Musik und Gesang (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Tristans Ausbildung

Tristan wird schon in seiner frühesten Jugend ins Ausland geschickt, um Fremdsprachen zu lernen, schnell beginnt er auch Bücher zu lesen. Die musikalische Ausbildung beginnt für Tristan mit dem Saitenspiel. Erst anschließend übt er sich in der Kriegskunst und im Reiten, also Dingen, die überlebensnotwenig sind für einen Ritter. Es folgen Studien der Jagd und weitere Reisen. Rual formt auf diese Art und Weise das höfische Ritterideal in der Figur des Tristan neu, indem er Tristan so ausbildet, dass die Maßstäbe für die Gesamtheit der höfischen Ritter deutlich höher sind, als vor Tristans Ausbildung. An dieser Reihenfolge und Hierarchie der Auflistung sieht man welchen Stellenwert schon früh das Wort und die Musik in Tristans Leben hat und kann schon erahnen, welche Wichtigkeit diesen Größen in seinem weiteren Leben anheim fallen.

Isoldes Ausbildung

Isoldes Vervollkommnung durch Tristan

Musik und Gesang als Ausdruck der erfüllten Liebe

Während dem Aufenthalt in der Minnegrotte beschäftigt sich das Paar intensiv mit seiner Liebesthematik. In der freien Natur, außerhalb ihrer Grotte erzählen sie sich Geschichten von unerfüllter und sehnsuchtsvoller Liebe und mythologischen Figuren, die an ihrer Liebe scheitern oder zu Grunde gehen. Diese Geschichten machen Tristan und Isolde so traurig, dass sie sich in die Minnegrotte zurückziehen und zusammen musizieren. Zuerst wird an diesem Modell deutlich, dass es der Liebe außerhalb eines hermetischen Raums, in diesem Fall die Allegorie der Minnegrotte, der Liebe und den Liebenden schlecht ergeht, dass dort Gefahren und Kummer auf alle Beteiligten warten, an welchen sie scheitern müssen, und Dinge stattfinden, sogar schon in der reinen Reflexion, die traurig stimmen. Im abgeschlossenen Raum der Grotte können die äußeren Einflüsse aber keinen Schaden anrichten. Tristan und Isolde finden sich ganz mit sich allein und frei von jeder Norm in der Materie ihrer Zuneigung und Sexualität. Das Einzige, was mit in diesen Raum darf ist der Klang der Musik und des Gesangs. Alle melancholischen Erinnerungen sind in die Außenwelt verbannt. Musik ist hier Ausdruck „äußerster“ Intimität. Was immer der eine harft, erwidert der andere angemessen mit seiner Stimme. Es werden die wohl lyrischsten und zartesten „Instrumente“ verwendet. Die Harfe wird im Mittelalter eher mit den Fingern gestrichen als gezupft und die Stimme kann sich beinahe jeder Stimmung anpassen. Es entsteht ein sphärischer Klang, der von den Liebenden erzeugt wird und der sie einschließt. Das Paar bildet in seinem Musizieren eine Einheit, ein vollständiges Ganzes. Musik kann hier guten Gewissens auch als Metapher für den Geschlechtsakt in der Abgeschiedenheit der Grotte angesehen werden. Sie geben sich einander völlig hin und verschmelzen. Ganz so wie Harfenklang und Gesang miteinander eins werden. Musik ist gleichsam Ausdruck reinster Liebe, als auch romantischster Sexualität. Dieser Moment des Romans hat nichts mehr mit der triebigen Entjungferung Isoldes auf dem Schiff zu tun, die nicht einmal näher Beschrieben wird. Hier wird die harmonische Vereinigung der Körper und der Seelen beschrieben, wie sie noch keinmal zuvor erwähnt wurde. Tristan und Isolde sind am Ziel ihrer Liebesidylle angelangt. diu wâre wirtinne diu haete sich dar inne alrêrste an ir spil verlân. (V. 17229 - 17231) Interessanterweise haben beide die Kunst zu musizieren wie oben beschrieben in der höfischen Gesellschaft erlernt, wobei Isolde viel von Tristan gelehrt bekam, während sie ihn gesund pflegte. Somit wird also der Grundstein für erfolgreiche Liebe auch am Hofe gelegt. Dies muss einer der Gründe sein, warum sich beide auf dem harmonischen Höhepunkt ihres Gemeinsamseins zurück in die Gesellschaft sehnen, die ja ihre gemeinsame Existenz, wie das Musizieren, konstituierte und somit untrennbar, trotz allen Widrigkeiten, mit Tristan und Isolde verknüpft ist. Wenige Verse später verlassen sie ihren Schutzraum, den sie auch nicht mehr brauchen, denn die innigste Vereinigung haben sie bereits erlebt und treten in die Welt der „Sterblichen“ ein, wodurch sie sich gleichzeitig wieder verwundbar gegenüber Allem machen, dass nicht gleich inniglich liebt.