1221: al-Ṣafadī zur Inszenierung ayyubidischer Macht in Anwesenheit der Kreuzfahrer von Damiette: Unterschied zwischen den Versionen

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{{Kapitel AR-DE TAB-6|Richard Knorr, unter Mitarbeit von Daniel G. König und Theresa Jäckh|Al-Ṣafadī, ''Kitāb al-Wāfi bi-l-wafayāt'', Bd. 1, ed. Hans Ritter, Istanbul: Steiner, 1931, cap. 119, S. 193-197; übers. Richard Knorr und Daniel G. König.|5=== Autor/in & Werk  ==
{{Kapitel AR-DE TAB-6|Richard Knorr, unter Mitarbeit von Daniel G. König und Theresa Jäckh|Al-Ṣafadī, ''Kitāb al-Wāfi bi-l-wafayāt'', Bd. 1, ed. Hans Ritter, Istanbul: Steiner, 1931, cap. 119, S. 193-197; übers. Richard Knorr und Daniel G. König.|5=== Autor/in & Werk  ==
Al-Ṣafadī bzw. Ṣalāḥ al-Dīn Ḫalīl b. Aybak Abū l-Ṣafāʾ al-Albakī (696/1297-764/1363) wurde im palästinischen Safed geboren und wuchs dort auf. Nach dem Studium des islamischen Rechts machte er sich mit ca. 20 Jahren nach Damaskus auf, wo er schnell Kontakt zu den großen zeitgenössischen Gelehrten und Autoren in Syrien und Ägypten herstellte, so etwa zu dem im mamlukischen Dienst stehenden Sekretär und Historiographen Ibn Faḍl Allāh al-ʿUmarī (gest. 749/1349).<ref name="ftn1">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2197.</ref> Als Kalligraph und Literat hatte al-Ṣafadī gute Aufstiegsmöglichkeiten im Verwaltungsdienst der Mamluken und bekleidete bald Schreiberämter in Kairo, Aleppo und al-Raḥba (Ostsyrien), Safed und Damaskus, wobei er die längste Zeit seines Lebens in Damaskus und Kairo verbrachte. Neben seiner Arbeit in der mamlukischen Verwaltung schrieb er auch an seinem umfangreichen Textkorpus, das ca. fünfzig eigenständige Bände zu unterschiedlichen Themen<sup> </sup>(etwa Pilgerfahrt, Linguistik, Literaturkritik, Biographie, Rätsel) und ca. 500 Abschriften umfasst. Im Jahre 764/1363 verstarb er während einer der Pestausbrüche in Damaskus.<ref name="ftn2">Rosenthal, al-Ṣafadī.</ref>  
[§1] Al-Ṣafadī bzw. Ṣalāḥ al-Dīn Ḫalīl b. Aybak Abū l-Ṣafāʾ al-Albakī (696/1297-764/1363) wurde im palästinischen Safed geboren und wuchs dort auf. Nach dem Studium des islamischen Rechts machte er sich mit ca. 20 Jahren nach Damaskus auf, wo er schnell Kontakt zu den großen zeitgenössischen Gelehrten und Autoren in Syrien und Ägypten herstellte, so etwa zu dem im mamlukischen Dienst stehenden Sekretär und Historiographen Ibn Faḍl Allāh al-ʿUmarī (gest. 749/1349).<ref name="ftn1">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2197.</ref> Als Kalligraph und Literat hatte al-Ṣafadī gute Aufstiegsmöglichkeiten im Verwaltungsdienst der Mamluken und bekleidete bald Schreiberämter in Kairo, Aleppo und al-Raḥba (Ostsyrien), Safed und Damaskus, wobei er die längste Zeit seines Lebens in Damaskus und Kairo verbrachte. Neben seiner Arbeit in der mamlukischen Verwaltung schrieb er auch an seinem umfangreichen Textkorpus, das ca. fünfzig eigenständige Bände zu unterschiedlichen Themen<sup> </sup>(etwa Pilgerfahrt, Linguistik, Literaturkritik, Biographie, Rätsel) und ca. 500 Abschriften umfasst. Im Jahre 764/1363 verstarb er während einer der Pestausbrüche in Damaskus.<ref name="ftn2">Rosenthal, al-Ṣafadī.</ref>  


Bei dem hier behandelten Werk „Die Fülle der Nekrologe“ (''al-Wāfī bi-l-wafayāt'') handelt es sich um ein biobibliographisches Lexikon (''ṭabaqāt''), biobibliographisch deshalb, weil neben den Lebensdaten der behandelten Personen auch einige ihrer Werke aufgeführt werden. Die erste arabisch-islamische Sammlung dieser Art stammt aus der Mitte des 3./9. Jahrhunderts und hatte damals noch das Ziel, die Überlieferer von Aussprüchen und Taten des Propheten Muḥammad (''ḥadīṯ'') biographisch zu verorten, um dadurch Aussagen zu ihrer Glaubwürdigkeit treffen zu können. Über die folgenden Jahrhunderte erweitert sich das Genre, aber erst Ibn Ḫallikān (gest. 681/1282) hob in seinem „Buch der Todesfälle großer Männer“ (''Kitāb Wafāyāt al-aʿyān'') Mitte des 7./13. Jahrhunderts nicht nur die Beschränkung auf ein Themengebiet, sondern auch den regionalen Fokus auf. Die meisten Vertreter dieser Gattung spezialisierten sich allerdings auf unterschiedliche professionelle Gruppen.<ref name="ftn3">Jaques, Arabic Islamic Prosopography, S. 387-413; Auchterlonie, ''Dictionaries'', S. 2-3. Auchterlonie, S. 20-21, zufolge gibt es ab dem 8./14. Jh. zumindest fünf Werke zu Herrschern, darunter etwa al-Suyūṭīs ''Tārīḫ al-ḫulafāʾ.''</ref>   
[§2] Bei dem hier behandelten Werk „Die Fülle der Nekrologe“ (''al-Wāfī bi-l-wafayāt'') handelt es sich um ein biobibliographisches Lexikon (''ṭabaqāt''), biobibliographisch deshalb, weil neben den Lebensdaten der behandelten Personen auch einige ihrer Werke aufgeführt werden. Die erste arabisch-islamische Sammlung dieser Art stammt aus der Mitte des 3./9. Jahrhunderts und hatte damals noch das Ziel, die Überlieferer von Aussprüchen und Taten des Propheten Muḥammad (''ḥadīṯ'') biographisch zu verorten, um dadurch Aussagen zu ihrer Glaubwürdigkeit treffen zu können. Über die folgenden Jahrhunderte erweitert sich das Genre, aber erst Ibn Ḫallikān (gest. 681/1282) hob in seinem „Buch der Todesfälle großer Männer“ (''Kitāb Wafāyāt al-aʿyān'') Mitte des 7./13. Jahrhunderts nicht nur die Beschränkung auf ein Themengebiet, sondern auch den regionalen Fokus auf. Die meisten Vertreter dieser Gattung spezialisierten sich allerdings auf unterschiedliche professionelle Gruppen.<ref name="ftn3">Jaques, Arabic Islamic Prosopography, S. 387-413; Auchterlonie, ''Dictionaries'', S. 2-3. Auchterlonie, S. 20-21, zufolge gibt es ab dem 8./14. Jh. zumindest fünf Werke zu Herrschern, darunter etwa al-Suyūṭīs ''Tārīḫ al-ḫulafāʾ.''</ref>   


Al-Ṣafadīs Sammlung von über 13.000 Biographien aus der Zeit Muḥammads bis in die Mitte des 8./14. Jahrhunderts ist von großer Bedeutung, weil al-Ṣafadī nicht nur als Kompilator tätig war, sondern auch originelle Biographien verfasste.<ref name="ftn4">Abu-ʿUksa, Lives, S. 84.</ref> Sie profitierte u. a. von der Tatsache, dass er sich bei seinen zahlreichen beruflich bedingten Ortswechseln immer notierte, wann und wo er welche Persönlichkeiten getroffen und mit wem er schriftlich in Kontakt gestanden hatte.<ref name="ftn5">Josef van Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2175-2180, listet diese Vermerke aus al-Ṣafadīs Werk ohne Anspruch auf Vollständigkeit auf.</ref> Seine Biographiensammlung scheint in Entwürfen bereits in den 740er/1340er Jahren vorhanden gewesen zu sein und wurde wohl 762/1361 vollendet.<ref name="ftn6">Little, ''Al-Ṣafadī'', S. 209; vgl. auch Abu-ʿUksa, Lives, S. 84.</ref> In seiner Einleitung unterstreicht al-Ṣafadī seinen enormen themenübergreifenden Anspruch. Er formuliert das Ziel,   
[§3] Al-Ṣafadīs Sammlung von über 13.000 Biographien aus der Zeit Muḥammads bis in die Mitte des 8./14. Jahrhunderts ist von großer Bedeutung, weil al-Ṣafadī nicht nur als Kompilator tätig war, sondern auch originelle Biographien verfasste.<ref name="ftn4">Abu-ʿUksa, Lives, S. 84.</ref> Sie profitierte u. a. von der Tatsache, dass er sich bei seinen zahlreichen beruflich bedingten Ortswechseln immer notierte, wann und wo er welche Persönlichkeiten getroffen und mit wem er schriftlich in Kontakt gestanden hatte.<ref name="ftn5">Josef van Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2175-2180, listet diese Vermerke aus al-Ṣafadīs Werk ohne Anspruch auf Vollständigkeit auf.</ref> Seine Biographiensammlung scheint in Entwürfen bereits in den 740er/1340er Jahren vorhanden gewesen zu sein und wurde wohl 762/1361 vollendet.<ref name="ftn6">Little, ''Al-Ṣafadī'', S. 209; vgl. auch Abu-ʿUksa, Lives, S. 84.</ref> In seiner Einleitung unterstreicht al-Ṣafadī seinen enormen themenübergreifenden Anspruch. Er formuliert das Ziel,   


„dass ich niemanden auslasse von den rechtgeleiteten Kalifen, den (Propheten-)Genossen und (ihren) Nachfolgern, den Königen und Fürsten, den Richtern, Statthaltern und Wesiren, den Koranlesern, Traditionariern und Juristen, den religiösen Autoritäten und Frommen, den Visionären und Heiligen, den Grammatikern, Literaten, Sekretären und Dichtern, den Ärzten, Weltweisen, Geistesgrößen und Denkern, den Begründern von Sekten, Neuerungen und Lehrmeinungen, den angesehenen Persönlichkeiten jeder bekannten Disziplin, die ihr Gebiet beherrschen (...).“<ref name="ftn7">Übersetzung in Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2245; al-Ṣafadī, ''Wafāyāt'', ed. al-Arnaʾwūṭ, Muṣṭafā, Bd. 1, S. 27.</ref>  
„dass ich niemanden auslasse von den rechtgeleiteten Kalifen, den (Propheten-)Genossen und (ihren) Nachfolgern, den Königen und Fürsten, den Richtern, Statthaltern und Wesiren, den Koranlesern, Traditionariern und Juristen, den religiösen Autoritäten und Frommen, den Visionären und Heiligen, den Grammatikern, Literaten, Sekretären und Dichtern, den Ärzten, Weltweisen, Geistesgrößen und Denkern, den Begründern von Sekten, Neuerungen und Lehrmeinungen, den angesehenen Persönlichkeiten jeder bekannten Disziplin, die ihr Gebiet beherrschen (...).“<ref name="ftn7">Übersetzung in Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2245; al-Ṣafadī, ''Wafāyāt'', ed. al-Arnaʾwūṭ, Muṣṭafā, Bd. 1, S. 27.</ref>  


Neben dem hier zitierten ''al-Wāfī bi-l-wafayāt'' schrieb al-Ṣafadī Werke über berühmte blinde Persönlichkeiten, über rhetorische Stilmittel, sowie seine poetische Korrespondenz mit Zeitgenossen.<ref name="ftn8">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2185-2186.</ref> Zudem verfasste er wenige Jahre später ein weiteres biobibliographisches Werk unter dem Titel „Die Großen des Zeitalters und die Gehilfen des Sieges“ (''Aʿyān al-ʿaṣr wa-aʿwān al-naṣr)'', in dem er auch auf das frühere ''al-Wāfī bi-l-wafayāt'' Bezug nimmt. Das spätere Werk behandelte ausschließlich und in größerer Zahl seine Zeitgenossen, darunter etwa Peter I. von Kastilien (regn. 1350-1369),<ref name="ftn9">Al-Ṣafadī,'' Aʿyān al-ʿaṣr wa-aʿwān al-naṣr'', ed. ʿAlī Abū Zayd, Nabīl Abū ʿAšma, Muḥammad Mawʿid et al., 6 Bde., Damaskus: Dār al-fikr bi-Dimašq, 1998, Bd. 2, S. 361-363.</ref> und zeugt u. a. davon, dass er auch über Teile des lateinischen Westens, insbesondere die Iberische Halbinsel und die Kreuzfahrerherrschaften, informiert war.<ref name="ftn10">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2180-2181; Abu-ʿUksa, Lives, S. 86-96. </ref>  
[§4] Neben dem hier zitierten ''al-Wāfī bi-l-wafayāt'' schrieb al-Ṣafadī Werke über berühmte blinde Persönlichkeiten, über rhetorische Stilmittel, sowie seine poetische Korrespondenz mit Zeitgenossen.<ref name="ftn8">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2185-2186.</ref> Zudem verfasste er wenige Jahre später ein weiteres biobibliographisches Werk unter dem Titel „Die Großen des Zeitalters und die Gehilfen des Sieges“ (''Aʿyān al-ʿaṣr wa-aʿwān al-naṣr)'', in dem er auch auf das frühere ''al-Wāfī bi-l-wafayāt'' Bezug nimmt. Das spätere Werk behandelte ausschließlich und in größerer Zahl seine Zeitgenossen, darunter etwa Peter I. von Kastilien (regn. 1350-1369),<ref name="ftn9">Al-Ṣafadī,'' Aʿyān al-ʿaṣr wa-aʿwān al-naṣr'', ed. ʿAlī Abū Zayd, Nabīl Abū ʿAšma, Muḥammad Mawʿid et al., 6 Bde., Damaskus: Dār al-fikr bi-Dimašq, 1998, Bd. 2, S. 361-363.</ref> und zeugt u. a. davon, dass er auch über Teile des lateinischen Westens, insbesondere die Iberische Halbinsel und die Kreuzfahrerherrschaften, informiert war.<ref name="ftn10">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2180-2181; Abu-ʿUksa, Lives, S. 86-96. </ref>  


An Umfang und Anspruch bleibt al-Ṣafadīs Werk innerhalb der arabischen biographischen Literatur unerreicht, auch wenn er sich bei seinen Quellen hauptsächlich auf die Verwertung früherer ''ṭabaqāt-''Werke beschränkte, dabei aber auch historiographische Werke rezipierte.<ref name="ftn11">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2246. Für seine Biographien von Franken nutzte al-Ṣafadī das biographische Werk „Geschichte des Islams und Todesfälle von Berühmten und Gelehrten“ (''Tārīḫ al-Islam wa-wafayat al-mašāhīr wa-l-aʿlām'') des al-Ḏahabī (gest. 748/1348). Er rezipierte aber auch die Historiographen Sibṭ b. al-Ǧawzī (gest. 654/1256) und al-Yūnīnī (gest. 726/1326). Vgl. Abu-Uksa, Lives, S. 86-87. </ref> Zahlreiche Autoren des 14. bis 17. Jahrhunderts bauten auf al-Ṣafadīs ''Wāfī'' auf, so etwa Ibn Taġrībirdī (gest. 874-875/1470), der ihn mehrfach zitiert.<ref name="ftn12">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2243-2244. Für einen Überblick zu al-Ṣafadīs Rezeption, vgl. ebd., S. 2239-2245.</ref>  
[§5] An Umfang und Anspruch bleibt al-Ṣafadīs Werk innerhalb der arabischen biographischen Literatur unerreicht, auch wenn er sich bei seinen Quellen hauptsächlich auf die Verwertung früherer ''ṭabaqāt-''Werke beschränkte, dabei aber auch historiographische Werke rezipierte.<ref name="ftn11">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2246. Für seine Biographien von Franken nutzte al-Ṣafadī das biographische Werk „Geschichte des Islams und Todesfälle von Berühmten und Gelehrten“ (''Tārīḫ al-Islam wa-wafayat al-mašāhīr wa-l-aʿlām'') des al-Ḏahabī (gest. 748/1348). Er rezipierte aber auch die Historiographen Sibṭ b. al-Ǧawzī (gest. 654/1256) und al-Yūnīnī (gest. 726/1326). Vgl. Abu-Uksa, Lives, S. 86-87. </ref> Zahlreiche Autoren des 14. bis 17. Jahrhunderts bauten auf al-Ṣafadīs ''Wāfī'' auf, so etwa Ibn Taġrībirdī (gest. 874-875/1470), der ihn mehrfach zitiert.<ref name="ftn12">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2243-2244. Für einen Überblick zu al-Ṣafadīs Rezeption, vgl. ebd., S. 2239-2245.</ref>  


== Inhalt & Quellenkontext  ==
== Inhalt & Quellenkontext  ==
Bei dem oben zitierten Eintrag handelt es sich um ein Exzerpt aus dem biographischen Eintrag zum Ayyubidensultan Ägyptens al-Malik al-Kāmil (regn. 615-635/1218-1238). Dieser nimmt unter Nutzung panegyrischer Elemente Bezug auf die Ereignisse des fünften Kreuzzuges (1217-1221).<ref name="ftn13">Einen detaillierten Überblick zu diesem Kreuzzug liefert Van Cleve, The Fifth Crusade, S. 377-427.</ref>   
[§6] Bei dem oben zitierten Eintrag handelt es sich um ein Exzerpt aus dem biographischen Eintrag zum Ayyubidensultan Ägyptens al-Malik al-Kāmil (regn. 615-635/1218-1238). Dieser nimmt unter Nutzung panegyrischer Elemente Bezug auf die Ereignisse des fünften Kreuzzuges (1217-1221).<ref name="ftn13">Einen detaillierten Überblick zu diesem Kreuzzug liefert Van Cleve, The Fifth Crusade, S. 377-427.</ref>   


Im Gegensatz zu den Kreuzzügen des 11. und 12. Jahrhunderts bildete Jerusalem in diesem Kreuzzug nur indirekt das Ziel. Spätestens als der Ayyubidensultan Saladin (regn. 567-589/1171-1193) in der Schlacht von Ḥaṭṭīn 583/1187 die Herrschaft der Kreuzfahrer über Jerusalem beendet hatte, wurde Letzteren klar, dass das wirtschaftlich und militärisch starke Ägypten eine Restitution und anschließende Erhaltung des Königreichs Jerusalem stark behinderte. Da Ägyptens Küstenstädte und das Nildelta zudem leicht vom Meer aus angreifbar waren, wurde die Stadt Damiette im Osten des Nildeltas zum Ziel des fünften Kreuzzuges.<ref name="ftn14">Murray, Place, S. 118; vgl. auch Saunders, Significance, S. 29. Bereits Ende des 11. Jahrhunderts gab es erste Überlegungen zur Eroberung Ägyptens im Zusammenhang mit den Kreuzzügen. Im Jahre 1118 folgte der erste Angriff unter König Balduin, dem militärische Auseinandersetzungen mit den Herrschern Ägyptens vorangegangen waren. In der Mitte des 12. Jahrhunderts wurden konkretere Eroberungspläne entwickelt, die sogar Lehensverteilungen für die zu erobernden Gebiete beinhalteten. Vgl. Murray, Place, S. 120-125.</ref> In der Hand der Kreuzfahrer sollte Damiette wohl einen strategisch wichtigen Ausgangspunkt bilden, um weitere Gebiete Ägyptens anzugreifen und anschließend Ägypten als Basis entweder für weiterführende Eroberungen oder für Verhandlungen zu nutzen, die einen Tausch Ägyptens gegen Gebiete des Heiligen Landes bezweckt hätten. Den Kreuzfahrern gelang es 1219, Damiette zu einzunehmen und auch zu halten. Erst zwei Jahre später konnte al-Malik al-Kāmil die Kreuzfahrer bei al-Manṣūra von einer weiteren Expansion in Richtung Kairo abhalten und mit Hilfe seiner Brüder so vernichtend schlagen, dass er Damiette im Rahmen von Verhandlungen und ohne weiteres Blutvergießen von den Kreuzfahrern zurückerhielt.  
[§7] Im Gegensatz zu den Kreuzzügen des 11. und 12. Jahrhunderts bildete Jerusalem in diesem Kreuzzug nur indirekt das Ziel. Spätestens als der Ayyubidensultan Saladin (regn. 567-589/1171-1193) in der Schlacht von Ḥaṭṭīn 583/1187 die Herrschaft der Kreuzfahrer über Jerusalem beendet hatte, wurde Letzteren klar, dass das wirtschaftlich und militärisch starke Ägypten eine Restitution und anschließende Erhaltung des Königreichs Jerusalem stark behinderte. Da Ägyptens Küstenstädte und das Nildelta zudem leicht vom Meer aus angreifbar waren, wurde die Stadt Damiette im Osten des Nildeltas zum Ziel des fünften Kreuzzuges.<ref name="ftn14">Murray, Place, S. 118; vgl. auch Saunders, Significance, S. 29. Bereits Ende des 11. Jahrhunderts gab es erste Überlegungen zur Eroberung Ägyptens im Zusammenhang mit den Kreuzzügen. Im Jahre 1118 folgte der erste Angriff unter König Balduin, dem militärische Auseinandersetzungen mit den Herrschern Ägyptens vorangegangen waren. In der Mitte des 12. Jahrhunderts wurden konkretere Eroberungspläne entwickelt, die sogar Lehensverteilungen für die zu erobernden Gebiete beinhalteten. Vgl. Murray, Place, S. 120-125.</ref> In der Hand der Kreuzfahrer sollte Damiette wohl einen strategisch wichtigen Ausgangspunkt bilden, um weitere Gebiete Ägyptens anzugreifen und anschließend Ägypten als Basis entweder für weiterführende Eroberungen oder für Verhandlungen zu nutzen, die einen Tausch Ägyptens gegen Gebiete des Heiligen Landes bezweckt hätten. Den Kreuzfahrern gelang es 1219, Damiette zu einzunehmen und auch zu halten. Erst zwei Jahre später konnte al-Malik al-Kāmil die Kreuzfahrer bei al-Manṣūra von einer weiteren Expansion in Richtung Kairo abhalten und mit Hilfe seiner Brüder so vernichtend schlagen, dass er Damiette im Rahmen von Verhandlungen und ohne weiteres Blutvergießen von den Kreuzfahrern zurückerhielt.  


Im oben zitierten Abschnitt berichtet al-Ṣafadī zunächst vom Sieg des Sultans gegen die Franken, die daraufhin eine Sicherheitsgarantie (''amān'') von ihm fordern. Nachdem al-Kāmil ihnen zunächst seinen Sohn und seinen Neffen geschickt hat, empfängt er die fränkischen Herrscher in seinem Zeltlager und lässt eine große Versammlung ausrichten. Hierbei sind sowohl seine Brüder, die fränkischen Herrscher als auch die Kavallerie des Sultans zugegen.   
[§8] Im oben zitierten Abschnitt berichtet al-Ṣafadī zunächst vom Sieg des Sultans gegen die Franken, die daraufhin eine Sicherheitsgarantie (''amān'') von ihm fordern. Nachdem al-Kāmil ihnen zunächst seinen Sohn und seinen Neffen geschickt hat, empfängt er die fränkischen Herrscher in seinem Zeltlager und lässt eine große Versammlung ausrichten. Hierbei sind sowohl seine Brüder, die fränkischen Herrscher als auch die Kavallerie des Sultans zugegen.   


In diesem Rahmen trägt der ayyubidische Dichter Rāǧiḥ al-Ḥillī (gest. 627/1230) einige Verse vor.<ref name="ftn15">Zur Person und zeitgenössischen Dokumentation dieses Autors vgl. ''Mawsūʿa al-tarāǧim'', Bd. 3, S. 10, URL: http://www.taraajem.com/persons/3631 (Zugriff 26.02.2020).</ref> Diese zeugen von der Freude über den Sieg des Sultans und der Dankbarkeit für die im Sieg erfahrene göttliche Unterstützung: Dem wiederaufblühenden Islam stellt der Dichter das dem Untergang geweihte, als polytheistisch gebrandmarkte Christentum der besiegten Feinde gegenüber. Aus dem Universum erschallt, dass Jesus und Moses gemeinsam Muḥammad zum Sieg verholfen hätten. Dabei zeigt der Dichter auf die drei ayyubidischen Brüder, die jeweils die Vornamen Jesus (''ʿIsā''), Moses (''Mūsā'') und Muḥammad tragen.   
[§9] In diesem Rahmen trägt der ayyubidische Dichter Rāǧiḥ al-Ḥillī (gest. 627/1230) einige Verse vor.<ref name="ftn15">Zur Person und zeitgenössischen Dokumentation dieses Autors vgl. ''Mawsūʿa al-tarāǧim'', Bd. 3, S. 10, URL: http://www.taraajem.com/persons/3631 (Zugriff 26.02.2020).</ref> Diese zeugen von der Freude über den Sieg des Sultans und der Dankbarkeit für die im Sieg erfahrene göttliche Unterstützung: Dem wiederaufblühenden Islam stellt der Dichter das dem Untergang geweihte, als polytheistisch gebrandmarkte Christentum der besiegten Feinde gegenüber. Aus dem Universum erschallt, dass Jesus und Moses gemeinsam Muḥammad zum Sieg verholfen hätten. Dabei zeigt der Dichter auf die drei ayyubidischen Brüder, die jeweils die Vornamen Jesus (''ʿIsā''), Moses (''Mūsā'') und Muḥammad tragen.   


Auch aus dem Maghreb erhält der Sultan auf einem besonderen Schriftstück dichterisches Lob für seinen Sieg. Die maghrebinischen Verse schildern das Heimweh eines weit Gereisten, dem Gott in Mekka, Medina und – dank des Sieges gegen die Franken – nun auch in Kairo eine Zufluchtsstätte geschenkt hat. Auf dieses Gedicht entgegnet der Sultan, dass Gott ihm durch den Propheten und der Stadt Kairo durch ihn selbst Güte erwiesen habe. Mit diesen Worten endet der Eintrag al-Ṣafadīs über al-Kāmil.  
[§10] Auch aus dem Maghreb erhält der Sultan auf einem besonderen Schriftstück dichterisches Lob für seinen Sieg. Die maghrebinischen Verse schildern das Heimweh eines weit Gereisten, dem Gott in Mekka, Medina und – dank des Sieges gegen die Franken – nun auch in Kairo eine Zufluchtsstätte geschenkt hat. Auf dieses Gedicht entgegnet der Sultan, dass Gott ihm durch den Propheten und der Stadt Kairo durch ihn selbst Güte erwiesen habe. Mit diesen Worten endet der Eintrag al-Ṣafadīs über al-Kāmil.  


Das Ende des Kreuzzugs von Damiette wurde in zeitgenössischen lateinisch-christlichen Quellen aus der Perspektive der Verlierer und damit natürlich ganz anders dargestellt und interpretiert als bei al-Ṣafadī.<ref name="ftn16">Wichtige Quellen für diesen Kreuzzug von lateinischer Seite sind etwa Oliver von Paderborn (gest. 1227) und Roger von Wendover (gest. 1236). Vgl. Bird, ''Crusade'', S. 219-220, 231, bzw. Thomas Oliverus, ''Die Schriften des Kölner Domscholasters, späteren Bischofs von Paderborn und Kardinalbischofs von S. Sabina Oliverus''. ed. Hermann Hoogeweg, Tübingen: Litterarischer Verein in Stuttgart, 1894, S. 275-276; Rogerus de Windesora,'' Liber qui dicitur Flores historiarum ab anno domini MCLIV annoque Henrici Anglorum regis secundi primo'', ed. Henry Gay Hewlett (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 84, 1-3), London: Longman, 1886, Bd. 2, S. 265.</ref> Zeitgenössische arabisch-islamische Texte teilen zwar den für al-Ṣafadīs Bericht charakteristischen triumphalen Unterton, unterscheiden sich aber in ihrer Darstellung der ereignisgeschichtlichen Details. Die Geschichtsschreiber Ibn al-Aṯīr (gest. 630/1233) und Ibn Wāṣil (gest. 697/1298) erwähnen z. B. Verhandlungen, die nach Aussage Ibn al-Aṯīrs bereits während der Kämpfe stattfanden, um eine „Friedensgrundlage“ (''qāʿidat al-ṣulḥ'') zu schaffen.<ref name="ftn17">Vgl. Ibn al-Aṯīr, ''Al-Kāmil fi-l-tārīḫ'', ed. ʿAbd Allah al-Qāḍī, 11 Bde., Beirut: Dār al-kutub al-ʿilmiyya, 1987, Bd. 10, S. 379, engl. Übersetzung: Ibn al-Aṯīr, ''The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from “al-Kāmil fī’l-ta’rīkh”,'' übers. Donald S. Richards, 3 Bde., Aldershot: Ashgate, 1987, Bd. 3, S. 180; Ibn Wāṣil, ''Mufarriǧ al-kurūb fī aḫbār Banī Ayyūb'', ed. Ǧamāl al-Dīn al-Šayyāl, 4 Bde., Kairo: Dār al-Qalam, 1953-1977, Bd. 4, S. 97.</ref> Als Autor eines biobibliographischen Lexikons bettet Ibn Ḫallikān den Kreuzzug von Damiette stärker in die Biographie des Sultans ein, wobei er zum Leben des Sultans deutlich mehr, zum Ende des Kreuzzugs deutlich weniger Material bereitstellt als al-Ṣafadī.<ref name="ftn18">Vgl. Ibn Khallikan, ''Biographical Dictionary'', trans. William McGuckin de Slane, 4 Bde., Paris: Oriental Translation Fund, 1843-71, Bd. 3, S. 240-248 (zum Leben al-Malik al-Kāmils), S. 241 (zu den Ereignissen von Damiette). Für den arabischen Text, vgl. Ibn Ḫallikān, ''Kitāb Wafayāt al-aʿyān wa-anbāʾ abnāʾ al-zamān, ''ed. Iḥsān ʿAbbās, 8 Bde., Beirut: Dār al-ṯaqāfa, 1968-1972, Bd. 5, S. 79-89 (zum Leben al-Malik al-Kāmils), S. 80 (zu den Ereignissen von Damiette).</ref> Al-Ṣafadī scheint die eben erwähnten Texte weder herangezogen noch gekannt zu haben. Da sein Eintrag deutliche Parallelen zum historiographischen Bericht des Sibṭ b. al-Ǧawzī (gest. 654/1256) aufweist, diente Letzterer wohl als Vorlage: Die Darstellung der Ereignisse ist hier ähnlich ausformuliert, das erste Gedicht des Rāǧiḥ al-Ḥillī ohne Abweichungen enthalten.<ref name="ftn19">Vgl. Sibṭ b. al-Jawzī, ''Mirʾāt al-Zamān fī tawārīḫ al-aʿyān'', ed. ʿOmar Rīḥāwī, 23 Bde., Damaskus: al-Risāla al-ʿAlamiyya, 2013, Bd. 22, S. 258-259.</ref> Ähnlich verhält es sich mit dem Bericht des Abū Šāma (gest. 655/1268), der neben dem leicht variierten ersten Gedicht des Rāǧiḥ al-Ḥillī wie auch al-Ṣafadī erwähnt, dass der Sultan seinen Sohn und Neffen als Geiseln an die Franken übergeben habe.<ref name="ftn20">Abū Šāma, ''al-Ḏayl ʿalā l-rawḍatayn'', ed. Ibrāhīm Šams al-Dīn, Beirut: Dār al-kutub al-ʿilmiyya, 2002, S. 196.</ref> Woher al-Ṣafadī hingegen das zweite maghrebinische Gedicht nahm, ist unklar.   
[§11] Das Ende des Kreuzzugs von Damiette wurde in zeitgenössischen lateinisch-christlichen Quellen aus der Perspektive der Verlierer und damit natürlich ganz anders dargestellt und interpretiert als bei al-Ṣafadī.<ref name="ftn16">Wichtige Quellen für diesen Kreuzzug von lateinischer Seite sind etwa Oliver von Paderborn (gest. 1227) und Roger von Wendover (gest. 1236). Vgl. Bird, ''Crusade'', S. 219-220, 231, bzw. Thomas Oliverus, ''Die Schriften des Kölner Domscholasters, späteren Bischofs von Paderborn und Kardinalbischofs von S. Sabina Oliverus''. ed. Hermann Hoogeweg, Tübingen: Litterarischer Verein in Stuttgart, 1894, S. 275-276; Rogerus de Windesora,'' Liber qui dicitur Flores historiarum ab anno domini MCLIV annoque Henrici Anglorum regis secundi primo'', ed. Henry Gay Hewlett (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 84, 1-3), London: Longman, 1886, Bd. 2, S. 265.</ref> Zeitgenössische arabisch-islamische Texte teilen zwar den für al-Ṣafadīs Bericht charakteristischen triumphalen Unterton, unterscheiden sich aber in ihrer Darstellung der ereignisgeschichtlichen Details. Die Geschichtsschreiber Ibn al-Aṯīr (gest. 630/1233) und Ibn Wāṣil (gest. 697/1298) erwähnen z. B. Verhandlungen, die nach Aussage Ibn al-Aṯīrs bereits während der Kämpfe stattfanden, um eine „Friedensgrundlage“ (''qāʿidat al-ṣulḥ'') zu schaffen.<ref name="ftn17">Vgl. Ibn al-Aṯīr, ''Al-Kāmil fi-l-tārīḫ'', ed. ʿAbd Allah al-Qāḍī, 11 Bde., Beirut: Dār al-kutub al-ʿilmiyya, 1987, Bd. 10, S. 379, engl. Übersetzung: Ibn al-Aṯīr, ''The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from “al-Kāmil fī’l-ta’rīkh”,'' übers. Donald S. Richards, 3 Bde., Aldershot: Ashgate, 1987, Bd. 3, S. 180; Ibn Wāṣil, ''Mufarriǧ al-kurūb fī aḫbār Banī Ayyūb'', ed. Ǧamāl al-Dīn al-Šayyāl, 4 Bde., Kairo: Dār al-Qalam, 1953-1977, Bd. 4, S. 97.</ref> Als Autor eines biobibliographischen Lexikons bettet Ibn Ḫallikān den Kreuzzug von Damiette stärker in die Biographie des Sultans ein, wobei er zum Leben des Sultans deutlich mehr, zum Ende des Kreuzzugs deutlich weniger Material bereitstellt als al-Ṣafadī.<ref name="ftn18">Vgl. Ibn Khallikan, ''Biographical Dictionary'', trans. William McGuckin de Slane, 4 Bde., Paris: Oriental Translation Fund, 1843-71, Bd. 3, S. 240-248 (zum Leben al-Malik al-Kāmils), S. 241 (zu den Ereignissen von Damiette). Für den arabischen Text, vgl. Ibn Ḫallikān, ''Kitāb Wafayāt al-aʿyān wa-anbāʾ abnāʾ al-zamān, ''ed. Iḥsān ʿAbbās, 8 Bde., Beirut: Dār al-ṯaqāfa, 1968-1972, Bd. 5, S. 79-89 (zum Leben al-Malik al-Kāmils), S. 80 (zu den Ereignissen von Damiette).</ref> Al-Ṣafadī scheint die eben erwähnten Texte weder herangezogen noch gekannt zu haben. Da sein Eintrag deutliche Parallelen zum historiographischen Bericht des Sibṭ b. al-Ǧawzī (gest. 654/1256) aufweist, diente Letzterer wohl als Vorlage: Die Darstellung der Ereignisse ist hier ähnlich ausformuliert, das erste Gedicht des Rāǧiḥ al-Ḥillī ohne Abweichungen enthalten.<ref name="ftn19">Vgl. Sibṭ b. al-Jawzī, ''Mirʾāt al-Zamān fī tawārīḫ al-aʿyān'', ed. ʿOmar Rīḥāwī, 23 Bde., Damaskus: al-Risāla al-ʿAlamiyya, 2013, Bd. 22, S. 258-259.</ref> Ähnlich verhält es sich mit dem Bericht des Abū Šāma (gest. 655/1268), der neben dem leicht variierten ersten Gedicht des Rāǧiḥ al-Ḥillī wie auch al-Ṣafadī erwähnt, dass der Sultan seinen Sohn und Neffen als Geiseln an die Franken übergeben habe.<ref name="ftn20">Abū Šāma, ''al-Ḏayl ʿalā l-rawḍatayn'', ed. Ibrāhīm Šams al-Dīn, Beirut: Dār al-kutub al-ʿilmiyya, 2002, S. 196.</ref> Woher al-Ṣafadī hingegen das zweite maghrebinische Gedicht nahm, ist unklar.   


Die Kurzbiographie al-Malik al-Kāmils befindet sich im ersten Band von al-Ṣafadīs Werk. Im Vergleich zu anderen Einträgen, die oft eine Länge von nur wenigen Zeilen aufweisen, ist sie mit drei Seiten überdurchschnittlich lang. Diese Länge ist nicht nur al-Ṣafadīs großer Begeisterung für Dichtung geschuldet.<ref name="ftn21">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2247.</ref> Sie lässt sich nicht zuletzt auf al-Malik al-Kāmils Status als Sultan und seine Rolle bei der Abwehr der Franken in und um Damiette zurückführen. Dass die Herrscher der Ayyubiden eben auch von einem Gelehrten der nachfolgenden mamlukischen Periode gewürdigt werden konnten, zeigt sich auch im zwanzigseitigen Lemma zu Saladin, dessen Länge den Eintrag zu al-Malik al-Kāmil deutlich in den Schatten stellt.<ref name="ftn22">Al-Ṣafadī, ''al-Wāfi bi-l-wafayāt, ''ed. al-Arnaʾwūṭ, Muṣṭafā, Bd. 29, S. 48-68.</ref> Obwohl sie als Feinde der Ayyubiden und Mamluken für beide Dynastien eine wichtige Rolle spielten, kommen die hier erwähnten Franken im weiteren Kontext des Werkes recht selten vor, lediglich in ca. 115 der über 13.000 Biographien werden sie erwähnt.<ref name="ftn23">Abu-ʿUksa, Lives, S. 85-86.</ref> Obwohl sie zu keiner der in al-Ṣafadīs Einleitung genannten Kategorien gehören, werden ihnen aber immerhin neun Biographien zugedacht, davon fünf bedeutenden Kreuzfahrern.<ref name="ftn24">Diese Biographien befinden sich in al-Ṣafadī ''al-Wāfi bi-l-wafayāt, ''ed. al-Arnaʾwūṭ, Muṣṭafā, Bd. 6, S. 117 (Rainald von Châtillon, Herr von Transjordanien, regn. 1177-1187); ibid., Bd. 10'', ''S. 112 (König Balduin I. von Jerusalem, regn. 1100-1118), S. 197 (König Ludwig IX. von Frankreich, regn. 1226-1270), S. 228 (Fürst Bohemund VI. von Antiochia, regn. 1252-1268); ibid., Bd. 13, S. 187 (Georg von Antiochien, gest. 1151-1152, war nordafrikanischer Herkunft, passt nur aufgrund seines Dienstes für Roger II. von Sizilien in die Kategorie „Franken“, wird aber von al-Ṣafadī als solcher kategorisiert); ibid., Bd. 14, S. 34 (Peter, Infant von Kastilien, gest. 1319), S. 72 (König Roger II. von Sizilien, regn. 1130-1154); ibid., Bd. 24, S. 302 (Roderich, König der Westgoten, regn. 710-711); Bd. 25, S. 301 (Konrad von Montferrat, regn. 1192).</ref>   
[§12] Die Kurzbiographie al-Malik al-Kāmils befindet sich im ersten Band von al-Ṣafadīs Werk. Im Vergleich zu anderen Einträgen, die oft eine Länge von nur wenigen Zeilen aufweisen, ist sie mit drei Seiten überdurchschnittlich lang. Diese Länge ist nicht nur al-Ṣafadīs großer Begeisterung für Dichtung geschuldet.<ref name="ftn21">Ess, Ṣafadī-Splitter, S. 2247.</ref> Sie lässt sich nicht zuletzt auf al-Malik al-Kāmils Status als Sultan und seine Rolle bei der Abwehr der Franken in und um Damiette zurückführen. Dass die Herrscher der Ayyubiden eben auch von einem Gelehrten der nachfolgenden mamlukischen Periode gewürdigt werden konnten, zeigt sich auch im zwanzigseitigen Lemma zu Saladin, dessen Länge den Eintrag zu al-Malik al-Kāmil deutlich in den Schatten stellt.<ref name="ftn22">Al-Ṣafadī, ''al-Wāfi bi-l-wafayāt, ''ed. al-Arnaʾwūṭ, Muṣṭafā, Bd. 29, S. 48-68.</ref> Obwohl sie als Feinde der Ayyubiden und Mamluken für beide Dynastien eine wichtige Rolle spielten, kommen die hier erwähnten Franken im weiteren Kontext des Werkes recht selten vor, lediglich in ca. 115 der über 13.000 Biographien werden sie erwähnt.<ref name="ftn23">Abu-ʿUksa, Lives, S. 85-86.</ref> Obwohl sie zu keiner der in al-Ṣafadīs Einleitung genannten Kategorien gehören, werden ihnen aber immerhin neun Biographien zugedacht, davon fünf bedeutenden Kreuzfahrern.<ref name="ftn24">Diese Biographien befinden sich in al-Ṣafadī ''al-Wāfi bi-l-wafayāt, ''ed. al-Arnaʾwūṭ, Muṣṭafā, Bd. 6, S. 117 (Rainald von Châtillon, Herr von Transjordanien, regn. 1177-1187); ibid., Bd. 10'', ''S. 112 (König Balduin I. von Jerusalem, regn. 1100-1118), S. 197 (König Ludwig IX. von Frankreich, regn. 1226-1270), S. 228 (Fürst Bohemund VI. von Antiochia, regn. 1252-1268); ibid., Bd. 13, S. 187 (Georg von Antiochien, gest. 1151-1152, war nordafrikanischer Herkunft, passt nur aufgrund seines Dienstes für Roger II. von Sizilien in die Kategorie „Franken“, wird aber von al-Ṣafadī als solcher kategorisiert); ibid., Bd. 14, S. 34 (Peter, Infant von Kastilien, gest. 1319), S. 72 (König Roger II. von Sizilien, regn. 1130-1154); ibid., Bd. 24, S. 302 (Roderich, König der Westgoten, regn. 710-711); Bd. 25, S. 301 (Konrad von Montferrat, regn. 1192).</ref>   


== Kontextualisierung, Analyse & Interpretation  ==
== Kontextualisierung, Analyse & Interpretation  ==
Al-Ṣafadī schreibt inhaltlich wenig Neues zum Leben des Sultans al-Malik al-Kāmil und dessen Beendigung des Kreuzzuges von Damiette. Seine Darstellung ist v. a. deswegen interessant, weil sie die Bedeutung der Ereignisse durch das Mittel der Dichtung symbolisch überhöht und in einen weiteren Interpretationsrahmen stellt. Dies geschieht hier deutlicher als in der zeitlich früheren Parallelüberlieferung bei den Historiographen Sibṭ b. al-Ǧawzī und Abū Šāma. Ersterer erwähnt bei seiner Wiedergabe des ersten Gedichtes nicht, dass der Dichter Rāǧiḥ al-Ḥillī bei der Erwähnung Jesu, Mose und Muḥammads auf die drei ayyubidischen Brüder zeigte. Bei beiden fehlen außerdem die bei al-Ṣafadī zitierten maghrebinischen Verse.<ref name="ftn25">Vgl. Sibṭ b. al-Jawzī, ''Mirʾāt'', ed. Rīḥāwī, Bd. 22, S. 258-259; Abū Šāma, ''al-Ḏayl'', ed. Šams al-Dīn, S. 196.</ref>
[§13] Al-Ṣafadī schreibt inhaltlich wenig Neues zum Leben des Sultans al-Malik al-Kāmil und dessen Beendigung des Kreuzzuges von Damiette. Seine Darstellung ist v. a. deswegen interessant, weil sie die Bedeutung der Ereignisse durch das Mittel der Dichtung symbolisch überhöht und in einen weiteren Interpretationsrahmen stellt. Dies geschieht hier deutlicher als in der zeitlich früheren Parallelüberlieferung bei den Historiographen Sibṭ b. al-Ǧawzī und Abū Šāma. Ersterer erwähnt bei seiner Wiedergabe des ersten Gedichtes nicht, dass der Dichter Rāǧiḥ al-Ḥillī bei der Erwähnung Jesu, Mose und Muḥammads auf die drei ayyubidischen Brüder zeigte. Bei beiden fehlen außerdem die bei al-Ṣafadī zitierten maghrebinischen Verse.<ref name="ftn25">Vgl. Sibṭ b. al-Jawzī, ''Mirʾāt'', ed. Rīḥāwī, Bd. 22, S. 258-259; Abū Šāma, ''al-Ḏayl'', ed. Šams al-Dīn, S. 196.</ref>


Das erste, von Rāǧiḥ al-Ḥillī komponierte und vorgetragene Gedicht ist im Metrum des ''Ṭawīl'' („lang“) gehalten. Es erhöht die drei ayyubidischen Brüder al-Ašraf Mūsā, ʿĪsā al-Muʿaẓẓam, und al-Kāmil Muḥammad durch ein Wortspiel mit ihren jeweiligen Rufnamen Jesus (arab. ''ʿĪsā''), Moses (arab. ''Mūsā'') und Muḥammad. Als Träger der Namen aller drei monotheistischen Religionsstifter werden sie im Gedicht und durch den während der Rezitation erfolgten Fingerzeig als Repräsentanten von Judentum, Christentum und Islam dargestellt, die in Damiette gemeinsam gegen die als Polytheisten (''ahl al-širk'') und Tyrannen (''ṭuġā'') dargestellten Franken kämpfen.<ref name="ftn26">Im Koran und einigen Hadithen (''ḥadīṯ, ''Pl. ''aḥādīṯ'') werden zwar Anhänger des Polytheismus (''ahl al-širk'') den Anhängern des Islams (''ahl al-islām'') gegenübergestellt, Christen aber nicht unbedingt unter der Kategorie ''širk ''gefasst. In der arabischen Historiographie der Kreuzzugsperiode wird ''širk'' oder ''mušrikūn'' allerdings häufig verwendet, wenn über die Kreuzfahrer gesprochen wird. Vgl. Gimaret, S̲h̲irk; Christie, Ibn al-Qalānisī, S. 16-17.</ref> Durch diese Gleichsetzung stellt der Dichter klar, dass die Gründungsfiguren von Christen- und Judentum nicht auf Seiten der Kreuzfahrer, sondern auf Seiten der Muslime stehen. Er entzieht dem Kampf der Kreuzfahrer damit jegliche religiöse Legitimation.   
[§14] Das erste, von Rāǧiḥ al-Ḥillī komponierte und vorgetragene Gedicht ist im Metrum des ''Ṭawīl'' („lang“) gehalten. Es erhöht die drei ayyubidischen Brüder al-Ašraf Mūsā, ʿĪsā al-Muʿaẓẓam, und al-Kāmil Muḥammad durch ein Wortspiel mit ihren jeweiligen Rufnamen Jesus (arab. ''ʿĪsā''), Moses (arab. ''Mūsā'') und Muḥammad. Als Träger der Namen aller drei monotheistischen Religionsstifter werden sie im Gedicht und durch den während der Rezitation erfolgten Fingerzeig als Repräsentanten von Judentum, Christentum und Islam dargestellt, die in Damiette gemeinsam gegen die als Polytheisten (''ahl al-širk'') und Tyrannen (''ṭuġā'') dargestellten Franken kämpfen.<ref name="ftn26">Im Koran und einigen Hadithen (''ḥadīṯ, ''Pl. ''aḥādīṯ'') werden zwar Anhänger des Polytheismus (''ahl al-širk'') den Anhängern des Islams (''ahl al-islām'') gegenübergestellt, Christen aber nicht unbedingt unter der Kategorie ''širk ''gefasst. In der arabischen Historiographie der Kreuzzugsperiode wird ''širk'' oder ''mušrikūn'' allerdings häufig verwendet, wenn über die Kreuzfahrer gesprochen wird. Vgl. Gimaret, S̲h̲irk; Christie, Ibn al-Qalānisī, S. 16-17.</ref> Durch diese Gleichsetzung stellt der Dichter klar, dass die Gründungsfiguren von Christen- und Judentum nicht auf Seiten der Kreuzfahrer, sondern auf Seiten der Muslime stehen. Er entzieht dem Kampf der Kreuzfahrer damit jegliche religiöse Legitimation.   


Das zweite Gedicht und seine Replik durch den Sultan al-Malik al-Kāmil sind im Metrum des ''Mutaqārib'' („sich nähern“) gehalten. Bemerkenswert ist zunächst das Material, auf dem dieses Gedicht geschrieben gewesen sein soll – nämlich auf einem Stück Papier, das die verwendete Tinte je nach Lichtquelle in drei unterschiedlichen Farben zeigte. Ob hier tatsächlich auf einen besonders edlen Beschreibstoff verwiesen werden oder es nur darum gehen sollte, der Atmosphäre eine gewisse Aura zu verleihen, ist letztlich nicht zu ermitteln. Man könnte das Motiv der Dreifarbigkeit vielleicht auf die drei siegreichen und die drei Formen des Monotheismus repräsentierenden Brüder übertragen. Hiergegen spricht allerdings, dass im Text des zweiten Gedichts lediglich auf al-Malik al-Kāmil Bezug genommen wird. Bemerkenswert ist ferner, dass der Sultan hier nicht von einem ayyubidischen Hofdichter, sondern von Bewohnern des Maghreb gelobt wird – also von Muslimen, die nicht unter ayyubidischer Herrschaft standen. Das Schreiben aus dem Maghreb illustriert, dass al-Malik al-Kāmils Sieg auch im muslimischen Westen, konkret in Nordafrika, Anerkennung und Lob fand. Die maghrebinischen Verse könnten dabei außerdem als Fortführung der Motivsprache des ersten Gedichtes gedeutet werden: Dort schallte die göttliche Stimme in die Weltgegenden, hier erhielt sie eine Antwort aus dem Maghreb.  
[§15] Das zweite Gedicht und seine Replik durch den Sultan al-Malik al-Kāmil sind im Metrum des ''Mutaqārib'' („sich nähern“) gehalten. Bemerkenswert ist zunächst das Material, auf dem dieses Gedicht geschrieben gewesen sein soll – nämlich auf einem Stück Papier, das die verwendete Tinte je nach Lichtquelle in drei unterschiedlichen Farben zeigte. Ob hier tatsächlich auf einen besonders edlen Beschreibstoff verwiesen werden oder es nur darum gehen sollte, der Atmosphäre eine gewisse Aura zu verleihen, ist letztlich nicht zu ermitteln. Man könnte das Motiv der Dreifarbigkeit vielleicht auf die drei siegreichen und die drei Formen des Monotheismus repräsentierenden Brüder übertragen. Hiergegen spricht allerdings, dass im Text des zweiten Gedichts lediglich auf al-Malik al-Kāmil Bezug genommen wird. Bemerkenswert ist ferner, dass der Sultan hier nicht von einem ayyubidischen Hofdichter, sondern von Bewohnern des Maghreb gelobt wird – also von Muslimen, die nicht unter ayyubidischer Herrschaft standen. Das Schreiben aus dem Maghreb illustriert, dass al-Malik al-Kāmils Sieg auch im muslimischen Westen, konkret in Nordafrika, Anerkennung und Lob fand. Die maghrebinischen Verse könnten dabei außerdem als Fortführung der Motivsprache des ersten Gedichtes gedeutet werden: Dort schallte die göttliche Stimme in die Weltgegenden, hier erhielt sie eine Antwort aus dem Maghreb.  


Al-Ṣafadī liefert in seiner Zusammenstellung eines ereignisgeschichtlichen Prosa-Rahmens und zweier dichterischer Zitate damit eine symbolschwangere literarische Komposition. Diese schildert nur kurz den ereignisgeschichtlichen Rahmen, um sofort den Blick auf die Bühne zu lenken, wo in Anwesenheit der drei wichtigsten Repräsentanten der Ayyubidendynastie, ihres Heeres und der besiegten Franken der ayyubidische Sieg inszeniert wird. Die fränkische Niederlage wird dabei nicht nur platt als Sieg des Islam über die das Christentum repräsentierenden Kreuzfahrer dargestellt. Da Moses und Jesus auf der Seite der Muslime kämpfen, wird den Kreuzfahrern der von ihnen selbst erhobene Anspruch streitig gemacht, das Christentum oder überhaupt irgendeine Form des Monotheismus zu vertreten. Als Anhänger des Polytheismus gebrandmarkt, kämpfen sie nicht nur gegen die Muslime, sondern gegen ihren eigenen Religionsstifter und die ihm vorausgegangenen Propheten Gottes.   
[§16] Al-Ṣafadī liefert in seiner Zusammenstellung eines ereignisgeschichtlichen Prosa-Rahmens und zweier dichterischer Zitate damit eine symbolschwangere literarische Komposition. Diese schildert nur kurz den ereignisgeschichtlichen Rahmen, um sofort den Blick auf die Bühne zu lenken, wo in Anwesenheit der drei wichtigsten Repräsentanten der Ayyubidendynastie, ihres Heeres und der besiegten Franken der ayyubidische Sieg inszeniert wird. Die fränkische Niederlage wird dabei nicht nur platt als Sieg des Islam über die das Christentum repräsentierenden Kreuzfahrer dargestellt. Da Moses und Jesus auf der Seite der Muslime kämpfen, wird den Kreuzfahrern der von ihnen selbst erhobene Anspruch streitig gemacht, das Christentum oder überhaupt irgendeine Form des Monotheismus zu vertreten. Als Anhänger des Polytheismus gebrandmarkt, kämpfen sie nicht nur gegen die Muslime, sondern gegen ihren eigenen Religionsstifter und die ihm vorausgegangenen Propheten Gottes.   


Das Motiv der Einigkeit nimmt in dieser Darstellung dabei einen wichtigen Platz ein: Es sind die drei monotheistischen Religionen und die drei ayyubidischen Brüder gemeinsam, die gegen den fränkischen Aggressor siegen. Ganz konkret mag der bei den Ereignissen um Damiette anwesende Dichter Rāǧiḥ al-Ḥillī das Ziel verfolgt haben, den ayyubidischen Brüdern die Bedeutung und positiven Folgen dynastischen Zusammenhalts vor Augen zu führen und ihnen für ihre Leistung zu danken. Bei dem viel später schreibenden, literarisch komponierenden al-Ṣafadī geht es eher um Anerkennung ihrer historischen Größe: Dass sich die Ayyubiden als würdige Verteidiger der islamischen Welt gegen die Kreuzfahrer erwiesen haben, wird nicht nur in anderen Teilen der islamischen Sphäre, sondern auch von der Nachwelt anerkannt.   
[§17] Das Motiv der Einigkeit nimmt in dieser Darstellung dabei einen wichtigen Platz ein: Es sind die drei monotheistischen Religionen und die drei ayyubidischen Brüder gemeinsam, die gegen den fränkischen Aggressor siegen. Ganz konkret mag der bei den Ereignissen um Damiette anwesende Dichter Rāǧiḥ al-Ḥillī das Ziel verfolgt haben, den ayyubidischen Brüdern die Bedeutung und positiven Folgen dynastischen Zusammenhalts vor Augen zu führen und ihnen für ihre Leistung zu danken. Bei dem viel später schreibenden, literarisch komponierenden al-Ṣafadī geht es eher um Anerkennung ihrer historischen Größe: Dass sich die Ayyubiden als würdige Verteidiger der islamischen Welt gegen die Kreuzfahrer erwiesen haben, wird nicht nur in anderen Teilen der islamischen Sphäre, sondern auch von der Nachwelt anerkannt.   


Beim 5. Kreuzzug handelte es sich nicht um den letzten Versuch der Kreuzfahrer, Ägypten zu erobern. Zwar existierten zur selben Zeit auch Handelsbeziehungen zwischen Ägypten und den italienischen Seerepubliken<ref name="ftn27">Favreau-Lilie, Die italienischen Seestädte, S.&nbsp;147-178; Jacoby, Les Italiens, S.&nbsp;76-88.</ref>, während sich mit dem Kreuzzug (1228-1229) Kaiser Friedrichs II. (regn. 1220-1250) auch Tendenzen zur diplomatischen Lösung des Konfliktes um das Heilige Land erkennen lassen.<ref name="ftn28">Stürner, Kreuzzug Kaiser Friedrichs II., S. 144-157.</ref> Ein weiterer Angriff auf Damiette erfolgte dennoch drei Jahrzehnte später im Kreuzzug (1248-1256) Ludwigs IX. von Frankreich (regn. 1226-1270).<ref name="ftn29">Strayer, The Crusades of Louis IX, S. 487-518. Zu Ludwigs Kreuzzugsengagement siehe außerdem [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/1270:_Ibn_%E1%B8%AAald%C5%ABn_%C3%BCber_das_Vorspiel_zum_tunesischen_Kreuzzug_Ludwigs_IX. 1270: Ibn Ḫaldūn über das Vorspiel zum tunesischen Kreuzzug Ludwigs IX]. </ref> Noch 1365 plünderte Peter I. von Zypern (regn. 1359-1369) im so genannten Kreuzzug von Alexandria die mediterrane Metropole.<ref name="ftn30">Christ, Non ad caudam, S. 153-182.</ref> Wirkliche Expansionserfolge der Kreuzfahrer waren aber nicht mehr zu verzeichnen. Nach ihrem Sieg gegen die Mongolen in der Schlacht von ʿAyn Ǧālūt (658/1260) in Palästina, eroberten die neuen mamlukischen Herrscher Ägyptens sukzessive die Kreuzfahrerherrschaften in der Levante, bis 1291 die letzte Bastion Akkon fiel.<ref name="ftn31">Runciman, The Crusader States, S. 557-598; Jotischky, ''Crusading and the Crusader States'', S. 229-254.</ref> Der hier behandelte Kreuzzug auf Damiette fand also noch in einer Zeit statt, in der die Kreuzzüge eine wirkliche Bedrohung für Ägypten darstellten. Für muslimische Zeitgenossen war dies ein Grund, den ayyubidischen Sieg über die Kreuzfahrer wirksam zu inszenieren und zu feiern, für den später schreibenden al-Ṣafadī seine historische Bedeutung mit literarischen Mitteln zu betonen.|6=Al-Ṣafadī: ''Kitāb al-Wāfi bi-l-wafayāt'', Bd. 1, ed. Hans Ritter et al. (Bibliotheca Islamica 6), 30 Bde., Istanbul: Steiner, 1931-2007.  
[§18] Beim 5. Kreuzzug handelte es sich nicht um den letzten Versuch der Kreuzfahrer, Ägypten zu erobern. Zwar existierten zur selben Zeit auch Handelsbeziehungen zwischen Ägypten und den italienischen Seerepubliken<ref name="ftn27">Favreau-Lilie, Die italienischen Seestädte, S.&nbsp;147-178; Jacoby, Les Italiens, S.&nbsp;76-88.</ref>, während sich mit dem Kreuzzug (1228-1229) Kaiser Friedrichs II. (regn. 1220-1250) auch Tendenzen zur diplomatischen Lösung des Konfliktes um das Heilige Land erkennen lassen.<ref name="ftn28">Stürner, Kreuzzug Kaiser Friedrichs II., S. 144-157.</ref> Ein weiterer Angriff auf Damiette erfolgte dennoch drei Jahrzehnte später im Kreuzzug (1248-1256) Ludwigs IX. von Frankreich (regn. 1226-1270).<ref name="ftn29">Strayer, The Crusades of Louis IX, S. 487-518. Zu Ludwigs Kreuzzugsengagement siehe außerdem [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/1270:_Ibn_%E1%B8%AAald%C5%ABn_%C3%BCber_das_Vorspiel_zum_tunesischen_Kreuzzug_Ludwigs_IX. 1270: Ibn Ḫaldūn über das Vorspiel zum tunesischen Kreuzzug Ludwigs IX]. </ref> Noch 1365 plünderte Peter I. von Zypern (regn. 1359-1369) im so genannten Kreuzzug von Alexandria die mediterrane Metropole.<ref name="ftn30">Christ, Non ad caudam, S. 153-182.</ref> Wirkliche Expansionserfolge der Kreuzfahrer waren aber nicht mehr zu verzeichnen. Nach ihrem Sieg gegen die Mongolen in der Schlacht von ʿAyn Ǧālūt (658/1260) in Palästina, eroberten die neuen mamlukischen Herrscher Ägyptens sukzessive die Kreuzfahrerherrschaften in der Levante, bis 1291 die letzte Bastion Akkon fiel.<ref name="ftn31">Runciman, The Crusader States, S. 557-598; Jotischky, ''Crusading and the Crusader States'', S. 229-254.</ref> Der hier behandelte Kreuzzug auf Damiette fand also noch in einer Zeit statt, in der die Kreuzzüge eine wirkliche Bedrohung für Ägypten darstellten. Für muslimische Zeitgenossen war dies ein Grund, den ayyubidischen Sieg über die Kreuzfahrer wirksam zu inszenieren und zu feiern, für den später schreibenden al-Ṣafadī seine historische Bedeutung mit literarischen Mitteln zu betonen.|6=Al-Ṣafadī: ''Kitāb al-Wāfi bi-l-wafayāt'', Bd. 1, ed. Hans Ritter et al. (Bibliotheca Islamica 6), 30 Bde., Istanbul: Steiner, 1931-2007.  


Al-Ṣafadī: ''Kitāb al-Wāfi bi-l-wafayāt'', ed. Aḥmad al-Arnaʾwūṭ, Tazkī Muṣṭafā, 29 Bde., Beirut: Dār iḥyāʾ al-ʿarabī, 2000.|7=Abu-ʿUksa, Wael: Lives of Frankish Princes from al-Ṣafadī’s Biographical Dictionary al-wāfī bi-l-wafayāt, in: ''Mediterranean Historical Review'' 32 (2017), S. 83-104.  
Al-Ṣafadī: ''Kitāb al-Wāfi bi-l-wafayāt'', ed. Aḥmad al-Arnaʾwūṭ, Tazkī Muṣṭafā, 29 Bde., Beirut: Dār iḥyāʾ al-ʿarabī, 2000.|7=Abu-ʿUksa, Wael: Lives of Frankish Princes from al-Ṣafadī’s Biographical Dictionary al-wāfī bi-l-wafayāt, in: ''Mediterranean Historical Review'' 32 (2017), S. 83-104.  
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