Die literarische Funktion der Orient-Episoden im Parzival
In Wolfram von Eschenbachs Parzival tauchen immer wieder fremde Figuren aus dem Orient aus, die sich durch eine spezifische Körpergestaltung auszeichnen und zu dem herkömmlichen okzidentalen Figurenkörpern in Abgrenzung stehen. Durch eine genaue Analyse der Darstellung und Funktion ihrer äußerlichen Erscheinungsform wird die These einer Annäherung von Orient und Okzident überprüft werden. Um die Grundlage dieser "vermeintlichen" Akklimatisierung herauszufiltern, sollen drei Untersuchungskritierien beachtet werden: Ritterlich-höfisches Wertesystem, Genealogie und Religion. [1]
Der adelige Körper[2]
Um eine Analyse der orientalischen Körper sinnvoll zu gestalten, erzwingt sich eine kurze Darstellung der Ideologie des adeligen Körpers.[3]
Die Kenntlichkeit der höfischen Romanfiguren unterliegt den von den äußeren Zeichen ermöglichten Bedingungen. Das heißt für das Mittelalter und das epische Werk Wolframs, dass die Kultur auf Sichtbarkeit und Deixis angelegt ist. Körper und ihre Bewegungen sind daher als kulturelle Zeichen zu lesen, auf die sich das Gestensystem als "dritte Fundamentalkategorie der Kommunikation" stützt. [Peters 1992:63-86] Deshalb müssen Körper-Konstruktionen im epischen Konstrukt immer als Zeichen analysiert werden, denen kommunikative Funktion inhärent ist.
"[...] Im Roman finden sich präsenzphantasmatische Vorstellungen, die jedoch zumeist nicht <unterhalb> der semiotischen Ebene angesiedelt sind, sondern gewissermaßen <oberhalb>, im Sinne einer - formal, nicht inhaltlich zu verstehenden -Transzendierung der Wahrnehmungseindrücke, die eben nicht mehr rational-semiotisch zergliedert werden können. Adel wird als sichtbare Qualität erdacht."[Schulz 2008:209 f.] Als Erkennungsmerkmal für die Feudalaristokratie dient dabei ein Leuchten oder Strahlen, von Kleidung, Rüstung und auch Haut. Es zeigt sich eine Diaphanisierung adeliger Körper, das heißt, sie sind so strahlend, dass sie das Auge des Betrachters überwältigen und das Wahrnehmbare wird somit der Wahrnehmung entzogen. Äußerliche Zeichen und deren Deutung tritt dann in den Hintergrund, denn die tugent des Betrachteten steht außerhalb jeder Interpretation.[Schulz 2008:209 f.] Des Weiteren fungiert Schönheit als zentrales Kriterium, um die soziale Identität des Einzelnen für die anderen anschaulich zu machen. Am Grad der Schönheit kann damit auch die Idoneität, im Bezug auf Herrschaft, Kampfkraft usw. abgelesen werden. Damit inkorporiert und transportiert adelige Schönheit höfische Werte.[Schulz 2008:242]
Der orientalische Körper
Der fremde Körper dient einerseits der Spiegelung von Sichtweisen auf fremde Kulturen und Auskunftgabe über das Fremdverstehen einer Zivilisation und andererseits lassen sich Strategien der Identitätsstiftung ablesen. Wie etwa: Konstitution des Eigenen über das Andere, das sich allein darüber definiert, dass es vom Eigenen abgeschlossen ist. [Schausten 2006][4] Daraus ergibt sich, dass das Fremde als Mangel am Eigenen definiert wird.[Schotte 2009: 15] Die Analyse von vier exemplarischen orientalischen Figuren wird zeigen, ob es auf Basis einer solchen Definition des Eigenen überhaupt zu einer Annäherung von Orient und Okzident kommen kann.
Bâruc von Baldac
Der Bâruc[5] wird im epischen Konstrukt als höchster Herrscher der Welt vorgestellt, dem zwei drittel der Menschheit untertan sind:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
im wart gesagt, ze Baldac, | Ihm war gesagt worden, |
waere ein sô gewaltig man, | in Baldac gebe es einen Mann, der sei so mächtig, |
daz im der erde untertan | daß ihm die zwei Teile der Erde |
du zwei teil waeren oder mêr. | untertan seien und sogar noch mehr. |
[…] | [...] |
vil Künneke waren sîne man, | Viele Könige waren seine Vasallen, |
mit krôntem lîbe undertân. | gekrönte Häupter waren ihm untertan. |
(13,16-24)
Religion als Integrationsmodell
Wichtiger im Zusammenhang mit der These erscheint aber die Belegung der geistlichen Spitzenfunktion des Orients durch den Bâruc: heidenschen orden man dort siht / ze Bakdac nement se ir Bâbestreht (13, 28 f.) Durch die hier offenbarte Binde- und Lösegewalt (bâbestreht 13, 29) wird er als obersten Würdenträger der heidnischen Religion in Analogie zum christlichen Papst gesetzt. Damit findet eine komplexe Übertragung von westlicher Herrschaftstruktur und vasallitischer Bindung auf den Orient statt. Die Strukturen der abendländischen Religion wird hier eindeutig in Beziehung zu denen der christlichen Glaubensgemeinschaft gesetzt, was sich vor der Folie der christlichen Identität, die sich eben durch ihre Taufe zum Fremden abgrenzt, als besonders brisant dargestellt. Wolfram vollzieht hier auf Grundlage einer Parallelisierung eine Verschränkung von Orient und Okzident, sodass "[…] das Ferne des Orients in den Kategorien der eigenen Ordnung als vertraut erscheinen kann."[Kellner 2009: 29]
Auch die Bestattung Gahmurets manifestiert nochmals die Annäherung von Morgen- und Abendland in der Ausstattung des Grabes. Das prunkvolle Begräbnis in Baldac bekräftigt das Treueverhältis zwischen orientalischem Fürst und okzidentalem "vasallischem" Ritter [Raucheisen 1997:65] :
mittelhochdeutsch | Übersetzung | |
---|---|---|
Er wart geleit ze Baldac. | Er wurde in Baldac zu Grabe gelegt. | |
diu kost den bâruc ringe wac. | Die Kosten achtete der Bâruc wenig. | |
mit golde wart gehêret, | Mit Gold wurde er geadelt | |
grôz rîcheit dran gekêret | und große Herrlichkeit | |
mit edelem gesteine, | mit edlen Steinen an die Gruft gewendet, | |
dâ inne lît der reine. | in der er liegt, der Reine. | |
[…] | […] | |
ein kriuze nâch der marter site, | Ein Kreuz, | |
als uns Kristen tôt lôste, | wie das, an dem uns Christus durch sein Leiden und den Tod erlöste, | |
liez man stôzen im ze trôste, | pflanzte man ihm als Trost | |
ze scherm der sêle, überz grap. | und Schirm der Seele, übers Grab. |
(106, 29- 107,8)
Der Bâruc lässt den christlichen Ritter äußerst großzügig und mit einer großen religiösen Toleranz begraben, verdeutlicht durch das Symbol des Kreuzes. Raucheisen bestimmt ihn deswegen zum vorbildlichen Herrschertypus.[Raucheisen 1997:65] Zwar verschwimmen die Kulturgrenzen an dieser Stelle durch die Quantifikation des orientalischen Herrschers, doch werden sie nicht vollständig getilgt, was durch die Erwähnung des heidnischen Umgangs mit dem christlichen Kreuzsymbol offenbart wird. (109, 19-24)
Karnahkarnanz
Karnahkarnanz ist der erste Ritter, der Parzival begegnet und damit fundamental wichtig ist für seine Entwicklung zum Krieger und seine Identitätsbildung.
Höfisch-Ritterliches Wertesystem als Integrationsmodell
Vor allem das Äußere von Karnahkarnanz spielt bei dieser ersten Begegnung eine herausragender Rolle. Im Mittelpunkt steht dabei eine Erhabenheit, eine innere tugendhafte Vollkommenheit des Kriegers, die sich durch seinen Glanz manifestiert, der das göttliche Licht reflektiert [Salama 2014: 3 ff.]: ern hete sô liehtes niht erkant (122, 1). Diese Darstellung entspricht der okzidentalen Kultur, dass Adel eine, sich im körperlichen Glanz sichtbar manifestierende, Qualität ist. [Schulz 2008: 242 ff.] Die Kultur der Sichtbarkeit spiegelt sich nochmals wieder, indem Karnahkarnanz sozialer Rang und Status durch eine visuelle Repräsentation lesbar wird:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
ûfem touwe der wâpenroc verwant. | Bis auf den Tau hinab fiel lang der Waffenrock. |
mit guldîn schellen kleine | Von glitzernden goldenen Glöckchen |
vor iewederm beide | vor jedem Bein |
wârn die stegreife erklenget | klingelten die Steigbügel, |
[...] | [...] |
sus fuor der fürste rîche, | In wunderschönem Waffenrock |
gezimiert wünneclîche. | ritt der gewaltige Fürst. |
(122, 2-12)
Knäpper offenbart, dass sich Wolfram sowohl in der körperlichen Konstruktion als auch in seiner Namensgebung von seiner französischen Vorlage distanziert. Er analysiert den Namen Karnahkarnanz als orientalisch und deckt auf, dass er auf einem altiranischen Wort basiert, welches übersetzt mythischer Glücksglanz bedeutet.[Knäpper 2011:279 f.] Dieser Glücksglanz ist Basis eines avestischen Konzeptes, als lichthafte feurige Kraft, die besonders herausragenden Menschen von den Göttern verliehen wird.[Stausberg 2002:178 f.] Wolfram integriert damit ein orientalisches Konzept von äußerlicher und innerlicher Entsprechung in die Regel der christlichen Kalokagathie. [6] Die Synthese des östlichen Glücksglanzes mit der westlichen Lichtmetapher am Beispiel eines orientalischen Kriegers beweist, dass sowohl Christen als auch Heiden durch tugendhafte Taten diesen transzendentalen Glanz erlangen können. Hier wird nicht nur ein Beweis für die Verschmelzung von orientalischen und okzidentalischen Konzepten erbracht [Knäpper 2011:282], sondern auch ein Beleg für eine ganz ähnliche traditionelle körperliche Darstellung von Idoneität. "[Denn] der >Glücksglanz< ist ebenfalls an der Seite von Rittern und Helden der iranischen Epen zu finden […]" [Knäpper 2011:283 f.]und ist somit ein Motiv der orientalischen Idoneität, welches als Konzept weit über den avestischen Kulturkreis hinaus prägend war. Damit zeigt sich also nicht nur die Übertragung der ritterlich-höfischen Lichtmetaphorik auf den Orient, sondern es offenbart sich, dass beide Ideale ähnliche Wurzeln haben und so ein Traditionsaustausch auf Basis dieses kulturell übergreifenden Paradigmas möglich ist.
Belacane
Durch Gahrmurets aventiure gelangt er in das Land Zazamac, welches von der dunkelhäutigen Königin Belacane regiert wird und sich im Krieg befindet (16, 20- 17, 20).
Höfisch-Ritterliches Wertesystem als Integrationsmodell
Der Körper von Belacâne ist in besonderer Weise spezifisch und grenzt sie auf den ersten Blick durch ihre Hautfarbe als Fremde aus dem christlichen Kulturkreis aus. Allerdings vollzieht Wolfram an ihr eine Transformation des höfischen Frauenbildes. Denn obwohl der Erzähler bemerkt, dass ihre Hautfarbe dunkel ist:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
ist iht liehters denne der tac, | Wenn etwas heller wäre als der Tag, |
dem glîchet niht diu künegin. | dem gleicht die Königin nicht. |
(24, 6 f.)
negiert er dieses okzidentale Schönheitsideal der hellen Hautfarbe durch das transzendentale Strahlen der Königin:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
der touwegen rôsen ungelîch. | der tauigen Rose ist sie aber unähnlich. |
nâch swarzer varwe was ir schîn, | Von schwarzer Farbe war ihr Schein, |
(24, 10 f. )
Diese wie bereits oben beschriebene zentrale Vorstellung in der mittelalterlichen Kultur, gipfelt in einer Realabstraktion, die erst eine Übertragung auf eine orientalische Figur ermöglicht. "Indem [sich nämlich] Schönheit [...] vorrangig durch Glanz artikuliert und wahrnehmbar wird, verliert sie jede Konkretheit, obwohl sie ein körperliches Fundament hat. [...] Im Glanz wird die konkrete Gestalt des Körpers bedeutungslos [...]"[Schulz 2008:243] und im Falle Belacanes wird ihr eigentlich "unadeliger" Körper so nobilitiert. ( 24, 11; 32, 25)
Da im gleichen Abschnitt von ihrem unübertreffbaren wîplîchen sin (24, 8) gesprochen wird, offenbart sich, dass vorbildliches weibliches Verhalten nicht länger über die Hautfarbe definiert und relativiert ist. Wolfram erschafft hier ein Oxymoron der schwarzen Helligkeit, […] welches die schwarze Haut zugleich ästhetisiert und nobilitiert [Schmid 2004:23] und somit die etablierte christliche Tradition der Lichtmetaphorik von "Hell - Gut und Dunkel - Böse" negiert. Der Erzähler geht noch weiter und drängt die Äußerlichkeit der weiblichen Figur, zu Gunsten ihres wîplîchen sins immer weiter in den Hintergrund.[7] Denn obwohl der Erzähler Belacanes Schönheit oft lobt, ist Gahrmuert von ihr zuerst nicht angetan (17, 24 ff.;19, 17 ff.; 20, 4 ff.) Seine Zuneigung beginnt erst ab dem Augenblick, als er von ihren weiblichen Tugenden erfährt. (28, 10-19). Rüdiger Schnell verweist auf das Bestreben der höfischen Literatur, Liebe über innere Werte zu begründen [Schnell 1985: 241-274] und bestätigt damit das sich hier zeichnende Bild. Damit wird eine Vergleichbarkeit aller Frauen geschaffen, auf Basis eines nach innen verlagerten Schönheitsideals, welches nicht mehr auf einer Kontrastierung von hell und dunkel als Analogie von Gut und Böse fußt.[Salama 2014:5] Damit öffnet sich der weibliche Ästhetikbegriff zu Gunsten einer Inklusion des Orients, indem eine Exklusion der äußerlichen Unterschiede aus den Idealvorstellungen von Weiblichkeit vollzogen wird.
Die ambivalente Konstruktion der Belacane-Figur zeigt auf, dass die Königin, obgleich ihrer körperlichen Fremdheit, sehr wohl eine soziale Rolle innerhalb der christlichen Gesellschaft einnehmen kann, die einer höfischen Edelfrau.[Schnellemann 1941:161] Ihr internalisiertes habituiertes Wissen unterscheidet sich nicht von den okzidental-christlich höfischen Manieren und Tugenden einer höfischen Dame. (28, 10 ff.) [Salama 2014:29] Durch geringfügige Änderungen des Weiblichkeitsparadigmas der okzidentalen Welt ist es [den] für beide Kulturen gültigen Regeln [der] höfischer Zivilisation im literarischen Kunstwerk zumindest zeitweise [möglich,] die Grenzen zwischen der okzidental-christlichen und der orientalischen-heidnischen Welt [zu überbrücken]. [Mitsch 1992: 92].
Religion als Integrationsmodell
In der Figur von Belacane zeigt sich aber nicht nur eine Anlogie zu westlichen höfischen Damen, sondern auch zum Christentum: |- ! mittelhochdeutsch !! Übersetzung |- | Gahmureten dûhte sân, || Gahmuret kam es so vor, |- | swie sie waere ein heidenin, || als wäre nie - obwohl sie doch eine Heidin war - |- | mit triwen wîplîcher sin || eine Seele mit so viel wahrer Frauentreue |- | in wîbes herze nie geslouf. || in ein Herz geschlüpft wie hier |- | ir kuische was ein reiner touf, [...] || Ihre Unschuld war ein reines Taufwasser [...] |} (28, 10-14) Durch ihre vorbildliche triuwe vollzieht sich hier eine Taufe [Kellner 2009: 31], die darauf hinweist, dass nicht nur der sakramentale, formale Akt der Weihe einen Menschen in die Gemeinschaft der Christen aufzunehmen vermag, sondern auch eine nach innen verlagerte Taufe, bedingt durch spezifische Idoneität. "In [Wolframs ] Zeit gab es kein höheres Lob für Ungläubige, nie zuvor wurde es in mittelhochdeutscher Literatur ausgesprochen." [8]Auch die Darstellung der Trauer Belacanes um ihren verstorbenen Geliebten wird christlich dargestellt, denn eine heidnisch konnotierte Begräbniszeremonie fehlt.(28, 18 - 31, 25).
Feirefiz
Genealogie als Integrationsmodell
Feirefiz Körper ist an sich schon ein Zeichen der Verbindung von Abend- und Morgenland: eins suns, der zweier varwe was, / an dem got wunders wart enein: / wîz und swarzer varwe er schein (57, 16 ff.) Der inneren genealogischen Verschränkung von Osten und Westen [Kellner 2009: 35] wird durch eine äußere Synthese von Schwarz und Weiß entsprochen. Genealogie spielt hier also als integratives Modell eine wichtige Rolle für die Verschränkung der zwei Kulturen. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die genealogische Verbindung Westen und Osten über die Vereinigung des Blutes als Naturordnung inszeniert und gedeutet werden kann. [...] Feirefiz hat die Rolle des Grenzgängers zwischen Orient und Okzident im Blut, sie ist ihm in seiner Elsternfarbigkeit geradezu auf den Leib geschrieben [...]. [Kellner 2009:35] Die Genealogie des Kriegers ist aber auch religiös konnotiert, da Feirefiz, Parzival und Gahmuret als ein Leib dargestellt werden und somit in ihrer Dreiheit eine Einheit bilden, die Assoziationen an die göttliche Trinität erweckt, die in transformierter Form hier die Einheit zwischen Christen und Heiden offenbart. Damit dehnt sich die Gotteskindschaft auf Christen und Heiden aus. Feirefiz, als orientalischer Körper mit christlichem Vater und als vollendeter Ritter, ist somit in den christlichen Sippenverband integrierbar und damit letztendlich auch in das christliche Weltbild. [Salama 2014:7] Grundlage dieser Grenzgänger-Figur ist sicherlich seine Verwandtschaft, die ihm sowohl christliche als auch heidnische Merkmale einbringt. Dadurch ist die Begegnung zwischen Parzival und Feirefiz nahezu unumgänglich. Dies unterstützt letztendlich die These einer Annäherung von Orient und Okzident, die in Parzival ihren Höhepunkt findet. Dieser Kampf Parzivals inszeniert sich damit als Auseinandersetzung mit sich selbst.[Kellner 2009:41] "Parzival begegnet in seinem Bruder sich selbst. Dabei führt das Erkennen des Gegenübers zu einer Integration des Anderen im Eigenen. [...] Die Erzählung gestaltet so eine Zusammenbindung des Heterogenen, wobei sie die Bedeutung des Anderen hervorhebt, indem sie die Figur der anderen Welt, die [...] einen Zwischenraum besetzt, die unverbrüchliche Verbindungen der beiden Seiten aussprechen lässt." [Ackermann 2009:199]
Höfisch-Ritterliches Wertesystem als Integrationsmodell
Der Heide erscheint als der gewaltigste und schönste Ritter des ganzen Epos. Besonders auffällig gestaltet sich die Beschreibung seiner Ausstattung. Äußere Schönheit basiert auf dem visuellen Zusammenspiel von adeliger varwe, eines sichtbaren Habitus (gebærde) und einer entsprechenden Gestalt, wobei der Fokus vor allem auf prächtiger Kleidung liegt. Dieses Ideal entspricht den Rahmenbedingungen der feudalen Kultur des Mittelalters, die auf Sichtbarkeit gegründet ist und somit auf der visuellen Repräsentation von sozialem Status, von Rand und Hierarchie basiert. Schönheit wird als Teil der höfischen Qualitäten des Helden, zur Metonymie seiner gesamten Person. Der Schönste ist zugleich der Beste und auch Kultivierteste. [Schulz 2008:239, 242] Diesem adeligen Anspruch genügt Feirefiz, wie seine Ausstattung und sein Verhalten während seines Kampfes mit seinem Halbbruder beweist. Obwohl er ein Heide ist, scheint seine ritterliche Ausbildung vollkommen zu sein, repräsentiert durch kostbare Kleidung und Rüstung, sein vorbildliches Benehmen im Kampf mit seinem Bruder und seine Minnetaten.(734, 29 / 735, 2 736, 25 736 , 7) Vor allem den kontextbestimmenden Prinzipien von milte und triuwe (752, 24 ff.; 28, 14)schenkt er Beachtung und befolgt sie. Damit beweist der Krieger, dass er sich besser in der abendländischen Kultur auskennt, als sein westlicher Bruder.
Religion als Integrationsmodell
Feirefiz ist insofern eine interessante Figur im Bezug auf die Fragestellung des Artikels, weil er nicht nur in den Handlungsräumen der westlichen Welt fungiert, sondern sie sogar besser als Parzival zu verstehen und anzuwenden vermag. Er dringt jedoch nicht nur in den okzidentalen-christlichen Raum ein, sondern erkämpft sich eine soziale Rolle in ihm, indem er sich taufen lässt (814, 1-818, 19). Kellner folgert, dass die Nähe zum Christum, durch die kiusche und Tränentaufe Belacanes in ihrem Sohn zum sakramentalen Vollzug führt. Durch diese Inklusion scheint das Heidnische im Christlichen aufzugehen [Kellner 2009:35] und transformiert Feirefiz von einer Exklusions-Identität zu einer Inklusions-Identität, der den westlichen Raum bis weit in den östlichen Raum eindringen lässt und ihn damit die Grenze zwischen Orient und Okzident fundamental verschiebt.[Salama 2014:31] Es gehört zu der Dynamik dieser Figur, sich zu einem Instrument des Integrierens und Vereinens [...] [Müller 2008 : 63]zu machen.[9].
Cundrîe
Cundrîe la suziere ist eine gelehrte Frau aus dem Land Tribalibot (517, 29), die zusammen mit ihrem Bruder von der indischen Königin Secundille zur Gralsburg als Geschenk für König Anfortas geschickt wird. Dort wird sie zur Gralsbotin berufen und damit in die Gralswelt integriert.
Genealogie und Religion als Integrationsmodell
Im Vergleich zu der französischen Vorlage hat Wolfram Cundrîe und ihren Bruder mit Hundeschnauzen, zottigen Gesichtern, Eberzähnen, struppigen Haaren, Bärenohren, Löwenkrallen und einer affenartigen Haut ausgestattet:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
über den hout ein zopf ir swanc | Über den Hut schwang ein Zopf |
unz ûf den mûl: der was sô lanc, | bis auf das Maultier herunter, der war so lang, |
swarz, herte und niht ze clâr, | schwarz, starr und nicht eben blond und licht, |
linde als eins swînes rückenhar. | so weich wie die Rückenborsten einer Sau. |
si was genaset als ein hunt: | In der Visage trug sie eine Hundeschnauze. |
zwên ebers zwne ir für den munt | Aus ihrem Mund fuhren Hauen wie bei einem Eber, |
giengen wol spannen lanc. | sie waren wohl zwei Spannen lang. |
ietweder wintprâ sich dranc | Die Brauen auf beiden Seiten ragten |
mit zöpfen für die hârsnuor. [...] | zu Zöpfen geflochten höher als das Haarband. [...] |
Cundrîe truoc ôren als ein ber, | Cundrîe hatte Ohren wie ein Bär, |
niht nâch friundes minne ger: | nicht so wie es sich ein Mann wünscht von seiner Geliebten. |
Rûch was ir antlütze erkant. | Wild behaart war ihr Gesicht. |
ein geisel fuorte se in der hant: | Sie führte eine Geißel in der Hand: |
dem wârn die swenkel sîndîn | Die Stricke daran waren seiden |
unt der stil ein rubbîn. | und der Stil ein Rubin. |
gevar als eines affen hût | hässlich wie eines Affen Haut |
truoc hende diz gaebe trût. | trugen Hände diese Schätze. |
die nagele wâren niht ze lieht; | Die Fingernägel waren nicht sehr hell; |
wan mir diu âventuire gieht, | so sagt mir die aventuire, |
si stüenden als eins lewen klân. | sie sollen wie die Krallen eines Löwen gewesen sein. |
(313, 17 - 314, 9)
Sie erscheinen damit wie Fabelwesen und Wisbey führt auf, dass sie damit dem Volk der Hundeköpfigen (Cynokephalen) aus dem Osten entstammen. Damit reiht sich die Figur der Cundrie auf den ersten Blick in den Topos der Häßlichkeit der im Orient beheimateten Völker ein und weist sich somit als aus dem Orient stammende Frau aus. Die beiden Geschwister sind Angehörige eines Stammes, der seine signifikanten Missbildungen durch eine Verfehlung zu Zeiten Adams erhalten hat:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
Gâwan sîn beite wolte: | Gâwân ließ ihn herankommen: |
dô dûht ern ungehiure. | da erschien ihm der als ein wahres Ungeheuer |
Malcrêatuire | Malcrêatuire |
hiez der knappe fiere: | hieß der stolze Knappe: |
Cundrîe de la surziere | Cundriê de la surziere |
was sîn swester wol getân: | war seine schöne Schwester: |
er mouse ir antlütze hân | er sah so aus wie sie |
gar, wan daz er was ein man. [...] | nur, dass er eben ein Mann war. [...] |
bî dem wazzer Ganjas | Bei dem Wasser Ganjas |
ime lant Trîbalibôt | im Land Trîbalibôt |
wahsent liute alsus durch nôt. | misswachsten die Menschen so durch Not. |
Unser vater Adâm, | Unser Vater Adam, |
die kust er von gote nam, | bekam von Gott diese Kunst geschenkt, |
er gap allen dingen namn, | er gab allen Dingen Namen |
beidiu wilden unde zamn: [...] | beiden, wilden und zahmen: [...] |
dô sîniu kint der jâre kraft | Als seine Kinder der Jahre Kraft |
gewunnen, daz si berhaft | gewonnen, dass sie fruchtbar |
wurden menneschlîcher fruht, | wurden mit Menschenfrucht, |
er widerriet in ungenuht. [...] | da warnte er sie vor der Gier. ]...] |
diu wîp tâten et als wîp: | Die Frauen taten so, wie Frauen tun: |
etslîcher riet ir broeder lîp | Einigen riet ihr schwaches Fleisch |
daz si diu werc volbrâhte, | so dass sie dieses Werk vollbrachte, |
des ir herzen gir gedâhte. | das ihres Herzen Gier einfiel. |
sus wart verkêrt diu mennischeit: | So war die Menschheit falsch entstanden. |
(Vgl. 517, 14 - 519, 1)
Da Cundrîes Genealogie in einen biblischen Ursprung eingebettet ist, wird offenkundig, dass Wolfram ihre Fremdartigkeit mit christlichen Vorstellungen verbindet. So inkludiert er sie und ihre Sippe durch eine Einbettung in den göttlichen Schöpfungsplan in den christlichen Horizont. [Salama 2014:8]
Ihre Abstammung befähigt sie zu vielen Aufgaben, die niemand in der Gralsgesellschaft sonst übernehmen könnte. Sie spricht alle Sprachen, ist bewandert in Geometrie, Astronomie, Dialektik, Rhetorik und vor allem ihre pharmazeutischen Kenntnisse sind von unschätzbarem Wert für ihre Mitmenschen, vor allem für den siechenden Anfortas. Sein Krankenlager strotzt nur so vor orientalischen Erzeugnissen: pigment und zerbenzînen smac, müzzel bunt arômatâ (789, 25f.), drîakl und amber tiure (789, 29), cardemôm, jeroffel, muscât (790, 2) und zusätzlich ist Anfortas Bett mit viel wundersamen Edelsteinen geschmückt (791, 1-30). Das unsagbare Leid des Gralskönigs kann nicht mit dem herkömmlichen okzidentalen Wissen behandelt werden, deshalb muss eine Verbindung zum sagenumwobenen Orient geschaffen werden, in dem wundersame Heilmittel, entsprechend der mittelalterlichen Ansichten über den Osten, vorlagen. Die Figur Cundrîe offenbart sich "als eine Art Personifizierung der Idee der translatio studii, der Vorstellung vom Transfer der Weisheit und des Wissens vom Orient in den Okzident."[Ridder 2002: 85 f.] Dass auch ihr Bruder Malcrêatiure enormes Wissen über die Astronomie inne hat (520, 3), beweist, dass die Gelehrsamkeit nicht nur auf die Figur der Cundrie beschränkt ist, sondern dass sie systematisches Merkmal des Ostens ist.
Höfisch-Ritterliches Wertesystem als Integrationsmodell
Die körperliche Konstruktion von Cundrîe beinhaltet aber noch weitere Funktionen. Wolfram korreliert ihre äußere Missbildung[10] mit einer inneren Schönheit, Tugendhaftigkeit und Weisheit:
der meide ir kunst des verjach, | Das Mädchen war in vielerlei Künsten wohl unterrichtet, |
alle sprâche si wol sprâch, | alle Sprachen sprach sie geläufig: |
latîn, heidensch, franzoys. | Lateinisch, Heidnisch und Französisch. |
si was der witze kurtoys, | Eleganz entfaltete sie auf dem Gebiet der Wissenschaften. |
(312,19-22)
und zerstört so die traditionell westliche "courtoisie"-Ordnung, in der eigentlich die Korrelation von schön -höfisch / häßlich - unhöfisch gilt.[Jauß 1968:148] Außerdem kürzt Wolfram gegenüber seiner französischen Vorlage, die Darstellungen von Cundrîes Missbildung, was weiterhin darauf verweist, dass ihre Beschreibung nicht auf eine "abstoßende Reaktion" des Lesers angelegt ist. [Dallapiazza 1985:403 ff.] Vielmehr kontrastiert er fast schon ironisch ihre Hässlichkeit und ihre tragende Rolle im Prozess der weltumspannenden und systemübergreifenden Versöhnung.[Wisbey 1971:213] Ähnlich wie bei der Figur von Belacâne wird das höfische Schönheitsideal der Frau gebrochen und durch jene des moralisch gerechtfertigten Seins[Jauß 1968:168] ersetzt. Dieses Bild konzipiert der Erzähler auch im Prolog:
manec wîbes schoene an lobe ist breit: | Die Schönheit vieler Frauen wird weit und breit gelobt. |
ist da daz herze conterfeit, | Wenn da aber das Herz bloß nachgemacht ist, |
die lob ich als ich solde | dann lobe ich sie so, |
daz safer ime golde. | wie ich ein Stückchen Glasfluß in Gold gefasst, zu loben schuldig wäre. |
(3,11-14)
Wieder rücken Werte wie triuwe (312, 3) und Gelehrsamkeit in den Vordergrund und durchkreuzen so den starren Wahrheitsanspruch der okzidentalen Hässlichkeitsstigmatisierung.[11] Damit beweist sich, ähnlich wie im Falle Belacanes, eine Dichotomie von Innen und Außen, die der starren mittelalterlichen Kultur von visueller Repräsentation und deren innerlichem Entsprechen entgegensteht. Um ihrer Hässlichkeit weiter entgegenzuwirken, trägt Cundrîe auffallend noble Kleidung, die ihren sozialen Rang und Status fundamentieren und obgleich ihrer äußerlichen Missbildung für ihre Umwelt visualisieren:
ein brûtlachen von Gent, | Genter Brauttuch |
noch plâwer denne ein lâsûr, | blauer als Lapislazuli, |
het an geleit der freuden schûr: | trug dieser Hagelschlag des Glücks: |
daz was ein kappe wol gesniten | ein elegantes Cape |
al nâch der Franzoyser siten: | nach französischem Schnitt; |
drunde an ir lîb was pfelle guot. | darunter trug sie feine Seide am Leib. |
(313,4-9)
Wolfram nutzt Cundrîes hybride Form noch weiter, um aus ihr eine Figur der Grenzübergänge zu machen. Die Gralsbotin hat innerhalb des Werkes die größten Mobilitätsmöglichkeiten und zeichnet sich durch den damit einhergehenden Zugang zu unterschiedlichen Räumen aus. Sie vermittelt zwischen Orient und Okzident, zwischen Gralsgesellschaft und Artushof und hat auch persönlichen Kontakt zu wichtigen Figuren wie Parzival. Bezeichnenderweise machen gerade ihre orientalischen Wurzeln, als die Grundlage ihrer ehemaligen Exklusions-Identität, sie überhaupt fruchtbar für eine Inklusion in die christliche Welt und deren Aufgaben. Sie ist in besonders starker Weise in alle vorkommenden Räume im epischen Konstrukt eingebunden und hat auch in allen Welten Aufgaben zu erledigen, als Botin oder Heilerin, und vermag sich so in die integrale Gesamtheit einzubinden. Doch sie ist genauso fundamental aus all diesen Räumen ausgeschlossen, kann sie sich doch weder dem Artushof noch der Gralsgesellschaft anschließen oder eine eigene Familie gründen, denn ihre Äußerlichkeit schließt sie aus jeglicher Minnebeziehung aus. Diese soziale oder genealogische Obdachlosigkeit macht ihre Figur allerdings erst fruchtbar für das epische Konstrukt, als grenzüberschreitende[s]' Kommunikationsmedium[Salama 2014:32] und ihre Körpergestaltung profiliert umso mehr ihre Funktionalität als Gralsbotin, deren Äußerungen und Prophezeiungen besondere Aufmerksamkeit erfordern. [Salama 2014:11]
Fazit
Die Körper der orientalischen Figuren werden durch sichtbare Zeichen als Fremde im Roman eingeführt. Allerdings werden diese Aktanten auf unterschiedliche Weise mit westlichen Kontexten überzogen, sei es durch Genealogie, Religion oder das höfisch-ritterliche Wertesystem. Dabei wird deutlich, dass die Differenzen zwischen Orient und Okzident verschwimmen, aber nicht endgültig getilgt werden. Dies geschieht vor allem durch eine Universalgültigkeit des ritterlichen Tugendbegriffes und einer Problematisierung des Kalokagathia -Prinzips. [Kellner 2009:27] Es entsteht der Eindruck, dass eine übereuropäische einheitliche Bedeutung des Rittertums und der höfischen Sitte stilisiert wird.[Raucheisen 1997:75] Mit diesem Befund und dem Fehlen von typischen narrativen orientalischen Topoi [Noltze 1995:235] widerfährt dem Orient eine Entzauberung, welche die Andersartigkeit und Funktion als absolutes Abgrenzungsmerkmal abschwächt ,vielmehr offenbart die Erzählung Wolframs den Orient "als Verlängerung des Abendlandes".[Noltze 1995:117]. Nur hinsichtlich der Religion ist keine eindeutige Belegung der These zu finden. Denn obwohl es, wie gezeigt, auch religiöse Annäherungen der Figuren gibt, durchkreuzen sie diese wieder durch ihre Instrumentalisierungen des christlichen Glaubens.
Entgegen stark stereotypischer vorgezeichneter Figuren werden hier Körper konstruiert, die sich durch ihre individuelle äußerliche Körperphysiognomie und durch ihr traditionsdurchbrechendes grenzüberschreitendes Verhalten auszeichnen. Sie beweisen eine Verschränkung und Wechselwirkung des Einen im Anderen und symbolisieren so die Vernetzung von Orient und Okzident und deren Auflösung ineinander.[Salama 2014 :33 f.] Diese komplexen Körperinszenierungen, die im ganzen Parzival zu finden sind, erweisen sich nicht als gängige narrative Verfahrensweisen und könnten damit ein Hinweis sein, dass Wolfram hier Kritik an der mittelalterlichen Körper- und Öffentlichkeitskultur übt. [Ackermann145]
Anmerkungen
- ↑ Eine allgemeine Analyse der heidnischen und christlichen Kulturbegegnungen findet im Artikel Parzival: Aufeinandertreffen christlicher und heidnischer Kultur statt, der die These einer Annäherung ebenfalls bestätigt. Die Analyse findet aber anhand eines größeren Untersuchungsgegenstandes statt und liefert zusätzlich Erklärungsversuche für diese Harmonisierung. Somit steht er ergänzend zu diesem Artikel.
- ↑ Es ist zu beachten, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen Betrachtungsweisen zum Körperdiskurs gibt. Einblicke in das Spektrum gewährt [Wolfzettel 2007]. Der interdisziplinär angelegte Band, dessen Beiträge Körperkonzepte im arthurischen Roman fokussieren, widmet sich dem Thema in gattungsgeschichtlicher Perspektive.
- ↑ Vgl. dazu [Ackermann 2009] und [Schulz 2008: 16-24; 208-256] Im Folgenden werden spezielle Aspekte dieser Ideologie weiter erklärt werden.
- ↑ Solch eine Annahme lässt sich mit der traditionellen Darstellung der Heiden in der mittelalterlichen Literatur durchaus beweisen.
- ↑ Es wird hier zwar nicht explizit auf seinen eigenen Körper eingegangen, aber sein Umgang mit Gahmurets totem Körper ist eine Möglichkeit, diese Figur im Hinblick auf die These trotzdem zu untersuchen.
- ↑ Diese Regel besagt, dass die äußerliche Schönheit von repräsentativer Natur ist und damit über den sozialen oder inneren Status der Figur Ausschluss gibt.[Salama 2014:3 ff.]
- ↑ Auch die Erfahrung von Falschheit, als kontrastierende Negativfolie zum Beispiel Belacanes beweist, dass vom wahrnehmbaren Äußeren einer Person nicht immer auf ihr Inneres geschlossen werden kann.[Schulz 2008:215]
- ↑ Kellner stellt allerdings fest, dass sich diese Passagen, die sich auf eine Annäherung Belacanes zum Christen einer eindeutigen Interpretation entziehen. Denn Belacane beschließt auf Grund des Briefes von Gahmuret sich zugleich taufen zu lassen. Damit offenbart sich die Taufe für sie nur als Mittel zum Zweck, um Gahrmuet an sich zu binden und deckt somit ihre innere Distanz zum Christentum auf.[Raucheisen 1997:68] “Korrespondiert hier die innere Ferne zum Christentum mit der Bereitschaft zum äußeren Vollzug des Sakraments, so wurde [vorher] die innere Nähe zum Christentum als Pendant zur Taufe inszeniert. Die Episoden um Belacane umkreisen die Problematik von Nähe und Distanz zwischen Heiden und Christen, ohne diese eindeutig zu perspektivieren. [Kellner 2009:31 f.] .
- ↑ Da Feirefiz gegen Ende des epischen Konstruktes die Missionierung des Ostens einleitet, stellt sich die Frage ob das genealogische Modell der Integration nur zur Stärkungen der christlichen Dominanz dient. Dieser Eindruck wird durch die Taufe des Feirefiz relativiert, die ähnlich wie bei seiner Mutter nur ein Instrument seines Begehrens ist. (814, 1- 181, 23) In den sichtbaren Zeichen auf seinem Körper bleibt zudem die Heterogenität des Orient und Okzident erhalten. Dies offenbart, dass es Wolfram vielmehr um eine Verknüpfung des Heterogenen geht und nicht um eine Auflösung des Fremden im Eigenen.[Kellner 2009: 35-38]
- ↑ Vgl. zur Hässlichkeit Cundrîes den Artikel Die Gralsbotin Cundrie bei dem Unterpunkt "Die Hässlichkeit Cundrîes" und zu Cundrîes Verbindung zu Parzivals und seiner "inneren" Hässlichkeit und äußerer Vollkommenheit" im Artikel Cundrîe und Belacâne - scheinbar fremde Figuration im "Parzival.
- ↑ Hier lassen sich vielleicht christlich-theologische Tendenzen nachweisen, denn dort begegnet man rein körperlicher Schönheit mit Skepsis. Man geht von einer Dichotomie von Hülle und Kern für alle Erscheinungen der sichtbaren Welt aus. Somit müssten nach Katharine Pappas alle Phänomene auf deren verborgenen geistigen Hintergrund untersucht werden, da Hässliches und Schönes in gleicher Weise Zeichen des Guten sein können. [Pappas 2001:160]
Literaturverzeichnis
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