Rivalitäten (Reinhart Fuchs)

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Der Artikel thematisiert das Thema der Rivalitäten in dem von Heinrich dem Glîchezaren veröffentlichten Tierepos Reinhart Fuchs [1]. Das Thema befasst sich nicht nur mit den Rivalen des Protagonisten Reinhart Fuchs, sondern bezieht sich auf alle Figuren der Erzählung und stellt somit eine zentrale Thematik dar.



Definition

Bevor man sich mit der Thematik der Rivalitäten intensiver auseinandersetzt, sollte zuerst der Begriff genauer erläutert werden. Im Duden lautet die wörtliche Übersetzung „Kampf um den Vorrang“ [Dudenredaktion 2009]. Aber auch Synonyme wie Gegnerschaft, Konkurrenz und Nebenbuhlerschaft [Dudenredaktion 2020] werden zur Begriffserklärung verwendet. Rivalitäten, beziehungsweise Rivalität, bedeutet also, dass zwei oder mehrere Lebewesen miteinander konkurrieren und versuchen, den jeweils anderen zu entmachten oder zu übertrumpfen. Dabei kann der Grund von Rivalitäten unterschiedlicher Ursache sein. Darauf wird jedoch später noch genauer eingegangen.


Motivationen und Hintergründe der Rivalitäten in Reinhart Fuchs

Immer wieder treffen in dem Tierepos Reinhart Fuchs Rivalen aufeinander, die ihre Konflikte oft mit Gewalt ausüben. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, da das "Mittelalter ein grundsätzlich durch Gewalt bestimmtes Zeitalter" [Dietl 2010:41] war. Um zu verstehen, weshalb diese Rivalitäten entstehen, muss man sich erst einmal genauer mit dem Tierepos auseinandersetzen. Bei genauer Betrachtung der Ereignisse zwischen Reinhart und seinen Rivalen wird offenkundig, dass der Hunger meist Auslöser der Konflikte ist (vgl.[Ruh 1980:17]). So zeigt sich beispielsweise bereits am Anfang des Tierepos, dass Reinhart durch den Hunger getrieben in den Hühnerhof eindringt und durch eine List versucht, Scantecler und Pinte zu ergreifen (vgl. RF, V. 41 ff.). Später am Hoftag klagen die beiden den Fuchs an und fordern eine gerechte Strafe für den Verlust ihrer Tochter (vgl. RF, V. 1458-1480). Auch in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Wolf und dem Fuchs ist der Hunger der Grund für die Rivalität. Anfangs bilden Isengrin und Reinhart eine Partnerschaft (vgl. RF, V. 385-401). Als die beiden dann jedoch einen Schinken entdecken und den Bauern austricksen, um das Essen zu erbeuten, bleibt Reinhart nicht viel davon übrig, wodurch er sich betrogen fühlt (vgl. RF, V. 477-483). Es folgt eine Reihe von Intrigen des Fuchses und aus den ehemaligen Partnern werden Rivalen, die miteinander konkurrieren. Auch die Hoftagsszene ist ein weiteres Beispiel dafür, dass der Hunger oftmals ein Hintergrund für Rivalität ist. So werden Diepreht und der Bär von Reinhart in eine Falle gelockt und aufgrund ihres Hungers und ihrer Gier schikaniert (vgl. RF, V. 1540ff., 1687ff.). Die Anwesenden des Hoftags sind von Reinharts Gerissenheit schockiert und fordern eine gerechte Strafe. Der Hunger führt bei all den genannten Beispielen zu einem Konflikt und aus dem Konflikt entsteht Rivalität. Reinhart provoziert und konkurriert aus Hunger und auch, weil es ein Teil seines Wesens ist. Dabei sind "die 'Kämpfe',[...], auch keine ritterlichen Kämpfe um die Ehre, sondern es geht um Leben und Tod, um Fressen und Gefressenwerden." [Dietl 2010:47]

Außer Hunger gibt es noch weitere Motive in dem Tierepos, die als Gründe für Rivalitäten gelten. So ist auch die Rache ein weiteres Motiv, welches oft mit Gier einhergeht. Reinhart schädigt dem Wolf Isengrin mehrmals aus Rache für seinen bestohlenen Anteil des Schinkens. So begehrt er anfangs Hersant wirklich, jedoch missbraucht er sie später sexuell aus Rache für Isengrins Versuch, Reinhart zu hintergehen (vgl.[Huebner 2016:92]). Der Hunger ist, wie bereits erwähnt, ein Konfliktauslöser, allerdings ist die Gier auch ein nennenswerter Grund, da die Tiere auch ohne Hunger Essen begehren. So kann man sagen, dass der Bär Brun und der Kater Diepreht auch teilweise selbst schuld an ihrem Schicksal waren, da die Gier sie getrieben hat. Reinhart rächt sich an ihnen, da sie zuvor nach seinem Leben trachteten (vgl.[Huebner 2016:93]). So stellen Hunger, Rache und Gier ein Zusammenspiel dar, das Konflikte und Rivalitäten zur Folge hat.

Der Löwe hingegen handelt aus Machtgründen. So beansprucht der König Vrevel die Herrschaft über das Ameisenvolk, welches jene Forderung zurückweist, woraufhin er ihre Burg zerstört (vgl. RF, V. 1252-1266). Der Ameisenburgherr bestraft den König folgendermaßen und erzeugt starke Schmerzen, indem er durch Vrevels Ohr in dessen Gehirn kriecht (vgl. RF, V. 1300f.). Hier zeigt sich das Machtmotiv als Ursache für die Rivalität zwischen dem König und dem Ameisenvolk. Der König missbraucht seine Macht jedoch nicht nur gegenüber dem Ameisenvolk, er nutzt sie auch für sein Eigenwohl und tötet dafür seine eigenen Vasallen. Durch diesen "rücksichtslosen Machtgebrauch" [Bertau 1983:20] verliert er viele seiner Anhänger, wodurch sein Schicksal allein in den Händen seines Rivalen Reinhart liegt.


Rivalitäten


Reinhart und Isengrin


Erste Begegnung

Einordnung in den Handlungsstrang:

Nach den Niederlagen gegen Pinte und Scantecler, der Meise, dem Raben und dem Kater Diepreht, zieht Reinhart hungrig durch den Wald und trifft auf den Wolf Isengrin. Er bemerkt schnell die Naivität des Wolfes und nutzt die Chance zu seinem eigenen Vorteil.


("RF, V. 385-401")

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Do Reinhart die not uberwant, Nachdem Reinhart die Notlage überstanden hatte,
vil schire er den wolf Ysengrin vant. traf er geradewegs den Wolf Isengrin an.
do er in von erst ane sach, Als dieser ihr erstmals erblickte,
nu vernemet, wie er do sprach: hört, wie er dann sagte:
,got gebe euch, herre, guten tac. "Gott grüße Euch, Herr.
swaz ir gebietet unde ich mac Was auch immer ihr verlangt und ich
euch gedinen unde der vrowen min, Euch und meiner Dame leisten kann,
des sult ir beide gewis sin. dessen könnt ihr euch sicher sein.
ich bin durch warnen her zu eu kumen, Ich bin gekommen, um Euch zu warnen,
wan ich han wol vernumen, weil ich wohl bemerkt habe,
daz euch hazzet manic man. dass euch viele Menschen hassen.
wolt ir mich zu gesellen han? Wollt ihr mich als Partner haben?
ich bin listic, starc sit ir, Ich bin schlau, ihr seid stark,
ir mochtet guten trost han zu mir. ihr könnt mir sicher vertrauen.
vor ewere kraft unde von minen listen Von eurer Stärke und meiner Klugheit
konde sich niht gevristen, könnte uns nichts aufhalten,
ich konde eine burc wol zebrechen.', ich könnte gewiss eine Burg zerstören."


Nachfolgende Handlung der Szene

Reinhart nutzt die Gelegenheit und schließt eine Partnerschaft mit Isengrin, da dieser ihm bei der Jagd behilflich sein kann und er nicht länger hungrig jagen möchte. Die beiden gehen auf eine Jagd und bei dieser lenkt Reinhart den Bauern ab, während Isengrin den Schinken klaut. Als Reinhart wieder zurückkehrt, ist von dem Schinken nicht mehr viel übrig und er fühlt sich hintergangen. (vgl. RF, V. 385-483) Daraufhin folgen einige Szenen, in denen Reinhart den Wolf hintergeht und schikaniert.


Bedeutung der Szene

Diese Szene ist von besonderer Wichtigkeit, da sie den Beginn der Fuchs-Wolf-Auseinandersetzung darstellt. Diese Auseinandersetzung ist einer der beiden großen Hauptteile des Tierepos und somit von großer Bedeutung. Auch können aus dieser Szene bereits nachfolgende Komplikationen prognostiziert werden, da die Partnerschaft nicht auf ehrlicher Basis, sondern mit Hintergedanken gegründet wurde. Reinhart hatte nie die Absicht, ein ebenbürtiger Partner zu sein, da er sich schon früh seiner mentalen Überlegenheit bewusst ist (vgl.[Huebner 2016:87]). Er nutzt die Größe und Stärke des Wolfes zu seinen eigenen Gunsten und lässt Isengrin im Glauben, sie seien gleichgestellte Partner. Die Freundschaft der beiden ist bereits von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da es den beiden um "verschiedene Elementarbedürfnisse" [Bertau 1983:20] geht. So wirbt Reinhart kurz nach ihrer ersten Begegnung ungeniert um dessen Frau. Diese Szene ist also der Ausgangspunkt für die Rivalität zwischen dem Fuchs und dem Wolf.



Veränderung von Partnerschaft zu Rivalen

Wie die vorangegangene Szene zeigte, schließen Isengrin und Reinhart ein Bündnis. Da die beiden jedoch unterschiedliche Absichten verfolgen, wird dem Leser bereits bei ihrer ersten Begegnung das Gefühl vermittelt, dass dieses Bündnis scheitern wird. Auch stellen die intellektuelle Überlegenheit und "die situativen Bestandteile schlauen Handelns" [Huebner 2016:86] einen wichtigen Faktor für die Veränderung der Beziehung zwischen den beiden dar. Als der Fuchs und der Wolf gemeinsam auf die Jagd gehen, erbeuten sie einen großen Schinken, der jedoch nicht mit Reinhart geteilt wird. Dies hat zur Folge, dass Reinhart eine Reihe von Machenschaften an Isengrin und seiner Familie verübt. So verspricht Reinhart der Wolfsfamilie 'guten Trunk' [Ruh 1980:19] aus dem Klosterkeller (vgl. RF, V. 505f.). Daraufhin wird die gesamte Familie von Klosterknechten verprügelt. Hier wird bereits deutlich, dass die 'triuwe', die sie sich geschworen hatten, nicht mehr vorhanden ist (vgl.[Ruh 1980:19]). Reinhart hintergeht Isengrin auch weitere Male, sodass dieser nicht nur seinen Kopf verbrüht, in einen Brunnen stürzt und von Mönchen verprügelt wird, sondern auch seinen Schwanz verliert. Diese gewaltvollen Handlungen führt Reinhart allerdings selten selbst aus. Meist lockt er Isengrin in menschlichen Territorien in eine Falle und die Menschen üben anschließend die Gewalt an dem Wolf aus (vgl.[Dietl 2010:50]). Nachdem Kounin Isengrin von dem angeblichen Ehebruch Hersants mit Reinhart erzählte, wendet er sich zwar traurig an seine Frau, glaubt ihrer Verneinung der Tat jedoch (vgl. RF, V. 586-631). Je öfters Isengrin von Reinhart hintergangen wird, desto schwächer, aber auch wütender wird er. Obwohl er sich der 'kundikeit' (RF V. 364) Reinharts bewusst ist, gibt er sich nichtsdestotrotz oft seinen Trieben und seiner Gier hin. Als Reinhart bei einer Verfolgungsjagd Hersant sexuell missbraucht, ist Isengrin der Qualen leid. "Es ist nicht der Ehebruchsverdacht, sondern der vollendete Treuebruch, der die Fehde auslöst" [Ruh 1980:30]. Der Wolf nutzt die Ankündigung des Hoftags, um seinen Rivalen unter der Gunst des Königs endgültig zu stoppen.


Brunnenszene

Einordung in den Handlungsstrang:

Schon nach dem ersten Aufeinandertreffen von Reinhart und Isengrin wird deutlich, dass der Fuchs dem Wolf überlegen ist. Durch Wortgewandtheit und mit Überzeugungskraft gelingt es ihm, den Wolf mehrmals zu hintergehen. Die vorliegende Textstelle zeigt erneut ein Szenario, in dem Isengrin aufgrund von Reinharts List in einem Brunnen gefangen ist und den Menschen zum Opfer fällt. In seiner bedrängten Lage realisiert er erneut die Korruptheit des Fuchses und gesteht sich die Niederlage ein.


("RF, V. 983-995")

Mittelhochdeutsch Übersetzung
si zugen die churben umme, Eifrig drehten sie die Kurbel,
Isengrin, der tumme, und schon war Isengrin, der Dummkopf,
der wart schire uf gezogen. oben.
in hatte Reinhart betrogen. Reinhart hatte ihn schlimm hinters Licht geführt.
der priol hat in nach erslagen, Um ein Haar hätte der Prior ihn erschlagen,
daz muste Isengrin vertragen. soviel musste Isengrin aushalten.
Reinhart tet im mangen wanc, Reinhart hatte ihm gegenüber schon viele Winkelzüge unternommen
daz ist war, wa was sin gedanc, wahrhaftig, wo blieb nur sein Verstand,
daz er sich so dicke trigen lie? dass er sich so oft betrügen ließ?
die werlt stent noch alsus hie, Aber so geht es immer in der Welt,
daz manic man mit valscheit dass viele mit List und Tücke
uberwant sin arbeit besser vorankommen
baz danne einer, der der trewen pflac. als jemand, der es mit der Treue hält.


Nachfolgende Handlung der Szene

Als ein paar Mönche den Wolf im Brunnen entdecken, ziehen sie ihn hinauf und wollen ihn für seine Listen bestrafen. Aufgrund seiner Verstümmelung kommt er davon und nimmt sich vor, sich an Reinhart zu rächen, da dieser ihn nun mehrmals schikanierte und ihn vor seiner Familie schwach wirken lässt.


Bedeutung der Szene

Diese Szene stellt die wachsende Rivalität zwischen dem Fuchs und dem Wolf dar. Bisher war der Wolf oft noch gutgläubig und auch sehr naiv, sodass er mehrmals von Reinhart hintergangen wurde. Doch dieser Vorfall führt dazu, dass Isengrin dem Fuchs auf den Fersen ist und ihn für seine Machenschaften bestrafen möchte. Die Provozierung Reinharts hat also zur Folge, dass Isengrin nun nicht mehr ein passives Opfer der Fuchs-Wolf-Auseinandersetzung ist, sondern aktiv handelt und versucht, etwas gegen Reinhart zu unternehmen.



Reinhart und die Angehörigen des Hoftags


Aufbau Hoftag

Der Hoftag spielt eine wichtige Rolle in Reinhart Fuchs und trägt auch zur Konfliktsteigerung zwischen den Tieren bei. Somit bildet der Hoftag den zweiten Teil des Tierepos und gliedert sich in sieben Teile. Zu Beginn wird die Ameisenuntat des König Vrevels geschildert, welche eine beträchtliche Bedeutung für das Thema der Rivalitäten in Reinhart Fuchs hat. Anschließend wird Reinhart von Isengrin denunziert und folgendermaßen angeklagt. Ebenfalls schildern Scantecler und seine Frau Pinte ihren Verlust aufgrund Reinharts Bosheit und List im dritten Teil und fordern Gerechtigkeit. König Vrevel erkennt den Verlust seiner Autorität und verurteilt Reinhart, was jedoch von dem Elefanten unterbunden wird, da das Gesetz drei Vorladungen fordert. Im vierten Teil folgt das dreifache Aufgebot Reinharts, welches viele Verletzte zur Folge hat. Als Reinhart letztlich doch am Hoftag erscheint, bekennt er sich als Arzt und schafft es auf diese Weise, den König zu manipulieren. Er gewinnt die Oberhand und handelt nach seinem Wohlwollen. Der sechste der sieben Teile schildert die Belohnung des Elefanten und der Olbente. Der Schluss endet mit der Vergiftung Vrevels durch Reinhart.


Anklage Reinharts

Wie bereits im Aufbau erwähnt wurde, wird Reinhart von den Angehörigen des Hoftags angeklagt. Isengrin, der mehrmals von dem Fuchs hintergangen wurde, muss aufgrund von Reinharts Listen mit einigen Verstümmelungen leben. Jedoch leidet er nicht nur an physischen Verletzungen, sondern muss auch mit der Schande und Qual leben, dass seine Frau Hersant von Reinhart vergewaltigt wurde. Auch Scantecler und seine Frau Pinte fordern eine gerechte Bestrafung Reinharts, da er sie des Öfteren jagte und ihm letztlich ihre Tochter zum Opfer fiel (vgl. RF, V. 1458-1473). Die Anklage stellt eine wichtige Szene dar, da hier nicht mehr nur die Rivalität zwischen Reinhart und Isengrin im Zentrum steht, sondern alle Anwesenden des Hoftags der Bestrafung des Fuchses zustimmen und folgendermaßen Reinhart ein Rivale für alle Anwesenden ist. Denn bereits zu Beginn des Tierepos interagiert Reinhart in einer vorspielartigen Aventiurenreihe mit mehreren Tieren und versucht mit Überzeugungskraft und List diese Tiere in eine Falle zu locken (vgl.[Neudeck 2016:12]). Auffällig ist dabei, dass Reinhart versucht, trotz Verwandtschaftsbeziehungen zu einigen seiner Opfer, seinen Hunger zu stillen (vgl.[Dietl 2010:47]). Da Reinhart den meisten seiner Begegnungen nur mit hinterlistigen oder feindlichen Absichten begegnet, ist es nicht sonderlich überraschend, dass die Anwesenden des Hoftags der Forderung des Königs zustimmen.



Wachsende Feindlichkeit gegenüber Reinhart

Zwar stimmen fast alle Angehörige des Hoftags der Todesstrafe Reinharts zu, doch der Elefant betont die Relevanz der Einhaltung der Gesetze (vgl. RF, V. 1635-1641). Dies hat zur Folge, dass der Kaplan sein Fell auf dem Kopf verliert und Diepreht nur knapp dem Tod entkommt. Nicht nur das Volk, sondern auch König Vrevel entwickelt eine immer stärker werdende Abneigung gegenüber Reinhart und fordert dessen Tod, da dieser seine Autorität untergräbt. Hier ist bereits die Komparation der Rivalität zwischen den Tieren und Reinhart zu erkennen. Nachdem Reinhart dreimal vorgeladen wurde, erscheint er am Hoftag. Jedoch wurde er von dem Dachs Krimel gewarnt und weiß geschickt sein Urteil abzuwenden. Im Aufzug eines Arztes erscheint er am Hoftag und behauptet, er könne die Qualen des Königs heilen (vgl. RF, V. 1821-1885). Trotz seiner physischen Unterlegenheit weiß Reinhart sich nicht nur gegen Isengrin, sondern auch gegen den König zu wehren, mit "der Macht der Rechtfertigung" [Neudeck 2016:12]. Die anderen Tiere widersprechen Reinhart, der König hingegen glaubt ihm, da er hauptsächlich auf sein Eigenwohl fokussiert ist. Da Reinhart nun die Oberhand gewonnen hat, kann er durch seine neu erworbene Macht seine Gegner systematisch beseitigen, folgendermaßen wird der Angeklagte "zum Richter und Schinder" [Ruh 1980:25]. So schafft er es auch, durch einen einfachen Trick seinen Rivalen Isengrin zu schädigen, da der König laut ihm das Fell eines alten Wolfes für seine Genesung benötige. Das Gleiche gilt auch für den Bären Brun und den Kater Diepreht. Reinhart behauptet, dass man noch ein Bärenfell und eine Mütze aus Katzenfell brauche, damit die Schmerzen auch verschwinden (vgl. RF, V. 1896f.). Der Fuchs kann so erneut diejenigen überlisten, die ihn vorgeladen haben. Die Anwesenden werden immer unruhiger und versuchen, den König wieder zur Vernunft zu bringen, jedoch interessiert sich der "tyrannisch-willkürliche Vrevel" [Ruh 1980:23] nur für sich selbst. Scantecler, der Reinhart ebenfalls anklagte, muss nun auch noch den Verlust seiner Frau Pinte erleiden. Ferner wird auch der Hirsch Randolt ein Opfer Reinharts. Je mehr Tiere geopfert oder gehäutet werden, umso größer wird der Hass auf Reinhart. Aber auch immer mehr Anwesende hinterfragen die Kompetenz und das Urteilvermögen des Königs. Da die Opfergabe kein Ende nimmt und Reinhart all seine Rivalen ausschalten möchte (vgl. Der Hoftag), fliehen alle bis auf Krimel und das Kamel (vgl. RF., V. 1992-1998).


Der Löwe Vrevel und der Ameisenburgherr


Konfliktursache

Der Löwe Vrevel ernennt sich selbst als Gebieter des Ameisenvolks. Das Volk möchte sich jedoch nicht dem egoistischen Löwen unterwerfen und weist diese Forderung zurück. Dies hat zur Folge, dass Vrevel ihre Festung zerstört und dabei auch viele Opfer in Kauf nimmt (vgl. RF, V. 1252-1269). Der Ameisenburgherr rächt sich an Vrevel für diese Untat und kriecht ihm ins Ohr und weiter ins Gehirn. Daraufhin erleidet König Vrevel unerträgliche Schmerzen. Ihm ist jedoch nicht bewusst, dass der Grund für sein Leiden der Ameisenburgherr ist (vgl. RF., V. 1299-1307). Da die beiden Herrscher unterschiedliche Werte und Ansichten vertreten, wird aus einem Konflikt eine Rivalität, die auch viele Konsequenzen nach sich zieht. Der Löwe Vrevel möchte über das Ameisenvolk herrschen, da er der Meinung ist, dass es ihm zusteht und er ein Recht darauf hat. Er strebt danach, der Herrscher über das gesamte Land und alle Tiere zu sein. In diesem Sinne unterscheidet er sich bereits deutlich von dem Ameisenburgherr. Denn jenem geht es nicht um die Macht, sondern um das Wohlwollen seines Volkes, weswegen er sich in ihrem Sinne an Vrevel rächt, möge es auch sein Leben kosten.


Konfliktsteigerung

König Vrevel sieht seine Schmerzen als Strafe für den längst anfälligen Hoftag, sodass er diesen einberuft. Die Hoftagsszene zeigte bereits, welches Ausmaß die Ansammlung durch Vrevels Leiden nimmt. Da Reinhart die Ursache für die Schmerzen des Königs kennt, kann er ihn leicht manipulieren, weil ihm die rücksichtslose Art des Löwen bewusst ist (vgl. RF., V. 1302-1305). Reinhart nutzt die Rivalität zwischen Vrevel und dem Ameisenburgherr aus, um seine Absichten zu verfolgen. Obwohl der Ameisenburgherr von der Gewalttätigkeit des Königs weiß und bereits selbst viele Verluste erlitt, stoppt er die Opferung der Tiere nicht und rächt sich weiterhin. Die anfangs ehrenhafte Tat des Burgherrn zeigt sich nun als eigensinnige Rache. Zwar hat er seinem Volk versprochen, sich an Vrevel zu rächen, jedoch verursacht diese Rache weit größere Schäden, die nicht nur Vrevel betreffen.


Bestechungsszene

Einordnung in den Handlungsstrang:

Der Ameisenherr bereitet dem Löwen Vrevel durchgängig Schmerzen, nachdem er in sein Ohr gelangte. Reinhart, der diese Szene beobachtete, weiß die Schmerzen des Königs zu behandeln, nutzt jedoch sein Wissen, um seinem Rivalen zu schaden. Erst nachdem er dies erfolgreich meistert, wendet er Hitze an, damit der Ameisenherr gezwungen ist, wieder aus dem Ohr zu kriechen. Reinhart stellt ihn zur Rede und fordert dessen Tod.



("RF, V. 2053-2066")

Mittelhochdeutsch Übersetzung
der ameyze zu Reinharte sprach: Der Ameisenherr gab Reinhart zur Antwort:
'iz tet mir not, wen er mir zubrach "Ich musste es tun, denn er hat meine
eine gute burck, der kunic her. vortreffliche Burg zerstört, dieser stolze König.
da geschah mir an michel ser, Das bedeutete für mich einen großen Verlust,
daz ich nimmer mag verclagen: den ich nie genug beklagen kann.
miner mage lag da vil erslagen, Viele Verwandte lagen tot da,
dar umme han ich ditz getan. und darum habe ich so gehandelt.
wilt du mich genesen lan, Wenn du mich leben lässt,
ich laze dich in diesem walde min kannst du in diesem meinem Wald
uber tusent burge gewaltic sin.' über mehr als tausend Burgen herrschen."
Reinhart da gute sune vant, Reinhart fand damit eine gute Sühne
den gevangen liez er zehant. und entließ den Gefangenen auf der Stelle.
des wart der ameyze harte vro, Darüber freute sich der Ameisenherr sehr
zu walde hub er sich do. und enteilte in den Wald.


Nachfolgende Handlung der Szene

Durch Reinharts Anordnungen werden der Elefant und das Kamel belohnt, jedoch initiierte Reinhart dies mit falschen Intentionen. Folglich werden die beiden stattdessen verwundet oder "auf den Tod geprügelt" (RF, V. 2151). Letztens vergiftet er den Löwen Vrevel.


Bedeutung der Szene

In dieser Szene nutzt Reinhart die Rivalität des Löwen und des Ameisenherrn zu seinem eigenen Vorteil. Obwohl der Ameisenherr seinem Volk geschworen hat, sich an Vrevel zu rächen, auch wenn dies sein Tod bedeuten würde, tauscht er hier die Unabhängigkeit seines Volkes für sein Leben ein. Viele Beispiele zeigten bereits, dass die Tiere oft aus Gier, Rache oder Hunger handeln und auch hier zeigt sich der Ameisenherr als egoistisch, da es um Leben oder Tod geht. Für sein Leben nimmt er es nun in Kauf, dass ein anderer über die Burg herrschen wird, obwohl der Großteil seines Volkes sich dafür geopfert hat, dass sie sich nicht dem König Vrevel unterwerfen müssen. Diese Szene ist auch ein Ausgangspunkt für das weitere Vorgehen von Reinhart. So nutzt er die Bestechung des Ameisenherrn und geht gegen seine weiteren Rivalen vor, die er geschickt überlistet.



Konsequenzen der Rivalität

Je mehr und je länger Reinhart und Isengrin miteinander rivalisieren, desto schlimmer werden auch die Folgen. Reinharts Provokationen nehmen mit der Zeit auch mehr an Gewalt an, so führen anfängliche Verbrennungen und Prügel zu der Verstümmelung Isengrins und dem sexuellen Missbrauch dessen Frau (vgl. Täter und Opfer). Als Rache nutzt Isengrin am Hoftag die Gunst des Königs und klagt Reinhart an. Reinhart hingegen lässt sich nicht unterdrücken und kann durch Argumentation die Oberhand gewinnen (vgl.[Neudeck 2016:20]). Ihm gelingt es erneut, Isengrin öffentlich zu schikanieren und lässt ihm vor allen anderen das Fell abziehen.

Wie bereits erwähnt, missbraucht König Vrevel seine Macht gegenüber dem Ameisenvolk und seinen Vasallen, weshalb einige Konflikte entstehen (vgl. Gewalt und Herrschaft). Aus dem Machtstreben des Löwen resultieren einige Konsequenzen. So legt auch Otto Neudeck dar, "dass mit der lähmenden Krankheit des Löwen nicht nur eine Krise für seine Herrschaft, sondern für das ganze Herrschaftsgefüge verbunden ist – eine Krise, die Rivalität, aber auch Solidarität unter den Vasallen evoziert." [Neudeck 2016:15] So opfert der König seine eigenen Vasallen für seine Gesundheit. Reinhart ist dabei der Drahtzieher der ganzen Geschichte, da er den König von seinen Fähigkeiten als Arzt überzeugt und somit die Oberhand gewinnt (vgl. V. 1875f.). So gelingt es ihm beispielsweise, sich an Diepreht, Brun oder Scantecler zu rächen, die er als seine Rivalen ansah. "Er liefert nicht nur all seine Gegner ans Messer, die ihm zuvor beim König, aber auch schon früher nach dem Leben getrachtet haben, sondern er zerstört auch nachhaltig die politische Ordnung der Tiergesellschaft" [Neudeck 2016:22]. Somit hat die Rivalität zwischen Reinhart und seinen Opfern nicht nur dessen Tod, sondern auch den Sturz der Monarchie zur Folge. Die Rivalitäten im Reinhart Fuchs haben folgendermaßen nicht nur körperliche Auswirkungen, sondern auch Auswirkungen auf politischer Ebene. Damit lassen sich auch Deutungen bezüglich der politischen Haltung des Dichters zu seiner Zeit machen (vgl.[Neudeck 2016:22]). Da König Vrevel Reinharts Tod forderte, wird auch er von Reinhart hintergangen. Der Fuchs hatte nie die Absicht, den König zu heilen, da er die prekäre Herrschaft Vrevels erkennt und ihn dementsprechend am Ende selbst vergiftet (vgl. V. 2174).

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences />

  • [*Bertau 1983] Bertau, Karl: 'Reinhart Fuchs'. Ästhetische Form als historische Form, in: ders.: Über Literaturgeschichte. Literarischer Kunstcharakter und Geschichte in der höfischen Epik um 1200, München 1983.
  • [*Dietl 2010] Dietl, Cora: ‚Violentia‘ und ‚potestas‘. Ein füchsischer Blick auf ritterliche Tugend und gerechte Herrschaft im ‚Reinhart Fuchs‘, in: Dichtung und Didaxe. Lehrhaftes Sprechen in der deutschen Literatur des Mittelalters, hg. von Henrike Lähnemann und Sandra Linden, Berlin 2010.
  • [*Huebner 2016] Hübner, Gert: Schläue und Urteil. Handlungswissen im ‚Reinhart Fuchs‘, in: Techniken der Sympathiesteuerung in Erzähltexten der Vormoderne. Potentiale und Probleme, hg. von Friedrich M. Dimpel und Hans Rudolf Velten, Heidelberg 2016.
  • [*Neudeck 2016] Neudeck, Otto: Der Fuchs und seine Opfer: Prekäre Herrschaft im Zeichen von Macht und Gewalt. Die Fabel vom kranken Löwen und seiner Heilung in hochmittelalterlicher Tierepik, in: Reflexion des politischen in der europäischen Tierepik, München 2016.
  • [*Ruh 1980] Ruh, Kurt: Reinhart Fuchs. Eine antihöfische Kontrafraktur, 1980.
  • [*Dudenredaktion 2009] Dudenredaktion (2009): Duden - Die deutsche Rechtschreibung (25. Aufl., S. 907). Mannheim, Deutschland: Bibliographisches Institut.
  • [*Dudenredaktion 2020] https://www.duden.de/rechtschreibung/Rivalitaet (zuletzt abgerufen am 05.01.20)
  1. Alle weiteren Versangaben beziehen sich auf: Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, Hg. Karl-Heinz Göttert, Reclam, Stuttgart 1976.