Der Tod im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
Der folgende Artikel untersucht den Tod im höfischen Roman Parzival von Wolfram von Eschenbach. Auch wenn die Hauptfiguren Parzival und Gawan im Werk selbst nicht sterben, so ist der Tod doch an einigen Stellen des Romans gegenwärtig, vornehmlich als vorzeitiger Tod durch Gewalt oder durch Liebe. Unter anderem soll seine erzähltechnische Funktion als auch seine Verbindung zur Minne untersucht werden.
Der Tod im Mittelalter im Vergleich zur Neuzeit
Seit der Mensch zur Reflexion fähig ist, stellt sich ihm die Frage, was denn der Tod sei. Diese Frage kann den Menschen auch gar nicht verlassen, da sie einen jeden selbst im Innersten trifft und im Tod eines Nächsten auch als existenzielle Situation erfahrbar ist. Nun ist der Umgang und die Sichtweise des Todes, obwohl er jeden Menschen in gewisser Weise gleich betrifft, doch auch von dem herrschenden Menschen- und Weltbild abhängig von welchem aus nach ihm gefragt wird. Im Mittelalter war der Tod allgegenwärtig. Die Kindersterblichkeit war enorm hoch und man konnte mit einer Lebenserwartung um die 40-50 Jahre rechnen, sofern man die ersten zehn Jahre überstand.[Borst 1995: Vgl. S. 120.] Wer krank wurde, musste sich auch für das Sterben bereitmachen und das "enge Beieinanderleben von Gesunden und Kranken [...] senkte die Lebenserwartung erneut."[Borst 1995: S.121] Unter anderem wegen dieser Allgegenwärtigkeit behauptet Philippe Ariès, dass in früherer Zeit unter den Menschen die Einstellung herrschte, dass "für [sie] der Tod nah und vertraut und zugleich abgeschwächt und kaum fühlbar war", im Gegensatz zu unserer heutigen Zeit.[Ariès 2005: S. 42] Daher erlaubt er sich, vom Tod früher der Neuzeit als einem "gezähmten Tod" zu sprechen.[Ariès 2005: S. 42] Dem widerspricht Patschovsky vehement: "Nie hat man [den Tod] gezähmt oder als gezähmt empfunden, und gerade die zahllosen Versuche, ihn und sein Wirken in Form zu fassen, verraten, wie beunruhigend man seine Allgegenwart empfand, [...] erst recht im Mittelalter.[Patschovsky 1993: S. 9] Wenn man sich heute einen schnelleren Tod wünscht, als von Maschinen am Leben erhalten zu werden, so war der plötzliche Tod im Mittelalter eher nicht erwünscht, da dieser keine Möglichkeit der Vorbereitung auf ihn, vor allem keine letzte Eucharistie ermöglichte. Insgesamt war das Verhältnis zum Tod stark christlich geprägt, mitsamt Hoffnung auf das Jenseits, als auch Angst vor "der möglichen ewigen Höllenpein, dem gefürchteten >zweiten< Tod."[Patschovsky 1993: S. 9.] Weit verbreitet war auch die Annahme, dass jeder so stirbt, wie er gelebt hat: "Der arge Sünder stirbt hündisch, der Brave ehrenvoll."[Borst 1995: S. 121.]
Der Tod in der Literatur des Mittelalters
Im Gegensatz zur "imperativischen Didaktik des Todes in der frühmittelhochdeutschen Literatur" spielt der Tod in der höfischen Literatur eindeutig eine sekundäre Rolle.[Haas 1989: S. 141.] Dies erklärt sich daraus, dass vornehmlich das Leben eines Helden im Vordergrund steht und dieses dargestellt werden soll. Wenn der Tod des Protagonisten tatsächlich geschildert wird, dann kommt diesem Tod freilich eine gewisse Bedeutung zu, bespielsweise der "Verherrlichung des Todes des Helden" im Epos.[Haas 1989: S. 141.] Der Tod des Helden im Heldenepos ist das Ziel auf welches die gesamte Erzählung hinsteuert. Im höfischen Roman hingegen, und zu diesem wird der Parzival gezählt, erscheint der Tod in einer abgestufteren Variante, als Unfall beispielsweise im Kampf oder lediglich als Tod einer Nebenperson. Der Tod des Helden wird nicht berichtet, sondern "die Biographie des Protagonisten endet meist im Ungefähren, in einer Art Märchenschluß", in einem Moment "utopischen Endlosigkeit", ähnlich dem modernen Happy End. Als Beispiel dafür kann der Iwein Hartmanns gelten, der mit folgenden Versen endet:
ez was guot leben wænlîch hie: | Sie lebten nun, denke ich, in Freuden. |
ichn weiz aber waz ode wie | Ich weiß aber nicht, was und wie |
in sît geschæhe beiden. | ihnen seither widerfuhr. |
ezn war mir niht bescheiden | Der, von dem ich diese Geschichte habe, |
von dem ich die rede habe: | hat es mir nicht erzählt. |
(Iwein. 8159-8164) [1]
Das Ziel, auf welches der höfische Roman zuläuft, ist demnach nicht der Tod des Helden, sondern "die Retablierung der Gesellschaftsordnung, die im Rahmen des Artusreich vorgegeben ist und nun auflebt und aktuell wird; oder das zukzessive Heraustreten der Gralsbestimmung und Sippenordnung im Parzival".[Wehrli 1969: S. 49.]
Der Tod im Parzival
Die Geburt Parzivals als genealogische Fortsetzung von Gahmurets Leben
Verbindung von Tod, Minnedienst und Gewalt
Der Tod Isenharts und Schianatulanders
Tod aus Liebe
Der Tod Sigunes
Der Tod Herzeloydes
Der Tod Belacanes
Der Totschlag Ithers und Trevrizents Verweis auf Kain und Abel
Urjans Verurteilung zum Tode
Quellen
- ↑ Die Versangaben zum Iwein beziehen sich auf die Ausgabe: Hartmann von Aue: Gergorius, Der arme Heinrich, Iwein, hg. und übersetzt von Volker Mertens, Franfurt am Main 2008.
Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Dieter Kühn. Kommentiert von Eberhard Nellmann, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main, 2006.
<HarvardReferences />
[*Ariès 2005] Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. 11. Aufl., München 2005.
[*Borst 1995] Borst, Arno: Lebensformen im Mittelalter. 14. Aufl., Frankfurt/M, Berlin 1995.
[*Patschovsky 1993] Patschovsky, Alexander: Tod im Mittelalter. Eine Einführung, in: Tod im Mittelalter. hg. von Arno Borst, Gerhart von Graevenitz, Alexander Patschovsky und Karlheinz Stierle, Konstanz 1993, S. 9-24.
[*Wehrli 1969] Wehrli, Max: Formen mittelalterlicher Erzählung. Zürich 1969.