Benutzer:Tamara Groß
Erzählstruktur als Interpretationszugang
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| nv vernemet seltzene dinc | Nun hört die sonderbaren Ereignisse |
| unde vremde mere, | und die wunderbaren Geschichten, |
| der die glichesere | die der Glîchesâre |
| v kvnde geit, wen si sint gewerlich. | und Kenntnis kommt einher, aber sie sind gefährlich. |
| [ ] er ist geheizen Heinrich, | Er wird Heinrich genannt, |
| der hat die bvch zesamene geleit | und hat die Schriften zusammengefügt |
| von Isengrines arbeit. | zu Isengrims Leid. |
("Reinhart Fuchs" V. 1784–1790)
Reinhart Fuchs und die höfische Literatur
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| Nv horet, wie Reinhart, | Nun hört, wie Reinhart |
| der vngetrewe hovart, | der treulose Hofhund |
| warb vmb sines neven tot. | sich um den Tod seines Neffen bemühte. |
| daz tet er doch ane not. | Das tat er jedoch nicht aus einer Notlage heraus. |
| Er sprach: ,lose, Dizelin, | Er sprach: 'Los, Dizelin, |
| hilf mir, trvt neve min! | hilf mir, mein geliebter Neffe! |
| dir ist leider miner not niht kvnt: | Leider kannst du dich in meine Notlage nicht hineinversetzen: |
| ich wart hvete vru wunt; | Heute morgen bin ich früh aufgebrochen; |
| der kese liet mir ze nahen bi. | Der Käse lag in meiner Nähe. |
| er smecket sere, ich vurcht, er si | Er roch streng, sodass ich befürchten musste, er sei |
| mir zv der wunden schedelich. | für meine Wunden schädlich. |
| trvt neve, nv bedenke mich! | Lieber Neffe, nun kümmere dich um mich! |
| dines vater trewe waren gvt, | Dein Vater war mir immer treu, |
| ovch hore ich sagen, daz sippeblvt | ich habe gehört, dass das Blut der Sippe |
| von wazzere niht vertirbet. | durch Wasser nicht verdorben werden kann. |
| din neve alsvst erstirbet. | Dein Neffe kommt auf diese Weise um. |
| daz macht dv erwenden harte wol. | Das könntest du schnell ändern. |
| vom stanke ich grozen kvmmer dol. | Ich erleide großen Kummer bei diesem Geruch. |
| Der rabe zehant hinnider vlovc, | Der Rabe flog gleich darauf hinunter, |
| dar in Reinhart betrovc. | da Reinhart ihn durch seine Worte manipuliert hatte. |
| er wolde im helfen von der not | Er wollte ihm in seiner Not helfen |
| dvrch trewe, daz was nach sin tot. | und seine Treue unter Beweis stellen, doch dafür sollte er später mit dem Tod bezahlen. |
("Reinhart Fuchs" V. 253–274)
Täter oder Opfer? Gerechtigkeit im Zwielicht
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| alsvs lonet ir Reinhart, | Auf diese Weise dankte Reinhart ihr, |
| daz si sin vorspreche wart. | dass sie seine Fürsprecherin wurde. |
| Iz ist ovch noch also getan: | Es sei außerdem noch gesagt: |
| swer hilfet einem vngetrewen man, | Wer auch immer einem unehrlichen Menschen hilft, |
| daz er sine not vberwindet, | dass er seine Notlage übersteht, |
| daz er doch an im vindet | und er an ihm dann doch Unehrenhaftes findet, |
| valschs, des han wir gnvc gesehen | davon haben wir genug erlebt |
| vnde mvz ovch dicke alsam geschen. | und es muss auch häufig so geschehen. |
| alsvst hat bewart | So kümmerte sich Reinhart [Tip: bitte mhd. "bewarn" + Akkusativ nachschlagen!] |
| sine vrteilere Reinhart. | um seine Urteilsverkünder. [Tip: "vrteilere" = "urteilaere" im Wörterbuch!] |
| der arzet was mit valsche da, | Der Arzt war ein Betrüger, |
| den kvnic verriet er sa. | der den König sofort täuschen konnte. |
| er konde mangen vbelen wanc. | Er beherrschte manchen üblen Streich. |
("Reinhart Fuchs" V. 2155–2167)
Verse mit Wortbelegen ‚kündikeit‘
| Vers | Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|---|
| V. 217 | REinhart kvndikeite pflac, | Reinhart war klug, |
| V. 307 | do was im kvndikeite zit. | Da kam ihm noch rechtzeitig seine Geschicklichkeit zur Hilfe. |
| V. 364 | do bedorfte er wol kvndikeit: | Nun musste er geschickt vorgehen: |
| V. 1163f | siner amien warf er dvrch den mvnt | Durch eine List warf er seine Minneherrin |
| sinen zagel dvrch kvndikeit | mit seinem Schwanz auf das Maul. | |
| V. 1420f | ez sold in wol erlozen | Mit Recht sollte Reinhart ihn |
| Reinhart mit siner kvndikeit. | mit seinem Wissen erlösen. | |
| V. 1822f | nieman evch gezelen mack | niemand könnte euch |
| Reinhartes kvndikeit -, | Reinharts Verschlagenheit beschreiben -, | |
| V. 2037 | Reinhart sich kvndikeite vleiz: | Reinhart übte sich in Geschicklichkeit: |
("Reinhart Fuchs")
Reinhart der Sieger
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| Do Reinhart die not vberwant | Als Reinhart diesen Schmerz überwunden hatte, |
| vil schire er den wolf Ysengrin vant. | hörte er bald von dem Wolf Isengrin. |
| do er in von erst ane sach, | Als er ihn zum ersten Mal sah, |
| nv vernemet, wie er do sprach: | nun hört, wie er da sprach: |
| 'got gebe evch, herre, gvten tac. | ‚Gott schenke euch, Herr, einen guten Tag. |
| swap ir gebietet vnde ich mac | Was immer Ihr verlangt, ich will |
| evch gedinen vnde der vrowen min, | euch und meiner Herrin dienen, |
| des svlt ir beide gewis sin. | dessen sollt ihr euch sicher sein. |
| ich bin dvrch warnen her zv ev kvmen, | Ich bin gekommen, um euch zu warnen, |
| wan ich han wol vernumen, | weil ich gehört habe, |
| daz evch hazzet manic man. | dass euch viele (Menschen) hassen. |
| wolt ir mich zv gesellen han? | Wollt ihr mich zum Freund haben? |
| ich bin listic, starc ist ir, | Ich bin klug und ihr seid stark, |
| ir mochtet gvten trost han zv mir. | ihr würdet eine gute Unterstützung (Beistand) mit mir haben. |
| vor ewere kraft vnde von minen listen | eure Kraft und meine Klugheit |
| konnte sich niht gevristen, | können sich nicht aufhalten, |
| ich konde eine bvrc wol zerbrechen.' | ich könnte gewiss eine Burg zerstören. |
("Reinhart Fuchs" V. 385–401)
Reinhart der Verlierer
| Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
|---|---|
| des wart er trvric vnde vnvro, | Deshalb war er verzweifelt und betrübt, |
| er sprach: 'herre wie kvmt ditz so, | er sprach: ‚Herr, wie kommt es, |
| das mich ein voglin hat betrogen? | dass mich ein Vögelchen überlistet hat? |
| das mvet mich, das ist vngelogen.' | das macht mir Sorgen, das ist wahr.’ |
| REinhart kvndikeite pflac, | Reinhart war von Klugheit, |
| doch ist hevte niht sin tac, | doch heute war nicht sein Tag, |
| daz iz im nach heile mvege ergan. | dass er von Gesundheit erfüllt sein möge. |
("Reinhart Fuchs" V. 213–219)