liebsten nicht mehr in Verbindung gebracht werden. Auf der anderen Seite jedoch behält sie den Finger als "Andenken".

Interpretationsansätze

Fragmentierung des Körpers

Der Finger als Botschaft

Fiktionalität

Primärtext

  • Spechtler, Franz Viktor (Hg.): Ulrich von Liechtenstein. Frauendienst, Göppingen 1987. (Mittelhochdeutscher Text)
  • Liechtenstein, Ulrich von: Frauendienst, übers. v. Franz Viktor Spechtler, Klagenfurt/Celovec 2000.

Forschungsliteratur

  • Ackermann, Christiane: Im Spannungsfeld von Ich und Körper. Subjektivität im Parzival Wolframs von Eschenbach und im Frauendienst Ulrichs von Liechtenstein, Köln/Weimar/Wien 2009.
  • Ackermann, Christiane: "min lip reht als ein stumbe sweic"- Ich ≠ Subjekt ≠ Körper. Zu Ulrich von Liechtensteins Frauendienst, in: Ridder, Klaus/Langer, Otto (Hgg.): Körperinszenierungen in mittelalterlicher Literatur. Kolloquium am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld, 18. bis 20. März 1999, Berlin o. A., 139-156.

Textnachweise