Intertextualität im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Im Parzival befinden sich zahlreiche Hinweise auf andere Texte und deren Autoren. Dieser Artikel soll kurz auf die Definition von Intertextualität eingehen, dabei aber die verschiedenen Positionen in der Forschung auslassen. Hauptaugenmerk soll auf verschiedenen Formen von Intertextualität liegen. Der Artikel soll generell auf diese Formen eingehen und gleichtzeitig überprüfen, ob diese im Parzival vorkommen.


Begriff Intertextualität

Der Begriff Intertextualität wurde in den späten sechziger Jahren von Julia Kristeva geprägt, die sich auf Michail Bachtins Begriff der Dialogizität rückbezog. Sie beschreibt mit dem Begriff "den Bezug von Texten auf andere Texte" und geht sogar, wie auch die späteren Poststrukturalisten, so weit zu sagen, dass sich jeder Text wie ein Mosaik aus Zitaten zusammengebaut sei, weshalb jeder Text eine Absorption und Transformation eines anderen Texts sei. [Martinez 1997: 151]

Formen der Markierung von Intertextualität allgemein und speziell im Parzival

Laut Ulrich Broich liegt Intertextualität vor, wenn der Autor sich darüber bewusst ist, andere Texte in seinem eigenen verwendet zu haben und diese Absicht vom Leser erkannt wird. [Broich/Pfister 1985: 31] Allerdings kann der Grad der Markierung der Intertextualität unterschiedlich sein, das heißt, dass Intertextualität jeweils leichter oder schwerer erkennbar ist. [Broich/Pfister 1985: 32] Wenn der Autor davon ausgeht, dass er in seinem Text auf einen Text verweist, der dem Publikum bekannt ist, kann sogar ganz auf eine Markierung verzichtet werden. [Broich/Pfister 1985: 32]

Im mittelalterlichen Literaturbetrieb war es üblich, den eigenen Text auf eine Quelle zu beziehen. [Schu 2002: 133] Im Hinblick auf den Parzival ist sicher, dass Wolfram von Eschenbach sich auf den Perceval von Chrétien als Hauptquelle bezogen hat. [Schu 2002: 133] Wolfram selbst nennt jedoch den Perceval nicht konkret als Quelle, sondern beruft sich vielmehr auf "eine mündliche Erzählung als Quelle" [Schu 2002: 133], die nicht spezifiziert wird zum Beispiel als er sagt ein maere wil i'u niuwen ([e]rzähl euch die Geschichte neu, 4,9) [1] oder als uns die âventiure saget ([w]ie uns die Histoire erzählt, 12,3). Somit weiß der Rezipient, dass auf eine andere Quelle Bezug genommen wird, der Erzähler lässt aber aus, um welche es sich explizit handelt.


Markierung in Nebentexten

Wenn ein Autor sich in seinem Werk auf einen anderen Text bezieht, kann der Bezug auf einen anderen Text folgendermaßen identifiziert werden:

  1. in einem Nebentext
  2. im Titel oder Untertitel [Broich/Pfister 1985: 35-38]


Markierung im inneren Kommunikationssystem

Bei Markierungen im inneren Kommunikationssystem können verschiedene Formen vorliegen:

  1. Nur der Leser, nicht aber die Figuren, ist sich darüber bewusst, dass die Charaktere dem Schema von Figuren aus anderen Texten folgen.
  2. Charaktere selbst können zu einem Text Stellung beziehen und sich entweder damit identifizieren oder distanzieren.
  3. Der Autor führt den Text, auf den er sich beziehen will, als physischen Gegenstand ein.
  4. Der Autor lässt Figuren aus anderen Texten auftreten. [Broich/Pfister 1985: 39-40]


Ein Beispiel für den ersten Typ kann an der Stelle gefunden werden, als Gawan auf dem Weg zu einem Zweikampf ist und er unterwegs an der Burg Schanpfanzun vorbeikommt, die von außerordentlicher Schönheit ist. Um diese herauszustreichen, verweist der Erzähler auf die römische Mythologie, genauer auf Vergils Aeneis (399,11-14):

disiu burc was gehêret sô, Diese Burg war derart schön -
daz Enêas Kartâgô dem Äneas schien Karthago
nie sô hêrrenliche vant, längst nicht derart majestätisch;
dâ froun Dîdôn tôt was minnen pfant. Dido starb dort, Pfand der Venus…

Äneas zog einst in Karthago ein und verliebte sich in die Herrscherin Karthagos, Dido, welche sich später aus Liebe zu ihm das Leben nahm. [Draesner 1993: 313-315] So wie einst die Stadt Karthago vor dem Helden Äneas lag, erscheint nun auch die Burg Schanpfazun vor Gawan. [Draesner 1993: 314f.] Zwar hat dieser Vergleich den Effekt, die außerordentliche Schönheit der Burg Schanpfanzun zu unterstreichen, letztendlich dient es aber mehr dazu, Gawan als "zweiten Äneas" darzustellen. [Draesner 1993: 315] So wie einst Äneas in Karthago freundlich empfangen wurde, wird nun auch Gawan auf der Burg Schanpfanzun empfangen. [Draesner 1993: 315] Bisher steht Gawans Ankunft auf der Burg im Zeichen des Kampfes, zugleich soll aber die Erwähnung Didos, der Geliebten des Äneas, auf die bevorstehende Begegnung mit Antikonie und damit auf ein "'tragisches' Liebesabenteuer" hinweisen. [Draesner 1993: 315-316] An dieser Stelle ist sich allerdings nur der Leser bewusst, dass Gawans Schicksal das des Äneas' reflektiert, nicht aber die Figur selbst.


Beispiele für das konkrete Auftreten von Figuren aus anderen Erzählungen kann im Hinblick auf die vielen Figuren des "arthurischen Erzählens" wie etwas Artus, Ginover, Keye oder Gawan beobachtet werden, die mit den Charakteren im Parzival Zeit und Handlungsraum teilen [Draesner 1993: 195] und dadurch eine "werkübergreifende Erzählwelt" schaffen. [Draesner 1993: 195]


Wird im Falle der oben genannten Charaktere auf die Artussage allgemein hingewiesen, können ebenfalls Verweise auf konkrete Werke rund um den arturischen Heldenstoff gefunden werden. An dieser Stelle wäre auf die Szene hinzuweisen, als Parzival im Wald zum ersten Mal Rittern begegnet, die den Frauenräuber Meljakanz verfolgen, der Imane von der Beafontane entführt hat (125,1-16). Die Figur des Meljakanz taucht konkret im Iwein Hartmanns von Aue auf, wo Meljakanz als Entführer der Königin Ginover auftritt. [Drasener 1993: 194] Durch die Erwähnung von Meljakanz im Parzival wird hier nun explizit auf die Ginover-Entführung im Iwein verwiesen. Zwar handelt es sich im Iwein um die Königin Ginover und im Parzival um Imane, jedoch können eindeutige Parallelen hinsichtlich der Entführung und der Entführten gezogen werden. [Draesner 1993: 195]


Markierung im äußeren Kommunikationssystem

Auch hier können wieder verschiedene Typen vorliegen:

  1. Markierung von Intertextualität erfolgt innerhalb des Textes, von der aber nur die Leser und nicht etwa die Figuren Kenntnis haben.
  2. Markierung der Intertextualität durch Anführungszeichen, andere Druck- oder Schrifttypen
  3. Stilkontrast [Broich/Pfister 1985: 41-44]


Für den ersten Typ kann hier exemplarisch eine Sigune-Szene herangezogen werden. Parzival befindet sich auf âventiure und entdeckt im Wald Sigune, die um ihren toten Geliebten Schionatulander trauert und ihm über den Tod hinaus treu sein will (435,13-436,3). An dieser Stelle geht der Erzähler auf den Iwein Hartmanns von Aue ein (436,4-7):

ob sie worden waer sîn wîp, Wär sie seine Frau geworden -
dâ hete sich frou Lûnete was Lunete ihrer Herrin
gesûmet an sô gaeher bete voreilig geraten hatte,
als di riet ir selber frouwen. damit hätte sie gezögert!

Der Erzähler bezieht sich hier auf Laudine im Iwein, die den Rat ihrer Dame Lunete befolgt und Iwein, den Mörder ihres Mannes, heiratet (1000-2445). [2]. Iwein erbittet sich nach der Hochzeit ein Jahr, um auf âventiure fahren zu können, kehrt dann aber nicht rechtzeitig zurück und wird von Laudine verstoßen (2910-3215).[3] Auch hier weiß nur der Rezipient, dass auf einen anderen Text Bezug genommen wird und nicht etwa die Figur selbst. Der Vergleich an dieser Stelle mit dem Iwein hat zur Folge, dass Sigunes Treue als besonders tugendhaft dargestellt wird, insofern sie sich nach dem Tod ihres Geliebten nicht wieder auf eine neue Beziehung, wie Wolfram das bei Laudine kritisiert, einlassen möchte.


Fazit

Im Parzival können viele intertextuelle Bezüge gefunden werden, die auf die unterschiedlichste Weise im Text repräsentiert sind.. Wie im Mittelalter üblich, bezieht sich der Text auf eine Hauptquelle. Es treten Figuren wie Artus und sein Hof auf, die aus dem arturischen Sagenstoff stammen, aber auch Figuren, die auf einen bestimmten anderen Text hinweisen. Die Figuren können entweder selbst im Parzival auftreten, oder aber der Erzähler verweist auf Figuren aus anderen Texten, was wiederum dann nur für den Rezipienten, nicht aber für die Charaktere selbst, sichtbar ist.


Literaturangaben

<HarvardReferences /> [*Broich/Pfister 1985] Broich, Ulrich, Manfred Pfister (Hrsg.): Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, Tübingen 1985. <HarvardReferences /> [*Draesner 1993] Draesner, Ulrike: Wege durch erzählte Welten. Verlag Peter Lang GmbH, Frankfurt a.M. 1993. <HarvardReferences /> [*Martinez 1997] Martinez, Matias: Intertextualität, in: Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Grammatik, Berlin 1997, S.150f. <HarvardReferences /> [*Schu 2002] Cornelia Schu: Vom erzählten Abenteuer, Frankfurt a.M. 2002.

  1. Sämtliche Zitate folgen der Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns revidiert und kommentiert von Eberhard Nellmann, übertragen von Dieter Kühn, hrsg. Eberhard Nellmann, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1994.
  2. Hartmann von Aue: Gregorius. Der arme Heinrich. Iwein. Herausgegeben und übersetzt von Volker Mertens, Frankfurt a.M. 2008.
  3. Hartmann von Aue: Gregorius. Der arme Heinrich. Iwein. Herausgegeben und übersetzt von Volker Mertens, Frankfurt a.M. 2008.