Justiz (Reinhart Fuchs)

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Der Artikel untersucht die Struktur, die beteiligten Charaktere und Eigenarten des Justizsystems im Reinhart Fuchs von Heinrich dem Glîchezâren. Besonders die Gerichtsepisode sowie der Hoftag, an dem über Reinhart geurteilt wird, soll hierbei im Zentrum der Betrachtung stehen. Der Analyse des Gerichtstags wird eine Erklärung zur mittelalterlichen Fehde, sowie das Beispiel des Gesellenbundes als Zivilrechtlichen Fall. Dem Hoftag wird entsprechend eine Erläuterung zum Landfrieden vorangestellt. Inwiefern nimmt die Justiz im Reinhart Fuchs eine starre Form an und wo gibt es Parallelen zur mittelalterlichen Rechtssprechung?

Nachdem am Gerichtstag eine Schlichtung des Konflikts zwischen Reinhart und Isengrin misslungen ist und sich die Lage stattdessen mit der Vergewaltigung Frau Hersants weiter zugespitzt hat, ruft der Löwenkönig Vrevel zum Hoftag, um unter anderem über Reinhart zu richten.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
der kvunic gienc an daz gerichte sa Der König setzte sich auf den Richterstuhl.
Reinhart was niht ze hove da; Reinhart war nicht am Hof
sine vinde brachte er doch ze not. und sollte dennoch seine Feinde in Bedrängnis bringen.
der kvnic selbe gebot, Der König befahl,
daz si ir brechten liezen sin. dass das Geschrei aufhöre.
do svchte rechte er Ysengrin Da suchte Isengrin sein Recht:
eines vorsprechen er gerte er verlangte einen Fürsprecher,
der kvnic in eines gwerte den der König ihm zugestand.
daz mvste Bvn der bere sin. Brun der Bär, sollte es sein.

Hier deutet sich schon die bestimmende Rolle des Herrschers in der Justiz an und die wie die Tiere bei ihm ihr Recht suchen.

Fehde

Nachdem Reinhart Isengrins Schwanzverlust erwirkt hat geht dieser nach Hause und klagt sein Leid woraufhin seine Frau besonders den verlorenen Schwanz bedauert: Wie werde ich ärmste das überstehen? Damit war die Fehde ausgebrochen. (Z. 1060-1061) Doch was ist eine Fehde? „F. ist die förmlich angesagte Feindschaft und in deren Rahmen eigenmächtig-gewaltsame Rechtsverfolgung.“ (Kohl 2012) Diese Form der Selbstjustiz ist im Mittelalter keinesfalls als prinzipiell illegitim anzusehen denn „Entgegen der älteren Rechtsgeschichte, die F. als Ausdruck des Faustrechts deutete und F.-Führer vielfach als Raubritter sah, zeigte Otto Brunner sie als regelgebundenes Instrument legitimer Selbsthilfe, als »Kampf ums Recht«“ (Kohl 2012) Die Grundlage einer solchen Auseinandersetzung waren dabei nur teilweise festgelegt. „Voraussetzungen einer »rechten F.« waren persönliche F.-Berechtigung, Rechtsgrund, »Absage« (Ankündigung z. B. durch einen F.-Brief) und der Einsatz erlaubter Mittel, wobei sich manche dieser Kriterien einer allgemein gültigen Definition entzogen.“ (Kohl 2012). Isengrin beginnt seine Fehde ohne Vorbereitung (Z. 1065). Wie genau sich die Fehde am Anfang ausgestaltet und wie der Luchs von Isengrins Fehde gegen Reinhart mitbekommt wird nicht erzählt. Allerdings kippt der Luchs die Fehde und transformiert diese in einen Schlichtungsprozess. Nachfolgend werde ich den Gesellenbund als Fall des Zivilrechts analysieren und wie die Fehde in dieses Bild passt um anschließend auf den genauen Ablauf des Schlichtungsprozess einzugehen.

Die Fehde als Form des Zivilrechts

Das Schließen des Gesellenbunds als Form des Vertrages, könnte man im Falle eines Vertragsbruchs als zivilrechtlichen Fall einstufen. Ein solcher Fall setzt wie die Fehde zwei verstrittene Parteien voraus. Reinhart schließt einen Bund mit den Wölfen, um ihre Kräfte zu vereinen. Er bietet seine Listigkeit an und die Wölfe sollen ihre Körperkraft einsetzen, um gemeinsame Sache zu machen. Nachdem die Wölfe sich beraten haben, nehmen sie Reinhart als ihren Vetter auf. Diesen Sachverhalt könnte man als mündlichen Vertrag interpretieren, der heutzutage unter Umständen justiziabel wäre. Nach dem der Vertrag geschlossen wurde bringt Reinhart den Bauern mit einer List dazu den Schinken fallen zu lassen. Anschließend schnappen sich die Wölfe den Schinken und verschlingen ihn ohne Reinhart einen Anteil abzugeben. Dies stellt einen Vertragsbruch seitens der Wölfe dar, da diese nicht dafür sorgen, dass, wie es abgemacht war, alle Vertragsparteien einen Vorteil aus der Aktion ziehen. Reinharts Reaktion auf diesen Vertragsbruch ist eine List, mit der er die Wölfe bestrafen möchte: Er lockt sie in den Mönchshof wo sie erst Wein trinken und dann von den Mönchen verdroschen werden. Anschließend trennen sich Isengrin und Reinhart. Statt an einer übergeordneten Instanz sein Recht einzuklagen entscheidet Reinhart sich dafür Selbstjustiz zu üben. Das Verhältnis endet daraufhin denn damit trennten sich Reinhart und Isengrin (Z. 551) Aus dieser Episode kann man folgern, dass es in der erzählten Welt des Reinhart Fuchs kein Zivilrecht gibt, dass man bei einer übergeordneten Instanz einklagen könnte. Stattdessen gibt Reinhart Rache, die er hier gegen die Wölfe in Form einer List führt. Da die List nach einem Unrecht, dass ihn schädigt, geschehen ist, könnte man diese als Kampf um sein Recht und somit eine nicht deklarierte Fehde ist.