Folgen und Verfolgen (Neidhart)
Dieser Artikel bietet einen Überblick über die Motive des Folgens und Verfolgens bei Neidhart und beleuchtet darauf aufbauend welche Arten des Folgens, aber auch des Verfolgens, auftreten.
Das Motiv des Folgens ist bei Neidhart zentral, wobei im Artikel auch herausgearbeitet werden soll, wie und wozu anderen Personen gefolgt wird respektive andere Personen verfolgt werden. Dies soll an verschiedenen Textbeispielen herausgearbeitet werden.
Einführung Folgen
Definition
Jagt man das Verb folgen durch das Internet, werden einem direkt erstmal mehrere verschieden Vorschläge und Möglichkeiten zur Verwendung des Wortes geliefert. Um das Thema des Artikels systematisch aufzuarbeiten, werde ich mich auf drei Bedeutungsunterscheidungen des Folgens konzentrieren. Wichtig für die Analyse werden hier vor allem die oftmals klassisch direkten Assoziationen mit dem Wort folgen sein. Diese sind:
(1) nachgehen oder nachkommen
(2) in der gleichen Weise oder ähnlich wie jemand handeln
(3) einer Aufforderung oder einem Rat entsprechend handeln respektive diesem gehorchen
Leitfragen für Analyse und Interpretation
Aus diesen Bedeutungsmöglichkeiten ergeben sich schlussendlich folgende wichtige Fragestellungen, welche basierend auf der Analyse ausgewählter Neidhart Lieder betrachtet und beantwortet werden sollen:
(1) Warum folgen dem Sänger in den Dialogliedern die Frauen? Folgen die Frauen dann dem falschen Mann?
(2) Folgt der Sänger den falschen Frauen?
(3) Sind für das Motiv des folgens Unterschiede zwischen Sommer- und Winterliedern erkennbar?
Leitfragen für das Fazit
(1) Lassen sich Ähnlichkeiten oder auch Unterschiede zwischen dem Verhalten der heutigen Gesellschaft und dem Folge-Verhalten der Akteure bei Neidhart finden?
(2) Kann man bestimmte Verhaltensweisen aus dem Neidhart'schen Liedouvre auch heute noch erkennen?
Folgen in Neidhart Liedern
Um den großen Überbegriff des Folgen, die damit verbundenen Bedeutungsmöglichkeiten sowie die erarbeiteten Fragestellungen zielführend zu behandeln, wurde der große Überbegriff zunächst in die zwei großen Punkte Folgen in Sommerliedern und Folgen in Winterliedern aufgeteilt.
Bei den Sommerliedern werde ich mich vor allem auf die Dialoglieder konzentrieren, dabei jedoch den Aspekt des Natureingangs nicht vernachlässigen.
Daran anschließend rücken Neidharts Winterlieder verbunden mit dem Motiv des Folgens in den Fokus. Neben den dörperkonformen Liedern (Winterlieder 1-10), wird vor allem Augenmerk auf das Verhalten der dörper und des Sängers gelegt. Zudem wird auch auf das Scheitern des Sängers bei Frauen eingegangen.
Abschließend soll ein umfassender Vergleich im Hinblick auf das Motiv des Folgens gezogen werden, inwieweit sich Unterschiede, Gemeinsamkeiten oder Auffälligkeiten zwischen Sommer- und Winterliedern feststellen lassen.
Folgen in Sommerliedern
In vielen Sommerliedern, explizit in den Dialogliedern, wird der Sänger von Mädchen oder auch ab und zu von alten Frauen umschwärmt; sie wollen ihm und seinem Gesang folgen. "Der Sänger wird zum Objekt des Begehrens, wobei sich bei den Frauen eine leichtgläubige Verführbarkeit offenbart." [Hübner 2008: 58f.] Die Dialoglieder bilden einen zentralen Teil der Neidhart'schen Sommerlieder. Neben der Fokussierung auf die Dialoglieder, ist zu beachten, dass Neidharts Lieder grundsätzlich durch einen Natureingang zu Beginn des Liedes gekennzeichnet sind. In den Sommerliedern wird dieser Natureingang im Hinblick auf das Motiv des Folgens interessant, denn der Sänger ruft zum Folgen in die angepriesene und blühende Natur auf.
Sowohl die Dialoglieder als auch der Natureingang sollen im Folgenden nun genauer beleuchtet werden.
Folgen in Dialogliedern
Die Dialoglieder lassen sich in Gespielinnen-Dialoge und Mutter-Tochter-Dialoge unterteilen, wobei in den Gespielinnen-Dialogen zwei Dorfmädchen miteinander in einen Dialog treten. Mutter-Tochter-Dialoge hingegen stellen die Unterhaltung zwischen Mutter und Tochter dar, wobei die Mutter eine entgegengesetzte Position im Vergleich zu ihrer Tochter einnimmt. Eine der beiden Damen, meistens die Tochter, agiert hier oft naiv; Hintergrund ist die Verführung durch den Sänger. Die Mädchen glauben dabei an die echte, höfische Liebe, verkennen jedoch, dass es sich hierbei nur um Verführung handelt. Dies liefert eine erste Begründung für Leitfrage (1), warum die Frauen dem Sänger folgen.
Um eine Vorstellung der Dialoglieder zu bekommen, ist es wichtig den "gemeinsamen thematischen Vorstellungshintergrund beider Frauendialogliedtypen zu kennen. Hierbei handelt es sich um die Pastourellensituation (Begegnung von Ritter und Mädchen in freier Natur) mit zwei für Neidhart kennzeichnenden Besonderheiten: 1. der Umkehrung des Werbungsschemas: die Werbung geht von den weiblichen Figuren aus, 2. der subjektiven Perspektive: das Pastourellengeschehen ist nie objektiv erzählter Liedinhalt, sondern wird im Gespräch gespiegelt, teils erst als Wunsch oder Absichtserklärung." [Schweikle 1990: 72] Beide, für Neidhart, besonderen Kennzeichen spielen eine wichtige Rolle, um das Motiv des Folgens in den Dialogliedern zu verstehen. Das Folgen und die Verehrung einer Frau, wie es etwa im Minnesang oder auch in Neidharts Winterliedern zu finden ist, dreht sich hier - es ist das Bauernmädchen, welches dem Sänger nachfolgen will. Die eigentliche Aktion des Folgens findet in den Liedern jedoch noch gar nicht statt, von den Bauernmädchen wird gegenüber ihrer Gesprächspartner allerdings der Wunsch oder die Absichtserklärung geäußert.
Mutter-Tochter-Dialoge
"Grundkonstellation in den Mutter-Tochter-Dialogen ist eine Auseinandersetzung zwischen einer tanz- und liebeslustigen Tochter und ihrer Mutter zur Zeit des nahenden Sommers und der beginnenden Tanzsaison mit ihren erotischen Gefährdungen. Sie warnt [...] eindringlich vor dem ritterlichen Favoriten der Tochter, dem "von Riuwental" und empfiehlt dagegen reiche und v.a sozial passende Partner." [Schweikle 1990: 74] Aus Sicht der Mutter folgt die Tochter also dem falschen Mann; sie bevorzugt für ihre Tochter einen Mann aus demselben Stand und empfiehlt dem Bauernmädchen einen bäuerlichen Bewerber, also sozial passenden Partner, zu heiraten. Diesem Rat wird jedoch keine Folge geleistet - "die Warnung der Mutter wird in den Wind geschlagen. Diese Dialogform findet man in den folgenden Neidhart-Liedern: SL 2, 6-8 ,13 ,15-19, 21, 23, 24. Zu einem Rollenwechsel, bei dem die Mutter die Funktion der Tochter übernimmt, kommt es in den Sommerliedern 1, 3, 9." [Ruh 1984: 112]
Neben den Befürchtungen der Mutter, die Tochter folgt dem "Falschen", versucht die Mutter das Vorhaben "der Tochter, an der Tanzsaison mit erotischen Gefährdungen teilzunehmen, durch Verbote, Bitten [...] und Warnungen zu verhindern. Oder auch vorhersehbaren üblen Folgen durch Ratschläge vorzubeugen." [Schweikle 1990: 74] "Sie verweist ganz besonders auf konkrete Folgen" [Schweikle 1990: 74] des Folgens. Die Mutter will also die naiv erscheinenden Folgen-Absichten ihrer Tochter verhindern; dies bleibt jedoch oft erfolglos. Die Tochter folgt schlussendlich scheinbar lieber dem Ruf des Reuentalers als dem Rat ihrer Mutter. Es kommt zum "zornigen Zurückweisen der Lehren, dem Bestehen auf dem ritterlichen Favoriten und der Ablehnung des der Mutter genehmen Bewerbers." [Schweikle 1990: 75] Dieses Verhalten zeigt sich beispielsweise sehr schön in Sommerlied 18, Strophe IV. Das Bauernmädchen beharrt auf ihren Absichten, wodurch sich dann sowohl in Strophe IV als auch in Strophe V ein Resignationsverhalten der Mutter erkennen lässt. All ihre Verbote, Bitten, Ratschläge und Warnungen die Folge-Absichten zu verhindern, stoßen bei ihrer Tochter auf taube Ohren.
Folgen, vor welchen die Mutter warnt, wären beispielsweise eine ungewollte Schwangerschaft oder Gewaltanwendung durch den Sängers. Die Tochter ignoriert diese jedoch oder nimmt sie unhinterfragt zur Kenntnis. Dies zeigt sich exemplarisch in der letzten Strophe des Sommerlieds 18, in welchem in Vers 5-7 die Folgen einer Partnerschaft mit dem Sänger relativ deutlich auf den Punkt gebracht werden.
Sommerlied 18
Strophe IV
Mittelhochdeutscher Text | Neuhochdeutsche Übersetzung |
---|---|
Der muoter der wart leit, | Der Mutter war es leid, |
daz diu tohter niht enhorte, daz si ir vor geseit; | dass die Tochter nicht gehorchte, was sie ihr zuvor gesagt hatte. |
iz sprach diu stolze meit: | Da sagte das übermütige Mädchen: |
"ich han im gelobt: des hat er mine sicherheit. | "Ich habe es ihm versprochen: deshalb hat er mein Treuegelöbnis. |
waz verliuse ich da mit miner eren? | Warum sollte ich denn damit meine Ehre verlieren? |
jane wil ich nimmer widerkeren, | Jawohl, ich will nicht wieder zurückkehren, |
er muoz mich sine geile sprünge leren." | er wird mir seine glücklichen Sprünge beibringen." |
Strophe V | |
Diu muoter sprach: "wol hin! | Die Mutter sprach: "So geh! |
verstu übel oder wol, sich, daz ist din gewin: | dir wird es wohl oder übel so ergehen, schau, aber das ist dann dein Glück: |
du hast niht guoten sin. | du hast keine gute Einschätzungsgabe. |
wil du mit im gein Riuwental, da bringet er dich hin: | Willst du mit ihm ins "Reuetal" gehen, dann bringt er dich dorthin: |
also kan sin treiros dich verkoufen. | So kann er dein Tanz für sich verkaufen. |
er beginnt dich slahen, stozen, roufen | Er beginnt dich zu schlagen, zu schubsen, zu verprügeln |
und müezen doch zwo wiegen bi dir loufen." | und es werden dann zwei Wiegen bei dir laufen. |
In Sommerlied 18, Strophe II, Vers 3-6 "beeindruckt selbst die mütterliche Warnung vor den Verführungsabsichten des Reuentalers, der im letzten Sommer erst ein Mädchen geschwängert habe, die Tochter nicht."[Hübner 2008: 58]
SL 18 Strophe II
Mittelhochdeutscher Text | Neuhochdeutsche Übersetzung |
---|---|
Diu muoter rief ir nach; | Die Mutter rief ihr nach, |
si sprach: "tohter, volge mir, niht la dir wesen gach! | sie sprach: "Tochter, folge meinem Ratschlag, handle nicht voreilig! |
weistu, wie geschach | Weißt du doch, |
diner spilen Jiuten vert, alsam ir eide jach? | wie es deiner Freundin Jiuten und ihrer Mutter letztes Jahr erging? |
der wuohs von sinem reien uf ir wempel, | Ihr wuchs der Bauch aufgrund seines Tanzes |
und gewan ein kint, daz hiez si lempel: | und sie bekam ein Kind, dass sie Lempel nannte: |
also lerte er si den gimpelgempel." | also lehrte er sie den seinen Tanz. |
Die mütterlichen Warnungen, welche sogar anhand eines ihres bekannten Vorfalls ausgeführt werden, werden zurückgewiesen. Der Ritter hatte ihr zuvor neue rote Schuhe geschenkt, wodurch der Eindruck entsteht, dass dem naiven Bauernmädchen durch einfache Verführungen und Geschenkendes Sängers der Kopf verdreht wird - das Folgen wird nicht mehr hinterfragt. Und wie sich in SL 18, Strophe III, Vers 7 zeigt: Die Tochter folgt dem Rat ihrer Mutter auf keinen Fall.
SL 18 Strophe III
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung "Muoter, lat iz sin! Mutter, lass es sein! er sante mir ein rosenschapel, daz het liehten schin, Er schickte mir einen Rosenkranz, der zauberte einen leichten Glanz uf daz huobet min, auf meinen Kopf, und zwene roten golzen brahte er her mir über Rin: und zwei rote Eisenhosen brachte er mir mit über den Rhein: die trag ich noch hiwer an minem beine. die trage ich noch heute an meinen Beinen. des er mich bat, daz weiz ich niewan eine. Was er mich bat, dass kennt kein anderer. ja volge ich iuwer raete harte kleine." Ja, deshalb folge ich eurem Rate auf keinen Fall."
"Doch selbst die alte Bäuerin bleibt in Neidharts Liedern nicht immer die kluge Figur. [...] Einige Texte, Sommerlied 1, 3 und 9 verkehren die Rollen so, dass die Mutter zum Gegenstand des Spotts wird: Als <geile Alte> will sie, von der Minne betört, zum Tanz",[Hübner 2008: 58f.] um dem Gesang des Reuentalers zu folgen. Hier ist es nun die Tochter, welche versucht, sie davon abzuhalten.
Sommerlied 1Strophe IMittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung Ein altiu diu begunde springen Eine Alte sprang los, hôhe alsam ein kitze enbor: si wolde bluomen bringen. wie ein Zicklein hoch enmpor: sie wollte Blumen bringen. "tohter, reich mir mîn gewant: "Tochter, reich mir mein Gewand: ich muoz an eines knappen hant, ich muss an eines jungen Ritters Hand, der ist von Riuwental genant. der nach dem Reuental benannt ist Strophe II "Muoter, ir hüetet iuwer sinne! "Mutter, achtet auf eure Sinne! erst ein knappe sô gemuot, er pfliget niht staeter minne." Der Ritter wird dran denken, euch Treue in der Liebe zu pflegen." "tohter, lâ mich âne nôt! "Tochter, lass mich mich in Ruhe! ich weiz wol, waz er mir enbôt. Ich weiß wohl, was er mir versprochen hat. nâch sîner minne bin ich tôt. Durch die Sehnsucht nach seiner Liebe sterbe ich. traranuretun traranuriruntundeie." Traranuretun traranuriruntundeie." Strophe III Dô sprach's ein alte in ir geile: Da rief sie fröhlich zu einer anderen Alten: "trûtgespil, wol dan mit mir! ja ergât ez uns ze heile. "Freundin, los, dahin mit mir! Und wird es glücklich ergehen. wir suln beid nâch bluomen gân. Wir sollen beide nach Blumen gehen. war umbe solte ich hie bestân, Warum sollte ich hier bestehen bleiben, sît ich sô vil geverten hân? seit ich so viel Gefährtinnen habe? traranuretun traranuriruntundeie." Traranuretun traranuriruntundeie."
Der Wunsch dem Reuentaler zu Folgen respektive der Versuch den jeweilig anderen davon abzuhalten, lässt sich folglich also sowohl auf die Mutter als auch auf die Tochter projizieren. Die Tochter ist jedoch weitaus häufiger das Ziel der sängerischen Verführungen. Auffällig ist jedoch, dass das blinde Folgen des Minnesangs oft kaum mehr zu verhindern ist; die Tochter beziehungsweise die Mutter agieren töricht und naiv. Da in den Mutter-Tochter-Dialogliedern oftmals entweder die Mutter oder in wenigen Fällen die Tochter das Vorhaben, dem Sänger zu folgen, verhindern wollen und dabei sogar sinnvolle und verständliche Warnungen aufbringen, lässt sich durchaus eine Antwort auf Leitfrage (1) finden. Neben den intensiven Warnungen und dem törichten Verhalten der Frauen sind auch die Risiken des Folgens, etwa in SL 18, Strophe V, Vers 5-7 nicht von der Hand zu weisen. All diese Argumente lassen den Schluss zu, dass die vom Sänger, käuflich erzwungene und höfisch vorgespielte, entgegenbrachte Liebe doch nur Verführung sind. Somit kann man festhalten, dass die Frauen durchaus dem "falschen" Mann folgen, welcher die Schwächen der Frauen ausnutzt und diese verführt.Gespielinnen-Dialoge
Die Gespielinnen-Dialoge "kreisen wie die Mutter-Tochter-Gespräche um Tanz- und Liebesverlangen",[Schweikle 1990: 76] wobei hier zwei Dorfmädchen in einen Dialog treten. Im Mittelpunkt steht etwa erneut die Ablehnung ständisch passender Bewerber (SL25, III-V), wobei der Sänger als höfischer Bewerber in den Mittelpunkt rückt, wobei "dessen höfisches Benehmen, sein Gesang, Tanz usw. gepriesen werden." [Schweikle 1990: 76] Ähnlich wie in den Mutter-Tochter-Dialogen folgen in den Gespielinnen-Dialogen die Bauernmädchen eher den Vorzügen des Reuentalers, anstatt sich auf einen Liebespartner desselben Standes einzulassen. Dadurch nimmt das Motiv des Folgens wieder eine zentrale Rolle ein, denn die Bauernmädchen wollen aufgrund der Verführungen des Reuentalers diesem folgen - die Verführungen werden jedoch naiverweise erneut nicht hinterfragt, sondern lösen ein "blindes Nachfolgen" aus. Diese Gründe für das Folgen der Frauen, im Hinblick auf Leitfrage (1), lassen erneut lässt den Schluss zu, dass die Damen dem "Falschen" folgen wollen. Erneut sind falsche Verführungen und höfisches Auftreten des Sängers Gründe für die Folgeabsichten.
Aufforderung zum Folgen und Tanzen in der Natur
Freuden, wie die Ankunft des Frühlings oder die Schönheit der Natur, sind oft der maßgebliche Anlass zum Tanz in der Natur. Denn "auch der Tanz spielt eine bedeutsame Rolle in Neidharts Liedern. Insbesondere in den Sommerliedern ist er ein Hauptanliegen der Mädchen, oft der Vorwand, mit dem "ritter" oder "knappen" "von Riuwental" in Kontakt zu kommen." [Schweikle 1990: 112] Das Motiv des Tanzes ist auf jeden Fall mit dem Thema des Folgens konnotiert, da das Folgen zum Tanz oder die Aufforderung zum Tanz zentral in den Neidhartschen Sommerliedern ist. Im Mittelpunkt steht bei Neidhart hier oft der Tanz "reien", heutzutage besser bekannt unter dem Name Reigen. Der Reigen bezeichnet Tänze, welche "von mehreren sich einheitlich bewegenden Tänzern gemeinsam geschritten oder gesprungen werden" [2] Die bildliche Vorstellung diese Tanzes löst unmittelbar eine Verbindung zum Folge-Verhalten bei Neidhart aus; es wird zunächst oft ein Tanzpartner gesucht, wobei beim anschließenden Tanz dann die Bewegungen des Tanzpartners oder der anderen Tänzer gefolgt wird. Durch Aufforderungen des Sängers an die Mädchen ihm zum Maitanz unter den Linden zu folgen, wie etwa in SL 14, erhalten die Themen des Natureingangs und des Tanzes eine enge Verknüpfung, wobei bei Themen ein Folge-Verhalten bei den bäuerlichen Damen auslösen.
Sommerlied 14 Übersetzung ?
Folgen in Winterliedern
In den Winterliedern spielt eher das Motiv des Verfolgens eine bedeutendere Rolle, worauf im späteren Abschnitt des Artikels noch verstärkt eingegangen wird. Es lassen sich dennoch wichtige Merkmale der Neidhart'schen Winterlieder in Verbindung mit dem Folgen analysieren. Auch die Winterlieder sind durchgehend von einem Natureingang gekennzeichnet, wobei dieser eher durch Klagen über den vergangenen Sommer und Konflikten des Sängers mit den dörpern gekennzeichnet. Die Winterlieder 1-10 müssen jedoch etwas unabhängig betrachtet werden, da sich das lyrische Ich hier nicht im Gegensatz zu seinen Widersachern befindet.
Die "dörper" - Wer sind Verfolger des Sängers?
Die dörper treten zwar vereinzelt auch in den Sommerliedern auf, jedoch werden sie in den Winterleidern zu den Konkurrenten des Sängers um "die Gunst der Umworbenen und sind deshalb steter Anlass seines Leids." [Hübner 2008: 51f.] Die dörper kennzeichnet arrogantes und selbstbewusstes Auftreten, welches durch ihren Prunk mit Waffen und Kleidern unterstützt wird. Es kommt oftmals zu Streitigkeiten mit dem Sänger, aber auch untereinander. Für den Aspekt des Verfolgens ist vor allem ihr "rohes und plumpes Benehmen beim Tanz"[Schweikle 1990: 81] von Bedeutung, welches bis "zum Schlagen einer Frau (WL 7,IV )und frechen Übergriffen gehen kann." [Schweikle 1990: 81] Wichtig für das Verständnis ist hierbei, das es sich bei den dörpern um Dorfbewohner handelt, wobei die vom Sänger umworbenen Frauen, Bauernmädchen sind. Das "Beuteschema" das Reuentaler wechselt im Vergleich zu den Sommerliedern nicht, die dörper werden aber zu Konkurrenten des Sänger "weil die Umworbene eben eine der ihnen ist, ein Bauernmädchen." [Hübner 2008: 51f.]
dörperkonforme Lieder (WL 1-10)
"Der Sänger versucht sich - als Rollenfigur des Armen, aber sich höfisch Benehmenden aus Riuwental(WL 5,VI; 9,VII)- ins dörpertreiben einzureihen, ruft zu Tanz und anderen Winterfreuden (Schlittenfahrt, WL3) auf, trifft Tanzanordnungen (WL 4,II,III), beobachtet die Gruppierungen und nimmt selbst teil." [Schweikle 1990: 82] Dadurch entsteht fast der Eindruck, als könnte man die Winterlieder 1-10 gar eher Sommerliedern zuordnen, da bis auf die winterlichen Klagen, der Sänger im Einklang mit den dörperlichen Verhaltensweisen steht - "die dörper sind noch nicht zum 'Feindbild' typisiert." [Ruh 1984: 123] Für das Motiv des Folgens sind WL 1-10 insofern interessant, dass der Sänger den dörpern zwar nicht eins zu eins identisch folgt. Er reiht sich allerdings in ihr Treiben ein und versucht sich einzuordnen, in dem er zum sozialen Treiben beiträgt. Dieser Versuch des Einordnens kann hier sehr gut als eine abgeschwächte Form des Folgens betrachtet werden.
Sänger folgt dörpern im Verhalten
In den restlichen Winterliedern, den sogenannten dörperkontroversen Liedern, ist der Sänger vom vom dörpertreiben ausgeschlossen. Der im Gegensatz zu den dörpern stehende Sänger verfolgt, wie die dörper, das Ziel, die Gunst der bäuerlichen Schönheiten zu gewinnen - im Vergleich zu den Sommerliedern gehen die Folgeabsichten nun aber nicht mehr unmittelbar von der Damenwelt aus. Aufgrund der Konkurrenzsituation durch die dörper, und deren Gewalt und Lärm, scheitert der Sänger Winterlied um Winterlied. Um diesem Scheitern entgegenzuwirken, versucht der Sänger den dörpern nun im Verhalten zu folgen. "Dabei agiert er entweder nach dem Unterwerfungsmuster der höfischen Liebe (was auch auf dem Dorf nicht zum gewünschten Erfolg führt) oder nach dem Handgreiflichkeitsmuster der Bauern (was sein eigenes Verhalten unhöfisch macht). [Hübner 2008: 54] Der Sänger reiht sich also in die Verhaltensweisen seiner Konkurrenten ein und missachtet dabei sogar teilweise seine höfischen Verhaltensweisen, jedoch stellt sich auch hier nicht der gewünschte Erfolg ein. Ursache für dieses, dem Sänger eigentlich fremde Verhalten, ist das Scheitern seiner Annäherungsversuche und der dadurch entstehende Misserfolg und Spott, aber auch der Neid auf die Erfolge seiner bäuerlichen Konkurrenten im Werben um diverse Bauernmädchen. Das Folgen des Sänger erscheint aus diesem Blickwinkel fast wie ein letzter, verzweifelter Versuch endlich erfolgreich zu sein, auch wenn dies bedeutet seine eigenen Werte und Normen nicht mehr einzuhalten.
Folgen der "vrouwen" (scheitert)
Das Scheitern des Folgens einer Frau zieht sich für den Sänger wie ein roter Faden durch die Neidhart'schen Winterlieder, wobei die Konkurrenzsituation durch die dörper als auch der Misserfolg bei den Frauen, den Sänger zum Verzweifeln bringen. Passende Beispiele hierfür sind etwa Winterlied 24 und Winterlied 27.
Winterlied 24 Strophe II
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung Alsô hât diu vrouwe mîn daz herze mir betwungen, Meine Herrin hat mir so sehr das Herz gebrochen, daz ich âne vröude muoz verswenden mîne tage. dass ich meine Tage freudlos verbringen muss. ez vervaehet niht swaz ich ir lange hân gesungen. Es nützte nichts, dass ich sie so lange besungen habe. mir ist alsô maere daz ich mêre stille dage. Mir ist es deshalb eine Lehre, sodass ich künftig verstumme. ich geloube niht des daz sî mannen immer werde holt. Ich glaube nicht, dass sie jemals an anderen Männer wieder Gefallen finden wird. wir verlisen, swaz wir dar gesingen unde gerûnen, ich und jener Hildebolt. Es war umsonst, was wir ihr gesungen und geflüstert haben, ich und jener Hildebolt.
In Winterlied 24, Strophe II wird das Leid und die Melancholie des gescheiterten Sängers sehr gut erkennbar. Sein Aufwand, sein Gesang und seine Bereitschaft "seiner Herrin" zu folgen, bleiben schlussendlich erfolglos. "Die Umworbene belohnt den Sänger nicht dafür, dass er ihr mit seinen Liedern dient." [Hübner 2008: 51] Der Grund hierfür wird im Anschluss vor allem in Strophe III des Winterlieds 24 deutlich, in dem von seinem Widersacher Willeger berichtet wird, welcher beim Tanz nicht von der Seite der Frau zu drängen gewesen war. "Der dörper beansprucht also als seine Herrin just jene, um die der Sänger lange und beständig, aber vergeblich dient." [Hübner 2008: 52] Die Enttäuschung über das gescheiterte Folgen in Winterlied 24 stellt aber keinen Einzelfall dar - nein, die Freudlosigkeit des Sängers, bedingt durch den Winter und die Ablehnung der Frauen, steht auch in vielen anderen Winterliedern im Mittelpunkt (vgl. WL 13, Strophe I-II)
Winterlied 27 Strophe IMittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung Mirst von herzen leide, Mir ist von Herzen Leid, daz der küele winder dass der kalte Winter verderbet schoener bluomen vil: viele schöne Blumen verdirbt: so verderbet mich ein senelichiu arebeit. ebenso wie der Liebesdienst mich zu Nichte macht. dise sorge beide Diese zwei Sorgen dringent mich hin hinder bringen mich hin und wieder ze ende an miner vreuden zil. ans Ende meiner Zuversicht. owe, daz diu guote mit ir willen daz vertreit, Oh weh, dass die Schöne mit ihrem Willen das verträgt, sit si wol geringen mac weil sie alle meine Schmerzen alle mine swaere! gewiss verringern kann! hei, gelebte ich noch den tac, Ach, erlebe ich noch den Tag daz si gnaedic waere! an dem sie mir gnädig wird!
Auch Winterlied 27, Strophe I ist vom Leid des Sänger gekennzeichnet. Erneut war sein Werben erfolglos; es bleibt nur sein Hoffen darauf eines Tages die Wertschätzung und Zuneigung seiner besungenen Dame zu bekommen. Das Leid des Sängers zeigt sich in den Eingängen der Winterliedern zwar immer etwas unterschiedlich, die Enttäuschung und die Freudlosigkeit bleibt jedoch meist identisch und geht auf das gescheiterte Folgen zurück. Doch was sind eigentlich die konkreten Ursachen dieses Scheiterns? Wichtig festzuhalten wäre zu Beginn vor allem, dass sie vielschichtig sind. Das in den Sommerliedern ,durch die Warnungen der Mutter, bereits angerissene Problem einer Ehe von Personen aus unterschiedlichen Ständen, ist auch in den Winterliedern eine der Ursachen. Diese Frage wird laut Hübner auch durch WL 27, Strophe VII aufgeworfen. "Da der Bauernbursche und das Bauernmädchen durchaus denselben sozialen Rang haben, wirft das indirekt die Frage auf, ob das Mädchen denn ein passendes Werbungsobjekt für den Sänger darstellt." [Hübner 2008: 52f.] Ähnlich wie Leitfrage (1) lässt sich auch Leitfrage (2) durchaus bejahend bewerten. Denn der Sänger tritt in den dörperkontroversen als höfischer Werber auf, jedoch stoßen seine Verhaltensweisen als auch der Minnesang bei den Damen auf kein großes Interesse. Die dörper treten zwar im Umgang mit anderen Frauen ab und an grob auf, die Grundlage des gemeinsamen Standes setzt sich beim Tanz jedoch schlussendlich durch. In den Winterliedern werden zwar keine Verführungstechniken und Geschenke des Reuentalers genauer ausgeführt, jedoch scheinen die Bauernmädchen hier deutlich klüger und weniger naiv. Im Vergleich mit den Sommerliedern folgen sie nicht blind einem fremden, verführenden Sänger, welcher sie womöglich schlecht behandelt und einen schlechten Ruf im Hinblick auf die Ehe mit Bauernmädchen hat. Eventuell löst auch das Vorhandensein einer großen dörperlichen Konkurrenz zum Sänger diesen Umstand aus.
Neben der Feststellung, dass der Sänger in seinen Winterliedern eher die falschen Frauen begehrt, ist auch der Lärm der dörper eine wichtige Ursache, welche das Folgen des Sängers erschwert und schlussendlich zunichte macht. "Die Position des singenden Ichs wird von den Konkurrenten besetzt, ihr Lärm und das vom Sanger-Ich beschriebene laute Auftreten beim Tanz und im Umgang miteinander übertönen den werbenden sanc, seine Stimme dringt nicht zur begehrten Frauenfigur durch." [Haufe 2003: 112f.] Dieser Umstand ist für den Sänger natürlich umso enttäuschender. Denn der Reuentaler definiert sich über seinen Gesang und ist auch stark überzeugt davon, mit diesem Erfolg zu beim Folgen zu haben. Jedoch bekommt er diese Chance in vielen Situationen gar nicht, da sein Gesang durch die dörper übertönt wird. Zudem drohen sie ihm mit gewalttätigen Konsequenzen, sollte er nicht selbst verstummen.Vergleich Folgen in Sommer- und Winterliedern
Der Vergleich zwischen Sommer- und Winterliedern basiert auf Leitfrage (3) und es kann bereits eines vorweggenommen werden - es gibt deutliche Unterschiede im Hinblick auf das Motiv des folgens. Gemeinsamkeiten in Sommer-und Winterliedern sind insofern erkennbar, dass der Sänger erneut mit höfischen Verhaltensweisen und Verführungen auftritt. Der wichtigste Unterschied ist nun aber der Wechsel des Sängers vom Umworbenen in den Sommerliedern zum scheiternden "follower" in den Winterliedern. Während sich der Sänger das naive Folgen der Bauernmädchen oder der Mutter des Bauernmädchens in den Dialogliedern noch zu Nutze macht, enden seine Folge-Absichten in den Winterliedern oft enttäuschend und freudlos. Ursache für diese Entwicklung könnte vor allem die stärkere Präsenz der dörper in den Winterliedern sein. Durch die entstehende Konkurrenzsituation und den Lärm der dörper, welcher den Gesang des Sängers unterbindet, wirkt der Sänger zunehmend isoliert. Dies wird verstärkt durch einen weiteren wichtigen Unterscheidungspunkt und zwar ist das in den Winterliedern die Entscheidung der Bauernmädchen für Männer aus demselben, also dem bäuerlichen, Stand. In den Winterliedern entsteht so fast das Gefühl, dass die dörper und die Bauernmädchen beim Tanz ihre Liebeslust unter sich ausleben wollen, dabei jedoch vom höfischen Minnewerber aus Reuental gestört werden, welcher nicht einsehen will, dass sein Folgen hier keinen Erfolg bringen wird. Die Konsequenz ist die Verfolgung durch die dörper, auf welche nun im zweiten großen Abschnitt eingegangen wird.
Einführung Verfolgen
Definition
Im Vergleich zum Wort folgen besitzt der Begriff des Verfolgens zwar ähnliche aber doch andere Bedeutungsunterschiede. In der folgenden Analyse möchte ich mich hierbei vor allem auf auf 4 Bedeutungsmöglichkeiten konzentrieren. Diese sind:
(1) durch Hinterhergehen zu erreichen suchen; nachgehen; folgen
(2) jemanden bedrängen, jemandes Freiheit einengen
(3) gegen jemanden, etwas vorgehen
(4) etwas aufmerksam beobachten
Leitfragen für Analyse und Interpretation
Durch den Fokus auf diese vier Bedeutungsunterscheidungen des Wort Verfolgens lassen sich für die Analyse zentrale Fragestellungen ableiten.
(1) Die dörper - Wer sind die Verfolger des Sängers?
(2) Warum verfolgen die dörper Frauen gewalttätig?
(3) Aus welchen Gründen verfolgen die dörper den Sänger?
(4) Weshalb verfolgt der Sänger Gewaltfantasien gegenüber den dörpern?
(5) Sind für das Motiv des Verfolgens Unterschiede zwischen Sommer-und Winterliedern erkennbar?
Leitfragen für das Fazit
(1) Kann man bestimmte Verhaltensweisen aus dem Neidhart'schen Liedouvre auch heute noch erkennen?
Verfolgen in Neidhart Liedern
Verfolgen in Sommerliedern
Durch den Erfolg des Sängers und dem Folgen der Frauen in den Sommerliedern, ist das Motiv des Verfolgens in den Sommerliedern deutlich weniger präsent. Jedoch fällt das wohl bekannteste und sich immer wiederholende Motiv aus Neidharts Liedern, nämlich der Spiegelraub, auch teilweise in die Kategorie des Verfolgens. Sommerlied 22 liefert dabei die ausführlichste Beschreibung des Spiegelraubs, welcher sich beim Tanz zuträgt. Während der Sänger verhindert ist, entwendet der dörper Engelmar ,der vom Sänger umworbenen, Friderun ihren Spiegel und zerbricht ihn. "Das Friderun zugefügte Leid scheint eine Vergewaltigung zu meinen. Der Sänger hält sich als Rächer bereit und die gewaltsame Tat hat all seine Freude zerstört." [Schulze 2018: 103]
Sommerlied 22 Strophe IV, Vers 2-8
wir sulnz ûf dem anger wol wikîsen. Lasst uns auf der Wiese schön tanzen. Vriderûn als ein tocke Friederun tanzte wie eine Puppe spranc in ir reidem rocke in ihrem gefälteten Rock, bî der schar: vor der Schar. des nam anderthalben Dies beobachtete Engelmar von der anderen Seite Engelmâr vil tougen war. ganz heimlich.
Strophe VI, Vers 4-8
wie sol ich gebâren? Wie soll ich mich verhalten? mirst an Engelmâren Engelmar ist mir ungemach, ungemach, daz er Vriderûnen da er Friederun ir spiegel von der sîten brach. ihren Spiegel von der Hüfte riss und brach.
Das Motiv des Verfolgens ist hier vielschichtig zu beobachten. Engelmar verfolgt Friderun beim Tanz heimlich (mit den Augen) und es kommt zu Verfolgung von Gewalt durch den Spiegelraub, welcher im übertragenen Sinn eine Vergewaltigung meint. Die Freiheit Frideruns wird durch das Verhalten von Engelmar stark eingeengt und bedrängt, ähnlich wie es Definition(2) angibt. Schulzes Charakterisierung des Sängers als bereitstehender Rächer verstärkt die Verfolgens-Motivik umso mehr, da der Reuentaler nun eine Art Verfolger-Rolle des Täters einnimmt und seine Racheabsichten im Anschluss versucht zu verfolgen. Sommerlied 22 könnte chronologisch der erste Bericht von dieser Tat sein, dies ist jedoch nicht gesichert. Es wäre durch verschiedene Anspielungen in der Folge aber möglich - das Motiv kommt in fast 15 überlieferten Liedern vor. Möglicherweise entstand durch den Spiegelraub die Abneigung und der Hass zwischen dörpern und Sänger; der Spiegelraub könnte also Auslöser für das Verfolgungsverhalten in den Winterliedern sein.
Verfolgen in Winterliedern
Die Winterlieder sind die wichtigste Grundlage für die Untersuchung des Verfolgens, da trotz einiger dörperkonformer Lieder (WL 1-10) siehe oben, ein Großteil der Winterlieder "dörperkontroverse Lieder sind. In diese ist der Sanger vom dörpertreiben ausgeschlossen ist (sog. Friederun-Lieder). Sie sind bestimmt von der satirisch überzeichneten Beschreibung der die höfische maze(Ordnung) missachtenden dörper, die den nach höfischen Normen sich benehmenden Sänger vom Tanzplatz und bei den Mädchen zu verdrängen suchen." [Schweikle 1990: 83] Es entsteht dadurch eine Verfolgungssituation, häufig beim Tanz. Diese Verfolgungssituation führt soweit, dass der Sänger beispielsweise in Winterlied 23 zum Vertriebenen wird oder auch in Winterlied 24 Strophe VIII von seiner Flucht nach Österreich berichtet.
Verfolgen von Frauen
Die Verfolgungssituation des Sängers durch die dörper, im Zusammenhang mit dem bäuerlichen Tanz, ist wahrscheinlich der zentralste Unterpunkt des Verfolgens. Um diesen richtig aufzuarbeiten, ist jedoch vor allem eine Beschäftigung mit der konkreten Ursache von Bedeutung. Neben der Gewalt gegenüber des Sängers, versuchen die dörper vor allem durch andere Verhaltensweisen, etwa durch Lärm, die Bauernmädchen davon abzuhalten, dem Sänger zu folgen. Da die dörper die Bauernmädchen als eine von ihnen ansehen, bekommt man das Gefühl, dass sie mit allen Mitteln diese geschlossene Situation der Partnersuche bewahren wollen und dadurch auch zu rabiaten Verhaltensweisen greifen.
von den dörpern ausgehend
Vor allem das gewalttätige Verhalten der dörper ist dem Sänger ein Dorn im Auge, welches durch "rohes, plumpe Benehmen beim Tanz gekennzeichnet ist (WL 2), das aber auch bis zum Schlagen einer Frau (WL 7,IV) und frechen Übergriffen gehen kann." [Schweikle 1990: 81] Schwer zu deuten ist die Brisanz dieser Gewalt - ist das die normale, schroffe Verhaltensart der dörper, welche im Ernstfall sogar Verhüllungen von sexueller Gewalt sind? Oder wird das Benehmen der dörper vom Sänger, aufgrund seiner Misserfolge und seiner Entrüstung über das unhöfische Verhalten, überspitzt dargestellt? Neben konkreten Berichten des Verfolgungsverhaltens durch die dörper, wird ab Winterlied 14 vom Reuentaler auch immer wieder der Spiegelraub an Friderun aufgegriffen und als schwere Untat eingeordnet. Diese Art der "Frauenverfolgung" hat für den Sänger scheinbar eine enorme Bedeutung, könnte jedoch auch dazu benutzt werden, um die Gewalt der dörper nochmals zu unterstreichen. Ein Akt des Verfolgens und der Bedrängung durch die dörper lässt sich exemplarisch in Winterlied 27 erkennen.
Winterlied 27 Strophe IV
Lanze der beswaeret ein vil stolzez magedin: Lanze bedrängte ein sehr stattliches Mädchen: eine kleine risen guot eine kleines feines Band zarte er ab ir houbet, zerrte er ihr vom Kopf, dar zuo einen bluomenhuot: und gab ihr dafür einen Blumenkranz. wer het im daz erloubet? Wer hat ihm das erlaubt? Das Bedrängen der Dame durch Lanze wird in Vers 8 relativ deutlich, wobei es "immer schnell handgreiflich zugeht , und die Bezeichnungen der Handgreiflichkeiten klingen oft - wie hier (Str.4) das Herunterreißen von Schleier und Blumenkränzlein - nach verhüllenden Ausdrücken für sexuelle Gewalt."[Hübner 2008: 52] Im Hinblick auf Leitfrage (2) sind die Gründe für dieses Verhalten der dörper vor allem die Konkurrenzsituation, ihre grundlegende Bereitschaft Gewalt anzuwenden sowie ein starkes sexuelles Bedürfnis, welches durch die möglichen sexuell verhüllenden Ausdrücke bekräftigt wird. Dieses gewalttätige Auftreten widerspricht dem Reuentaler, und wird dadurch verstärkt, dass solch ein Vorgehen gegenüber Frauen vor allem seinen höfischen Vorstellungen widerspricht. Dieses Verhalten der dörper löst im Sänger zweierlei Reaktionen aus: zum Einen kündigt er in Strophe 6 an, dass er Lanze für diese Tat zu Rechenschaft ziehen will. Link Verfolgen vom sänger aus Grund hierfür ist erneut die erotische Konkurrenzsituation: "der dörper beansprucht als seine Herrin just jene, um die der Sänger lange und beständig, aber vergeblich dient." [Hübner 2008: 52] Zum anderen führt dies nun über zum Verfolgen der Frauen durch den Sänger ->Link.
vom Sänger ausgehend
Mit seinem höfischen Auftreten und seinen Liedern versucht der Sänger in Konkurrenz zu den Bauernburschen Bauernmädchen zu verführen. Da sein Auftreten, oft gekennzeichnet vom "Unterwerfungsmuster der höfischen Liebe" [Hübner 2008:54], zu keinem Erfolg führt, ist der Sänger sogar auch bereit Handgreiflichkeiten gegenüber Frauen anzuwenden. Dies widerspricht vollkommen den eigentlichen Ansichten des Sängers, da dies seine Kritik an den dörpern unecht wirken lässt. Diese "Frauenverfolgung" durch den Sänger wirkt wie ein verzweifelter Akt um die Gunst der Frauen. Es wird versucht die dörper mit ihren eigenen Mitteln als Konkurrenten zu verdrängen, dabei vergisst der Sänger jedoch, dass dies sein eigenes Verhalten unhöfisch macht.
Verfolgen von Gewalt vor den eigenen Augen
In den Winterliedern hat man oft das Gefühl, dass der Sänger eher als neutraler Außenstehender, was durch seine Ausgrenzung ja auch nahe liegt, von den dörpern berichtet. Dabei wird, wie oben zum Beispiel in Winterlied 27 dargestellt, das Verfolgen der Frauen durch die dörper geschildert oder auch der entgegengebrachte Hass seiner Konkurrenten. Durch das aggressive und gewalttätige Grundverhalten, ist der, das dörper-Treiben, beobachtende Sänger, oft auch in der Lage als Unbeteiligter die Gewalt der dörper untereinander zu beobachten. Ein schönes Beispiel liefert hier Winterlied 24, wo der Sänger, versteckt im Weinfass, die gewalttätige Auseinandersetzung der dörper beobachtet.
Winterlied 24, Strophe Va, Vers 5-6
sie stritten mit einander einen ganczen summer langen tag. Sie stritten miteinander den ganzen langen Sommertag. das ir geläße sahe herre Neithart, do er in dem vas bey dem wein lag. Herr Neidhart sah ihr Verhalten, da er im Weinfass lag. Strophe VI, Vers 1-2
Sagte ich nû diu maere wie siz mit ein ander schuofen, Soll ich nun die Geschichte erzählen, wie sie miteinander kämpften, des enweiz ich niht: ich schiet von danne sâ zehant. so weiß ich das nicht: Ich machte mich sehr schnell davon.
Oder auch Winterlied 3, bei der mehrere dörper einen anderen mit einem Dreschflegel und einer Reute attackieren und Ruprecht Eppe ein Ei, das der Auslöser für den Streit ist, an die Glatze wirft." [Schulze 2018: 100]
Diese, oft satirischen, Berichte der dörper-Gewalt unterstreichen die Gewalt der dörper. Vor allem aber wird die Ausgrenzung des Sängers deutlich, welche in die internen Streitigkeiten nicht involviert ist. Zum Verfolgten wird er dennoch.Sänger wird von dörpern verfolgt
Die Konkurrenzsituation beim Tanz ist der konkrete Auslöser, durch die dörper zum Verfolger des Sängers werden. Konfliktpotenzial liefert hier das Vorgehen des "Minnesängers. Denn er wirbt auf dem Dorf um die Mädchen, als ob sie adelige Damen wären." [Hübner 2008: 52] Das höfische Auftreten und Werben des Reuentalers, in einem eigentlich den Dorfbewohner vorbehaltenem, geschlossenen Milieu der Partnersuche, missfällt den dörpern. Zudem steht ihr handgreifliches Verhalten zur "höfischen Welt und ihrer Ordnung im Kontrast" [Schulze 2018: 96][...]. Schlussendlich ist "erotische Konkurrenz meist der Auslöser" [Müller 1986: 433] der Gewalt und Anlass für die Verfolgung des Sängers.
Um eine Vorstellung des Verfolgens zu bekommen, eignet sich exemplarisch Winterlied 27.Winterlied 27, Strophe III, Vers 3-12
so twinget mich ein ander leit, so bedrängt mich noch ein anderer Schmerz, daz vor allem leide mich so sere nie betwanc, der mich vor all dem Leid noch nie so sehr bedrängte, swiech dar umbe lache obgleich ich lache und gebare blide: und mich heiter benehme: mir hat ein dörper widerseit Ein Dorfbewohner hat sich gegen mich gestellt, umb anders niht wan umbe den minen üppeclichen sanc. wegen nichts anderem als meinem prächtigen Gesang. derst geheizen Adeltir, Der wird Adeltir genannt bürtic her von Ense, und ist geborgen in Ense; zallen ziten drot er mir jederzeit droht er mir als einer veizten gense. wie eine fette Gans. Das Verfolgen durch die dörper löst im Reuentaler grundsätzlich Leid und Unbehagen aus, wie so oft versuchen die dörper das Sänger-Ich zum Verstummen zu bringen. Sein Gesang ist Teil des Werbeverhaltens um die Frauen, sodass sich in diesem Fall Adeltir gegen den Sänger stellt. Das Verfolgungsverhalten ist gekennzeichnet von Einschüchterungen, Drohungen(s. Vers 11) oder allgemeinen Bedrängungen des Sänger-Ichs. Der Grund des Verfolgens wird in Strophe VI klar. Adeltir erhebt Anspruch auf die Frau, welche der Sänger erfolglos gedient und umworben hatte. Auch hier ist also eine erotische Konkurrenzsituation um dieselbe Frau Ursache der Drohungen durch Adeltir. Zur Gewaltanwendung gegenüber dem Sänger kommt es zwar nicht(nie), jedoch werden in den sogenannten Trutzstrophen(Link) sich konkrete Gewaltfantasien ausgemalt, um das Singen verstummen zu lassen. Das Verfolgen in Gewaltfantasien ist also grundlegend Teil der Verfolgungs-Motivik.
Die tatsächliche Verfolgung des Sänger-Ichs ist vielen Winterliedern zu beobachten. So berichtet er sowohl in Winterlied 23 als auch in Winterlied 24 von den dörpern in eine andere Stadt verdrängt worden zu sein. Vor allem ausgesprochene Bedrohungen, welche unter anderem aber auch vom Sänger geäußert werden, sind ein wichtiger Aspekt des Verfolgens und darauf aufbauend auch der Flucht. Dieser Aspekt spielt auch im Lied c122 eine wichtige Rolle. Nachdem der Sänger die Frau eines dörpers besungen und begehrt hatte, wollen, die Dorfbewohner, dass er das Dorf unverzüglich verlässt. Die Androhung ihn sonst umzubringen, ist Anlass zur Flucht des Sprechers, wobei er hier einen sogenannten Helfer um Rat und Hilfe bittet.
Der letzte wichtige Aspekt des Verfolgens hierbei ist die numerische Überlegenheit der dörper. Das Sänger-Ich wird häufig auch von "mehreren dörpern bedroht und angegriffen."[Haufe 2003: 115] Vor allem in Winterlied 13 wird diese Form der Oppositionsbildung klar.Winterlied 13, Strophe III
Engelwan und Uoze Engelwan und Uoze, die zwene sint mir gehaz die zwei verabscheue ich. (schaden unde nides muoz ich mich von in versehen) (Vor ihrem Schaden und ihrer feindseligen Gesinnung muss ich mich vorsehen.) und der geile Ruoze: Und der übermütige Ruoze: wie tiuwer er sich vermaz, wie teuer er sich im ungehörigem Maße gab, der bestüende mich durch si! die drie widerwehen forderte mich wegen ihr heraus! Die drei Widersacher ratent unde brüevent, daz ich ane lon belibe. berieten und prüften, sodass ich ohne Lohn zurück bleibe. niht envolge ir lere, vrouwe, liebist aller wibe! Folge nicht ihren Worten, Herrin, Schönste aller Frauen. lone miner jare; laz in leit an mir geschehen! Belohne mich für die Jahre; lass mir kein Leid geschehen!
Engelmar sowie die drei dörper in dieser Strophe "wollen den Sänger am weiteren Minnedienst hindern", [Haufe 2003: 115] wobei sie zuvor schon die begehrte Frau zur Ablehnung des Sängers gedrängt hatten. Das Verfolgen durch die dörper "ist geprägt von haz (WL 13, III, 2), der Sänger befürchtet Schaden und eine feindselige Gesinnung (WL 13, III, 3), die von ihnen ausgehen. Sie bilden eine gegen das Sänger-Ich in Opposition stehende Kongruenzgemeinschaft, welche als Widersacher (WL 13, III, 6) auf die Frauenfigur einwirken und gar auf das Versagen von Lohn drängen." [Haufe 2003: 115] Dies will der Sänger in den letzten beiden Strophen mit einer Aufforderung verhindern. Es zeigt sich, dass das Verfolgen neben der konkreten Gewaltandrohung auch noch weitere, negative, Nebenwirkungen für den Reuentaler mit sich bringt, wie hier etwa die Ablehnung durch die Frauenfigur.
Trotz der Verfolgungsabsichten der dörper, kommt es kaum zur konkreten Gewaltanwendung. Diese ist höchstens in den Trutzstrophen erkennbar, in denen Gewaltfantasien der dörper gegenüber dem Sänger ausgestaltet werden.in Trutzstrophen
Sowohl das Sänger-Ich als auch die dörper, bekommen in den Winterliedern die Möglichkeit in bestimmten Strophen Gewaltvorstellungen und Gewaltphantasien vorzubringen. Diese Vorstellungen des Sängers (z.B. Winterlied 10, Strophen VIa und VIb) treten oft gegen Ende der Lieder auf. "Der Hass des Sängers gen die dörper richtet sich vor allem auf das konkurrierende Liebeswerben und die sexuelle Annäherung an die von ihm Umworbene, auch auf die Beeinträchtigung des eigenen Singens." [Schulze 2018: 100] Die Gewaltfantasien der dörper hingegen werden als Trutzstrophen bezeichnet. "Die Trutzstrophen enthalten Antworten auf die Lieder und sind drohende, spöttische oder scheltende Retourkutschen, wobei der Sprecher meist einer der im Lied dargestellten und verspotteten oder bedrohten dörper ist." [Wachinger 1970: 99] Das oben betrachtete Winterlied 27 dient in den letzten beiden Strophen als exemplarisches Beispiel für Trutzstrophen.
Winterlied 27, Strophe VIIbHer Nithart, mugt irz lazen? Herr Neidhart, könnt ihr es sein lassen? iu mac misselingen. Es wird euch misslingen. nu habt ez uf die triuwe min. Nun schwört es auf meine Treue hin und mag ich, ez muoz iu bi dem tanze werden leit! oder ich muss euch bei dem Tanze leid antun! welt ir uf der strazen Wollt ihr euch auf der Straße vil mit uns gedringen, viel mit uns streiten, swie breit ab iuwer multer sin, wie breit muss dann euer Brustpanzer sein, da gelpfe schinet under iuwer ringelehte pfeit, der unter eurem geringelten Kettenhemd glänzend strahlt. und sult ir sin der tiuvel gar Und ihr sollt gar der Teufel sein, mit iuwerm glitzeden huote, mit eurem glitzernedem Hut, zware ich mache in bluotes war wahrlich würde ich euch mit minem swerte guote. mit meinem stattlichen Schwert blutig machen.
Die vorletzte Strophe ist, wie so oft, gekennzeichnet von brutalen Gewaltvorstellungen und Bedrohungen gegenüber dem Sänger, sollte er sein Besingen und Begehren nicht sein lassen. Das Verfolgen des Sängers erfolgt hier auf einer anderen Ebene, jedoch wird auch hier die Verfolgung des Sängers sowie die Androhung durch Adeltir deutlich gemacht. Die Trutzstrophen sind meistens also ähnlich aufgebaut; der Hauptaspekt sind die Androhungen von Gewalt und Verfolgung. Dies zeigt sich beispielsweise auch "in zwei Trutzstrophen [...] in Winterlied 29. Hier droht Hildemar dem von Riuwental wegen der Verspottung seiner Haube mit handgreiflicher Rache." [Schulze 2018: 99]
Vergleich Verfolgen in Sommer - und Winterliedern
Die Sommerlieder sind hauptsächlich vom Erfolg des Sängers bei den Frauen gekennzeichnet, wodurch das Motiv Folgens hier deutlich präsenter ist. Dennoch bildet vor allem Sommerlied 22 einen wichtigen Aspekt des Verfolgens ab. Gemeinsamkeiten zwischen Sommerlied 22 und den Winterliedern ist vor allem im Hinblick auf die dörper erkennbar. Es kommt zu Verfolgen einer Frau(Friderun), welche der Sänger auch begehrt, durch einen dörper(Engelmar), die Frau wird gewaltsam attackiert(möglicherweise vergewaltigt) und der Sänger schwingt sich aufgrund von erotischer Konkurrenz zum Verfolger des dörpers auf. All das sind Elemente, welche so oder so ähnlich auch in den Winterliedern immer wieder behandelt werden. Somit kann Sommerlied 22 als inhaltliche Ausnahme in den, eigentlich für den Sänger oft erfolgreichen und harmonischen, Sommerliedern gesehen werden. Einen weiterer wichtiger Zusammenhang zwischen Sommerlied 22 und den Winterliedern ist, dass in den Winterliedern immer wieder das Motiv des Spiegelraubs aufgegriffen wird. Geht man davon aus, dass diese Tat chronologisch vor den Winterliedern geschah, lassen sich durchaus Argumente finden, dass der Spiegelraub Ausgangspunkt für das gegenseitige Verfolgen ist. Und es vor allem den Sänger selbst in seinen Gedanken verfolgt, da er immer wieder das Bedürfnis hat, diese Tat in seinen Liedern aufzugreifen
Unterschiede zwischen den Sommerliedern und den Winterliedern sind aber auch erkennbar. Das Motiv des Verfolgens ist in den Winterliedern deutlich zentraler. Der Sänger wird zum Verfolgungsobjekt der dörper und beide Partien fantasieren in einzelnen Strophen, die dörper in den Trutzstrophen, über brutale Gewalt gegenüber der Gegenseite. Ursache hierfür ist natürlich, dass die dörper in den Winterliedern deutlich häufiger auftreten, was im Umkehrschluss zur Konkurrenzsituation führt und dauerhafte Misserfolge für den Sänger mit sich bringen. Dies löst schlussendlich dann die Verfolgung der Frauen, die Verfolgung des Sängers und die Verfolgung der Gegenseite in Gewaltfantasien aus.Fazit
Vergleich mit der heutigen Gesellschaft
Following in den sozialen Medien/der realen Welt
Unterschiede/ Gemeinsamkeiten zu Neidhart
Folgst du schon deinem Lieblingssänger? Ein Satz, mit welchem man vor 10 Jahren wahrscheinlich noch auf großes Unverständnis gestoßen wäre, ist heute aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Natürlich beziehe ich mich hier auf die Art des folgens (engl.following), welche sich durch diverse Social-Media-Plattformen in unserer heutigen Gesellschaft festgesetzt hat und aus aktueller Sicht nicht mehr wegzudenken ist. Auf diesen Aspekt des Followings sowie das Following in der aktuellen, realen Welt möchte ich in meinem abschließenden Punkt, dem Vergleich mit der heutigen Gesellschaft, eingehen und dabei mit den, durch die Analyse der Neidhart Lieder, gewonnen Erkenntnisse vergleichen.
Kommentar
"Riuwentaler", "Reuentaler" oder "der von Riuwental/Reuental" = Sänger
"höfische maze" = höfische Ordnung
"haz" = feindselige Gesinnung
Forschungsliteratur
<HarvardReferences /> [*Hübner 2008] Hübner, Gert: Minnesang im 13. Jahrhundert. Eine Einführung, Tübingen 2008.
<HarvardReferences /> [*Schweikle 1990] Schweikle, Günther: Neidhart. Stuttgart: Metzler 1990 (Sammlung Metzler 253). <HarvardReferences /> [*Haufe 2003] Haufe, Hendrikje: Minne, Lärm und Gewalt. Zur Konstitution von Männlichkeit in Winterliedern Neidharts, in: Aventiuren des Geschlechts. Modelle von Männlichkeit in der Literatur des 13. Jahrhunderts, hg. v. Martin Baisch et al. Göttingen: V & R unipress 2003 (Aventiuren 1), S. 101-122. <HarvardReferences /> [*Müller 1986] Müller, Jan-Dirk: Strukturen gegenhöfischer Welt. Höfisches und nicht-höfisches Sprechen bei Neidhart, in: Höfische Literatur und Hofgesellschaft. Höfische Lebensformen um 1200. Kolloquium am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld (3. bis 5. November 1983), hg. von Gert Kaiser und Jan-Dirk Müller, Düsseldorf 1986 (Studia humaniora 6), S. 409-453. <HarvardReferences /> [*Ruh 1984] Ruh, Kurt: Neidharts Lieder. Eine Beschreibung des Typus, in: Kleine Schriften. 1. Dichtung des Hoch- und Spätmittelalters, 1984, S. 107-128. <HarvardReferences /> [*Schulze 2018] Schulze, Ursula: Grundthemen der Lieder Neidharts, in: Neidhart und die Neidhart-Lieder. Ein Handbuch, hg. von Margarete Springeth und Franz Viktor Spechtler, Berlin/Boston 2018, S. 95–116. <HarvardReferences /> [*Wachinger 1970] Wachinger, Burghart: Die sogenannten Trutzstrophen, in: Formen mittelalterlicher Literatur: Siegfried Beyschlag zu seinem 65.Geburtstag von Kollegen Freu, Tübingen 1970, S.99-108.- ↑ https://www.duden.de/rechtschreibung/folgen
- ↑ https://de.wikipedia.org/wiki/Reigen_(Tanz)
- ↑ Neidhart, Sommerlied 22, Strophe IV, 2-8
- ↑ Neidhart, Sommerlied 22, Strophe VI, 4-8
- ↑ Neidhart, Winterlied 27, Strophe IV Vers 8-12
- ↑ Neidhart, Winterlied 24, Strophe Va, 5-6; Strophe VI, 1-2
- ↑ Neidhart, Winterlied 27, Strophe III Vers 3-12
- ↑ Neidhart, Winterlied 13, Strophe III
- ↑ Neidhart, Winterlied 27, Strophe VIIb