Bernerton
Der Bernerton, in der älteren Forschung auch Berner Weise genannt, ist ein Strophengebilde, das in der aventiurehaften Dietrichepik entstand.
Eine Strophe besteht aus 13 Verszeilen. Sie beginnt mit zwei Dreierversgruppen: A (1-3) und A (4-6) mit Schweifreim. (aabccb) Darauf folgt eine siebenzeilige Versgruppe B (7-13), die aus einer Kreuzreimgruppe B(7-10) (dede) und einer Waisenterzine B (11-13) (fxf) besteht. Alternativ zur Waisenterzine sind die beiden Schlussverse auch als Langzeile zu deuten lesbar, sodass sich nun ein Paarreim ergibt.
In den Ausgängen wechseln männliche und weibliche Kadenzen, wobei die männlichen mit Ausnahme des letzten vierhebig sind, die weiblichen dagegen dreihebig. (klingend ebenfalls vierhebig). Als schematische Formelnotation gilt also: 4ma 4ma 3wb 4mc 4mc 3wb 4md 3we 4md 3we 4mf 3wx 3mf
Strophenbeispiele
(Älterer Sigenot, Strophe 17): 4ma Do sprach der ritter unverzait 4ma "Helt, das sol dir sin gesait: 3wb Hiltebrant bin ich gehaissen 4mc Und bin von Garten oech geborn. 4mc Du la dirs niht wesen zorn: 3wb Ze manhait wil ich raisen 4md den vil lieben herren min. 3we Der ist geboren von Berne, 4mf her Dietherich ist der name sin. 3we Ich dien im harte gerne, 4mf so ich iemer aller beste kan." 3wx Sin swert zuht er drate 3mf und luf den risen an.[Lienert 2020] |
(Meerwunder, Strophe 8 / Versbereich 92-104): 4ma Do sprach der edel furst so zart, 4ma Der was ein here in Lampart: 3wb "So zichet mit mir heime, 4mc Und al ewr sorg die sey gelegen. 4mc Man sol ewr tugentlichen pflegen 3wb Als zarten frawen reine." 4md Sie sprach: "mein her, des danck euch got, 3we Edler her so lobesane. 4md Det ichs verleit, so sturb doch dot 3we Doheym mein lieber mane. 4mf Do ich heut morgen von ym ging, 3wx Doch gab er mir lieblich sein kuss, 3mf Mit armen schon er mich umbfing.[Kofler 2006] |
(Goldemar, Strophe 9): Goldemâr spranc vür den berc. ein rîcher künec was daz getwerc, gewaltec wilder liute. er sprach 'hœrent, ir riter vil guot, 5ir mugt wol hân eins löuwen muot. vernement waz ich diu diute. ich bin iu, herre, daz ist wâr, ze strîte niht gewahsen: iurn schilt und iuwern helm sô klâr 10den vüerent hin ze Sahsen. dâ zerbrechent ir iur sper: ir vindent strîtes an mir niht' sprach Goldemâr der künic hêr.[Zupitza 1870] |
Sonderformen
Im älteren Sigenot findet sich die Kombination einer männlichen Kadenz in Vers 12 mit einer Dreihebigkeit in Vers 13. In der Virginal erscheint die Waisenterzine mit männlicher Kadenz in Vers 12 und Vierhebigkeit in Vers 13. Eine weibliche Kadenz in Vers 12 mit Vierhebigkeit in Vers 13 lässt sich im Eckenlied auffinden. [Heinzle 1999]100-103
Entstehung und Verbreitung
Die ältere Forschung sah Albrecht von Kemenâten als Urheber des Bernertons an. In seinem Goldemar findet sich allerdings die jüngere Variante des Bernertons mit Kreuzreim im Abgesang auf.
Weiterentwicklungen aus dem Bernerton sind der Herzog-Ernst-Ton und die Heunenweise, die sich mit ihm überliefert im Dresdner Heldenbuch auffinden.
Literatur
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Primärtexte
[*Kofler 2006] Kofler, Walter: Das Meerwunder, in: Das Dresdener Heldenbuch und die Bruchstücke des Berlin-Wolfenbütteler Heldenbuchs. Edition und Digitalfaksimile, hg. von Walter Kofler, Stuttgart 2006. S. 236–234.
[*Lienert 2020] Sigenot, hg. von Elisabeth Lienert, Elisa Pontini und Stephanie Baumgarten, Berlin/Boston 2020. (Texte und Studien zur mittelhochdeuten Heldenepik, Bd. 12)
[*Zupitza 1870] Dietrichs Abenteuer von Albrecht von Kemenaten nebst den Bruchstücken von Dietrich und Wenezlan, hg. von Julius Zupitza, Berlin 1870. (Deutsches Heldenbuch, Fünfter Teil)
Sekundärliteratur
[*de Boor 1962] de Boor, Helmut: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter, hg. von Helmut de Boor und Richard Newald, München 1962. (Geschichte der deutschen Literatur, Bd. 3)
[*Heinzle 1999] Heinzle, Joachim: Einführung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik, Berlin/New York 1999.