Liebestrennung (Gottfried von Straßburg, Tristan)
Wie im Prolog (Gottfried von Straßburg ,Tristan) des Tristanromans angekündigt, ist ein wesentlicher Bestandteil der Minne-Konzeption Gottfrieds von Straßburgs :Der Gedanke des Getrenntsein der Liebenden. So heißt es dort : der inneclichen minne muot, so der in siner seneglot ie mere und mere brinnet, so er ie serer minnet.(111)
Diesem „siner seneglot“ -also dem „Sehnsuchtsschmerz“ - unterliegen Tristan und Isolde am Ende des zweiten Bandes, nachdem sie ihr Leben getrennt von einander leben müssen.
In diesem Artikel soll der Umgang der beiden Liebenden mit dem Sehnsuchtsschmerz analysiert werden. Wichtig hierbei ist, wie der Gedanke der „Triuwe“- der Bewährung der Liebe, trotz körperlicher Trennung -im Tristanroman umgesetzt wird.
Das Motiv der Trennung
Gottfried von Straßburg beruft sich in seiner Liebesidee im Tristan auf die „Reinheit der Minne“. Wichtig hierfür sind die Faktoren der Einmaligkeit, der Einzigartigkeit der unbedingten Treue (Der Triuwe) , sowie der Leidensbereitschaft. [1] Eine solche Liebe, die diese Faktoren erfüllt, kann nur durch die Trennung bewiesen werden. Tristans Flucht am Ende des zweiten Bandes ist eine wichtige Bewährungsprobe für die Liebenden und bedeutet einen neuen Lebensabschnitt für Beide.
Da es sich bei dem Tristanroman um ein Fragment handelt, kann in diesem Artikel nicht der letztendliche Ausgang der Situation geschildert werden. Doch die einzelnen Monologe der Liebenden, zeigen den Umgang mit der Trennung und verdeutlichen, dass sich der Einzelne über den Anderen definiert,oder anders gesagt : „Wen man den anderen nicht mehr in seinen Armen hält, hält man nichts“[2]
In den zwei letzten Kapiteln: „Rückkehr und Trennung“, sowie „Isolde Weißhand“ ist es nicht mehr die Instanz der Huote- Überwachung, die Isolde und Tristan an der Erfüllung ihrer Liebe hindert, sondern das Aufdecken der Liebesbeziehung und die damit verbundenen gebrochenen gesellschaftlichen Tabus sind es, die Tristan letztendlich zur Flucht zwingen.
Der Abschiedsmonolog Isoldes
Nachdem Marke die Liebesbeziehung zwischen Isolde und Tristan endgültig aufgedeckt hat, kündigt Tristan Isolde an, dass er nun für immer fort gehen muss. Er fordert einen Kuss zum Abschied von ihr. Bevor sie ihm diesen gewährt, reflektiert sie in einem Abschiedsmonolog die Situation erstaunlich gefasst und nach vorne blickend. Sie beklagt sich nicht und bereut auch nichts von dem was geschehen ist .
Der Monolog wird mit der Warnung vor der Gefahr des Vergessens eingeleitet: herre , unser herze und unser sin diu sint dar zuo ze lange, ze anclich und ze ange an ein ander vervlizzen, daz s iemer suln gewizzen waz under in vergezzen si.'(18290)
Der Höhepunkt ihrer Treuebekenntnis ist das Beschreiben der gegenseitigen Verbundenheit, welche in dieser Aussage deutlich wird :
wir ensin iemer beide der liebe unde der triuwe staete unde niuewe, diu lange und alse lange vrist so reine an uns gewesen ist. (18305)
Auch der Gedanke "ein Herz" zu sein wird wieder aufgegriffen : wart isot ie mit Tristane ein herze unde ein triuwe, so ist ez iemer niuwe
Nach dieser Schilderung jedoch, wendet sich der Monolog hin zu einer Mahnung. Isolde äußert ihre dringende Bitte: Ein Versprechen das Tristan ihr geben soll bevor sie ihn zum Abschied küsst:
doch will ich einer bete gern : sweclh enden landes ir gevart, daz ir iuch ,minin lip, bewart. wan swenne ich des verweiset bin so bin ich iuwer lip, da hin.
Sie verdeutlicht damit,dass sein Tod auch das Ende ihres Lebens bedeuten würde. Damit wird die sehr wichtige Todesmetaphorik wiederum aufgegriffen, die auch schon im Prolog angekündigt wurde. Der erste Teil des Monolgs konzentrierte sich auf die Verbundenheit durch Liebe , wohingegen im zweiten Teil des Monologs , der auch als eine Warnung bezeichet werden kann, der Todesgedanke eine wichtige Rolle spielt. Die Kontrastelip-leben-tot- werden somit sehr deutlich herausgestellt. [3]
Zusammenfassend sind die Worte Isoldes ein Glaubensbekentnis an die Unzerstörbarkeit der Liebe und an die absolute Triuwe . Auffällig ist, wie viel Gewicht Gottfried damit der Frauenstimme zukommen lässt, da Tristan in diesem Abschnitt kaum Redeanteil hat. Am Ende des Monologs überreicht Isolde Tristan einen Ring zum Zeichen der Treue und bekräftigt ihre Worte mit einem Kuss, was ihr gemeinsames Versprechen besiegeln soll.
Isoldes Kummer
Nachdem Tristan fort ist lebt Isolde ohne ihn an Markes Hof. Der Erzähler schildert ihre neue Situation und den Kummer mit dem sie zu kämpfen hat. Die Sehnsuchtsqualen sind ihr anzusehen:
Daz lieht ir liehten ouge daz nam sin selbes lougen (18480)
In einem weitern Monolog bringt Isolde ihre Qualen zum Ausdruck, ihre Ungewissheit und ihre Sehnsucht nach Tristan. Wiederum kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass das Leben und der Tod beider fest miteinander verwoben sind: wir zwei wir tragen under uns zwein tot unde leben ein ander an (18510)
Isolde fragt sich, wo Tristan sich befindet und sie sorgt sich auch um seinen Kummer:
sin jamer und sin pine diust groezer dan diu mine(18560)
Ihr eigenes Leben wird ihr zur Pflicht, doch die Hauptsache für sie ist, dass Tristan am Leben ist. [4]
Tristan in Arundel
Tristan führt Krieg in Arundel auf der Seite von Kaedin. Er sucht die Gefahr, womöglich auch den Tod. Es gelingt ihm mit Hilfe aus Parmenien die Feinde zu schlagen. Dadurch wird ihm zum vermehrten Male Ansehen und Ruhm zuteil. Die Schwester Kaedins, Isolde mit den weißen Händen, hört auf diese Weise von Tristan. Isolde Weißhand erinnert ihn an seine geliebte Isolde und dies vermehrt seine Sehnsuchtqualen. Die Erinnerung quält ihn, doch er liebt diesen Schmerz, der ihm Isolde nahe bringt. In inneren Monologen beschreibt er seine Verwirrung ,die durch den Namen Isolde zustande kommt.
Tristans Monologe
wie bin ich von diesem namen verirret!(1899)
Isolde mit den weißen Händen, die ihm sichtlich zugeneigt ist , hat es ihm, in erster Linie wegen der Erinnerung an die blonde Isolde, auch angetan. Er befindet sich in einem starken, inneren Konflikt zwischen Entsagen und Begehren. Tristan widersteht zwar der Versuchung, letztendlich macht er sich aber doch schuldig, sei es auch nur : „an gedanken“. [5]
Tristan versucht sich mehrfach von Isolde Weißhand abzuwenden, was ihm jedoch nicht gelingt. In insgesamt drei Monologen gesteht er sich seine Schuld ein und macht sich Selbstvorwürfe:
ich ungetriuwer,waz tuon ich ?ich weiz doch warez alse den tot :min herze und min leben Isoot,an der ich han g unsinnet diu enmeinet doch enminnet niht dingens auf der erden (19145)
Er bezeichent sich selbst als irregeleitet, verwirrt und treulos. So ist er sich auch klar darüber, dass er das Versprechen das er Isolde gab, gebrochen hat.
Mit Kommentaren beschreibt der Dichter, was für eine starke Treueprüfung Isolde mit den weißen Händen für Tristan darstellt. So heißt es:
er qual nach jener starke und zoch sich hie von dirre sus .was er beider irre (19390)
Am Ende des zweiten Bandes wird das Ringen Tristans und seine Verzweifelung, sowie die innere Verwirrung immer größer. Neben seinen Selbstvorwürfen ,stellt er viele Fragen, macht Anschuldigungen und sucht Entschuldigungen. Klar wird : Die Liebe in bloßen Gedanken reicht nicht mehr. [6]
Fazit
Die Trennung ist ein wichtiges Motiv innerhalb der Minnekonstellation. Die Liebenden müssen sich ihre gegenseitige Triuwe beweißen. In den einzelnen Monologen der Liebenden wird deutlich, wie sie mit der Trennungssituation umgehen. Isolde zeigt emotionale Reife und Stärke und schätzt die gesamte Sitaution sehr vorrausschauend ein. Anders dagegen Tristan der sichtlich von seinen Gefühlen überfordert ist und sich letzendlich, aufrgund seiner Sehnsuchtsqualen ,zu Isolde Weißhand hingezogen fühlt. Die Liebestrennung ist die größte Bewährungsprobe ,die den Liebenden droht , die Trennung voneinander bedeutet letztendlich auch das Scheitern und den Tod der Protagonisten (siehe dazu Die Todesmetaphorik )
Literaturverweis
- ↑ Weber,Gottfried:Gottfried von Straßburg. Tristan und die Krise des hochmittelalterlichen Weltbildes um 1200.Band 1. Jb Verlagsbuchhandlung Stuttgart : 1953.Zitiert als Weber. Darin: S.46.
- ↑ Haug,Walter:Literaturtheorie im deutschen Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 13.Jahrhunderts.WBG Darmstatd 1985.S. 43.
- ↑ Wolf, Alois: Gottfried von Strassburg und die Mythe von Tristan und Isolde.Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt.S 242-243
- ↑ Vgl.Weber S. 51.
- ↑ Vgl.Weber S. 53
- ↑ Vgl.Weber S.62.
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