1071-1072: Wilhelm von Apulien über die normannische Eroberung Palermos: Unterschied zwischen den Versionen
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<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Die Einnahme Palermos durch Herzog Robert Guiskard und Graf Roger I. zum Jahresübergang von 1071/1072 ist das am ausführlichsten geschilderte Ereignis in allen drei Hauptquellen zur normannischen Eroberungen Siziliens: Neben Wilhelm von Apulien’s Werk sind dies die ''Ystoire de li Normant'' des Amatus von Montecassino und die ''De rebus gestis'' des Gaufredus Malaterra.<ref name="ftn16">Amatus Casinensis, ''Historia Normannorum'', ed. Guéret-Laferté, lib. 5, cap. 14-23, S. 397-404; Gaufredus Malaterra, ''De rebus gesti'', ed. Lucas-Avenal, lib. 2, cap. 45, S. 382-387.</ref> Durch die dichte Überlieferung, die nicht zuletzt auf die strategische und symbolische Bedeutung der Stadt verweist, erlaubt die Darstellung Wilhelms von Apulien den Umgang der normannischen Eroberer mit dem Eroberten recht detailliert und auf mehreren Ebenen nachzuvollziehen: erstens die Eroberung bzw. Unterwerfung der Bevölkerung, zweitens die unmittelbare Übernahme der urbanen Strukturen und drittens die frühe Herrschaftsetablierung durch Organisation und Verwaltung. Dieser Dreischritt wird von Wilhelm von Apulien angezeigt durch die Begnadigung der Bevölkerung, die militärische Sicherung Palermos (Kastelle, Mauern) sowie die Etablierung christlicher Einrichtungen (Marienkirche) und schließlich die Einsetzung einer lokalen Verwaltung (''amiratus'') mitsamt der Abführung einiger Geiseln aus Palermo.</div> | <div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Die Einnahme Palermos durch Herzog Robert Guiskard und Graf Roger I. zum Jahresübergang von 1071/1072 ist das am ausführlichsten geschilderte Ereignis in allen drei Hauptquellen zur normannischen Eroberungen Siziliens: Neben Wilhelm von Apulien’s Werk sind dies die ''Ystoire de li Normant'' des Amatus von Montecassino und die ''De rebus gestis'' des Gaufredus Malaterra.<ref name="ftn16">Amatus Casinensis, ''Historia Normannorum'', ed. Guéret-Laferté, lib. 5, cap. 14-23, S. 397-404; Gaufredus Malaterra, ''De rebus gesti'', ed. Lucas-Avenal, lib. 2, cap. 45, S. 382-387.</ref> Durch die dichte Überlieferung, die nicht zuletzt auf die strategische und symbolische Bedeutung der Stadt verweist, erlaubt die Darstellung Wilhelms von Apulien den Umgang der normannischen Eroberer mit dem Eroberten recht detailliert und auf mehreren Ebenen nachzuvollziehen: erstens die Eroberung bzw. Unterwerfung der Bevölkerung, zweitens die unmittelbare Übernahme der urbanen Strukturen und drittens die frühe Herrschaftsetablierung durch Organisation und Verwaltung. Dieser Dreischritt wird von Wilhelm von Apulien angezeigt durch die Begnadigung der Bevölkerung, die militärische Sicherung Palermos (Kastelle, Mauern) sowie die Etablierung christlicher Einrichtungen (Marienkirche) und schließlich die Einsetzung einer lokalen Verwaltung (''amiratus'') mitsamt der Abführung einiger Geiseln aus Palermo.</div> | ||
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Hinsichtlich der Bevölkerung betont Wilhelm von Apulien zunächst, dass Robert Guiskard die Palermitaner, nachdem sie sich ergeben hatten, geschont habe. Im Falle Palermos mag diese Milde des Herzogs dadurch begründet sein, dass die Stadt nach langem und erbittertem Widerstand schließlich freiwillig aufgab und dabei einen gewissen Handlungsspielraum bei der Aushandlung der Kapitulationsbedingungen gewann. Diese betrafen neben der Sicherung des Lebens und Besitzes zumal den rechtlichen Status der muslimischen Unterworfenen.<ref name="ftn17">Johns, ''Arabic Administration''.</ref> Auch wenn Wilhelm von Apulien nicht direkt auf solche Verhandlungen eingeht, so impliziert doch die von ihm beschriebene Unterwerfung ein gewisses Mindestmaß an Kommunikation: Neben rituellen Handlungen ist von Bitten und Versprechen auf der einen sowie von Zusagen und Einhaltungen auf der anderen Seite die Rede. Bei Gaufredus Malaterra werden diese genauer ausbuchstabiert: Malaterra beschreibt ebenfalls, dass Palermo aufgab, nachdem Leute des Guiskard in eines der Stadtviertel innerhalb des äußeren Mauerrings eingedrungen waren. Dorthin hätten die Palermitaner einige städtische Führer (''primores'') geschickt, um mit den normannischen Brüdern zu verhandeln. Sie seien bereit zur Übergabe gewesen, als man ihnen versprochen habe, dass sie ihre religiösen Vorschriften einhalten dürften und man sie nicht zwinge, eine neue Religion anzunehmen. Im Gegenzug hätten sie zugesichert, die Stadt aufzugeben, ihren neuen Herren treu ergeben zu sein und Tributzahlungen zu leisten. Diese Abmachung beschworen die ''primores'' bei ihrem Gesetz (''lex'') bzw. ihrer heiligen Schrift.<ref name="ftn18">Gaufredus Malaterra, ''De rebus gestis'', ed. Lucas-Avenal,'' ''lib. 2, cap. 45, S. 382-387, hier S. 385.</ref> Diese Konzession religiöser Koexistenz bei nachgeordneter rechtlich-fiskalischer Stellung erinnert an die im islamischen Recht verankerte ḏimma, die Schutzverträge, die zwischen muslimischen Eroberern und Nichtmuslimen geschlossen wurden.<ref name="ftn19">Zur ḏimma siehe grundlegend, Cahen, <u>Dh</u>imma; ders. <u>Dj</u>izya.</ref> Im Falle Palermos ist es aber unklar, ob sich diese Tributzahlungen explizit auf die Muslime oder aber auf die Einwohner der Stadt als Ganzes bezogen.<ref name="ftn20">Zur Eingliederung der Muslime und ihrem rechtlichen Status während der Eroberung bzw. der frühen Jahre normannischer Herrschaft siehe Johns, ''Arabic Administration'', S. 34-39 sowie [[1091: Die Neuordnung Siziliens und seiner Muslime durch Roger I.]] | <div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Hinsichtlich der Bevölkerung betont Wilhelm von Apulien zunächst, dass Robert Guiskard die Palermitaner, nachdem sie sich ergeben hatten, geschont habe. Im Falle Palermos mag diese Milde des Herzogs dadurch begründet sein, dass die Stadt nach langem und erbittertem Widerstand schließlich freiwillig aufgab und dabei einen gewissen Handlungsspielraum bei der Aushandlung der Kapitulationsbedingungen gewann. Diese betrafen neben der Sicherung des Lebens und Besitzes zumal den rechtlichen Status der muslimischen Unterworfenen.<ref name="ftn17">Johns, ''Arabic Administration''.</ref> Auch wenn Wilhelm von Apulien nicht direkt auf solche Verhandlungen eingeht, so impliziert doch die von ihm beschriebene Unterwerfung ein gewisses Mindestmaß an Kommunikation: Neben rituellen Handlungen ist von Bitten und Versprechen auf der einen sowie von Zusagen und Einhaltungen auf der anderen Seite die Rede. Bei Gaufredus Malaterra werden diese genauer ausbuchstabiert: Malaterra beschreibt ebenfalls, dass Palermo aufgab, nachdem Leute des Guiskard in eines der Stadtviertel innerhalb des äußeren Mauerrings eingedrungen waren. Dorthin hätten die Palermitaner einige städtische Führer (''primores'') geschickt, um mit den normannischen Brüdern zu verhandeln. Sie seien bereit zur Übergabe gewesen, als man ihnen versprochen habe, dass sie ihre religiösen Vorschriften einhalten dürften und man sie nicht zwinge, eine neue Religion anzunehmen. Im Gegenzug hätten sie zugesichert, die Stadt aufzugeben, ihren neuen Herren treu ergeben zu sein und Tributzahlungen zu leisten. Diese Abmachung beschworen die ''primores'' bei ihrem Gesetz (''lex'') bzw. ihrer heiligen Schrift.<ref name="ftn18">Gaufredus Malaterra, ''De rebus gestis'', ed. Lucas-Avenal,'' ''lib. 2, cap. 45, S. 382-387, hier S. 385.</ref> Diese Konzession religiöser Koexistenz bei nachgeordneter rechtlich-fiskalischer Stellung erinnert an die im islamischen Recht verankerte ḏimma, die Schutzverträge, die zwischen muslimischen Eroberern und Nichtmuslimen geschlossen wurden.<ref name="ftn19">Zur ḏimma siehe grundlegend, Cahen, <u>Dh</u>imma; ders. <u>Dj</u>izya.</ref> Im Falle Palermos ist es aber unklar, ob sich diese Tributzahlungen explizit auf die Muslime oder aber auf die Einwohner der Stadt als Ganzes bezogen.<ref name="ftn20">Zur Eingliederung der Muslime und ihrem rechtlichen Status während der Eroberung bzw. der frühen Jahre normannischer Herrschaft siehe Johns, ''Arabic Administration'', S. 34-39 sowie [[1091: Die Neuordnung Siziliens und seiner Muslime durch Roger I.]]</ref> | ||
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Neben dem Umgang mit der Bevölkerung legen alle lateinischen Quellen ein besonderes Augenmerk auf die im Quellenexzerpt genannte Marienkirche, welche den Triumph des Christentums über die vormals islamische Hauptstadt symbolisiert. Es ist dabei nicht zufällig, dass diese Kirche dort lokalisiert wird, wo sich zuvor die Hauptmoschee der Stadt befunden haben soll. Wilhelm von Apulien zufolge soll diese Moschee von Guiskard zerstört und das Gotteshaus für die heilige Jungfrau neu errichtet worden sein. Bei Gaufredus Malaterra und Amatus von Montecassino gewinnt man hingegen den Eindruck, dass eine Transformation des Gebäudes stattfand, indem die ehemalige Moschee durch Gottesdienstfeierlichkeiten „gereinigt“ bzw. geweiht und vielleicht in Teilen umgestaltet wurde. Angesichts der Ressourcenfrage, die sich für die unmittelbare Phase nach der fünfmonatigen Belagerung stellt, scheint dies die überzeugendere Darstellung.<ref name="ftn21">Anderer Ansicht ist Longo, Norman Cathedral.</ref> Es unterstreicht außerdem das Selbstverständnis der Normannen, Wiederhersteller und nicht Begründer des christlichen Glaubens in Sizilien zu sein. So wird die Moschee in der Parallelüberlieferung denn auch als ehemalige Kirche der Stadt und sogar als erzbischöflicher Sitz identifiziert. Diese Deutung stimmt überdies mit den arabischen Quellen des 10. und 11. Jahrhunderts überein, die den Standort der Moschee, wenn nicht gar das Gebäude selbst, mit der Basilika der byzantinischen Stadt gleichsetzen.<ref name="ftn22">Amatus Casinensis, ''Historia Normannorum'', ed. Guéret-Laferté, lib. 6, cap. 19, S. 431-432; Ibn Ḥawqal, ''Kitāb ṣūrat al-arḍ'', ed. von Michael J. De Goeje, bearb. von Johannes H. Kramers (Bibliotheca geographorum Arabicorum 2a), Leipzig: Harrasowitz, 1938, S. 119; Al-Muqaddasī, ''Kitāb Aḥsan at-taqāsīm fī maʿrifat al-aqālīm'', ed. Michael J. De Goeje (Bibliotheca geographorum Arabicorum 3), Leiden: Brill, 1877, S. 225.</ref> Sowohl Malaterra und Amatus als auch die urkundliche Überlieferung zeugen davon, dass die Eroberer unmittelbar nach der Einnahme der Stadt einen Erzbischof in die Moschee-Kathedrale eingesetzt haben, um den christlichen Glauben zu „restaurieren“. Dafür nahmen sie einen lokalen Geistlichen, der eigentlich Grieche war und unter islamischer Herrschaft in einem Dorf nahe der Hauptstadt gedient hatte. Damit wurde das erste Erzbistum unter normannischer Herrschaft bzw. in der nachislamischen Zeit auf Sizilien etabliert. Vom Papst im Amt bestätigt, wurde der Grieche Nikodemos erst in den späteren 1080ern durch einen Lateiner ersetzt.<ref name="ftn23">Gaufredus Malatera, ''De rebus gestis'','' ''ed. Lucas-Avenel, lib. 2, cap. 45, S. 387; ''Documenti latini e greci del conte Ruggero I di Calabria e Sicilia'', ed. Julia Becker (Ricerche dell’Istituto Storico Germanico di Roma 9), Rom: Viella, 2013, Nr. 27, S. 125-126; Becker, ''Roger I''., S. 68-172.</ref> </div> | <div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Neben dem Umgang mit der Bevölkerung legen alle lateinischen Quellen ein besonderes Augenmerk auf die im Quellenexzerpt genannte Marienkirche, welche den Triumph des Christentums über die vormals islamische Hauptstadt symbolisiert. Es ist dabei nicht zufällig, dass diese Kirche dort lokalisiert wird, wo sich zuvor die Hauptmoschee der Stadt befunden haben soll. Wilhelm von Apulien zufolge soll diese Moschee von Guiskard zerstört und das Gotteshaus für die heilige Jungfrau neu errichtet worden sein. Bei Gaufredus Malaterra und Amatus von Montecassino gewinnt man hingegen den Eindruck, dass eine Transformation des Gebäudes stattfand, indem die ehemalige Moschee durch Gottesdienstfeierlichkeiten „gereinigt“ bzw. geweiht und vielleicht in Teilen umgestaltet wurde. Angesichts der Ressourcenfrage, die sich für die unmittelbare Phase nach der fünfmonatigen Belagerung stellt, scheint dies die überzeugendere Darstellung.<ref name="ftn21">Anderer Ansicht ist Longo, Norman Cathedral.</ref> Es unterstreicht außerdem das Selbstverständnis der Normannen, Wiederhersteller und nicht Begründer des christlichen Glaubens in Sizilien zu sein. So wird die Moschee in der Parallelüberlieferung denn auch als ehemalige Kirche der Stadt und sogar als erzbischöflicher Sitz identifiziert. Diese Deutung stimmt überdies mit den arabischen Quellen des 10. und 11. Jahrhunderts überein, die den Standort der Moschee, wenn nicht gar das Gebäude selbst, mit der Basilika der byzantinischen Stadt gleichsetzen.<ref name="ftn22">Amatus Casinensis, ''Historia Normannorum'', ed. Guéret-Laferté, lib. 6, cap. 19, S. 431-432; Ibn Ḥawqal, ''Kitāb ṣūrat al-arḍ'', ed. von Michael J. De Goeje, bearb. von Johannes H. Kramers (Bibliotheca geographorum Arabicorum 2a), Leipzig: Harrasowitz, 1938, S. 119; Al-Muqaddasī, ''Kitāb Aḥsan at-taqāsīm fī maʿrifat al-aqālīm'', ed. Michael J. De Goeje (Bibliotheca geographorum Arabicorum 3), Leiden: Brill, 1877, S. 225.</ref> Sowohl Malaterra und Amatus als auch die urkundliche Überlieferung zeugen davon, dass die Eroberer unmittelbar nach der Einnahme der Stadt einen Erzbischof in die Moschee-Kathedrale eingesetzt haben, um den christlichen Glauben zu „restaurieren“. Dafür nahmen sie einen lokalen Geistlichen, der eigentlich Grieche war und unter islamischer Herrschaft in einem Dorf nahe der Hauptstadt gedient hatte. Damit wurde das erste Erzbistum unter normannischer Herrschaft bzw. in der nachislamischen Zeit auf Sizilien etabliert. Vom Papst im Amt bestätigt, wurde der Grieche Nikodemos erst in den späteren 1080ern durch einen Lateiner ersetzt.<ref name="ftn23">Gaufredus Malatera, ''De rebus gestis'','' ''ed. Lucas-Avenel, lib. 2, cap. 45, S. 387; ''Documenti latini e greci del conte Ruggero I di Calabria e Sicilia'', ed. Julia Becker (Ricerche dell’Istituto Storico Germanico di Roma 9), Rom: Viella, 2013, Nr. 27, S. 125-126; Becker, ''Roger I''., S. 68-172.</ref> </div> | ||
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<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Cahen, Claude, Art. <u>Dj</u>izya, in'': Encyclopaedia of Islam'' 2, Bd. 2, Leiden: Brill, 1965, S. 559-562, URL: [http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_COM_0192 http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_COM_0192] </div> | <div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Cahen, Claude, Art. <u>Dj</u>izya, in'': Encyclopaedia of Islam'' 2, Bd. 2, Leiden: Brill, 1965, S. 559-562, URL: [http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_COM_0192 http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_COM_0192] </div> | ||
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Chevedden, Paul: “A Crusade from the First”: The Norman Conquest of Islamic Sicily, 1060–109, in: ''Al-Masāq, 22,2 | <div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Chevedden, Paul: “A Crusade from the First”: The Norman Conquest of Islamic Sicily, 1060–109, in: ''Al-Masāq'', 22,2 (2010), S. 191-225.</div> | ||
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Chibnall, Majorie, ''The Normans'', Oxford: Wiley-Blackwell, 2000.</div> | <div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Chibnall, Majorie, ''The Normans'', Oxford: Wiley-Blackwell, 2000.</div> |
Version vom 29. April 2020, 19:10 Uhr
Verfasser/in: Theresa Jäckh |
Quelle
Guillaume de Pouille, La Geste de Robert Guiscard. Édition, traduction, commentaire et introduction (Testi e Monumenti, Istituto Siciliano di Studi Bizantini e Neoellenici, Testi 4), ed. Marguerite Mathieu, Palermo: Istituto siciliano di studi bizantini e neoellenici, 1961, lib. 3, V. 321-351, S. 180-182, übers. Theresa Jäckh. | |
Gens Agarena, videns se viribus omnibus esse | Exutam, tota spe deficiente salutis |
Suppliciter poscit, miseros miseratus ut eius | Respiciat casus, neque dux condigna rependat. | Cuncta duci dedunt, se tantum vivere poscunt. | Deditione sui facta meruere favorem | Esorare ducis placidi; promittitur illis | Gratia cum vita. Nullum proscribere curat, | Observansque fidem promissi, laedere nullum, | Quamvis gentiles essent, molitur eorum. |
Als das „agarenische Volk“ [d.h. die Muslime] sah, dass es von all seinen Männern verlassen war, verlor es alle Hoffnung auf Rettung. Es forderte flehend, dass sich der Herzog [Robert Guiskard] ihres armen Schicksals erbarme und dass er keine Vergeltung an ihnen verübe. Als es sich dem Herzog ganz unterwarf, erhielten sie alle durch ihr Flehen die Gunst und Gnade des Herzogs, der ihnen ihr Leben und sein Wohlwollen versprach. Er ächtete niemanden und versuchte, getreu seinem Versprechen, keinem von ihnen zu schaden, obwohl sie Ungläubige waren. |
Omnes subiectos sibi lance examinat aequa, | Glorificansque Deum templi destruxit iniqui | Omnes structuras, et qua muscheta solebat |
Esse prius, matris fabricavit Virginis aulam; | Et quae Machamati fuerat cum daemone sedes, | Sedes facta Dei, fit dignis ianua coeli. | Munia castrorum fecit robusta parari, | Tuta quibus contra Siculos sua turba maneret, | Addidit et puteos alimentaque commoda castris. |
Er behandelte alle seine Untertanen gleich und, um Gott zu ehren, zerstörte er alles Bauwerk vom Gotteshaus des Feindes. Und dort, wo vorher eine Moschee stand, baute er eine Halle [d. h. Kirche] für die jungfräuliche Mutter. Und was der Sitz des Muḥammad mit dem Dämon war, wurde zum Sitz Gottes und zu einem würdigen Himmelstor. Und mit starken Mauern machte er die Kastelle bereit, sodass sie in Sicherheit vor den Siziliern sein würden und er stattete die Kastelle auch mit Brunnen und genügend Vorräten aus. |
Obsidibus sumptis aliquot castrisque paratis, | Reginam remeat Robertus victor ad urbem, |
Nominis eiusdem quodam remanente Panormi | Milite, qui Siculis datur amiratus haberi. | Omnes cum Stephano Paterano protinus Argos, | Qui Bari fuerant capti, permisit abire. | Sic impunitos quia dux placidissimus hostes | Dimittebat, eis ut amantibus ipse placebat. | Barinis, Calabris, dux obsidibusque Panormi | Militibusque suis vadit comitatus ad urbis | Moenia Melfensis. Caput haec erat urbibus illis | Omnibus, est et adhuc, quas continet Appula tellus. |
Nachdem er einige Geiseln genommen und die Festungen gerüstet hatte, kehrte Robert siegreich in die Stadt Reggio zurück. In Palermo ließ er einen Soldaten in seinem eigenen Namen zurück, den er den Siziliern als ihren Emir (amiratus) gab. Er [Robert Guiscard] erlaubte allen Griechen (Argos), die in Bari gefangen genommen worden waren, mit Stephan Paterano zu ziehen, weil der höchst gnädige Herzog es bevorzugte, seine Feinde ungestraft gehen zu lassen, damit sie seine loyalen Unterstützer würden. Begleitet von den Baresen, den Kalabresen, den Gefangenen aus Palermo und seinen Soldaten, ging der Herzog in die bewehrte Stadt Melfi, die nämlich die Hauptstadt unter allen Städten der apulischen Landschaft war. |
Autor/in & Werk:
Inhalt & Quellenkontext:
Kontextualisierung, Analyse & Interpretation:
Editionen & Übersetzungen
Guillaume de Pouille, La geste de Robert Guiscard. Édition, traduction, commentaire et introduction (Testi e Monumenti. Istituto Siciliano di Studi Bizantini e Neoellenici. Testi 4), ed. Marguerite Mathieu, Palermo: Istituto siciliano di studi bizantini e neoellenici, 1961.
Guglielmo di Puglia, Le gesta di Roberto il Guiscardo (Collana di studi storici medioevali 10), ed. Francesco De Rosa, Cassino: Ciolfi 2003.
Zitierte & weiterführende Literatur
Albu, Emily: The Normans and their Histories: Propaganda, Myth and Subversion, Woodbridge: Boydell and Brewer, 2001.Zitierempfehlung
Theresa Jäckh, "1071-1072: Wilhelm von Apulien über die normannische Eroberung Palermos", in: Transmediterrane Geschichte. Kommentierte Quellenanthologie, ed. Daniel G. König, Theresa Jäckh, Eric Böhme, URL: https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/1071-1072:_Wilhelm_von_Apulien_über_die_normannische_Eroberung_Palermos. Letzte Änderung: 29.04.2020, Zugriff: 27.04.2024. |
Schlagworte
amīr, ḏimma (dhimma), ḏimmī (dhimmī), Eroberung, (Friedens)vertrag, ğizya (jizya), islamisches Glaubensbekenntnis (šahada), islamisches Recht, Kirche, Moschee, Münzprägung, Normannen, Palermo, Rechtsbeziehungen, religiöser Status, Sicherheit, Sizilien, Steuern, Transformation, Tribut, Unterwerfung, Verhandlung
- ↑ Willelmus Apuliensis, Gesta, ed. Mathieu, Prolog, V. 1-5, S. 98.
- ↑ Willelmus Apuliensis, Gesta, ed. Mathieu, Prolog, V. 6-13, S. 98.
- ↑ Amatus Casinensis, Historia Normannorum /Aimé du Mont-Cassin, Ystoire de li Normant. Édition du manuscript BnF fr. 688, ed. Michèle Guéret-Laferté (Les classiques frainçais du Moyen Âge 166), Paris: Honoré Champion Éditeur, 2011.
- ↑ Gaufredus Malaterra, De rebus gestis Rogerii Calabriae et Siciliae Comitis et Roberti Guiscardi Ducis fratris eius (Rerum Italicarum Scriptores 5,1), ed. Ernesto Pontieri, Bologna: Zanichelli, 1925-1928; für Bücher I-II siehe die neue Edition: Gaufredus Malaterra, De rebus gesti Rogerii Calabriae et Siciliae Comitis et Roberti Guiscardi Ducis fratris eius, lib. 1 & 2, ed. Marie-Agnès Lucas-Avenal (Fontes & Paginæ), Caen: Presses universitaires de Caen, 2016.
- ↑ Willelmus Apuliensis, Gesta, ed. Mathieu, lib. 2, V. 384-479, S. 152-158.
- ↑ Willelmus Apuliensis, Gesta, ed. Mathieu, S. 17-25; Chibnall, Normans, S. 117; Albu, Normans, S. 133-135; Johnson, Normandy, S. 87; Brown, Gesta, S. 162-179.
- ↑ William James Churchill, The Annales Barenses and the Annales Lupi Protospatharii: Critical Edition and Commentary, Diss. masch, Toronto, 1979; Lupus Protospatharius, Annales, ed. Georg H. Pertz (MGH SS 5), Hannover: Hahn’sche Buchhandlung, 1846, S. 52-63; D’Angelo, Storiografi, S. 198-215; Anonymi Barensis Chronicon, ed. Ludovico Muratori (Rerum Italicarum Scriptores 5Vorlage:Anchor ), Mailand, 1724, S. 147-156.
- ↑ Willelmus Apuliensis, Gesta, ed. Mathieu, lib. 3, V. 100-105, S. 168f.
- ↑ Willelmus Apuliensis, Gesta, ed. Mathieu, lib. 3, V. 205-320, S. 174-180.
- ↑ Vgl. Longo, Cathedral.
- ↑ Amatus Casinensis, Historia Normannorum. ed. Guéret-Laferté, lib. 6, cap. 23, S. 434.
- ↑ Zur Herkunft und Verwendung des Titels in der islamischen Welt, siehe Al-Dūrī, Art. Amīr. Zum Wandel des Titels und seiner Zuständigkeiten im normannischen Sizilien, siehe Ménager, Amiratus; Takayama, Amiratus.
- ↑ Brown, Mercenaries, S. 57-61.
- ↑ Willelmus Apuliensis, Gesta, ed. Mathieu, lib. 6, V. 185-194, S. 214.
- ↑ Deér, Papsttum, S. 112-113; Hoffmann, Legitimitätsproblem.
- ↑ Amatus Casinensis, Historia Normannorum, ed. Guéret-Laferté, lib. 5, cap. 14-23, S. 397-404; Gaufredus Malaterra, De rebus gesti, ed. Lucas-Avenal, lib. 2, cap. 45, S. 382-387.
- ↑ Johns, Arabic Administration.
- ↑ Gaufredus Malaterra, De rebus gestis, ed. Lucas-Avenal, lib. 2, cap. 45, S. 382-387, hier S. 385.
- ↑ Zur ḏimma siehe grundlegend, Cahen, Dhimma; ders. Djizya.
- ↑ Zur Eingliederung der Muslime und ihrem rechtlichen Status während der Eroberung bzw. der frühen Jahre normannischer Herrschaft siehe Johns, Arabic Administration, S. 34-39 sowie 1091: Die Neuordnung Siziliens und seiner Muslime durch Roger I.
- ↑ Anderer Ansicht ist Longo, Norman Cathedral.
- ↑ Amatus Casinensis, Historia Normannorum, ed. Guéret-Laferté, lib. 6, cap. 19, S. 431-432; Ibn Ḥawqal, Kitāb ṣūrat al-arḍ, ed. von Michael J. De Goeje, bearb. von Johannes H. Kramers (Bibliotheca geographorum Arabicorum 2a), Leipzig: Harrasowitz, 1938, S. 119; Al-Muqaddasī, Kitāb Aḥsan at-taqāsīm fī maʿrifat al-aqālīm, ed. Michael J. De Goeje (Bibliotheca geographorum Arabicorum 3), Leiden: Brill, 1877, S. 225.
- ↑ Gaufredus Malatera, De rebus gestis, ed. Lucas-Avenel, lib. 2, cap. 45, S. 387; Documenti latini e greci del conte Ruggero I di Calabria e Sicilia, ed. Julia Becker (Ricerche dell’Istituto Storico Germanico di Roma 9), Rom: Viella, 2013, Nr. 27, S. 125-126; Becker, Roger I., S. 68-172.
- ↑ Jäckh, Space and Place, S. 72-79.
- ↑ Ménager, Amiratus, S. 23-26 und S. 181-184; Documenti latini e greci, ed. Becker, Nr. 6, S. 53-55; Becker, Roger I., S. 168-172.
- ↑ Johns, Arabic Administration.
- ↑ Johns, Titoli arabi.
- ↑ Al-Nuwayrī, Nihāyat al-arab fī funūn al-adab, ed. by Naǧīb Muṣṭafā Fawwāz and Ḥikmat Kašlī Fawwāz, vol. 24, Beirut: Dār al-Kutub al-ʿIilmīyat, 2004, S. 498; Nef, Islamic Palermo, S. 49-51, bes. Fußnote 57 S. 50.
- ↑ Chevedden, Crusade.