Bildlichkeit als Erzählmittel (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Neben der Komik ist die Ausschmückung durch Bilder ein weiteres, den Erzähler des Parzival charakterisierendes Merkmal. Des Öfteren sind beide Elemente miteinander verwoben. Antikonies Hüfte wird beispielsweise mit der eines Hasen am Bratspieß verglichen, der durch seine abstruse Verknüpfung zum Lachen anregende Vergleich verweist gleichzeitig auf die körperlich-erotischen Ausstrahlung der Geliebten Gawans:

Antikonie und Gawan
baz geschict an spizze hasen, Schlanker als ein Spieß am Hase!
ich wæne den gesâht ir nie, Den habt ihr, glaube ich, noch nie
dann sie was dort unde hie, so rank gesehen, wie sie zwischen
zwischen der hüffe unde ir brust. Hüfte und den Brüsten war. ( 409, 26f.) [1]

Der Artikel geht zunächst auf die gängige Metaphernlehre des Mittelalters ein. Anschließend befasst er sich mit einigen wichtigen Bildern im Werk.

Allgemeines

Die Methoden, die Wolfram von Eschenbach anwendet, um seine Erzählung besonders plastisch wirken zu lassen, sind vielfältig. Gleichnisse und Personifikationen, Vergleiche und Metaphern, Beschreibungen und Umschreibungen von Gegenständen sind nur einige davon. Auffällig ist weiterhin, dass die Bilder "eher befremdlich und dunkel, manchmal auch bedrohlich, voller Überraschungen und Spannungen, mitunter ins Fratzenhafte verzerrt" sind.[Bumke 2004: S. 223] Um den Umfang eines enzyklopädischen Artikels nicht zu sprengen, wird nur auf die Metapherntheorie des Mittelalters eingegangen. Dies genügt, um wichtige Erkenntnisse über Bilder im Allgemeinen deutlich zu machen. Unerwähnt bleiben Theorien zu Gleichnissen, Personifikationen und Ähnlichem.

Metapherntheorie im Mittelalter

Nach Hübner lassen sich aus historischer Perspektive drei verschiedene Metapherntheorien herausarbeiten: Die auf Aristoteles zurückgehende Substitutionstheorie, die Bildtheorie des 18. Jahrhunderts und die vor allem von Max Black geprägte Interaktionstheorie des 20. Jahrhunderts.[Hübner 2004: S. 114] Alle drei Theorien lassen sich zumindest in Teilen auf die Bilder des Parzival anwenden, dennoch ist der Substitutionstheorie Vorrang zu gewähren. Dies liegt einerseits an der "historische[n] Gültigkeit der Basisparadigmen". Mit dem Bilden neuer Metapherntheorien haben sich immer wieder deren zugrunde liegenden Paradigmen geändert, so ist der Interaktionsansatz beispielsweise auf sprachanalytische Erkenntnisse zurückzuführen. Würde man diesen nun auf die Metaphern mittehochdeutscher Texte anwenden, wäre "das Interpretationsverfahren [..] unhistorisch". [Hübner 2004: S. 115] Weiterhin lassen sich auch ökonomische Vorteile ins Feld führen, da dort, "wo Interaktionstheorie und Bildtheorie keine Erkenntnisse bringen, die nicht auch durch die Substitutionstheorie erreicht werden können, [..] sie obsolet" werden.[Kragl 2008: S. 294] Die Substitutionstheorie gilt als die prägende Metapherntheorie des Mittelalters und ist somit zentral für diesen Aufsatz. Sie hat nicht nur auf direktem Wege die mittelhochdeutschen Werke geprägt, sondern ist als Konzept über die "Handbuchtradition der Antike und die lateinischen Autoren" in die mittelalterlichen Schriften eingezogen.[Krewitt 1971: S. 14]
In der Peotik erläutert Aristoteles, was er unter einer Metapher versteht: "Die Metapher ist die Übertragung eines Wortes, das eigentlich der Name für etwas anderes ist, entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung oder von einer Art auf eine andere Art oder gemäß einer Analogie" (Poetik 1457b 7).[2] In der modernen Biologie setzt sich der lateinische Name aller bekannten Pflanzen und Tiere aus Gattung und Art zusammen. Dabei ist die Gattung eine Ebene, die der Art übergeordnet ist, somit sind alle Arten einer Gattung miteinander verwandt. Mit diesem Beispiel wird deutlich, was Aristoteles unter diesen Begriffen, auf die Sprache bezogen, versteht. Zur Analogie gibt er ein Beispiel: "Von einer analogen Verwendungsweise spreche ich, wenn sich das Zweite zum Ersten genauso verhält wie das Vierte zum Dritten. [..] Was das Alter in bezug auf das Leben ist, das ist der Abend in Bezug auf den Tag. Man wird also den Abend das Alter des Tages nennen, oder [..] das Alter den Lebensabend" (Poetik 1457b 18f.). Deutlich wird, warum die aristotelischen Erkenntnisse zur Metapher im Nachhinein als Substitutionstheorie bezeichnet wurden. Die Metapher ist ein Ersatz für einen andere, ursprüngliche Bedeutung und dient der Ausschmückung der Rede.[Kragl 2008: S. 291] An zahlreichen Stellen im Parzival lassen sich die bildhaften Erzählermomente in dieses Schema einordnen.

Beispiele im Text

Das Elsterngleichnis

Hauptartikel: Das Elsterngleichnis (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

Der Pfad der Liebe

Die Beziehung zwischen Orgeluse und Gawan zeigt eindrücklich die im Mittelalter herrschende Vorstellung auf, die Liebe gelange beim Anblick der Frau von den Augen in das Herz des Mannes.[Bumke 2004: S. 223] Der Pfad der Liebe ist somit ein Bild, dass dem Rezipienten die Bedeutung und Wirkweise der "minne" vor Augen führt. Als Gawan seine zukünftige Frau zum ersten Mal erblickt, ist sie von solcher Schönheit, dass er einfach hinsehen muss: "dâ vander, des in niht verdrôz, ein alsô clâre frouwen, duer gerne muose schouwen" (508, 18f.). Kurz darauf wird erneut die Schöhnheit der Herzogin hervorgehoben: "sie wære ein reizel minnen gir, ougen süeze ân smerzen" (sie sei der Liebeslust ein Köder, sei eine wahre Augenweide (508, 28f.)). Ein weiterer Beleg für den Pfad der Liebe durch den menschlichen Körper ist eine Aussage Gawans: "frouwe, ir sagt mir wâr. mîn ougen sint des herzens vâr" (Herrin, ihr habt recht - Gefahr fürs Herz sind meine Augen (510, 15 f.)). Auch der Erzähler erwähnt diesen Pfad:

wie kom daz sich dâ verbarc Wie kam's, daß eine Frau so stattlich,
sô grôz wîp in sô kleiner stat? sich in so kleinem Raum verbarg?
si kom einen engen pfat Sie zog auf einem schmalen Pfad
in Gânâes herze in das Herz des Gawan ein (584, 12f.)

Der hier präsentierte Pfad der Liebe zeigt deutlich die Vorgehensweise Wolframs von Eschenbach auf. Der abstrakte Minnebegriff wird in ein fassbares Bild überführt. Der Rezipient sieht nicht nur den verliebten Gawan vor sich, er bekommt seine Gefühle und die damit verbundenen Qualen einem Schauspiel gleich vor Augen geführt. Interessant ist, dass sich Wolfram hier einer vorherrschenden Annahme über die Wirkungsweise der Minne bedient, theoretisches Denken und Metapher sind eins.

Das Ertrinken in Furten

sich begôz des landes frouwe Die Landesherrin wurde naß
mit ir herzen jâmers touwe: vom Tränentau des Herzeleids.
ir ougen regenden ûf den knabn. Und Augen-Regen auf den Jungen.
si kunde wîbes triuwe habn. Sie zeigte wahre Mutterliebe.
beidiu siufzen und lachen Und beides kam von ihren Lippen:
kunde ir munt vil wol gemachen. das Seufzen und das Lachen.
si vreute sich ir suns geburt: Sie freute sich: ihr Sohn war da!
ir schimph ertranc in riwen furt. Doch dann ertrank ihr Glück im Leid. (113, 27f.)

Fazit

2 Dinge wichtig: Abstrakte begriffe erklären Schauspiel im Kopf erschaffen Belehrendes

Anmerkungen

  1. Alle Textangaben des Primärtextes aus Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns, revidiert und kommentiert von Eberhard Nellman, übertragen von Dieter Kühn. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag, 2006.
  2. Alle Textangaben zur Poetik aus Aristoteles: Poetik. Übersetzt und erläutert von Arbogast Schmitt, hg. von Hellmut Flashar. Berlin 2008.

Bibliographie

<HarvardReferences />

  • [*Bumke 2004] Joachim Bumke: Wolfram von Eschenbach. 8., völlig neu bearb. Aufl., Stuttgart; Weimar, 2004.
  • [*Hübner 2004] Gert Hübner: Überlegungen zur Historizität von Metapherntheorien. In: Kulturen des Manuskriptzeitalters, hg von Arthur Groos, Hans-Jochen Schiewer. Göttingen, 2004. S. 113-154.
  • [*Kragl 2008] Florian Kragl: Wie man in Furten ertrinkt und warum Herzen süß schmecken. Überlegungen zur Historizität der Metaphernpraxis am Beispiel von Herzmaere und Parzival. In: Euphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte, hg. von Wolfgang Adam. Heidelberg 2008, S. 289-330.
  • [*Krewitt 1971] Ulrich Krewitt: Metapher und tropische Rede in der Auffassung des Mittelalters. Ratingen, Kastellaun, Wuppertal 1971.