Farbsymbolik in Wolframs Parzival

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Interpretation von Farbsymbolik in Wolfram von Eschenbachs Parzival. Hierfür werden exemplarisch besonders markante Szenen oder Charaktere herausgegriffen und auf ihre farbbestimmte Bildlichkeit und deren Funktion hin untersucht.

Unter anderem inkludiert dies die Blutstropfenszene, die oftmals wiederkehrenden Farben Rot-Weiß, den schwarz-weiß gescheckten Feirefiz sowie eine Untersuchung der Farbbeschreibungen bei zeremoniellen Momenten, die den Gral beinhalten.

Um die Farbsymbolik im Parzival fruchtbar auswerten zu können, soll hierfür als Basis ein kurzer Exkurs in die Farbenlehre und Farbattribuierung des Mittelalters gegeben werden. Dieses Wissen wird anschließend auf Wolfram von Eschenbachs Roman angewandt. Auch soll analysiert werden, inwieweit die mittelalterlichen Färbetechniken und -mittel im Stande waren, die von Wolfram oftmals extrem farbenprächtig und farbintensiv beschriebene Kleidung der höfischen Gesellschaft auch wirklich umzusetzen. Ein Einblick in die Forschung zum möglichen Realitätsgehalt seiner Beschreibungen soll darüber Aufschluss geben.


Allgemeine Farbbedeutung im Mittelalter

Entgegen der vielfach verbreiteten Vorstellung des “finsteren Mittelalters”[1], war eben dieses ein Zeitalter, in dem Farbe von großer Bedeutung war, wie Herman Pleij festhält: “If any one era could be singled out as being the most obsessed with color, it would be the Middle Ages.” [Pleij 2004: S. 4] Diese Obsession mit Farbe basiert unter anderem auf dem Glauben, dass Licht göttlich ist und die Schönheit von Farben nur im Zusammenhang mit Licht existieren, sichtbar sein und widerscheinen kann. Leuchtender Farbenreichtum ist somit ein Zeichen von Göttlichkeit.[2] [3] “Diese über das natürliche Maß gesteigerte Buntheit ist aber nicht alleinig Ausdruck des mittelalterlichen ästhetischen Empfindens, viel mehr dienen die Farben als eine 'Zeichen-Sprache', mit deren Hilfe jedem Objekt der Lebenswelt polyvalente Informationen eingeschrieben werden können. Farben transportieren also im Rahmen der höfischen Repräsentationskultur Sinn (...)” [Oster 2014: S. 16] Logischerweise beziehen viele Farbbedeutungen ihren Sinn durch Bezug auf einen Referenten, wie beispielsweise Blut als Bedeutungsträger für die Farbe Rot, die somit sowohl Leben, als auch Leiden oder den Tod repräsentieren kann. Besonders die höfische Literatur des Mittelalters partizipiert an der Lust an der Farbe und verwendet diese über ihre dekorative, ästhetische Funktion hinaus als Sinnträger und auch als Visualisierungstechnik. Durch die Medialität zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit (welche hier eingehend behandelt wird) im Mittelalter ist die Visualität dieser Literatur von großer Bedeutung und versucht, möglichst eindrücklich mehrere Sinne anzusprechen. Dies führt unter anderem zu intensiven und vielfältigen Farbdeskriptionen. [Schausten 2008: Vgl. S. 10] Eine grobe Kategorisierung ist jedoch anhand der antiken Farbenlehre in ein Vierfarbenschema möglich: Weiß, Schwarz, Rot und Gelb sind hier elementar und als Trägermedium sinn- und ordnungsstiftend. [Oster 2014: Vgl. S. 16 - 19] Jede dieser Farben ist kulturell codiert und kann symbolhaft in ihrem Bedeutungsrahmen eingesetzt werden, um dem Text eine weitere Sinnebene zu geben und ihn somit visuell tiefgehender zu gestalten.



Farbsymbolik in Wolframs Parzival

Im Folgenden sollen exemplarisch einige farblich prägnante und farbsymbolisch aufgeladene Szenen herausgestellt werden.

Kontrastive Farbsymbolik im Elsterngleichnis

Der Prolog führt bereits eine wichtige Farbthematik in Wolframs Werk ein: Die kontrastive Farbkombination Schwarz-Weiß, welche er jedoch als eine harmonische Einheit konstruiert. Während die Verwendung von Schwarz-Weiß als Farbschema oftmals Oppositionen darstellt, greift Wolfram nicht auf diese polare Einteilung zurück, sondern lässt beide Farben miteinander koexistieren. Statt der üblichen Binarität von Gut und Böse zeigt Wolfram eine Abwandlung der den beiden einzelnen Farben zugeordneten Eigenschaften, denn: Feirefiz als Repräsentant des Elsterngleichnisses wird weitestgehend positiv beschrieben und seine Andersartigkeit, die sich in seiner schwarz-weiß gescheckten Haut manifestiert, ist kein Makel – an im sint beidiu teil, des himels und der helle. (1, 8 - 9) Durch diese Farbe besitzt hier eine identitätsstiftende Funktion, welche in Wolframs Parzival absolut notwendig ist, da sein Werk sehr stark kontrastiv Eigenheit, Identität und Fremdheit aufzeigt.


Diu frouwe an rehter zît genas Als die rechte Zeit gekommen war, da
eins suns, der zweier varwe was, brachte die Dame einen Sohn zur Welt,
an dem got ein wunders wart enein: der war von zweierlei Farbe; an ihm
wîz und swarzer varwe er schein. wollte Gott ein Wunder wirken.

(57, 15 - 18)[4]


Trotz seiner Andersartigkeit wird Feirefiz von Geburt an nicht abwertend beschrieben. Obwohl seine Hautfarbe teilweise schwarz ist, wird sie in Verbindung mit Weiß sogar als scheinend bezeichnet, was für ihre Besonderheit im positiven Sinne spricht. Dadurch kreiert Wolfram ein neues Menschenbild, das nicht mehr dem binären gut-böse bzw. schwarz-weiß entspricht, sondern dieses aufbricht, aber dennoch auf die traditionellen Farbattribuierungen zurückgreift. Feirefiz als Elsternartiger ist weder hässlich noch böse, aber trotzdem bleiben die bekannten Farbbedeutungen erhalten. Belacane, Feirefiz' Mutter, küsst bei seiner Geburt die weißen Stellen seiner Haut (57, 19 – 20), was die positive Konnotation der Farbe Weiß verstärkt. Natürlich kann ihre Reaktion auch als liebevolle Erinnerung an ihren Ehemann Gahmuret verstanden werden, der sich in Feirefiz' hellen Hautstellen für Belacane quasi manifestiert. In jedem Fall aber unterstreicht ihre Geste das Positive der hellen Farbe.


Kleiderfarbensymbolik

Kleider und ihre Farben erfüllen in mittelalterlicher Literatur, mehr als in den meisten anderen Literaturepochen[Oster 2014: S. 58 – 70], eine sinnstiftende Funktion. “Für die höfische Gesellschaft ist prächtige Kleidung ein Ausdruck des Selbstbewusstseins und des Hochgefühls, der vröude; der Idealtypus des höfischen Menschen erstrahlt durch die Pracht der Kleider in vollem Glanz. (…) Die ritterlich-höfische Gesellschaft des 12. und 13. Jahrhunderts (…) bedient sich des Zeichensystems der Kleidung, um ihre Identität zu modellieren.”[Oster 2014: S. 59] Relevant für dieses Modellieren und Darstellen höfischer Pracht ist neben der Kostbarkeit der verwendeten Stoffe auch die Farbe des Gewands und deren Bedeutung.


Um die Kleiderfarben der höfischen Gesellschaft in Wolframs Parzival zu untersuchen, wird im Folgenden repräsentativ die Szene des V. Buches verwendet, in der Parzival als Außenstehender die Gralszeremonie in Munsalvaesche beobachtet. Durch diese Außenseiter-Position erhält der Leser einen detaillierten, deskriptiven Einblick in die Zeremonie und die Farben, die diese in ihrem Zeichensystem unterstützen.


Weibliche Schönheit in Rot-Weiß

"Der Deskription weiblicher Schönheit unterliegt ein auffallend stabiles Farbschema."[Schausten 2008: S. 462] Dieses Farbschema, welches eine Frau in der westlichen Kulturgeschichte typischerweise als schön auszeichnet, gliedert sich bereits seit der Antike in die Farben Rot-Weiß-Schwarz-Gold. [Oster 2014: Vgl. S. 48 - 58] Besonders das kontrastive Rot-Weiß findet sich in Wolframs Parzival häufig in Beschreibungen von weiblicher Schönheit wieder. Die Haut ist hierbei weiß, was den hohen Stand repräsentieren soll, der blasse, von der Sonne unberührte Haut besitzt. Zusätzlich greift diese Farbzuschreibung aber auch auf die sehr stabile symbolische Besetzung der Farbe Weiß zurück, welche "sich vor allem auf das Verständnis des Weißen als Farbe des Lichts und des Tages zurückführen lässt. Es ist in fast allen kulturellen Kontexten ein Zeichen von Licht, Ungetrübtheit, Reinheit, Tugend, Erhabenheit und damit dem Göttlichen. (...) Weiß, auch in Kombination mit Rot, ist Zeichen der körperlichen Schönheit und des Adels."[Oster 2014: S. 52f.]


zwei stöllelîn Sie trugen zwei
si truogen von helfenbein. Tischgestelle aus Elfenbein. Flammendes
ir munt nâch fiwers roete schein. Rot leuchtete von ihren Mündern.

(233, 2-4)


Wiederholt wird hier ein Kontrast aus Hellem, Leuchtendem und einem lebendigen Rot beschrieben, welcher basal für den Schönheitstopos der Frau im Mittelalter ist.


Realitätsgehalt der textilen Farbbeschreibungen

Im Angesicht des Mythos des finsteren, farblosen Mittelalters scheinen Wolframs intensivst farbenprächtige Beschreibungen der Stoffe kaum vorstellbar für das 12. Jahrhundert. Um eine realistische Vorstellung davon zu haben, inwieweit Wolframs Deskriptionen poetologischen Funktionen geschuldet oder ob sie tatsächlich realistische Beschreibungen waren, hat sich die Forschung mehrfach mit einer Rekonstruktion der Färbemöglichkeiten des 12. Jahrhunderts beschäftigt.



Fazit

Literaturnachweise

<HarvardReferences />

[*Pleij 2004] Pleij, Herman: Colors Demonic and Divine. Shades of Meaning in the Middle Ages and After. New York 2004.

[*Oster 2014] Oster, Carolin: Die Farben höfischer Körper. Farbattribuierung und höfische Identität in mittelhochdeutschen Artus - und Tristanromanen. Berlin 2014.

[*Schausten 2008] Schausten, Monika: Vom Fall in die Farbe. Chromophilie in Wolframs von Escenbach "Parzival". In: Beiträge zur deutschen Literatur und Sprache (PBB) 130, Heft 3, Berlin 2008, S. 459 - 482.


Anmerkungen

  1. Vgl. Althoff, Gerd: Finsteres Mittelalter?! Zur Dekonstruktion eines Klischees. In: Bennewitz, Ingrid / Schindler, Andrea (Hg.): Farbe im Mittelalter. Materialität - Medialität - Semantik. Band 1, Bamberg 2009, S. 47 - 63.
  2. Vgl. Huber, Hanspeter Mario: Licht und Schönheit in Wolframs "Parzival". Zürich 1981.
  3. Vgl. Assunto, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter. Übersetzt aus dem Italienischen und Latein von Christa Baumgarth. Köln 1996.
  4. Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.