Clinschor
Clinschor ist ein Zauberer und Herrscher über das Schloss Schastel marveile, das in den Gawan-Episoden eine große Rolle spielt. Er ist eine von Wolframs rätselhaftesten Gestalten, da er nicht nur magische Kräfte besitzt, sondern zudem dem epischen Geschehen fern bleibt. Um seine Figur besser greifen zu können, soll im folgenden Artikel adressiert werden wer Clinschor ist, wie er dargestellt wird und wie diese Darstellung bei Wolfram und Chretiéns differenziert. Zudem soll er als Kontrastfigur zum Gralskönig Anfortas betrachtet und seine Funktion in Wolframs Erzählgefüge hinterfragt werden.
Wer ist Clinschor?
656,25-657,9
Sicilje het ein künec wert: | Es edler Mann war in Sizilien König |
der was geheizen Ibert, | der hieß Ibert. |
Iblis hiez sîn wîp. | Iblis hieß seine Frau |
diu truoc den minneclîchsten lîp | die war so reizend schön, wie sonst kein Leib, |
der ie von brüste wart genomn. | den man einer Mutter Brust genommen hat. |
in der dienst was er komn, | Clinschor war in ihren Dienst getreten |
unz sis mit minnen lônde; | und eines Tages belohnte sie ihn auch und gab ihm ihre Liebe. |
dar umbe der künce in hônde. | Dafür machte ihn der König verachtet. |
Muoz ich iu sîniu tougen sagn, | Wenn ich euch nun sein Geheimnis sage, |
des sol ich iwern urloup tragn: | dann muß ich erst von Euch Dispens erbitten: |
doch sint diu selben mære | denn es ist nicht recht schicklich, |
mir ze sagen ungebære, | daß ich Euch erzähle, |
wâ mit er kom in zoubers site. | wie er zur Zauberei kam: |
zeim kapûn mit einem snite | Er kam dazu mit einem Schnitt, |
wart Clinschor gemachet.' | der machte Clinschor zum Kaupan. |
658,26-30
er hât ouch aller der gewalt, | Er hat auch Gewalt über alle, |
mal unde bêâ schent, | die zwischen dem Firmament und |
die zwischen dem firmament | den Grenzen der Erden wohnen, die von der bösen Art, |
wonent unt der erden zil; | doch ebenso honette, schöne Gestalten, nur über die nicht |
niht wan die got beschermen wil. | die Gott selber vor ihm bewahren will. |
Clinschors Darstellung
Clinschor ist eine Figur, die nicht selbst als Akteur auftritt, sondern immer nur indirekt beschrieben wird. Informationen über ihn bekommt man nur aus Erzählungen, etwa von Plipallinot, Arnive, und Orgeluse, und damit nur aus zweiter Hand. Susan Tuch fasst wie folgt zusammen: „Gleichwohl kann man nur ein vermitteltes, mit den Augen anderer gesehenes Bild des Mannes wahrnehmen, der als Person in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt bleibt.“[Tuchel 1994: 244] Aufgrund dieser Form der Vermittlung sind die Informationen über Clinschor rein auditiver Natur. Dies verblüfft kaum, da Clinschor menschliche Nähe zuwider ist. Daher entzieht der Zauberer sich dem Visuellen und beschränkt seine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben auf die Rolle eines Voyeurs. Clinschors mangelnde personale Repräsentanz wird jedoch durch das Visualisierungsvermögen der Wundersäule im Schastel marveile ersetzt.
Clinschor und Anfortas
Clinschor bei Wolfram und Chrétiens
Fazit
Literaturverzeichnis
Textausgabe
Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der ‚Parzival’-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
Sekundärliteratur
Blank, Walter: Der Zauberer Clinschor in Wolframs Parzival. In: Gärtner, K.; Schröder, W.: Studien zu Wolfram von Eschenbach. Festschrift für Werner Schröder zum 75. Geburtstag , Niemeyer, Tübingen: 1989, S.321-332.
Krohn, Rüdiger: 'ein phaffe der wol zouber las'. Gesichter und Wandlungen des Zauberers Klingsor. In: Cramer, Thomas; Dahlheim, Werner: Gegenspieler. Dichtung und Sprache: Schriftenreihe der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Bd. 12, Wien: 1993, S. 88-112. <HarvardReferences /> [*Tuchel 1994]: Tuchel, Susan: Macht ohne Minne. Zu Konstruktion und Genealogie des Zauberers Clinschor im Parzival Wolframs von Eschenbach In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen Bd. 231/1994, S. 241-25.
Retzer, Maike: Mythische Strukturen in Wolframs von Eschenbach Parzival, Diss. München 2006.