Das Werbungsverhalten des Sängers (Neidhart)

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Dieser Artikel thematisiert das Werbungsverhalten des Sängers in den Neidhartliedern. Um das Werbungsvershalten des Sängers genauer zu analysieren, werden unterschiedliche Aspekte seines Verhaltens betrachtet. Auffällig ist zunächst, dass die Dörper, die oft einen Großteil der Lieder einnehmen, für den Sänger eine sehr bedeutende Rolle zu haben scheinen. Welche dies ist, wird im Folgenden genauer untersucht. Dabei werden insbesondere die Winterlieder betrachtet.

Die Dörper als Gegenspieler?

Scheitern des Sängers bei der Werbung um eine Frau

"In der Regel wirbt der Sänger mit Gesang, und dies durchweg erfolglos." (Ruh) Dabei zeigt sich ein immer wiederkehrendes Muster: Er singt für eine Frau, diese lässt sich davon nicht beeindrucken, worauf er dies beklagt und dann die Dörper thematisiert, die fast den ganzen Rest des Liedes einnehmen. Ruh deutet die Dörper oft als Konkurrenz oder Gegenspieler. Er benennt zwei Hauptgründe für das Scheitern des Sängers: Der Widerstand, bzw. die Gleichgültigkeit der Dame und die Dörperkonkurrenz. Haufe geht einen Schritt weiter und legt den Fokus etwas mehr auf die Dörper: "Die Widerstände, die einer erfolgreichen Werbung im Wege stehen, gehen nicht allein von der Dame aus, sondern werden durch das ständige Eingreifen der Dörper verstärkt." Jedoch zeigt sich, dass die Bedeutung der Dörper für den Sänger eine andere als eine bloße Konkurrenz sein muss. Beispielsweise in WL24 beklagt der Sänger diese Nutzlosigkeit seines Gesangs. Dies aber ist dem Sänger offenbar gleichgültig und er gibt den Gesang sehr schnell auf, statt sich weiter und länger zu bemühen:

ez vervaehet niht, swaz ich ir lange hân gesungen; Es nützt nichts, was ich ihr lange vorgesungen habe;
mir ist alsô maere, daz ich mêre stille dage. so ist es mir gleichgültig, dass ich sehr stillschweige.

Auch im WL27 erwähnt der Sänger, dass sein Gesang von der Frau kaum belohnt wird. Hier aber stellt er gleich darauf die Frage, wie er anderswâ dienen könne.

sît si lônet kleine Wenn sie meine neuen Klänge
mîner niuwen klenke, wenig belohnt,
wan mag ich dienen anderswâ? wodurch kann ich anderswo dienen?

Es stellt sich die Frage, was er mit anderswâ meinen könnte. Aufgrund der Tatsache, dass es dem Sänger gleichgültig ist, dass sein Gesang bei der Frau nichts bewirkt, ist es naheliegend, dass der Sänger in WL27 das anderswâ nicht auf die einst besungene Frau bezieht, sondern andere Figuren in Betracht zieht, denen er seinen Gesang lieber widmen könnte. Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass damit die Dörper meint, da er sie gemäß des wiederkehrenden Musters unmittelbar in der nächsten Strophe thematisiert. Er bemerkt, dass die Frau seinen Gesang nicht schätzt, er beklagt dies und wendet sich schließlich den Dörpern zu. Er bezeichnet die Dörper ebenfalls als ein Leid, das er aber verharmlost, bzw. als lachhaft darstellt:

Zuo dem ungemache, Zusätzlich zu dem Leid,
den ich von ir lîde, das ich von ihr erfahre,
sô twinget mich ein ander leit, so quält mich ein anderes Leid,
daz vor allem leide mich sô sêre nie betwanc, das mich von allem Leid nie so stark quälte,
swiech dar umbe lache weshalb ich darum lache
und gebâre blîde: und mich fröhlich verhalte:
mir hât ein dörper widerseit Ein Dörper hat sich mir entgegengestellt/ hat mir widersprochen
umb anders niht wan umbe den mînen üppeclîchen sanc. um nichts anderes als um meinen überflüssigen Gesang.

Interessant ist an der Stelle, dass der Sänger die Dörper, bzw. einen Dörper direkt mit seinem Gesang in Verbindung bringt: Er widerseit konkret seinem Gesang. Das Wort widerseit kann sich entgegenstellen oder widersprechen heißen. Dies kann entweder im feindlichen Sinne gemeint sein, oder aber an der Stelle im Sinne von widersprechen auch so verstanden werden: Der Dörper widerspricht dem Gesang des Sängers, was heißt, der Sänger hätte seinen Gesang ebenso an den Dörper gerichtet, dieser aber lehnt den Gesang ab - genauso wie die Frau, die der Sänger zuerst besungen hatte. Die Dörper müssen also nicht unbedingt als Konkurrenz betrachtet werden (wie bei Ruh zund Haufe), sondern man kann sie als Figuren betrachten zu denen und dem Sänger neben der umworbenen Frau ebenfalls eine Anziehung besteht. Es scheint eine Art Hassliebe zwischen dem Sänger und den Dörpern zu geben. Laut Schulze richte sich dieser Hass auf das konkurrierende Liebeswerben und an die sexuelle Annäherung an die vom Sänger umworbene Frau und auf dessen Beeinträchtigung beim Singen. Betrachtet man die Dörper jedoch ebenfalls als umworbene Figuren, so richtet dieser Hass nicht auf das konkurrierende Liebeswerben, sondern vielmehr auf die Ablehnung des Sängers durch die Dörper. Die Beeinträchtigung beim Singen entsteht nicht durch das Konkurrenzverhalten der Dörper, sondern die Dörper lassen als eine Art Ablenkung bei der Werbung um eine Frau verstehen. Diese Ablenkung entsteht durch eine Anziehung, bzw. Faszination, die der Sänger bezüglich der Dörper empfindet.

Faszination Dörper

Neben der These dass der Gesang des Sänger auch den Dörpern gewidmet sein könnte, gibt es noch weitere Belege dafür, dass für den Sänger eine gewisse Faszination und Anziehung zu den Dörpern besteht. Die Dörperwelt ist "abstoßend und faszinierend zugleich" (Peters).

Spott - Nähe und Distanz

Der Spott gegen die Dörper ist ein zentrales Element der Neidhartlieder. Vor allem, wenn man von einer Faszination des Sängers durch die Dörper ausgeht, gilt es das Element des Spotts genauer zu betrachten und der Frage nachzugehen wie Anziehung und Spott zusammenpassen. Spott ist "durch das Zusammenspiel von Mimesis und Distanznahme geprägt. Der Spötter muss sich durch den Akt der Präsentation gleichzeitig vom verhöhnten Objekt distanzieren." (Plotke) In den Neidhartliedern entsteht ein Spiel aus Nähe und Distanz zu den Dörpern. Die Mimesis stellt den Sänger in die Nähe der Dörper: Dadurch, dass der Sänger die Dörper präsentiert und nachahmt steht er durch dieses Verhalten, das keineswegs ein vorbildliches, sondern ein genauso rüpelhaftes ist wie das Verhalten der Dörper, selbst auf derselben Ebene mit den Dörpern. Sein Verhalten ähnelt dem der Dörper sehr: Es ist der Sänger selbst, der sich nicht zu benehmen weiß und aus Sicht der Dörper ähnlich angeberisch und rüpelhaft wirkt.(Plotke)

Zudem baut Spott immer eine Beziehung zwischen Spötter und Spottobjekt auf (Plotke). Durch seinen Spott stellt der Sänger die Dörper automatisch ins Zentrum der Lieder. Allein die Tatsache, dass die Dörper den oft größten Raum der Lieder einnehmen und zu deren eigentlichen Thema werden, zeigt wie stark diese Beziehung zwischen dem Sänger und den Dörpern sein muss. Diese Beziehung scheint dem Sänger sogar wichtiger als die zu einer Frau. Durch das Verspotten aber versucht er eine Distanz aufzubauen, um die eigentliche Nähe zu den Dörpern nicht offenzulegen. Durch diesen Spott aber "wird der Sänger selbst zum Verspotteten" (Plotke). Somit richtet sich der Spott nicht nur gegen die Dörper, sondern auch gegen den Sänger selbst. Er selbst ist derjenige, der bei der besungenen Frau keine Chance hat und abgewiesen wird.(Plotke) Hinzu kommen aber noch weitere Aspekte, die ihn lächerlich wirken lassen: Die übertriebene Darstellung der Dörper und die Tatsache, dass er von diesen genauso abgewiesen wird. Er ist derjenige, der scheinbar alleine dasteht, der von fast allen Figuren Ablehnung erfährt. Die Verzerrung des Sängers ins Lächerliche resultiert also aus seinem Versuch einer Distanznahme zu den Figuren, für die er eigentlich eine Anziehung empfindet.

Gewalt und Körperlichkeit

Geschlechterverständnis des Sängers

Sexualisierung der Dörper

In den Neidhartliedern verwendet der Sänger bei seiner Beschreibung der Dörper oft obszönes Vokabular. Er sexualisiert die Dörper, bzw. das Thema Sexualität kommt nur im Zusammenhang mit den Dörpern auf - kaum im Zusammenhang mit Frauen. Er reduziert die Dörper auf ihre Sexualität und ihr Werbungsverhalten. In SL finden sich einige sexuelle Anspielungen im Zusammenhang mit den Dörpern, bzw. es wird gleich das Ergebnis des reien dargelegt. Dies zeigt, dass mit reien nicht nur der Tanz an sich gemeint ist, sondern damit auch ein Geschlechtsakt verbunden sein musste:

|- | der wouhs von sînem reien ûf ir wempel, || Ihr Bauch wuchs von seinem Tanz |- | und gewan ein kint, daz hiez si lempel: || und sie bekam ein Kind, das sie Lempel nannte: |- | alsô lêrte er sî den gimpelgempel.“ || So zeigte er ihr die Tanzweise/den Penis.“

Des Weiteren lässt sich daraus erschließen, dass mit gimpelgempelebenfalls nicht nur eine Tanzweise gemeint ist, sondern das männliche Geschlechtsteil.