Die theoretische und praktische Ausbildung Parzivals durch Gurnemanz

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Dieser Artikel befasst sich mit den Lehren des Gurnemanz von Graharz und deren Auswirkungen auf Parzival. Die Gurnemanzsche Lehre umfasst neben einer Einführung in die Liturgie des christlichen Glaubens vor allem zwei sorgfältig gegliederte Lehreinheiten. Diese setzen sich aus einer theoretischen und einer praktischen Unterweisung zusammen. Neben der Gliederung fällt besonders die didaktische Konzeption auf, welche aus drei aufeinander aufbauenden Phasen besteht. Während die meisten Lehren der Âventiure sich auf das bloße râten beschränken, überprüft Gurnemanz die Umsetzung seiner Lehren direkt, wodurch er als besonders geschickter Lehrmeister heraussticht.

Der Messgang und die kultisch-liturgische Seite des Christentums

Bevor die eigentliche Lehre beginnt, nimmt sich Gurnemanz zunächst die Zeit den unerfahrenen Parzival in die religiösen Zeremonien und Riten des Christentums einzuweisen. Zu diesem Zweck läd er Parzival zu einem gemeinsamen Messgang ein, welcher für den unbedarften Jüngling der erste seines Lebens ist. Im Folgenden gibt ihm sein Lehrmeister Verhaltensregeln für ein gottesfürchtiges Leben "der wirt zer messe in lêrte / daz noch die saelde mêrte, / opfern unde segnen sich, / und gein dem tiuvel kêrn gerich." (169,17 ff.). Da das Wissen über die christliche Lehre und der souveräne Umgang mit deren Regeln eine wichtige Voraussetzung für die Ausbildung eines Ritters darstellt, nimmt sich Gurnemanz dieser bewusst noch vor der viel umfassenderen Ritterlehre an. Der Messgang stellt damit also einen grundlegenden Exkurs dar, welcher als Fundament für den Aufbau der eigentlichen Lehre dient.

Die theoretische Unterweisung

Nach dem Messgang läd der galante Ritter Gurnemanz Parzival zu einer gemeinsamen Mahlzeit ein, welche durch die Worte "sus hebe ich an" (170,15) beendet wird. Dieser Satz markiert den Anfang der Lehre. Diese Zäsur ist sowohl für Parzival als auch für den Leser wichtig, da so deutlich wird, dass nun erhöhte Aufmerksamkeit verlangt wird. Die theoretische Unterweisung setzt sich aus einer Tugend- und Herrscherlehre, einer Ritterlehre sowie einer Minnelehre [Russ 2000: 63] zusammen.

Die Tugendlehre

Die Tugendlehre richtet sich an Parzival als zukünftigen Herrscher "ir mugt wol volkes hêrre sîn" (170,22) und thematisiert als Grundtugend die schame. Ohne sie wird keinem Menschen die werdekeit zukommen:

III. Buch (170,16)
ir sult niemer iuch verschemn. Seid niemals unverschämt -
verschamter lîp, waz touc der mêr? ein Leib, dem das Gefühl von Scham und Schande abgeht, was sollte der noch taugen?
der wont in der mûze rêr, Der ist ein Habicht in der Mauser, mit dem gehts abwärts:
dâ im werdekeit entrîset Sein Adel fällt ihm aus und deutet ihm den Weg, den
unde in gein der helle wîset er zu Hölle nehmen wird.

Der darauffolgende zweite Rat (170,25-171,6) thematisiert die Verbundenheit sowie die Notwendigkeit zur Hilfe von Notleidenden. Konkret soll Parzival mit milte, mit güete und mit diemüete sich den Notleidenden Menschen erbarmen.

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences />

[*Russ 2000] Russ, Anja: Kindheit und Adoleszenz in den deutschen Parzival- und Lancelot-Romanen: hohes und spätes Mittelalter. Stuttgart / Leipzig 2000.