Gawan und die Minne (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Gawan wird in der klassischen Artusepik durchgängig als nobler Vorzeigeritter dargestellt, welcher sich am besten auf die Einhaltung der Regeln des Rittertums versteht und selbiges auch konsequent vorlebt. In Wolframs Parzival kommt er diesem Ideal nicht immer nahe, sondern offenbart allzu menschliche Schwächen. Besonders fällt das zu Anfang in seinem Umgang mit den Damen des Hofes und der Minne auf.

Gawan und Obilot

Es ist offensichtlich, dass die junge Obilot sich Hals über Kopf in „ihren“ Ritter verliebt. Sie offenbart dabei nicht nur ein bereits sehr ausgeprägtes und vor allem sehr weitgehendes Verständnis von höfischer Minne, sondern auch eine gewisse Frühreife, welche nicht nur Gawan bei ihr bemerkt. Darüber hinaus geht seine Aufmerksamkeit ihr gegenüber allerdings nicht. Geradezu desinteressiert lässt er das noch junge Mädchen damit abblitzen, dass sie für die Liebe noch fünf Jahre zu jung sei. Es ist schwer zu sagen, ob sein Desinteresse aus Ignoranz oder Vorsicht vor einer unziemlichen Verbindung herrührt, doch ist es bezeichnend für ihn, dass er sich mit ihr, was ihre Liebe zu ihm betrifft, nicht weiter auseinandersetzt und sie in ihrem Schmerz allein zurücklässt.

Gawan und Antikonie

Gawan tritt in dieser ersten Begegnung mit Antikonie wie ein echter Frauenheld auf, der sich gerne über höfische Konventionen hinwegsetzt. Hier macht er nicht einmal Anstalten sich anständig und angemessen zu verhalten, sondern gibt seiner sexuellen Begierde direkt und unverblümt Ausdruck. Ungeachtet der anwesenden Dienerschaft flirtet er mit der Schwester des Königs und stößt damit bei ihr auf eher symbolischen Widerstand. Es kommt nur deshalb nicht zum Liebesakt, weil er durch einen beobachtenden Ritter verraten wird. Der Erzähler kommentiert das Spiel mit ziemlich ironischem Unterton und kann sich dabei den ein oder anderen spitzen Kommentar nicht verkneifen. Man bekommt daher den Eindruck Gawan sei schönen Frauen gegenüber sehr triebgeleitet und der Erzähler belächele diese Eigenart, denn er sieht die Minne als Ausdruck höchster „Truiwe“ und nicht das Ausleben von feuriger Leidenschaft. Von einem Idealbild der Minne ist Gawan also in dieser Episode sehr weit entfernt.

Gawan und Orgeluse

Als er Orgeluse sieht, verfällt Gawan sofort in leidenschaftliche Liebe, denn auch sie ist ausnehmend schön und dies scheint den Ritter wohl schnell zu verzücken. Gawan stößt hier, im Gegensatz zur Begegnung mit Antikonie, auf starke Ablehnung und stellt sich deshalb in den Minnedienst für Orgeluse um so ihr Herz für sich zu gewinnen. Wieder wirkt die Darstellung des Erzählers ein wenig spöttelnd, zudem dem Ritter zuerst in ihrem Dienst nicht viel gelingen will und ihm dabei das ein oder andere äußerst peinlich Missgeschick geschieht.