Übersetzung "Goldemar" (Albrecht von Kemenaten, Goldemar)

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Erste Seite zum "Goldemar" Albrechts von Kemenaten.
(Nürnberg, GNM, Hs. 80, Fol. 6v)

Der folgende Artikel übersetzt das Fragment des aventîurehaften Heldenzeitliedes[1] Goldemar Albrechts von Kemenaten ins Neuhochdeutsche sowie Auszüge zweier Textzeugen derselben Sage.

Goldemar - Textausgabe im Bernerton und Übersetzung

Die mittelhochdeutsche Textausgabe zzgl. Strophenzählung entspricht der von Julius Zupitza.[Zupitza 1870]:202-204

Strophe Textausgabe nach Julius Zupitza
im standardisierten Mittelhochdeutsch
Übersetzung durch Fridurich von Drusomagus
ins Neuhochdeutsche
1 Wir hân von helden vil vernomen,
dieze grôzen striten sint bekomen
bi hern Dietrichs ziten.
si begiengen degenheit genuoc,
5dô einer ie den andern sluoc.
si wolten niender riten,
si wærn ze strîten wol bereit,
ir schilte, ir helmen veste.
mänic kumber do erleit.
10man sprach, er tæte dez beste,
der mängen âne schulde ersluoc.
dâ von ir lop gepriset wart,
sô man die tôten von in truoc.
Wir haben von Helden viel vernommen,
die zu großen Kämpfen sind gekommen,
zu Herrn Dietrichs Zeiten.
Sie begingen Tapferkeit genug,
wenn einer je den anderen schlug.
Sie wollten niemals (fort)reiten,
sie wären zu Kämpfen stets bereit,
ihre Schilde, ihre Helmen feste.
Viel Not da geschah.
Man sprach, er täte das Beste,
der Viele schuldlos erschlug.
Dadurch ihr Lob gepriesen ward (~wurde),
so man die Toten von ihnen trug.
2 Nu merkt, ir herren, daz ist reht:
von Kemenâten Albreht
der tihte* ditze mære,
wie daz der Berner vil guot
5nie gwan gên vrouwen hôhen muot.
wan seit uns daz er wære
gên vrouwen niht ein hovelîch man
(sin muot stuont im ze strîte),
unz er ein vrouwen wol getân
10gesach bî einen zîten:
diu was ein hôchgeloptiu meit,
diu den Berner dô betwanc,
als uns diu âventiure seit.
Nun merkt (Euch), ihr Herren, das ist recht:
von Kemenaten, Albrecht,
der dichtete* diese Märe, (~ Erzählung)
wie der Berner durchweg gut
nie gewann der Frauen hohe Gunst.
Man sagte uns, dass er wäre,
zu Frauen nie ein höfischer Mann,
(sein Gemüt stand ihm zu Kampfe)
bis er eine Frau wohlgetan (~schöner Gestalt)
erblickte zu einer Zeit:
Die war eine hochgelobte Maid,
die den Berner da bezwang,
wie uns die Aventiure sagt.
*alternative Übersetzung: schrieb oder sang.
Im Argot der Dietrichepik erscheint "dichten" zutreffend (vgl. DF).
3 Her Dieterich von Berne reit:
die rehten strâze er dicke vermeit.
dô kêrte er gên der wilde.
man seit von sîner degenheit,
5waz er nôt in strîten leit
ze walde und ûf gevilde.
wir hœren wunder von im sagen,
daz er sô vil gevæhte
(mänic wart von im erslagen)
10und och gên Berne bræhte
beidiu gevangen und verwunt,
die er mit degenheit betwanc.
ime was ze strîte kunt.
Herr Dieterich von Berne ritt:
Den rechten Pfad er oft vermied.
Da zog er in die Wilde.
Man sagt von seiner Tapferkeit,
welch' Not er in Kämpfen (er)litt
zu Walde und im Gefilde.
Wir hören Wunder von ihm sagen,
dass er soviel fechte (~kämpfe)
(viele wurden von ihm erschlagen)
und auch nach Bern brächte,
alle gefangen und verwund',
die er mit Tapferkeit bezwang.
Ihm war zu kämpfen kund. (~er war im Kampf erfahren)
4 Dô wart dem tugenthaften man
von grôzen risen kunt getân.
die wæren in dem walde:
dâ vunde man si zaller stunt.
5daz birge heizet Trûtmunt.
dar gâhte der degen balde.
er sprach, er wolte gerne sehen
die risen ungefüege.
swaz kumbers im dâ möhte beschehen,
10dô iegelîcher trüege
ein stange grôz und dar zuo lanc,
diu wunder wolte er gerne spehen.
sîn manheit in dar zuo betwanc.
Da wurde dem tugenthaften Mann
von großen Riesen kund getan.
Die wären in dem Walde:
Dort fünde man sie zu jeder Stund'.
Das Gebirge heiße DortmundReferenzfehler: Für ein <ref>-Tag fehlt ein schließendes </ref>-Tag. aus dem "Hürnen Seyfrît", Ulsenbrand aus der "Virginal" schließlich hin zu Goldemar und seinen Riesen. Der Versabschnitt ist für diesen Artikel insbesondere von Bedeutung, da er ein sehr wahrscheinliches Szenario innerhalb der Handlung eines vollständigen Goldemars bezeugt: Wir erfahren nun, dass es zum Kampf zwischen den Wulfingern und Goldemars Riesen kommen wird, Goldemar aber vermeintlich erfolgreich Widerstand leisten kann. Die Textausgabe entspricht der von Karl Bartsch. [Bartsch 1871]
Versbereich Textausgabe nach Karl Bartsch
im standardisierten Mittelhochdeutsch
Übersetzung durch Fridurich von Drusomagus
ins Neuhochdeutsche
25265-25279 [...]wie sol ez im nû ergân?
Witolt und rise Asprîân,
ris Orte unde Velle
Grimme sîn geselle,
Kuprîân und Ülsenbrant
der grôze stet und bürge slant,
wâren niht sô griuwelich
sam diese: in mohte sicherlich
niht gelîchen sunder vâr.
die risen mit den Goldemâr,
daz rîche keiserlîch getwerc,
den walt vervalte und den berc
hie vor den Wülfingen
möht mit keinen singen
sich disen hie gelîchen[...]
[...]Wie sollte es ihm nun ergehen?
Witold und Riese Asprian,
Riese Orte und Velle,
Grimme sein Geselle,
Kuperan und Ulsenbrand,
der große Städte und Burgen verschlang,
waren nicht so abscheulich
wie diese*: ihnen* konnte sicherlich
keine andere Gefahr gleichen.
Die Riesen mit dem Goldemar,
dem reichen kaisergleichen Zwerg,
(der) den Wald verteidigte und den Berg
hier vor den Wulfingern
konnten in keinster Weise
sich mit diesen* hier vergleichen.[...]

*Reinfrîds Riesenfeinde

Goldemar außerhalb der Dietrichepik

Die Sagenfigur des Zwergenkönigs Goldemar scheint nicht, oder zumindest nicht allein in der Dietrichepik beheimatet. So findet sich eine alternative Erzählung mit einem Hausgeist bzw. Kobold namens "Goldemer" innerhalb des bedeutsamen Geschichtswerkes "Cosmidromius" des Kirchenreformes Gobelinus Person, auf das in einem geplanten, gesonderten Artikel zur literarischen Figur Goldemar näher eingegangen werden soll.

Über den Verfasser Albrecht von Kemenaten

Es finden sich keine eindeutig zuordbaren historiographischen/chronikalen Zeugnisse über den Schreiber. Außerhalb des Werkes selbst existieren nur zwei Quellen ein- und desselben Verfassers, die einen Albrecht von Kemenaten als Dichter benennen: Ein Lob des Epikers Rudolf von Ems innerhalb seiner "Verfasserkataloge" in den Prologen von "Alexander"[2] und "Wilehalm von Orlens".[3] Damit existiert im Vergleich zu "Heinrich dem Vogelær", der benannten Erzähl- bzw. Vermittlerinstanz in Dietrichs Flucht zumindest 1 Sekundärquelle, weshalb der gegenwärtige Konsens in der Forschung (noch) nicht wie im genannten Fall von einer rein fiktiven Erzählinstanz ausgeht, gleichwohl keinerlei neue Erkenntnisse aufgrund der mangelnden Quellenlage in Aussicht stehen. Schneider geht bei Albrecht von Kemenaten dennoch von einer späten Autorfiktion innerhalb der Überlieferung der Sage aus.[Schneider 1962]:269 Die ältere Forschung (so auch Zupitza [Zupitza 1870]:46) sah aufgrund des Bernertons, aus formalen und stilistischen Gründen Albrecht von Kemenaten auch als Verfasser des "Eckenliedes", "Sigenots" und der "Virginal" an, diese These gilt aber inzwischen als überholt.[De Boor 1997]:142 De Boor wiederum erwog Albrecht als Urheber des Bernertons [De Boor 1961]:20, Heinzle [Heinzle 1999]:103 argumentiert dagegen, dass es sich beim Bernerton mit Kreuzreim, wie er im Goldemar Anwendung findet, um die jüngere Ausprägung desselben handelt. Der Name "Kemenaten" hat im 13. Jahrhundert weite Verbreitung als Orts- und Familienname. Schröder [Schröder 1930]:233 verwies auf das schwäbische Ministerialiengeschlecht von Kemenaten bei Großbeuren mit seinem bedeutsamsten Vertreter Volkmar dem Weisen, Zingerle [Zingerle 1856]:295 zu seiner Zeit auf einen Anfang des 13. Jahrhunderts bezeugten "Albertus de Chemenaten" eines Südtiroler Ministerialiengeschlechts.[4]

Einzelnachweise

  1. Zur Definition des "Heldenzeitliedes" nach Hans Fromm, siehe:
    Fromm, Hans: Das Heldenzeitlied des deutschen Hochmittelalters. In: Neuphil. Mitt. 62 (1961), S. 94–118.
  2. (V. 3252 f.):
    Von Kemenât her Albreht
    des kunst gert witer schouwe.

    Textausgabe: Alexander, hg. von Victor Junk, Leipzig 1928
    (wiedergegeben u. übersetzt bei [Heinzle 1999]:104)
  3. (V. 2243 f.):
    Ŏch hetti úch mit wishait
    Her Albreht bas denne ich gesait,
    Von Keminat der wise man,
    der maisterliche tihten kan.

    Textausgabe: Wilehalm von Orlens, hg. von Victor Junk, Berlin 1905. (Deutsche Texte des Mittelalters 2)
    (wiedergegeben u. übersetzt bei [Heinzle 1999]:105)
  4. Die Thesen De Boors, Schneiders, Schröders und Zingerles zur Autorschaft Albrechts kompakt zusammengetragen bei:
    Heinzle, Joachim: Albrecht von Kemenaten, Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, hg. von Kurt Ruh [u.a.], Bd. 1, Berlin/New York 1978, S. 196-198.

Literatur

<harvardreferences />

Primärtexte

[*Zupitza 1870] Dietrichs Abenteuer von Albrecht von Kemenaten nebst den Bruchstücken von Dietrich und Wenezlan, hg. von Julius Zuitza, Berlin 1870. (Deutsches Heldenbuch, Fünfter Teil)

[*Von Der Hagen 1855] Heldenbuch. Altdeutsche Heldenlieder aus dem Sagenkreis Dietrich von Bern und der Nibelungen, hg. von Friedrich Heinrich von der Hagen, Leipzig 1855.

[*Bartsch 1871] Reinfried von Braunschweig, hg. von Karl Bartsch, Tübingen 1871.

Sekundärliteratur

[*De Boor 1961] De Boor, Helmut: Albrecht von Kemnaten, in: Unterscheidung und Bewahrung. Festschrift für Herman Kunisch, Berlin 1961, S. 20-30.

[*De Boor 1997] De Boor, Helmut: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter. Erster Teil 1250-1350, neubearbeitet von Johannes Janota, München 1997.

[*Gillespie 1973] Gillespie, George T.: A Catalogue of Persons named in German Heroic Literature, Oxford 1973.

[*Heinzle 1999] Heinzle, Joachim: Einführung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik, Berlin/New York 1999, S. 103-105.

[*Schneider 1962] Schneider, Hermann: Germanische Heldensage. Deutsche Heldensage Band I. 2. unveränderte Auflage mit einem Nachwort und Ergänzung von Ruth Wischnewski, Berlin 1962. (Grundriss der Germanischen Philologie,10,1)

[*Schröder 1930] Schröder, Edward: Rudolf von Ems u. sein Litteraturkreis, in: ZdfA 67 (1930), S. 209-251.

[*Zingerle 1856] Zingerle, Ignaz Vinzenz: Albrecht von Kemenaten, in: Germania I (1856), S. 295-296.