1192: Freilassung einer muslimischen Sklavin durch eine mozarabische Testatorin in Toledo: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
Linkkorrektur
(Kleine Nachbesserungen)
(Linkkorrektur)
Zeile 9: Zeile 9:
Die hier dargestellten Ausschnitte des Testaments haben folgenden Inhalt: Die toledanische Christin Doña Cristina trifft Ende des 12. Jahrhunderts letztwillige Anordnungen über ihr gesamtes Vermögen. Mit einem bestimmten Geldbetrag soll das Grab an der Beerdigung und auch später für Grabbesuche geschmückt werden. Ein örtliches Kloster soll ein Weingut erhalten, damit die Testatorin dort bestattet werde. Zudem wird das Kloster mit Geldbeträgen bedacht, die es zum Bau einer Kirche und zur Ausrichtung von Todesmessen für das Seelenheil der Testatorin einzusetzen hat. Ein Priester, bei dem Doña Cristina eine nicht näher definierte „Unterweisung“ erfahren hat, erhält ein weiteres Geldvermächtnis. Ein längerer Testamentsabschnitt beschäftigt sich mit der Kriegsgefangenen Maryam: Sie stehe im Eigentum von Doña Cristina und dieses Eigentum sei urkundlich belegt. Doch habe Maryams Ehemann ʿAbdallāh al-Qazār einen bestimmten Geldbetrag an die Testatorin für Maryams Freilassung gezahlt. Der Rest von Doña Cristinas Vermögen soll zur Befreiung von Gefangenen in christlichen Grenzregionen aufgewendet werden. Schließlich beauftragt Doña Cristina zwei Personen mit christlichen, männlichen Namen mit der Vollstreckung des Testaments. In der lückenhaft überlieferten Unterschriftsklausel sind sowohl christliche Namen wie „Fernando, Sohn von Pedro“ erkennbar als auch ein „Vicente, Sohn von Domingo, Sohn von Martin, Sohn von Kabīrah“, bei dem es sich aufgrund des arabischen Namens Kabīrah um den Nachkommen einer muslimischen Konvertitin zum Christentum handeln könnte.
Die hier dargestellten Ausschnitte des Testaments haben folgenden Inhalt: Die toledanische Christin Doña Cristina trifft Ende des 12. Jahrhunderts letztwillige Anordnungen über ihr gesamtes Vermögen. Mit einem bestimmten Geldbetrag soll das Grab an der Beerdigung und auch später für Grabbesuche geschmückt werden. Ein örtliches Kloster soll ein Weingut erhalten, damit die Testatorin dort bestattet werde. Zudem wird das Kloster mit Geldbeträgen bedacht, die es zum Bau einer Kirche und zur Ausrichtung von Todesmessen für das Seelenheil der Testatorin einzusetzen hat. Ein Priester, bei dem Doña Cristina eine nicht näher definierte „Unterweisung“ erfahren hat, erhält ein weiteres Geldvermächtnis. Ein längerer Testamentsabschnitt beschäftigt sich mit der Kriegsgefangenen Maryam: Sie stehe im Eigentum von Doña Cristina und dieses Eigentum sei urkundlich belegt. Doch habe Maryams Ehemann ʿAbdallāh al-Qazār einen bestimmten Geldbetrag an die Testatorin für Maryams Freilassung gezahlt. Der Rest von Doña Cristinas Vermögen soll zur Befreiung von Gefangenen in christlichen Grenzregionen aufgewendet werden. Schließlich beauftragt Doña Cristina zwei Personen mit christlichen, männlichen Namen mit der Vollstreckung des Testaments. In der lückenhaft überlieferten Unterschriftsklausel sind sowohl christliche Namen wie „Fernando, Sohn von Pedro“ erkennbar als auch ein „Vicente, Sohn von Domingo, Sohn von Martin, Sohn von Kabīrah“, bei dem es sich aufgrund des arabischen Namens Kabīrah um den Nachkommen einer muslimischen Konvertitin zum Christentum handeln könnte.


Die Urkunde ist hinsichtlich Sprache und Inhalt in weiten Teilen repräsentativ für die mozarabische Testierpraxis im hochmittelalterlichen Toledo. Die Arabisierung der Christen Toledos war nachhaltig. Die frühere Hauptstadt der Westgoten kam mit der übrigen Iberischen Halbinsel im Jahre 711 unter muslimische Herrschaft.<ref name="ftn16">Es wurde 711 erstmalig durch den umayyadischen Feldherrn Ṭāriq b. Ziyād erobert und 712/713 von dessen Befehlshaber Mūsā b. Nuṣayr eingenommen: Chalmeta, ''Invasión'', S. 152, 158, 177-178. Präzisierung der ersten Einnahme auf den 11. November 711: Izquierdo Benito, Ciudad Andalusí, S. 127. Vgl. hierzu: [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711:_Ibn_%CA%BFAbd_al-%E1%B8%A4akam_zur_Kollaboration_Julians_bei_der_muslimischen_Invasion_der_Iberischen_Halbinsel 711: Ibn ʿAbd al-Ḥakam zur Kollaboration Julians bei der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel]<nowiki>; </nowiki>[https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711-745:_Ibn_al-Q%C5%AB%E1%B9%ADiyya_zur_Kooperation_seiner_westgotischen_Vorfahren_mit_den_muslimischen_Eroberern 711-745: Ibn al-Qū][https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711-745:_Ibn_al-Q%C5%AB%E1%B9%ADiyya_zur_Kooperation_seiner_westgotischen_Vorfahren_mit_den_muslimischen_Eroberern ṭiyya zur Kooperation seiner westgotischen Vorfahren mit den muslimischen Eroberern].</ref> Im Folgenden entwickelte sich eine christlich-arabische Urkundenpraxis, die die Eroberung im Jahre 1085 durch den christlichen König Alfons VI''.'' (reg. 1065-1109) überdauerte. Zeugnis sind über eintausend privatrechtliche mozarabische Urkunden aus dem Zeitraum von 1083 bis 1315.<ref name="ftn17">González Palencia, ''Mozárabes'', Vol. Prelim., S. 45.</ref> Erst im Zeitraum von der Mitte des 13. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts setzte sich das Kastilische als Sprache der christlichen Privaturkunden endgültig durch.<ref name="ftn18">Molénat, L’arabe, S. 485; Olstein, Arabic Origins, S. 438, präzisiert den Zeitpunkt auf das Jahr 1260.</ref>
Die Urkunde ist hinsichtlich Sprache und Inhalt in weiten Teilen repräsentativ für die mozarabische Testierpraxis im hochmittelalterlichen Toledo. Die Arabisierung der Christen Toledos war nachhaltig. Die frühere Hauptstadt der Westgoten kam mit der übrigen Iberischen Halbinsel im Jahre 711 unter muslimische Herrschaft.<ref name="ftn16">Es wurde 711 erstmalig durch den umayyadischen Feldherrn Ṭāriq b. Ziyād erobert und 712/713 von dessen Befehlshaber Mūsā b. Nuṣayr eingenommen: Chalmeta, ''Invasión'', S. 152, 158, 177-178. Präzisierung der ersten Einnahme auf den 11. November 711: Izquierdo Benito, Ciudad Andalusí, S. 127. Vgl. hierzu: [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711:_Ibn_%CA%BFAbd_al-%E1%B8%A4akam_zur_Kollaboration_Julians_bei_der_muslimischen_Invasion_der_Iberischen_Halbinsel 711: Ibn ʿAbd al-Ḥakam zur Kollaboration Julians bei der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel]; [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/711-745:_Ibn_al-Q%C5%AB%E1%B9%ADiyya_zur_Kooperation_seiner_westgotischen_Vorfahren_mit_den_muslimischen_Eroberern 711-745: Ibn al-Qūṭiyya zur Kooperation seiner westgotischen Vorfahren mit den muslimischen Eroberern].</ref> Im Folgenden entwickelte sich eine christlich-arabische Urkundenpraxis, die die Eroberung im Jahre 1085 durch den christlichen König Alfons VI. (reg. 1065-1109) überdauerte. Zeugnis sind über eintausend privatrechtliche mozarabische Urkunden aus dem Zeitraum von 1083 bis 1315.<ref name="ftn17">González Palencia, ''Mozárabes'', Vol. Prelim., S. 45.</ref> Erst im Zeitraum von der Mitte des 13. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts setzte sich das Kastilische als Sprache der christlichen Privaturkunden endgültig durch.<ref name="ftn18">Molénat, L’arabe, S. 485; Olstein, Arabic Origins, S. 438, präzisiert den Zeitpunkt auf das Jahr 1260.</ref>


Sprachlich kennzeichnet ein juristisches Hocharabisch die mozarabischen Urkunden.<ref name="ftn19">Vgl. Potthast, Diglossia, S. 129, mit der Aussage, die Sprache sei näher am Hocharabischen als am Dialekt. Zur Entwicklung des mozarabischen Urkundenwesens im 12. und 13. Jh. vgl. Miller, ''According to Christian Sunna''.</ref> Zum Beispiel entstammen Rechtsbegriffe wie ''ʿahd'', der „letzte Wille“ oder das „Testament“, der islamischen Rechtssprache. Im Einzelnen weichen die Urkunden gegenüber dem Hocharabischen aber in Grammatik und Orthographie ab.<ref name="ftn20">Übersicht bei González Palencia, ''Mozárabes'', Vol. Prelim., S. 129-136. Erläuterung ausgewählter Probleme bei Ferrando, Testamento, S. 50-54.</ref> Zum Beispiel tritt im Testament von Doña Cristina das arabische Wort für „Kirche“ sowohl in der hochsprachlichen Schreibweise ''kanīsa'' als auch in der eher umgangssprachlichen Form ''kansiyya'' auf. Zudem wurden romanische Begriffe ins Arabische übernommen. Beispielsweise ist ''mayištiriyuh'' – hier übersetzt als Unterweisung – die arabische Schreibung des mittellateinischen magisterium bzw. des romanischen ''magisterio''.
Sprachlich kennzeichnet ein juristisches Hocharabisch die mozarabischen Urkunden.<ref name="ftn19">Vgl. Potthast, Diglossia, S. 129, mit der Aussage, die Sprache sei näher am Hocharabischen als am Dialekt. Zur Entwicklung des mozarabischen Urkundenwesens im 12. und 13. Jh. vgl. Miller, ''According to Christian Sunna''.</ref> Zum Beispiel entstammen Rechtsbegriffe wie ''ʿahd'', der „letzte Wille“ oder das „Testament“, der islamischen Rechtssprache. Im Einzelnen weichen die Urkunden gegenüber dem Hocharabischen aber in Grammatik und Orthographie ab.<ref name="ftn20">Übersicht bei González Palencia, ''Mozárabes'', Vol. Prelim., S. 129-136. Erläuterung ausgewählter Probleme bei Ferrando, Testamento, S. 50-54.</ref> Zum Beispiel tritt im Testament von Doña Cristina das arabische Wort für „Kirche“ sowohl in der hochsprachlichen Schreibweise ''kanīsa'' als auch in der eher umgangssprachlichen Form ''kansiyya'' auf. Zudem wurden romanische Begriffe ins Arabische übernommen. Beispielsweise ist ''mayištiriyuh'' – hier übersetzt als Unterweisung – die arabische Schreibung des mittellateinischen magisterium bzw. des romanischen ''magisterio''.
Cookies helfen uns bei der Bereitstellung von Transmed Wiki. Durch die Nutzung von Transmed Wiki erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies speichern.

Navigationsmenü