Schönheit und Hässlichkeit (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hier entsteht ein Artikel, der sich mit den Personenbeschreibungen in Wolframs von Eschenbach Parzival beschäftigen wird. Dabei soll auch der Zusammenhang zwischen Aussehen und Charakter der Personen untersucht werden.

Die Einstellung zu Aussehen im Mittelalter

Schönheit

Innere und Äußere Schönheit

"Das ist ja alles schön und gut!" Aber ist immer alles, was schön ist, gleichzeitig auch gut? Eine Frage, die im Mittelalter hochaktuell ist. Liest man mittelalterliche Romane, stößt man immer wieder auf diese Gleichsetzung. Tapfere Helden sind stehts auch so schön, dass sie alle Blicke auf sich ziehen und deren böse Gegner aufgrund ihrer Hässlichkeit schnell als solche zu erkennen. Diese Vorstellung hat ihren Usprung schon bei Platon. Das antike Ideal der "Kalogathia" vereint innere und äußere Schönheit (Vgl.: [Michel 1976: S. 89]).
Obwohl man in dem christliche geprägten Denken des Mittelalters wohl eine gewisse Vorsicht erwartet, angesichts dieses großen Stellenwerts den so die äußerliche Schönheit einnimmt, wundert man sich stattdessen, wie die antike Vorstellung wieder auflebt. Das von Gott geschaffene Äußere könne als Spiegel des Inneren eines Menschen gesehen werden, Schönheit verweise ebenfalls auf innere Vollkommenheit. [Wuthe 2008: Vgl.: S.11]
Diese Vorstellung des Mittelalters wird auch von dem Verhalten der Herrscher beeinflusst. Diese versuchen in ihrer Selbstdarstellung durch ihr höfisches Verhalten gleichzeitig ihre Machtstellung, ihre kostbare Ausstattung, ihre äußere Schönheit und ihre innere Größe zu beweisen. Höfische Repräsentation zeigt die Vereinbarkeit von einem schönen Körper als Ausweis von Herkunft und Stand, und einem hohen Charakter, was sich immer wieder in den Romanen dieser Zeit niederschlägt. [Pappas 2001: Vgl.: S. 160] "Die Idealvorstellung einer verläßlichen Korrespondenz von innerer Qualität und äußerer Erscheinungsform ist Vorraussetzung und Ziel der höfischen Erziehung." [Wenzel 1994: S. 214]

Obwohl sich die bisher dargestellte Einstellung zu Schönheit in vielen Werken des Mittelalters wiederfinden lässt und "die Autonomie des Schönen wahrhaft erst im 18. oder 19. Jahrhundert erschüttert wird" [Dallapiazza 1985: S.400] , gibt es durchaus in der Forschung auch Gegenmeinungen. Durch die Kreuzigung Jesu Christi ist im Christentum fest verankert, dass in äußerlich hässlichem wertvolles und höchste seelische Schönheit versteckt sein kann. [Dallapiazza 1985: Vgl.: S. 410] Es wird in mittelalterlicher Literatur auch die Diskrepanz zwischen Schein und Sein verarbeitet und die Gefahr einer Täuschung. Es bleibt das Risiko aufgrund von Mängeln in der äußeren Erscheinung über die wahren Qualitäten einer Person hinweggetäuscht zu werden und dass die "vermeintliche Korrespondenz von Innen und Außen [...] zu Lasten aller eher unscheinbaren Schönheit" [Wenzel 1994: S. 213] geht.

Das Lichtmotiv

Eines der Hauptmotive äußerer Schönheit soll hier noch erwäht werden. Schönheit ist im höfischen Roman stehts mit Licht und Leuchten in Verbindung gebracht. Die Vorstellung, dass Gott erst durch das Licht seine Schöpfung zu ganzer Schönheit geführt hat, wird auf die Menschen übertragen. [Wuthe 2008: Vgl.: S. 15] Es wird darauf hingewiesen, dass diese Idee schon auf Platon zurückgeht. "Sicher assoziiert Licht unterschwellig immer die Idee des Guten" [Brinkner- von der Heyde 2008: S. 103] und die Autoren gehen so weit, die schönen Figuren selbst mit endogene Lichtkraft auszustatten, die mit der Sonne als Lichtquelle zu vergleichen sind. Auch die Farbe spielte im Mittelalter eine große Rolle, und "es kam ihr auf Grund der substantiellen Gebundenheit an das Licht" [Perpeet 1977: S. 67] ein hoher Schönheitswert zu.

Hässlichkeit

Die Einstellung zu Hässlichkeit im Mittelalter lässt sich auf dene ersten Blick ebensosehr pauschalisieren wie die Einstellung zur Schönheit: hässlich- böse. Es können zwei verschiedene Arten der Hässlichkeit unterschieden werden. Die meisten der enstellten Figuren mittelalterlicher Romane sind von genuiner Hässlichkeit, einer "a-priori-HÄßlichkeit" [Seitz 1967: S. 54]. Vor allem im chanson de gest zeichnen sich diese Personen häufig durch tierische Attribute aus. [1] Es gibt ein konventionelles Formelgut an Beschreibungen, die für die französischen Roman üblich waren. Die Entstellten sind auch häufig "Vertreter eines östlichen Exotenvolkes" [Wisbey 1975: S. 17], die nicht selten darauf verweisen, dass ihre Landsleute dasselbe Aussehen haben. Das hässliche Aussehen steht für ihre Fremdheit und Andersartigkeit. Auch der Zusammenhang von Hässlichkeit und heidnischem Glauben ist erkennbar. Für Wisbey hängt diese Verbindung mit der "Tatsache zusammen, daß solche Gestalten östlicher Herkunft von Kain abstammen" [Wisbey 1975: S. 23]. Kain soll mit Tieren und Dämonen Mißgestalten gezeugt haben, wodurch sich das tierische Aussehen der hässlichen Figuren erklärt. Das Aussehen dieser Gestalten löst für den Betrachter "Angst, Ekel und Abscheu" [Zimmermann 2007: S. 203] aus. Die Hässlichen werden "sowohl im Hinblick auf [ihr] äußeres Erscheinungsbild als auch auf [ihre] inneren Were als undære(unansehnlich, böse, unfreundlich) oder als ungevüege (unschön, unpassend, unartig)" [Zimmermann 2007: S. 203] bezeichnet.

Die zweite Form der Hässlichkeit ist die der entstellten Schönheit. Diese ist eine Hässlichkeit des Alters oder von Menschen, die ihre Schönheit aufgrund von äußeren Umständen oder Entbehrung verloren haben. Für den Verlust der Schönheit werden Gründe wie das Leben als Einsiedler, Krankheit und Trauer genannt. Diese Hässlichkeit ist nicht mit der ersten Art zu vergleichen, findet in der Literatur aber häufige Ausprägung.


Quellennachweise

  1. Zur genauen Analyse der Attribute hässlicher Menschen siehe: Seitz, Barbara: Die Darstellung häßlicher Menschen in mittelhochdeutscher erzählender Literatur von der Winer Genesis bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts. Diss. Tübingen 1967. S. 29ff.

<HarvardReferences /> Forschungsliteratur:


[*Brinkner- von der Heyde 2008] Brinkner-von der Heyde, Claudia: Lieht, schîn, glast und glanz in Wolframs von Eschenbach „Parzival“. In: Licht, Glanz, Blendung. Beiträge zu einer Kulturgeschichte des Leuchtenden. Hrsg.: Lechtermann Christian und Wandhoff Haiko. Bern 2008. S. 91- 103

[*Dallapiazza 1985] Dallapiazza, Michael: Häßlichkeit und Individualität- Ansätze zur Überwindung der Idealität des Schönen in Wolframs von Eschenbach Parzival. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwisschenschaft und Geistesgeschichte. Nr.59. Jahrgang 1985. S. 400- 421.

[*Michel 1976] Michel, Paul: Formosa deformitas. Bewältigungsformen des Häßlichen in mittelalterlicher Literatur. Bonn 1976.

[*Pappas 2001] Pappas, Katharine: Die häßliche Gralsbotin Cundry. Über Verhüllung und Enthüllung im Parzival Wolframs von Eschenbach. In: Verführer, Schurken, Magier. Hrsg.: Müller, Ulrich und Wunderlich, Werner. Band 3. St. Gallen 2001. S. 157- 172.

[*Perpeet 1977] Perpeet, Wilhelm: Ästhetik im Mittelalter. Freiburg/ München 1977.

[*Seitz 1967] Seitz, Barbara: Die Darstellung häßlicher Menschen in mittelhochdeutscher erzählender Literatur von der Winer Genesis bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts. Diss. Tübingen 1967.

[*Wenzel 1994] Wenzel, Horst: Hören und Sehen. Zur Lesbarket von Körperzeichen in der höfischen Literatur. In: Brall, Helmut, Haupt, Barbara und Küsters Urban (Hrsg.): Personenbeziehungen in der mittelalterlichen Literatur. Düsseldorf 1994.

[*Wisbey 1975] Wisbey, Roy A.: Die Darstellung des Hässlichen im Hoch- und Spätmittelalter. In: Deutsche Literatur des späten Mittelalters. Hamburger Colloquium 1973. Hrsg.: Harms, Wolfgang und Johnson, L. Peter. Berlin 1975. S. 9-34.

[*Wuthe 2008] Wuthe, Elisabeth Hermine: Die schönen Männer im Parzival. Wien 2008.

[*Zimmermann 2007] Zimmermann, Julia: Hässlichkeit als Konstitutionsbedingung des Fremden und Heidnischen? Zur Figur der Cundrie in Wolframs von Eschenbach Parzival und in Albrechts Jüngerem Titurel. In: Mitteilungen des deutschen Germanisten Verbandes Nr. 54. Jahrgang 2007. S. 202- 222.