Die literarische Funktion der Orient-Episoden im Parzival

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Hinweis: Dieser Artikel entsteht derzeit im Rahmen des Haupt- und Oberseminars zu Wolframs Parzival (Sommersemester 2015) und befindet sich noch in der Entstehung .


Dieser Artikel soll sich mit den orientalischen Figuren im Parzival beschäftigen. Vor allem ihre Darstellung und Funktion sollen dabei genauer betrachtet werden und auf die These einer Annäherung von Orient und Okzident auf der Basis eines universellen ritterlich-höfischen Wertesystems überprüft werden.

Bedeutung von Körpern

Im Mittelalter ist die Kultur auf Sichtbarkeit und Deixis angelegt. Körper und ihre Bewegungen sind daher als kulturelle Zeichen zu lesen, auf die sich das Gestensystem als dritte Fundamentalkategorie der Kommunikation stützt. [Peters 1992: 63-86] Deshalb müssen Körper-Konstruktionen im epischen Konstrukt immer als Zeichen analysiert werden, denen kommunikative Funktion inhärent ist.

Fremdheit im Mittelalter

= Bâruc

Der Bâruc wird im epischen Konstrukt als höchster Herrscher der Welt vorgestellt, dem Zwei Drittel der Welt untertan sind:

Original Übersetzung
im wart gesagt, ze Baldac,

waere ein sô gewaltig man,

daz im der erde untertan

du zwei teil waeren oder mêr.

sin name heidensch was sô hêr

daz man in hiez den bâruc.

er hete an krefte alsolhen zuc,

vil Künneke waren sîne man,

mit krôntem lîbe undertân.


übersetzung fehlt


(13,16-24)

Wichtiger im Zusammenhang mit der These erscheint aber die Belegung der geistlichen Spitzenfunktion des Orients durch den Barûc: der bâruc in für sende / gît Wandels urkünde (14, 1 f.). Durch die hier offenbarte Binde- und Lösegewalt  (bâbestreht 13, 29) wird er als obersten Würdenträger der heidnischen Religion in Analogie zum christlichen Papst gesetzt. Damit findet eine komplexe Übertragung von weltlicher Herrschaft und vasallitischer Bindung auf den Orient statt. Die Strukturen der orientalischen Religion wird hier eindeutig in Beziehung zu denen der christlichen Glaubensgemeinschaft gesetzt, was vor der Folie der christlichen Identität, die sich eben durch ihre Taufe zum Fremden abgrenzt, als besonders brisant darstellt. Wolfram vollzieht hier auf Grundlage einer Parallelisieren eine Verschränkung von Orient und Okzident, sodass […] das Ferne des Orients in den Kategorien der eigenen Ordnung als vertraut erscheinen kann.[Kellner 2009: 29]

VERBINDUNG ZUR THESE

Karnahkarnanz

Karnahkarnanz ist der erste Ritter, der Parzival begegnet und damit fundamental wichtig für seine Entwicklung zum Krieger und Identitätsentbildung. Dabei ist besonders sein Äußeres von Karnahkarnanz bei dieser ersten Begegnung von herausragender Bedeutung. Im Mittelpunkt steht dabei eine Erhabenheit, eine innere tugendhafte Vollkommenheit des Kriegers, die sich durch seinen Glanz manifestiert, der das göttliche Licht reflektiert [Salama 2014: 3ff.]:

Original Übersetzung
ern hete sô liehtes niht erkant.

ûfem touwe der wâpenroc verwant.

mit guldîn schellen kleine

vor iewederm beide

wârn die stegreife erklenget

unt ze rehter mâze erlenget.



Er hatte noch nie etwas so glänzend Lichtes gesehen.

Bis auf den Tau hinab fiel lang der Waffenrock.

Von glitzernden goldenen Glöckchen

vor jedem Bein

klingelten die Steigbügel,

die Riemen in exakt geschmackvoller Länge.


(122, 1- 6)

Knäpper offenbart, dass sich Wolfram sowohl in der körperlichen Konstruktion als auch in seiner Namensgebung von seiner französischen Vorlage distanziert. Er analysiert den Namen Karnahkarnanz als orientalisch und deckt auf, dass er auf einem altiranischen Wort basiert, welches übersetzt mythischer Glücksglanz bedeutet.[Knäpper 2011: 279 f.] Dieser Glücksglanz ist Basis eines avestischen Konzeptes, als lichthafte feurige Kraft, die besonders herausragenden Menschen von den Göttern verliehen wird.[Stausberg 2002: 178 f.] Wolfram integriert damit ein orientalisches Konzept von äußerlicher und innerlicher Entsprechung in die Regel der christlichen Kalokagathie. [1] Die Synthese des östlichen Glücksglanzes mit der westlichen Lichtmetapher am Beispiel eines orientalischen Kriegers beweist, dass sowohl Christen als auch Heiden durch tugendhafte Taten diesen transzendentalen Glanz erlangen können. Hier wird nicht nur ein Beweis für die Verschmelzung von orientalischen und okzidentalischen Konzepten erbracht [Knäpper 2011: 282], sondern auch ein Beleg für eine ganz ähnliche traditionelle körperliche Darstellung von Idoneität. [Denn] der >Glücksglanz< ist ebenfalls an der Seite von Rittern und Helden der iranischen Epen zu finden […] [Knäpper 2011: 283f.??? STIMMT DIE SEITENZAHL]und damit ein Motiv der orientalischen Idoneität, welche als Konzept weit über den avestischen Kulturkreis hinaus prägend war. Damit zeigt sich also nicht nur die Übertragung des ritterlich-höfischen Kodex auf den Orient, sondern es offenbart sich, dass beide Wertesysteme ähnliche Wurzeln haben und so ein Traditionsaustausch auf Basis dieses kulturell übergreifenden Paradigmas möglich ist.


Belacane

Auch der Körper von Belacâne ist in besonderer Weise spezifisch und weist sie auf den ersten Blick durch ihre Hautfarbe als Fremde als Andere aus dem christlichen Kulturkreis aus. Allerdings vollzieht Wolfram an ihr eine Transformation des höfischen Frauenbildes. Er negiert das abendländische Schönheitsideal der hellen Hautfarbe: ist iht liehters denne der tac / dem glîchet niht diu künegin (24, 6f.) und nobiliert die Königin gleichzeitig durch ihr transzendentales Strahlen, welches ihr eine besondere Tugendhaftigkeit belegt: Belacânes liehten blic (32, 25). Damit ist vorbildliches weibliches Verhalten nicht länger über die Hautfarbe definiert und relativiert. Wolfram erschafft hier ein Oxymoron der schwarzen Helligkeit, […] das die schwarze Haut zugleich ästhetisiert und nobilitiert [Schmid 2004: 23] und somit die traditionelle christliche Tradition der Lichtmetaphorik von Hell und Gut auf: nâch swarzer varwe was ir schîn (24,11). Wolfram geht noch weiter und drängt Äußerlichkeiten der weiblichen Figuren immer weiter in den Hintergrund zu Gunsten ihres wîplîchen sin (24, 8), wie Tugend, Reinheit, Treue usw. Damit wird eine Vergleichbarkeit aller Frauen geschaffen, auf Basis eines nach innen verlagerten Schönheitsideals, dass nicht mehr auf einer Kontrastieren von hell und dunkel als Analogie von Gut und Böse fundiert.[Salama 2014: 5] Damit öffnet sich der weibliche Ästhetikbegriff zu Gunsten einer Inklusion vom Orient, indem eine Exklusion der äußerlichen Unterschiede aus dem Idealvorstellungen von Weiblichkeit vollzogen wird. Dem entsprechend verliebt sich Gahmuret auch nicht auf Grund Belacânes herausragender Schönheit in sie, sondern aus einer emotionalen Teilnahme heraus. Ihre Notlage, ihre Schönheit, ihre Frömmigkeit, ihre weibliche Wesensart und ihre Treue erwecken in Gahmuret Gefühle für die Königin. Rüdiger Schnell verweist auf das Bestreben der höfischen Literatur, Liebe über innere Werte zu begründen.[Schnell 1985: 241-274].Damit ist eine glaubhafte Liebe zwischen den beiden erst möglich und offenbart die grenzüberschreitende Kraft dieses neuen höfischen Weiblichkeits- und Minnebegriffes.

Die Figur der Belacâne belegt, dass sie obgleich ihrer körperlichen Fremdheit dennoch eine soziale Rolle innerhalb der christlichen Gesellschaft einnehmen kann, die einer höfischen Dame. Ihr internalisiertes habituiertes Wissen unterscheidet sich sich nicht von den okzidental-christlich höfischen Manieren und Tugenden einer höfischen Dame (28, 10 ff.). [Salama 2014: 29] Durch geringfügige Änderungen des Weiblichkeitsparadigmas der okzidentalen Welt ist es [den] für beide Kulturen gültigen Regeln [der] höfischer Zivilisation im literarischen Kunstwerk zumindest zeitweise [möglich,] die Grenzen zwischen der okzidental-christlichen und der orientalischen-heidnischen Welt [zu überbrücken]. [Mitsch 199: 92].

Feirefiz

Pfeifers Körper ist an sich schon ein Zeichen der Verbindung von Abend- und Morgenland: eins suns, der zweier varwe was, / an dem got wunders wart nein: / Wz und swarzer varwe er schein (57, 16ff.) Obwohl er ein Heide ist, scheint seine Ritterliche Ausbildung vollkommen zu sein, repräsentiert durch kostbare Kleidung und Rüstung, sein vorbildliches Verhalten im Kampf mit seinem Bruder und seinem Minnetaten. Feirefiz, Parzival und Gahmuret werden als ein Leib dargestellt und bilden so in ihrer Dreiheit eine Einheit, die Assoziationen an die göttliche Trinität erweckt, die in transformierter Form hier die Einheit zwischen Christen und Heiden offenbart. Damit dehnt sich die Gotteskundschaft auf Christen und Heiden aus und Feirefizs als orientalischer Körper mit christlichem Vater und als vollendeter Ritter, im Zuge des westlichen Werteparadigmas,ist integrierbar im christlichen Sippenverband und damit letzendlich auch ins christliche Weltbild. [Salama 2014: 7 ]Verbindendes Glied ist hier deutlich Gamurehts art, die in beiden Söhne weiter lebt. Sie führt bei beiden Kriegern zu ihren Aventiurefahrten und damit zu ihrer Segnung, die der Grundstein der Integration Feirefiz in den christlichen Sippenverband legt. Während die Frauen vergleichbar werden durch eine Fokussierung auf innere Tugenden, sind die Männer durch ihre ritterlichen Tugend aneinander angleicht und stellen so die Verbindung von Orient un Okzident dar.

Feirefiz ist insofern eine interessante Figur im Bezug auf die Fragestellung des Artikels, weil er nicht nur in den Handlungsräumen der westlichen Welt fungiert, sondern sie sogar besser zu verstehen und anzuwenden weiß als beispielsweise Parzival. Er dringt jedoch nicht nur in den okzidentalen-christlichen Raum ein sondern, erkämpft sich eine soziale Rolle in ihm, indem er sich taufen lässt. Damit transformiert er sich von einer Exklusions-Identität zu einer Inklusions-Identität, den den westlichen Raum bis weit in den östlichen Raum eindringen lässt und ihn damit die Grenze zwischen Orient und Okzident fundamental verschiebt.[Salama 2014: 31.Es gehört zu der Dynamik dieser Figur, sich zu einem Instrument des Integrierens und Vereinen [Müller 2008 : 63]. zu machen. Grundlage dieser Grenzgänger-Figur ist sicherlich seine Verwandtschaft, die im sowohl christliche als auch heidnische Merkmale einbringt. Dadurch ist die Begegnung zwischen Parzival und Feirefiz nahezu unumgänglich und führt letztendlich dazu, dass beide sich im Anderen selber erkennen und ihre gesamte Identität erschließen. Das geschieht aber eben nicht durch eine Abgrenzung sondern durch die Erkenntnis, dass sie ein Körper sind. Die beweist noch einmal die These einer Verschmelzung von Abend- und Morgenland.

Cundrîe

Im Vergleich zu der französischen Vorlage hat Wolfram Cundrîe und ihren Bruder mit Hundeschnauzen, zottigen Gesichtern, Eberzähnen, struppigen Haaren, Bärenohren, Löwenkrallen und einer affenartigen Haut ausgestattet. Sie erscheinen damit wie Fabelwesen und Wisbey führt auf, dass sie damit dem Volk der Hundeköpfigen (Cynokephalen) aus dem Osten entstammen. Damit reiht sich die Figur der Cundrie auf den ersten Blick in den Topos der Häßlichkeit, der im Orient beheimateten Völker, ein und weist sich als somit aus dem Orientstammende Frau aus. [Kolb 1963: 42] Die beiden Geschwister sind Angehörige eines Stammes, der seine signifikanten Missbildungen durch eine Verfehlung zu Zeiten Adams erhalten hat ( 518,1-24). Da Cundrîes Genealogie in einen biblischen Ursprung eingebettet ist, wird offenkundig, dass Wolfram ihre Fremdartigkeit mit christlichen Vorstellungen verbindet. So Inkludiert er sie und ihre Sippe durch eine Einbettung in den göttlichen Schöpfungsplan und den christlichen Horizont. [Salama 2014: 8.] |- ! Original !! Übersetzung |- |diu küneginne Secundille,

[…]  

diu het in ir rîche

hart unlougenlîche

von alter dar der liute vil

mit verkêrtem Antlitzes zil:

si truogen vremdiu wilden mâl.

[…] sît daz ir bêde wârt ein blout,



||Die Königin Secundille

[…]   

die hatte in ihrem Reich,

das ist gar nicht zu leugnen

seit alten Zeiten viele von den Leuten,

bei denen auf so verkehrte Weise das,

was sonst das Menschenantlitz ist, gebildet war:

Sie trugen wahrlich fremde, wilde Zeichen.


(519, 2-9 ) |}

Ihre Abstammung befähigt sie zu vielen Aufgaben, die niemand in der Gralsgesellschaft sonst übernehmen könnte. Sie spricht alle Sprachen, ist bewandert in Geometrie, Astronomie, Dialektik, Rhetorik und vor allem ihre pharmazeutischen Kenntnisse sind von unschätzbaren Wert für ihre Mitmenschen, vor allem für den siechenden Anfortas. Sein Krankenlager strotzt nur so vor orientalischen Erzeugnissen: pigment und zerbenzînen smac, müzzel bunt arômatâ (789, 25f.), drîakl und amber tiure (789, 29), cardemôm, jeroffel, muscât (790, 2) und zusätzlich ist Anfortas Bett mit viel wundersamen Edelsteinen geschmückt (791, 1-30). Das unsagbare Leid des Gralskönigs kann nicht mit dem herkömmlichen okzidentalen Wissen behandelt werden, deshalb muss eine Verbindung zum sagenumwobenen Orient geschaffen werden, in dem wundersamen Heilmittel, entsprechend der mittelalterlichen Ansichten über den Osten, vorlagen. Die Figur Cundrîe fungiert als verbindendes Element von Westen und Osten, sie vollzieht einen Wissenstransfer der östlichen Kenntnisse in die höfische Welt und betreibt damit eine Inklusion des Orients.[Ridder 2000: 9-19] Dass auch ihr Bruder Malcrêatiure enormes Wissen über die Astronomie inne hat (520, 3), beweist, dass die Gelehrsamkeit nicht nur auf die Figur der Cundrie beschränkt ist sondern dass sie systematisches Merkmal des Ostens ist.

Die körperliche Konstruktion von Cundrîe beinhaltet aber noch weitere Funktionen. Wolfram korreliert ihre äußere Missbildung mit einer inneren Schönheit und Tugendhaftigkeit und Zerstört so die traditionell westliche Analogie schön -höfisch / häßlich - unhöfisch. Vielmehr kontrastiert er fast schon ironisch ihre Hässlichkeit und ihre tragende Rolle im Prozess der weltumspannenden und systemübergreifenden Versöhnung.[Wisbey 1971: 213] Ähnlich wie bei der Figur von Belacâne wird das höfische Schönheitsideal der Frau gebrochen und durch jene des moralisch gerechtfertigten Seins[Jauß XXXX:168] ersetzt. Wieder rücken Werte wie triuwe (312, 3) und Gelehrsamkeit in den Vordergrund und durchkreuzen so den starren Wahrheitsanspruch der okzidentalen Hässlichkeitsstigmatisierung.

Wolfram nutzt Cundrîes hybride Form noch weiter, um aus ihr eine Figur der Grenzübergänge zu machen. Die Gralsbotin hat innerhalb des Werkes die größte Mobilitätsmöglichkeiten und zeichnet sich durch den damit einhergehenden Zugang zu unterschiedlichen Räumen aus. Sie vermittelt zwischen Orient und Okzident, zwischen Gralsgesellschaft und Artushof und hat auch persönlichen Kontakt zu wichtigen Figuren wie Parzival. Bezeichnenderweise machen gerade ihre orientalischen Wurzeln, als die Grundlage ihrer ehemaligen Exklusions-Identität, sie überhaupt fruchtbar für eine Inklusion in die christliche Welt. Allerdings zeichnet sie sich nicht nur durch eine äußerliche Hybridität aus, sondern viel mehr auch durch eine innere, scheint sie doch in keiner der von Luhmann in seiner Systemtheorie aufgemachten Kategorien von Inklusions- oder Exklusionsindividuum [Luhmann 1989: 158] vollständig zu passen. Sie ist in besonderes starke Weise in alle vorkommenden Räume im epischen Konstrukt eingebunden und hat auch in allen Welten Aufgaben zu erledigen, als Botin oder Heilerin, und vermag sich so in die integrale Gesamtheit einzubinden. Doch sie ist genauso fundamental aus all diesen Räumen ausgeschlossen, kann sie sich doch weder dem Artushof noch der Gralsgesellschaft anschließen oder eine eigene Familie gründen, denn ihre Äußerlichkeit schließt sie aus jeglicher Minnebeziehung aus. Diese soziale oder genealogische Obdachlosigkeit macht ihre Figur allerdings erst fruchtbar für das epische Konstrukt, als grenzüberschreitende[s]' Kommunikationsmedium[Salama 2014: 32] und ihre Körpergestaltung profiliert umso mehr ihre Funktionalität als Gralsbotin, deren Äußerungen und Prophezeiungen besondere Aufmerksamkeit erfordern. [Salama 2014: 11]

Die Annäherung von Orient und Okzident bedarf also solcher hybrider Figuren, die durch ihre Wurzeln in beiden Welten einen Transfer von Wissen, Kultur und Grenzen vorantreiben können. Auch Cundrîe unterliegt, wenn auch in minimierter Weise dem ritterlich-höfischen Wertesystem, treibt sie doch die weltweite Versöhnung maßgeblich voran. ...




Identität

Die Körper der orientalischen Figuren weise alle spezifische einmalige Merkmale auf, sodass sie als subjektkonstituierende Elemente angesehen werden können, die sie vom Rest der Figuren in bezeichnender Weise abheben, nämlich in einer gewissen Andersartigkeit oder Fremdheit zum restlichen Figurenkörper. Niklas Luhmanns Systemtheorie differenziert zwischen INklusions- und Exklusionsindividuum. Grundsätzlich vermag sich das Individuum im Mittelalter und die integrale Gesamtheit einzubringen.[Luhmann 1989: 158 ] Diese Integration verläuft mit Bordieus Worten über bestimmte körperliche Habitusformen (Verhältnis zwischen Körper und Erkenntnis). Demnach entsteht eine Identität, die sich integriert durch optisch in. Das bedeutet, dass bestimme soziale Rollen innerhalb der Gesellschaft übernommen werden und Identität durch Zugehörigkeit zu dieser definiert wird. Wechselseitig entsteht die Exklusives-Identität durch optisch out wenn das eigene Ich in keiner der vorherrschenden sozialen Rollen schlüpfen kann und sich so aus der Gesellschaft ausschließt. [Assman XXXX 219 ff.]

Der Begriff heide belegt doppelte Funktion in Bezug auf Identität. Er führt dazu, dass heiden und die damit undifferenziert benannten Nicht-Christen keinerlei Rolle in der christlichen Gesellschaft übernehmen können und deshalb ausgegrenzt werden. Sie sind für alle sozialen Gruppen in der christlichen Welt ungeeignet, weil sie nicht getauft sind. Daraus ergibt sich, dass das Fremde als Mangel am Eigenen definiert wird. Wenn das Fremde sich aber über das Fehlen des Eigenen definiert, dann ist die Auseinandersetzung mit dem Anderen gleichzeitig immer eine Strategie der eigenen kulturellen Identitätsbildung und Sicherung.[Schotte 2009: 15] Kommt es aber dann der These dieses Artikels folgend überhaupt zu einer Annäherung von Orient und Okzident in Bezug auf Identitäten?




Fazit

Die Körper der orientalischen Figuren werden durch sichtbare Zeichen als Fremde im Roman eingeführt. Allerdings werden diese Figuren mit einem höfisch-ritterlichen Kontext überzogen, sodass offenbart wird, dass der höfische Tugendkodex universalgültig ist und die Differenzen zwischen Orient und Okzident verschwimmen lassen kann. Dadurch ergibt sich eine neuer Zugang zum Fremden, der eine Auflösung der Kalokagathia und der Einheit von Innen und Außen und der christlich - heidnisch / gut - böse Dichotomie [Kellner 2009: 27] befürwortet. Entgegen stark stereotypischer vorgezeichneter Figuren werden hier Körper konstruiert, die sich durch ihre individuelle äußerliche Körperphysiognomie und durch ihr traditionsdurchbrechendes grenzüberschreitendes Verhalten auszeichnen. Sie beweisen eine Verschränkung und Wechselwirkung des Einen im Anderen und symbolisieren so die Vernetzung von Orient und Okzident und deren Auflösung ineinander.[Salama 2014 : 33f.] „Dem Orient“ widerfährt hier eine Entzauberung, die zu einer Verbindung zweier Kulturkonzepte unter einer bindenden höfisch-ritterlichen Kultur führt. [Goetz 1967: 7] Die Andersartigkeit des Morgenlandes ist zwar noch nicht vollkommen verschwunden, dient aber nicht mehr als Abgrenzungsmerkmal zum Abendland. vielmehr offenbart die Erzählung Wolframs den Orient „als Verlängerung des Abendlandes.“[Noltze 1995: 117]


Anmerkungen

  1. Diese Regel besagt, dass die äußerliche Schönheit von repräsentativer Natur ist und damit über den sozialen oder inneren Status der Figur Ausschluss gibt.[Salama 2014: 3ff.] .

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences /> [*Goetz 1967] Goetz, Hermann: Der Orient der Kreuzzüge in Wolframs Parzival, in: Archiv für Kulturgeschichte, hrsg. von Herbert Grundmann, Köln & Graz 1967, S. 1-42.

[*Noltze 1995] Noltze, Holger: bî den dûht in diu wîle lanc – Warum langweilt sich Gahmuret bei den Môren?, in: Dorothee Lindemann u.a. (Hrsg.): bickelwort und wildiu moere. FS für Eberhard Nellmann zum 65. Geburtstag, Göppingen 1995, S. 109–119.

[*Peters] Peters, Ursula: Historische Anthropologie und mittelalterliche Literatur. Schwerpunkte einer interdisziplinären Forschungsdiskussion, in: Johannes Janota u.a. (Hrsg.):Festschrift für Walter Haug und Burghart Wachinger, Bd. 1 Tübingen 1992, S. 63-86.

[*Ridder] Ridder, Klaus: Körperinszenierung und Wiesenkonzepte in höfischen Roman des Mittelalters, in: Mitteilungen des Zentrums für interdisziplinäre Forschungen Bielefeld, Heft 1 (2000), S. 9-19.

[*Salama] Salama, Dina: Formen und Funktionen orientalischer Körper im Parzival Wolfram von Eschenbach, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, Bd. 151:1 (2014), S. 1-34.

[*Wisbey 1971] Wisbey, Davis A.: Wunder des Ostens in der 'Wiener Genesis' und in 'Wolframs 'Parzival' , in: L.P Johnson u.a. (Hrsg.): TITEL FEHLT Cambridger Colloquium 1971, Berlin 1974.