Die Brautwerbung (Eilhart von Oberg, Tristrant und Isalde)
Definition Erzählschema
Wichtige Handlungsrollen
Raumstruktur und Handlungsfixpunkte
Die Brautwerbung ist in den meisten Fällen durch eine "bipolare Raumstruktur" gekennzeichnet. Die unterschiedlichen Räume werden als "Diesseits [und] Jenseits"[Schulz 2012] betitelt. Das "Diesseits" bezeichnet den Herrschaftsbereich des Brautwerbers, während der Herrschaftsbereich des Brautvaters das "Jenseits bildet. Kennzeichnend für die Brautwerbung ist es, dass der Brautwerber in seinem direkten Umfeld keine geeignete Kandidatin findet, weshalb er seinen Machtbereich verlassen muss. Dazu muss der Werber oder sein Helfer das Meer überqueren, welches die beiden Räume voneinander trennt. Erst im "Jenseits" ist die Suche nach einer ihm ebenbürtigen Braut erfolgreich.[Schulz 2012]
Die Brautwerbung bei Eilhart von Oberg
Das Brautwerbungsschema, wie es hier aufgezeigt ist, ist keine Seltenheit in der mittelhochdeutschen Literatur. Vor allem in "Spielmannsdichtungen"[Schulz 2012], die der Heldendichtung und der Legende nahe stehen, ist dieses Konzept häufig aufzufinden. Man unterscheidet zwei Kategorien der Brautwerbung: die "einfache (=unproblematische) Werbung" und die "gefährliche Brautwerbung"[Schulz 2012] . Wie der Name vermuten lässt, ist bei der gefährlichen Brautwerbung immer eine Gefahr für das Leben des Werbers mit inbegriffen. In vielen höfischen Romanen wird das Schema der gefährlichen Brautwerbung auf den Werber angewendet. Hier handelt es sich dann um meist gewalttätige "Usurpatoren" [Schulz 2012], die sich einer wehrlosen Frau bemächtigen wollen. Es existiert ebenfalls eine dritte Kategorie der Brautwerbung, die größtenteils in Aventiureromanen zu finden ist. Bei dieser Art der Brautwerbung steht im Vordergrund die "partnerbezogene Werbung" [Schulz 2012] gefolgt von der Ehe.
In Eilharts Tristrant dagegen "muß der Held als herausragender, kundiger Werbungshelfer für seinen Onkel agieren; das Problem, das hier zunächst eine Rolle spielt, ist, [...] daß derjenige, an den die Werbung delegiert wird, über weitaus größere Qualitäten verfügt als derjenige, der die Werbung eigentlich betreibt."[Schulz 2012]. Tristrant ist der eigentliche Held des Romans, er wird hervorgehoben und bestreitet die Abenteuer und Kämpfe. Er ist auch derjenige, der sich das Recht an Isalde im Kampf erwirbt. Marke dagegen will eigentlich gar nicht heiraten und versucht mit der List der Haarsträhne, sich nicht für den Bund der Ehe zu verpflichten. Er ist in gewisser Weise der Anti-Held dieser Episode.
Die Raumaufteilung im "Tristrant" entspricht der typischen "bipolaren Raumstruktur" des Brautwerbungsschemas, demzufolge sich der Raum in "Jenseits" und "Diesseits" aufteilt. Diese Räume sind durch das Meer voneinander getrennt.[Schulz 2012] In Eilharts "Tristrant" ist das "Diesseits" König Markes (der Brautwerber) Reich Cornwall. Isaldes Vater (Brautvater) ist Herrscher über Irland, welches das "Jenseits" bildet. Marke muss seinen Machtbereich verlassen, beziehungsweise seinen Helfer Tristrant losschicken, um außerhalb des Diesseits nach der passenden Braut zu suchen. Zwar hat Marke eine andere Motivation, weit weg von seiner Heimat zu suchen, dennoch begibt sich Tristrant auf große Fahrt über das Meer, um Isalde zu finden.
Das Ablaufschema sieht in den meisten Fällen wie folgt aus: um sein Geschlecht weiterhin in der Erbfolge der Dynastie zu erhalten, muss ein junger König eine geeignete Frau finden. Diese befindet sich meist weit weg von ihm, in einem fernen Land jenseits des Meeres. Er begibt sich zu ihr, um sie aus der Obhut ihres Vaters zu befreien, der sie meist nicht hergeben will. Wenn er sie trifft, überredet er sie zur gemeinsamen Flucht. Die beiden werden vom wütenden Vater der Braut verfolgt, es kommt zum Kampf und der Werber gewinnt und kann die Braut nach Hause in sein Reich führen.
Im Tristan ist dieses Schema vertauscht. Die Rolle des "außergewöhnlichen Helden"[Schulz 2012] wird von Tristan übernommen, der aber König Marke bei weitem überlegen ist und der eigentliche Werber sein sollte. Tristan und Isolde sind merkmalsgleich. Sie sind beide höfisch und damit eigentlich füreinander prädestiniert. Da hier aber die Rollen vertauscht sind, kann Tristrant sie nicht zur Frau nehmen. Er ist nur der Übermittler. Der eigentliche Werber ist zu schwach oder nicht ehrenvoll genug, sich selbst um die Werbung zu kümmern. Bei der Tristandichtung ist jedoch nicht nur die Rollenverteilung ungewöhnlich, auch der Ablaufplan entspricht nicht der gängigen Methode der Brautwerbung:
Die Handlungsfixpunkte sind nicht so eindeutig wie bei einer nahezu idealtypischen Brautwerbung (z.B. im Vergleich zu König Rother). Die genealogische Einführung beginnt nämlich mit Tristans Geburt und das Leben Markes steht lange eher im Hintergrund, obwohl er der werbende König ist und Tristan sein Bote (wenn natürlich der Werdegang dem Edelmut Markes zu verdanken ist). Auch die Ratsszene ist nur bedingt vorhanden. Es ist zwar die Rede davon, dass eine Heirat des Königs von Seiten des Hofes gewünscht wird, allerdings taucht kein wirklicher Nenner auf. Vielleicht sind die Schwalben eine Art Nenner, obwohl sie eigentlich mehr Rätsel als Kenntnis bringen. Recht typisch verläuft die Benennung Tristans als Boten und die Landung des Helden an einem heimlichen Ort nach der Seefahrt. Die Fahrt selbst erinnert aber eher an eine Irrfahrt, wie man sie aus der Aventiure kennt, als an eine zielstrebige Werbungsfahrt. Weiterhin gibt es keine Entführungssequenzen, da die Heimreise das Schema endgültig sprengt. Während dieser beginnt die Liebesgeschichte zwischen Tristrant und Isalde, als sie sich den Liebestrank einverleiben und damit der Minne verfallen. Die anschließende Auseinandersetzung vollzieht sich nicht mehr zwischen den Polen Brautwerber-Brautvater, sonder zwischen dem Brautwerber und seinem Boten.
Cadalbert zufolge ist das Werk Eilhart von Obergs eine durch das Schema der Brautwerbung teilbestimmte mittelhochdeutsche Dichtung. Aufgrund des Umstandes, dass die Brautwerbung nicht aus voller Überzeugung Markes hervorspringt, sondern eigentlich nur ein Ablenkungsmanöver von den Forderungen des Hofes ist (Konsens ist nur scheinbar!), befindet sich Tristan nicht auf einer klassischen Werbungsfahrt. Er zieht irrend umher und ähnelt fast schon eher einem Aventiure-Ritter. Das unterstreicht nochmal, dass seine Verliebtheit in Isolde I eigentlich kein geplanter Affront gegen Marke ist, sondern Teil „seines Abenteuers“, worin der Minnetrank seine Handlungen lenkt.
Literatur
<HarvardReferences /> [*Schulz 2012] Schulz, Armin: Erzähltheorie in mediävistischer Perspektive. Hg. von Manuel Braun, Alexandra Dunkel, Jan-Dirk Müller, Berlin – Boston 2012, S. 191-214.