Parzivals Glaubensverlauf

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Dieser Artikel thematisiert Parzivals Glaubensverlauf im Geschehen der gesamten Handlung. Ausgangspunkt ist Herzeloydes Gotteslehre in Soltane. Im weiteren Verlauf wird der Auslöser für die Lossagung von Gott, der Wendepunkt durch das Gespräch mit Trevrizent und die Rückkehr zum christlichen Glauben dargelegt.

Die Auswirkungen der Gotteslehre von Parzivals Mutter sollen auf den Glaubensverlauf des Protagonisten in seinem Leben untersucht werden.


Gotteslehre in Soltane

In Soltane entsteht zwischen Parzival und seiner Mutter Herzeloyde ein Gespräch über Gott. Dabei fragt der junge Parzival seine Mutter:


III. Buch (119, 17-24)
Ôwê muoter, waz ist got? Ach Mutter, was ist das: Gott?
sun, ich sage dirz âne spot. Mein Sohn, es ist kein Spaß, was ich dir jetzt sage:
er ist noch liehter denne der tac, Er ist noch heller als die Sonne,
der antlitzes sich bewac der sich entschloss, Gestalt anzunehmen
nâch menschen antlitze. nach des Menschen Bild.
sun, merke eine witze, Mein Sohn, merke dir die Lehre:
und flêhe in umbe dîne not: Zu ihm sollst du flehen;
sîn triuwe der werlde ie helfe bôt. Seine Treue hat noch nie den Menschen Hilfe verweigert.


Auf diese Frage antwortet Herzeloyde, dass Gott noch heller ist als die Sonne und die Gestalt des Menschen hat. Sie belehrt Parzival zusätzlich, dass sich dieser für die Ewigkeit merken soll, dass er zu Gott jederzeit flehen kann, wenn ihm irgendetwas fehlt. Denn laut Herzeloyde hat seine Treue noch nie den Menschen Hilfe verweigert. Sie fährt fort und sagt ebenfalls, dass es einen Herrn gibt, der schwarz ist. Hierbei geht es um den Teufel, der zur Hölle gehört. Sie warnt ihren Sohn vor dieser Gestalt und sagt, dass Parzival sich niemals zu ihm hinziehen lassen soll. Herzeloydes Gotteslehre ist eine typische Lehre für das Mittelalter. Denn damals war die Lehre von Gut und Böse bzw. Gott und dem Teufel weit verbreitet. Die metaphorische Beschreibung Herzeloydes in eine Hell-dunkel-Charakterisierung unterlegt das mittelalterliche Glaubensbild [Haas 1964: 62]. Herzeloyde vermittelt Parzival mit dieser einfachen Erklärung ein sehr kindliches und naives Bild von Gott. Aus ihrer Darstellung bekommt der junge Parzival den Eindruck, dass Gott ihm in jeder Lebenslage hilfsbereit und treu zur Seite stehen wird. Die kontrastierende Darstellung Herzeloydes zwischen der untriuwe (Untreue) des Teufels und der triuwe (Treue) Gottes ist eine charakteristische Darstellung für das Mittelalter und führt im weiteren Handlungsverlauf zu Missverständnissen [Czerwinski 1989: 162]. Herzeloydes Sohn ist im Wald auf der Jagd und hört von weitem Hufgetrampel näher kommen. Sofort erinnert er sich an das Gespräch mit seiner Mutter über den Teufel und Gott und denkt sogar im ersten Moment, dass der Teufel angeritten kommt. Als er jedoch drei Ritter erkennen kann, ist er der Überzeugung, dass jeder von ihnen Gott sei. Aufgrund dieser Annahme wirft er sich vor den Männern auf den Boden. Daraufhin spricht einer der Ritter zu Parzival. Dieser ist noch immer der festen Überzeugung, dass er es mit Gott zu tun haben muss. Denn der Ritter namens Karnahkarnanz trägt einen wunderschönen Waffenschmuck. In dieser Situation trifft Herzeloydes Gotteslehre, dass Gott vom hellen Licht dargestellt wird, für Parzival voll und ganz auf diesen Ritter zu. Natürlich ist Parzivals kindliche und naive Schlussfolgerung, dass soeben Gott vor ihm steht, falsch. Jedoch kann man Parzival selbst nicht einmal einen Vorwurf machen. Viel mehr liegt das Problem bei der missverständlichen Gotteslehre von Herzeloydes und dem isolierten Leben in Soltane.



Auslöser-Gralsburg

Gründe für die Abwendung von Gott

Auf der Suche nach dem Gral trifft Parzival auf der Burg Munsalvaesche ein. Was er zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, ist, dass er dem Gral in diesem Augenblick so nahe ist, wie nie zuvor. Leider versäumt er es aufgrund seiner Unwissenheit Anfortas die erlösende Frage zu stellen, die ihm zum Gral führen würde. Sigune, Parzivals Cousine klärt ihn später über sein Versäumnis bzw. seinen Fehler auf. Der junge Mann ist natürlich verärgert und sieht die Schuld bei Gurnemanz. Dieser hat ihn nicht ausreichend gelehrt. Einige Zeit und viele Kämpfe später wird Parzival endlich in die Artusgesellschaft aufgenommen. In einem Gespräch mit der Gralsbotin Cundrie erfährt Parzival seine Herkunft und das er nun verflucht ist und in der entscheidenden Situation auf Munsalvaesche versagt hat. Der Protagonist ist nach diesem Misslingen mit sich selbst und der Welt höchst unzufrieden.


VI. Buch (332,1-7)
Der Wâleis sprach ´wê waz ist got? Da sprach der Wâleise: „ Weh, was ist Gott?
wær der gewaldec, sölhen spot Wäre er doch nur ein großer Herr!
het er uns pêden niht gegebn, Er hätte uns beide nicht so zum Gespött gemacht,
kunde got mir kreften lebn. wenn er mit Macht zu herrschen wüsste.
ich was im diens undertân, Ich habe ihm immer treu gedient,
sît ich genâden mich versan. seit ich weiß, was das ist: die Huld des Herrn.
nu wil i´m dienst widersagn: Jetzt sage ich mich los von ihm.

Die Verdrossenheit Parzivals kommt in dieser Textstelle deutlich zum Ausdruck. Er realisiert aufgrund der deutlichen Darlegungen von Cundrie und Sigune nun selbst, wie nahe er dem Gral einst war. Parzival fühlt sich auf der Gralsburg eindeutig von Gott alleine gelassen und sagt, dass er sich dadurch zum Gespött gemacht hat. Ihm ist Gottes Verhalten unerklärlich, weil er sich nie etwas ihm gegenüber zu Schulden hat kommen lassen. Die Summation der geschilderten Gründe, führt zu der Lossagung von Gott. Der Auslöser der Lossagung ist somit das nicht-einschreiten Gottes in der dortigen Situation. Die Vorkommnisse auf der Gralsburg markieren erneut Parzivals tumpheit und sein einfaches Weltbild. Die obige zitierte Textstelle ist auch ein Rückbezug zu Parzivals Kindheit in Soltane und zur Gotteslehre seiner Mutter. Denn auf der Seite 332,1 fragt Parzival: „ Weh, was ist Gott?“. Diese Frage stellte er auch als Kind seiner Mutter. Jene Fragestellung, die sich ausschließlich durch zwei unterschiedliche vorangestellte Ausrufe unterscheidet, verdeutlicht, dass Parzival aufgrund der Gotteslehre seiner Mutter noch immer nicht wirklich weiß, wer dieser Gott ist. Der Auszug 332,1-7 stellt den Protagonisten, wie damals als ein Kind in Soltane unwissend, weltfremd und verloren dar. Seine Lossagung zeigt auch, dass er bis dato nicht versteht, was die Funktion Gottes ist. Allerdings kann man Parzival hierbei nur zum Teil Vorwürfe machen, da seine tumpheit beispielsweise auch zu großen Teilen seiner Mutter zu verschulden ist. Ein interessanter Ansatz zur Gottesentfremdung führt auch Ranke in seinem Werk auf. Er schreibt, dass Wolfram sich im Parzival überwiegend mit dem Verhältnis des höfischen Ritters zu Gott beschäftigt. Das Versagen auf der Gralsburg veranschaulicht, welche fatalen Folgen die formale Erziehungskultur und „Höflichkeit“ für das Miteinanderleben haben kann. Denn in dieser Situation wird Parzival durch jenen Erziehungsstil aufgehalten. Dadurch wird seine Stimme im Herzen, dass Unmittelbare und Echte im Menschen zum Schweigen gebracht. Das Befolgen dieser starren, erlernten Regeln führt ihn zum Schluss zum Sturz, zur Verzweiflung und zur Gottesentfremdung. [Ranke 1953: 29]


Zeit der Gottlosigkeit

Wendepunkt durch Trevrizent

Rückkehr zum christlichen Glauben

Anmerkungen

Weitere ähnliche und ergänzende Artikel zu Parzivals Glaubensverlauf:
siehe auch: Die Lehren Herzeloydes
siehe auch: Parzivals Gotteszweifel


Fazit

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences />

[*Haas 1964] Haas, Alois, M.: Parzivals Tumpheit bei Wolfram von Eschenbach, Berlin 1964 (Philologische Studien und Quellen 21).

[*Czerwinski 1989] Czerwinski, Peter: Der Glanz der Abstraktion. Frühe Formen von Reflexivität im Mittelalter. Frankfurt/ New York 1989.

[*Ranke 1953] Ranke, Friedrich: GOTT WELT UND HUMANITÄT: IN DER DEUTSCHEN DICHTUNG DES MITTELALTERS, Basel 1953.


Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.