1233: Der Johanniterorden in der Krone Aragón garantiert den Muslimen von Cervera ihr Siedlungsrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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{{Kapitel LAT-DE TAB-10|Eric Böhme|4a=(''…'') Es sei allen Gegenwärtigen und Zukünftigen bekannt, dass wir, Bruder Hug de Fullalquer, Meister von Aragón und Katalonien sowie Kastellan von Amposta, mit dem Rat und der Zustimmung unserer Brüder, zum Gefallen Gottes handelnd, den Vorsatz und gemeinsamen Entschluss gefasst haben, mit den hervorragendsten Männern (''propris hominibus'') von Cervera zu sprechen. Wir waren dort und haben mit dem ''faqīh'' (''alfachi'') Abinfaur sowie mit Azmet Abinbale, Abdella, Sohn des Abzemet, Araymio, Sohn des Azmet Nigro, Faça, Sohn des Abinfazne, Abinfarez und mit allen Mauren von Cervera darüber gesprochen, dass sie uns die Festung von Cervera ausliefern. Es beliebte Gott dem Allmächtigen, der seligen Jungfrau Maria und allen Heiligen, dass diese die gemeinsame Einigung und den festen Vorsatz gefasst haben, sich mitsamt der Festung und allem Dazugehörigen unserer Kontrolle und unserer Herrschaft auszuliefern und zu übergeben.|4i=|3j=|3i=|4h=Zeichen (''Sig+num'') des ''faqīh ''[und] ''qāḍī''. Zeichen des Abdel Abdezamet. Zeichen des Azmeti, Sohn des Moimoni Nigri. Zeichen des Faza, Sohn des Abinfazne. Zeichen des Abil Abinfarez. Zeichen des Azmet Abil Abinabale. Wir bestätigen und gewähren alles, was weiter oben festgelegt wurde, in unserem Namen sowie für alle gegenwärtig und zukünftig in Cervera ansässigen Mauren, werden es gültig und beständig halten, ehren und ihm niemals auf irgendeine Art zuwiderhandeln. (…)|4g=Und wir, der ''faqīh'' (''Alfaqui''), der ''qāḍī'' (''Alcaydus''), Abdel, Sohn des Azmeti Nigri, Faza, Sohn des Abinfazine, Abil Abinferir und Azmet Abinabale, wir alle Genannten, auf Beschluss und mit dem festen Willen der gesamten Gemeinde (''aljema'') von Cervera, übergeben uns, weil wir Euch, den genannten Herren Meister sowie alle treuen und Gott in allem folgenden Johanniterbrüder anerkennen, mit der genannten Festung wahrhaftig in Eure Kontrolle und unter Eure Herrschaft. Wir, jeder einzelne, in unserem Namen, für unsere Erben sowie für alle Mauren von Cervera, versprechen und kommen mit Euch und Euren Nachfolgern sowie allen gegenwärtigen und zukünftigen Brüdern des Johanniterordens überein, dass wir treue und in allen Angelegenheiten folgsame Bewohner sein werden. Damit dies besser und beständiger durch uns sowie alle in Cervera ansässigen Mauren erfüllt und geachtet werde, schwören wir (''iuramus'') auf das Wort Gottes des Allmächtigen, unseren Propheten Muḥammad, unser gesamtes Gesetz und unsere Sunna (''unam'')'' ''sowie auf jede Art, auf die wir es besser und vollkommener zum guten und persönlichen Verständnis aller Brüder des Johanniterordens schwören können.|4f=Ebenso geben wir allen Mauren, nämlich der gesamten Gemeinde (''aljama''), einen ''amīn'' (''Alaminum'') und einen ''Saio'' (''Saionem'')<ref name="ftn1">Während der Zuständigkeitsbereich des ''amīn ''(Lat.: ''alaminus'', Katalan.: ''alamí'') in der Mitte des 13. Jahrhunderts ein nicht klar zu definierendes, breiteres Spektrum an Aufgaben umfasste, war der ''Saio ''(Katalan., auch:'' Saig'', Lat.:'' sagio'')'' ''wohl vorrangig für die Durchsetzung strafgerichtlicher Beschlüsse in Repräsentation des Landesherrn verantwortlich. Bei beiden Amtsträgern handelte es sich um wichtige Funktionäre, die ihre Gemeinde nicht nur nach innen, sondern auch nach außen vertraten. Siehe dazu auch die nachfolgenden Angaben in diesem Beitrag; zudem ''L’Islam'', Bd. 1, S. 353, 362, Bd. 2, S. 140–146; Burns, ''Colonialism'', S. 248–254, 265, FN. 46; und Guichard, ''Al-Andalus'', S. 341–342, FN. 2.</ref> ihres Glaubens (''lege''), die für die Angelegenheiten, die zwischen Euch und jenen zu klären sein werden, sowie für das Regieren der Mauren zuständig sein sollen. (…)|4e=Ebenso bestimmen wir, dass, wenn es aus irgendeinem Grund Klagen zwischen Christen und Mauren geben sollte, der ''qāḍī ''über den Mauren gemäß seinem Gesetz (''legem'') Recht spricht und ein Richter der Christen das Gleiche für den Christen gemäß dessen Gesetz tun soll (''''). Und wenn etwa ein Maure oder ein Christ einen anderen Mauren irgendeines Vergehens beschuldigt, so soll ihm nicht geglaubt werden, wenn es nicht durch geeignete Zeugen bewiesen wird. Danach soll er [scil. der Beklagte] durch seinen ''qāḍī ''gemäß seinem Gesetz verurteilt werden. (…) Ebenfalls bestimmen wir, dass, wenn ein Eid (''sacramentum'') von einem Mauren oder einer Maurin abverlangt wird, diese ihn gemäß ihrem Gesetz leisten sollen. (…)|4d=Ebenso bestimmen und erlauben wir, dass im genannten Stadtteil kein Christ oder Jude unter den genannten Mauren jenes Stadtteils verweilen darf. Wenn außerdem ein Torwächter für den genannten Stadtteil nötig ist, bestimmen und erlauben wir, dass die Mauren dieses Ortes dort einen Mauren als Torwächter einsetzen dürfen. Ferner bestimmen und erlauben wir, dass es Christen oder Juden nicht gestattet sein soll, auf irgendeine Art in irgendeinem Haus der Mauren jenes Ortes zu wohnen. (…).|4c=Ebenso bestimmen und erlauben wir, dass Eure Moschee (''mesquida'') unter der Kontrolle eines'' qāḍī'' (''Alcaidi'') und Gebetsvorstehers (Arab.: ''ṣāḥib al-ṣalā'', hier: ''Çabalçalani'') steht, wie es in Eurem Gesetz (''lege'') zu finden ist. Der Dienst für die gesamte Gemeinde (Arab.: ''al-ǧamʿ'', hier: ''algame'') hinsichtlich des Predigens, der Gebete, Eures Fastens sowie das Gebäude und die Gärten der genannten Moschee sollen nämlich frei und ohne jede Dienstbarkeit uns gegenüber sein. Ebenso sollen der ''qāḍī'' und der ''ṣāḥib al-ṣalā ''stets von Frondiensten (Kat.: ''sofra'', hier: ''çofris < ''Arab.: ''suḫra'') sowie anderen Arbeitsdiensten (''usaticis'') befreit sein ('''').|4b=('''') Mit diesem auf ewig gültigen Dokument nehmen wir Euch, alle in Cervera lebenden Mauren, und alle Eure Erben, gleich unseren eigenen Männern, besonders unter unseren sicheren Schutz und unsere Führung, (…) nämlich derart, dass Ihr unter Eurem Gesetz (''lege''), Eurer Sunna (''una'') und Euren Gewohnheiten im muslimischen Stadtteil (''arrabal'') von Cervera unter der Gerichtsbarkeit Eures ''qāḍī'' (''Alcaydi'') und seiner (untergeordneten) Richter und deren Nachfolgern verbleibt und seid, und dass Ihr nacheinander erbt, wie es in Eurem Gesetz und Eurer Sunna enthalten ist.|3h=''Sig+num Alfachi Alchayde. Sig+num Abdel Abdezamet. Sig+num Azmeti, filii Moimoni Nigri. Sig+num Faza, filii Abinfazne. Sig+num Abil Abinfarez. Sig+num Azmet Abil Abinabale, nos, qui hoc totum quod superius predicitur, per nos et omnes mauros habitatores Cervarie presentes et futuros, firmamus et concedimus et ratum et firmum habebimus et observabimus et nunquam contraveniemus ullomodo. ''(''…'')|Guinot Rodríguez, Enric (Hrsg.): ''Cartes de poblament medievals valencianes'', València: Generalitat Valenciana, 1991, Nr. 7, S. 95–98, übers. Eric Böhme.|3g=''Et nos, Alfaqui, Alcaydus et Abdel, filius Azmeti Nigri, et Faza, filius Abinfazine, et Abil Abinferir, et Azmet Abinabale, nos omnes supradicti, concilio et certa voluntate totius aljema de Cervaria, quia cognovimus vos, dominum Magistrum antedictum, et omnes fratres Hospitalis fideles et secundum Deum in omnibus, veraces mitimus nos cum castro predicto in vestro posse et dominio, et nos quisque in solidum, per nos et omnes heredes nostros et per omnes mauros de Cervaria promitimus et convenimus vobis et succesoribus vestris et omnibus fratribus Hospitalis tam presentibus quam futuris, esse fideles habitatores et obedientes in omnibus et omnia, et ut hoc melius et firmius a nobis et ab omnibus mauris habitatoribus de Cervaria compleatur et atendatur, iuramus per Deum verbum omnipotentem er per profetam nostrum Mahomet et per omnem legem et unam nostrum sicut melius et plenius posumus hoc iurare ullo modo ad bonum et proprium intelectum omnium fratrum Hospitalii.''|3f=''Item, dabimus omnibus mauris scilicet toti aljama, unum Alaminum et unum Saionem de sua lege pro negotiis que inter vos et ipsos fuerint faciendi et pro gubernandum mauros. ''(''…'')|3e=''Item, volumus quod si querimonias fuerint inter christianos et mauros qualicumque ratione, quod Alcaydus faciat iuris complementum de mauro secundum suam legem, et iudex christianorum faciat similiter pro christiano secundum suam legem similiter, ''(''…'')''. Et si forte aliquis maurus aut christianus acusaret aliquem maurum de aliquo crimine, non credatur nisi probaretur hoc per idoneos testes et postea iudicatur per Alcaydum suum secundum suam legem. ''(''…'')'' Item, volumus quod si sacramentum devenerit super maurum aut mauram, ut faciat eum secundum legem suam. ''(''…'')|3d=''Item, volumus et concedimus, quo in predicta raval non posint manere christianus vel iudeus inter predictos mauros illius arravalii, et etiam, si porterius fuerit necese in predicta araval, volumus et concedimus quod mauris illius loci posint ibi mitere unum maurum pro porterio. Item, volumus et concedimus, quod christiani aut iudei non posint nec habeant licentiam habitandi aliquo modo in aliqua domo maureorum illius loci. ''(''…'')|3c=''Item, volumus et concedimus quod mesquida vestra sit in pose unius Alcaidi et Çabalçalani sicut in vestra lege invenitur, sicilicet, servitio totius algame in priovonar et in orationibus et in vestro ieiunio, et domus et hortos predicte mezquide sint franca sine aliqua servitudine nostra. Item, Alcaidus et çabaçala semper sint liberi de çofris et de aliis usaticis, ''(''…'')''.''|3b=(…)'', cum hoc instrumento perpetuo valituro, recipimus vos, omnes mauros habitantes de Cervaria, et omnes heredes vestros sicut nostros homines proprios in nostra specialiter protectione securo que ducatus, ''(''…'')'' tali videlicet modo, quod maneatis et sitis in vestra lege et in vestra una et in vestris consuetudinibus in arrabal de Cervaria, sub iuditio vestri Alcaydi et suum iuditis et suorum successorum, et sitis heredes post alium sicut in vestra lege et una continetur. ''|3a=(''…'') ''Notum sit universis, tam presentibus quam futuris, quod nos, frater Hugo de Fulalcherio, Dei gratia Magister Aragonie et Cathalonie et Castelanus Emposte, consilio et voluntate fratrum nostrorum, gratia Dei operante, habuimus propositum et consilium inter nos, ut locuti essemus cum propris hominibus de Cervaria, et fuimus ibi et locuti fuimus cum alfachi Abinfaur, cum Azmet Abinbale, Abdella filio Abzemet, Araymio, filio Azmet Nigro, et cum Faça, filio Abinfazne, et Abinfarez et cum omnibus mauris de Cervaria, de facto scilicet ut reterent nobis castrum de Cervaria. Placuit denique omnipotenti Deo et Beate Virgine Marie et omnibus Sanctis, quod ipse habuerunt pro consilio et certo proposito ut traderent et miterent se sub nostro posse et dominio, cum castro et cum omnibus pertinentiis predicti castri.''|8=Alaminus, al-Andalus, Alcaidus, Alcaydus, Aljama, Amīn, Baiulus, Beamte, Besitzbestätigung, Cartes de Poblament, Çabaçala, Cartas pueblas, Christliche Herrschaft, Conveniencia, Convivencia, Diplomatie, Diplomatik, Eroberung, Faqīh, Frondienste, Funktionäre, Gerichtsbarkeit, Ghetto, Imām, Islamisches Recht, Johanniterorden, Krieg, Moschee, Mudejaren, Mudéjares, Muslime unter christlicher Herrschaft, Muslimisches Stadtviertel, Qāḍī, Qāʾid, Porterius, Rechte, Rechtsgelehrte, Reconquista, Rechtsprechung, Ritterorden, Saio, Saig, Ṣāḥib al-ṣalā, Schwur, Siedlungsrecht, Sofra, Suḫra, Sunna, Šaiḫ, Šuyūḫ, Templerorden, Torwächter, Usaticum, Verhandlungen, Vogt, Zeremonie|7=Benito Monclús, Pere u. a. (Hrsg.): ''Els pergamins de l'Arxiu Comtal de Barcelona, de Ramon Berenguer II a Ramon Berenguer IV'', 4 Bde., Barcelona: Fondació Noguera, 2010, URL: [http://www.fundacionoguera.com/es/publicacions.asp?idc=7 http://www.fundacionoguera.com/es/publicacions.asp?idc=7].
{{Kapitel LAT-DE TAB-8|Eric Böhme|3g=''Et nos, Alfaqui, Alcaydus et Abdel, filius Azmeti Nigri, et Faza, filius Abinfazine, et Abil Abinferir, et Azmet Abinabale, nos omnes supradicti, concilio et certa voluntate totius aljema de Cervaria, quia cognovimus vos, dominum Magistrum antedictum, et omnes fratres Hospitalis fideles et secundum Deum in omnibus, veraces mitimus nos cum castro predicto in vestro posse et dominio, et nos quisque in solidum, per nos et omnes heredes nostros et per omnes mauros de Cervaria promitimus et convenimus vobis et succesoribus vestris et omnibus fratribus Hospitalis tam presentibus quam futuris, esse fideles habitatores et obedientes in omnibus et omnia, et ut hoc melius et firmius a nobis et ab omnibus mauris habitatoribus de Cervaria compleatur et atendatur, iuramus per Deum verbum omnipotentem er per profetam nostrum Mahomet et per omnem legem et unam nostrum sicut melius et plenius posumus hoc iurare ullo modo ad bonum et proprium intelectum omnium fratrum Hospitalii.''|4g=Und wir, der ''faqīh'' (''Alfaqui''), der ''qāḍī'' (''Alcaydus''), Abdel, Sohn des Azmeti Nigri, Faza, Sohn des Abinfazine, Abil Abinferir und Azmet Abinabale, wir alle Genannten, auf Beschluss und mit dem festen Willen der gesamten Gemeinde (''aljema'') von Cervera, übergeben uns, weil wir Euch, den genannten Herren Meister sowie alle treuen und Gott in allem folgenden Johanniterbrüder anerkennen, mit der genannten Festung wahrhaftig in Eure Kontrolle und unter Eure Herrschaft. Wir, jeder einzelne, in unserem Namen, für unsere Erben sowie für alle Mauren von Cervera, versprechen und kommen mit Euch und Euren Nachfolgern sowie allen gegenwärtigen und zukünftigen Brüdern des Johanniterordens überein, dass wir treue und in allen Angelegenheiten folgsame Bewohner sein werden. Damit dies besser und beständiger durch uns sowie alle in Cervera ansässigen Mauren erfüllt und geachtet werde, schwören wir (''iuramus'') auf das Wort Gottes des Allmächtigen, unseren Propheten Muḥammad, unser gesamtes Gesetz und unsere Sunna (''unam'')'' ''sowie auf jede Art, auf die wir es besser und vollkommener zum guten und persönlichen Verständnis aller Brüder des Johanniterordens schwören können.|4f=Ebenso geben wir allen Mauren, nämlich der gesamten Gemeinde (''aljama''), einen ''amīn'' (''Alaminum'') und einen ''Saio'' (''Saionem'')<ref name="ftn1">Während der Zuständigkeitsbereich des ''amīn ''(Lat.: ''alaminus'', Katalan.: ''alamí'') in der Mitte des 13. Jahrhunderts ein nicht klar zu definierendes, breiteres Spektrum an Aufgaben umfasste, war der ''Saio ''(Katalan., auch:'' Saig'', Lat.:'' sagio'')'' ''wohl vorrangig für die Durchsetzung strafgerichtlicher Beschlüsse in Repräsentation des Landesherrn verantwortlich. Bei beiden Amtsträgern handelte es sich um wichtige Funktionäre, die ihre Gemeinde nicht nur nach innen, sondern auch nach außen vertraten. Siehe dazu auch die nachfolgenden Angaben in diesem Beitrag; zudem ''L’Islam'', Bd. 1, S. 353, 362, Bd. 2, S. 140–146; Burns, ''Colonialism'', S. 248–254, 265, FN. 46; und Guichard, ''Al-Andalus'', S. 341–342, FN. 2.</ref> ihres Glaubens (''lege''), die für die Angelegenheiten, die zwischen Euch und jenen zu klären sein werden, sowie für das Regieren der Mauren zuständig sein sollen. (…)|4e=Ebenso bestimmen wir, dass, wenn es aus irgendeinem Grund Klagen zwischen Christen und Mauren geben sollte, der ''qāḍī ''über den Mauren gemäß seinem Gesetz (''legem'') Recht spricht und ein Richter der Christen das Gleiche für den Christen gemäß dessen Gesetz tun soll (''''). Und wenn etwa ein Maure oder ein Christ einen anderen Mauren irgendeines Vergehens beschuldigt, so soll ihm nicht geglaubt werden, wenn es nicht durch geeignete Zeugen bewiesen wird. Danach soll er [scil. der Beklagte] durch seinen ''qāḍī ''gemäß seinem Gesetz verurteilt werden. (…) Ebenfalls bestimmen wir, dass, wenn ein Eid (''sacramentum'') von einem Mauren oder einer Maurin abverlangt wird, diese ihn gemäß ihrem Gesetz leisten sollen. (…)|4d=Ebenso bestimmen und erlauben wir, dass im genannten Stadtteil kein Christ oder Jude unter den genannten Mauren jenes Stadtteils verweilen darf. Wenn außerdem ein Torwächter für den genannten Stadtteil nötig ist, bestimmen und erlauben wir, dass die Mauren dieses Ortes dort einen Mauren als Torwächter einsetzen dürfen. Ferner bestimmen und erlauben wir, dass es Christen oder Juden nicht gestattet sein soll, auf irgendeine Art in irgendeinem Haus der Mauren jenes Ortes zu wohnen. (…).|4c=Ebenso bestimmen und erlauben wir, dass Eure Moschee (''mesquida'') unter der Kontrolle eines'' qāḍī'' (''Alcaidi'') und Gebetsvorstehers (Arab.: ''ṣāḥib al-ṣalā'', hier: ''Çabalçalani'') steht, wie es in Eurem Gesetz (''lege'') zu finden ist. Der Dienst für die gesamte Gemeinde (Arab.: ''al-ǧamʿ'', hier: ''algame'') hinsichtlich des Predigens, der Gebete, Eures Fastens sowie das Gebäude und die Gärten der genannten Moschee sollen nämlich frei und ohne jede Dienstbarkeit uns gegenüber sein. Ebenso sollen der ''qāḍī'' und der ''ṣāḥib al-ṣalā ''stets von Frondiensten (Kat.: ''sofra'', hier: ''çofris < ''Arab.: ''suḫra'') sowie anderen Arbeitsdiensten (''usaticis'') befreit sein ('''').|4b=('''') Mit diesem auf ewig gültigen Dokument nehmen wir Euch, alle in Cervera lebenden Mauren, und alle Eure Erben, gleich unseren eigenen Männern, besonders unter unseren sicheren Schutz und unsere Führung, (…) nämlich derart, dass Ihr unter Eurem Gesetz (''lege''), Eurer Sunna (''una'') und Euren Gewohnheiten im muslimischen Stadtteil (''arrabal'') von Cervera unter der Gerichtsbarkeit Eures ''qāḍī'' (''Alcaydi'') und seiner (untergeordneten) Richter und deren Nachfolgern verbleibt und seid, und dass Ihr nacheinander erbt, wie es in Eurem Gesetz und Eurer Sunna enthalten ist.|4a=('''') Es sei allen Gegenwärtigen und Zukünftigen bekannt, dass wir, Bruder Hug de Fullalquer, Meister von Aragón und Katalonien sowie Kastellan von Amposta, mit dem Rat und der Zustimmung unserer Brüder, zum Gefallen Gottes handelnd, den Vorsatz und gemeinsamen Entschluss gefasst haben, mit den hervorragendsten Männern (''propris hominibus'') von Cervera zu sprechen. Wir waren dort und haben mit dem ''faqīh'' (''alfachi'') Abinfaur sowie mit Azmet Abinbale, Abdella, Sohn des Abzemet, Araymio, Sohn des Azmet Nigro, Faça, Sohn des Abinfazne, Abinfarez und mit allen Mauren von Cervera darüber gesprochen, dass sie uns die Festung von Cervera ausliefern. Es beliebte Gott dem Allmächtigen, der seligen Jungfrau Maria und allen Heiligen, dass diese die gemeinsame Einigung und den festen Vorsatz gefasst haben, sich mitsamt der Festung und allem Dazugehörigen unserer Kontrolle und unserer Herrschaft auszuliefern und zu übergeben.|3h=''Sig+num Alfachi Alchayde. Sig+num Abdel Abdezamet. Sig+num Azmeti, filii Moimoni Nigri. Sig+num Faza, filii Abinfazne. Sig+num Abil Abinfarez. Sig+num Azmet Abil Abinabale, nos, qui hoc totum quod superius predicitur, per nos et omnes mauros habitatores Cervarie presentes et futuros, firmamus et concedimus et ratum et firmum habebimus et observabimus et nunquam contraveniemus ullomodo. ''(''…'')|3f=''Item, dabimus omnibus mauris scilicet toti aljama, unum Alaminum et unum Saionem de sua lege pro negotiis que inter vos et ipsos fuerint faciendi et pro gubernandum mauros. ''(''…'')|Guinot Rodríguez, Enric (Hrsg.): ''Cartes de poblament medievals valencianes'', València: Generalitat Valenciana, 1991, Nr. 7, S. 95–98, übers. Eric Böhme.|3e=''Item, volumus quod si querimonias fuerint inter christianos et mauros qualicumque ratione, quod Alcaydus faciat iuris complementum de mauro secundum suam legem, et iudex christianorum faciat similiter pro christiano secundum suam legem similiter, ''(''…'')''. Et si forte aliquis maurus aut christianus acusaret aliquem maurum de aliquo crimine, non credatur nisi probaretur hoc per idoneos testes et postea iudicatur per Alcaydum suum secundum suam legem. ''(''…'')'' Item, volumus quod si sacramentum devenerit super maurum aut mauram, ut faciat eum secundum legem suam. ''(''…'')|3d=''Item, volumus et concedimus, quo in predicta raval non posint manere christianus vel iudeus inter predictos mauros illius arravalii, et etiam, si porterius fuerit necese in predicta araval, volumus et concedimus quod mauris illius loci posint ibi mitere unum maurum pro porterio. Item, volumus et concedimus, quod christiani aut iudei non posint nec habeant licentiam habitandi aliquo modo in aliqua domo maureorum illius loci. ''(''…'')|3c=''Item, volumus et concedimus quod mesquida vestra sit in pose unius Alcaidi et Çabalçalani sicut in vestra lege invenitur, sicilicet, servitio totius algame in priovonar et in orationibus et in vestro ieiunio, et domus et hortos predicte mezquide sint franca sine aliqua servitudine nostra. Item, Alcaidus et çabaçala semper sint liberi de çofris et de aliis usaticis, ''(''…'')''.''|3b=(…)'', cum hoc instrumento perpetuo valituro, recipimus vos, omnes mauros habitantes de Cervaria, et omnes heredes vestros sicut nostros homines proprios in nostra specialiter protectione securo que ducatus, ''(''…'')'' tali videlicet modo, quod maneatis et sitis in vestra lege et in vestra una et in vestris consuetudinibus in arrabal de Cervaria, sub iuditio vestri Alcaydi et suum iuditis et suorum successorum, et sitis heredes post alium sicut in vestra lege et una continetur. ''|3a=(''…'') ''Notum sit universis, tam presentibus quam futuris, quod nos, frater Hugo de Fulalcherio, Dei gratia Magister Aragonie et Cathalonie et Castelanus Emposte, consilio et voluntate fratrum nostrorum, gratia Dei operante, habuimus propositum et consilium inter nos, ut locuti essemus cum propris hominibus de Cervaria, et fuimus ibi et locuti fuimus cum alfachi Abinfaur, cum Azmet Abinbale, Abdella filio Abzemet, Araymio, filio Azmet Nigro, et cum Faça, filio Abinfazne, et Abinfarez et cum omnibus mauris de Cervaria, de facto scilicet ut reterent nobis castrum de Cervaria. Placuit denique omnipotenti Deo et Beate Virgine Marie et omnibus Sanctis, quod ipse habuerunt pro consilio et certo proposito ut traderent et miterent se sub nostro posse et dominio, cum castro et cum omnibus pertinentiis predicti castri.''|8=Alaminus, al-Andalus, Alcaidus, Alcaydus, Aljama, Amīn, Baiulus, Beamte, Besitzbestätigung, Cartes de Poblament, Çabaçala, Cartas pueblas, Christliche Herrschaft, Conveniencia, Convivencia, Diplomatie, Diplomatik, Eroberung, Faqīh, Frondienste, Funktionäre, Gerichtsbarkeit, Ghetto, Imām, Islamisches Recht, Johanniterorden, Krieg, Moschee, Mudejaren, Mudéjares, Muslime unter christlicher Herrschaft, Muslimisches Stadtviertel, Qāḍī, Qāʾid, Porterius, Rechte, Rechtsgelehrte, Reconquista, Rechtsprechung, Ritterorden, Saio, Saig, Ṣāḥib al-ṣalā, Schwur, Siedlungsrecht, Sofra, Suḫra, Sunna, Šaiḫ, Šuyūḫ, Templerorden, Torwächter, Usaticum, Verhandlungen, Vogt, Zeremonie|7==== Zitierte Quellen ===
Benito Monclús, Pere u. a. (Hrsg.): ''Els pergamins de l'Arxiu Comtal de Barcelona, de Ramon Berenguer II a Ramon Berenguer IV'', 4 Bde., Barcelona: Fondació Noguera, 2010, URL: [http://www.fundacionoguera.com/es/publicacions.asp?idc=7 http://www.fundacionoguera.com/es/publicacions.asp?idc=7].


Burns, Robert Ignatius (Hrsg.): ''Diplomatarium of the Crusader Kingdom of Valencia. The Registered Charters of its Conqueror Jaume I., 1257–1276'', 4 Bde., Princeton: Princeton University Press, 1985–2007, URL: [https://www.jstor.org/stable/j.ctt1m323m0 https://www.jstor.org/stable/j.ctt1m323m0]<nowiki>; </nowiki>[https://www.jstor.org/stable/j.ctt7ztgpt https://www.jstor.org/stable/j.ctt7ztgpt] [Bd. 1–2].
Burns, Robert Ignatius (Hrsg.): ''Diplomatarium of the Crusader Kingdom of Valencia. The Registered Charters of its Conqueror Jaume I., 1257–1276'', 4 Bde., Princeton: Princeton University Press, 1985–2007, URL: [https://www.jstor.org/stable/j.ctt1m323m0 https://www.jstor.org/stable/j.ctt1m323m0]<nowiki>; </nowiki>[https://www.jstor.org/stable/j.ctt7ztgpt https://www.jstor.org/stable/j.ctt7ztgpt] [Bd. 1–2].
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Huici Miranda, Ambrosio; Cabanes Pecourt, Maria Desamparados (Hrsg.), Documentos de Jaime I de Aragon, 7 Bde., València: Anubar, 1976–2017, URL: [http://www.anubar.com/autores/aut7.htm http://www.anubar.com/autores/aut7.htm].
Huici Miranda, Ambrosio; Cabanes Pecourt, Maria Desamparados (Hrsg.), Documentos de Jaime I de Aragon, 7 Bde., València: Anubar, 1976–2017, URL: [http://www.anubar.com/autores/aut7.htm http://www.anubar.com/autores/aut7.htm].


[König Jakob I. von Aragón], ''Les quatre grans cròniques. I. Llibre dels feits del rei En Jaume'', ed. Ferran Soldevila, unter Mitarbeit v. Jordi Bruguera und María Teresa Ferrer i Mallol, Barcelona: Institut d’Estudis Catalans, 2008. Englische Übersetzung: ''The Book of Deeds of James I of Aragon. A Translation of the Medieval Catalan Llibre dels Fets'', ed. Damian J. Smith und Helena Buffery, Farnham: Ashgate, 2003.
''Les quatre grans cròniques. I. Llibre dels feits del rei En Jaume'', ed. Ferran Soldevila, unter Mitarbeit v. Jordi Bruguera und María Teresa Ferrer i Mallol, Barcelona: Institut d’Estudis Catalans, 2008. Englische Übersetzung: ''The Book of Deeds of James I of Aragon. A Translation of the Medieval Catalan Llibre dels Fets'', ed. Damian J. Smith und Helena Buffery, Farnham: Ashgate, 2003.


''Llibre de la Cort del Justícia d’Alcoi (1263–1265),'' ed. Maria Àngels Diéguez und Concha Ferragut, València: PUV, 2011.
''Llibre de la Cort del Justícia d’Alcoi (1263–1265),'' ed. Maria Àngels Diéguez und Concha Ferragut, València: PUV, 2011.
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Sánchez Casabón, Ana Isabel (Hrsg.): ''Alfonso II. Rey de Aragón, Conde de Barcelona y Marqués de Provenza. Documentos (1162–1196)'', Zaragoza: Institución Fernando el Católico, 1995.
Sánchez Casabón, Ana Isabel (Hrsg.): ''Alfonso II. Rey de Aragón, Conde de Barcelona y Marqués de Provenza. Documentos (1162–1196)'', Zaragoza: Institución Fernando el Católico, 1995.


=== Zitierte & weiterführende Literatur ===
Barquero Goñi, Carlos: La Orden Militar de San Juan y la Reconquista desde el siglo XII hasta el siglo XV, in: ''Medievalismo. Revista de la Sociedad Española de Estudios Medievales'' 23 (2013), S. 43–60, URL: [http://revistas.um.es/medievalismo/article/view/183231/152571 http://revistas.um.es/medievalismo/article/view/183231/152571].
Barquero Goñi, Carlos: La Orden Militar de San Juan y la Reconquista desde el siglo XII hasta el siglo XV, in: ''Medievalismo. Revista de la Sociedad Española de Estudios Medievales'' 23 (2013), S. 43–60, URL: [http://revistas.um.es/medievalismo/article/view/183231/152571 http://revistas.um.es/medievalismo/article/view/183231/152571].


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Vogtherr, Thomas: ''Einführung'' ''in die Urkundenlehre'', Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2. Aufl. 2017.|6=Ferreres Nos, Joan: Estudi de les capitulacions dels moros de Cervera, in: ''Boletín del Centro de Estudios del Maestrazgo'' 22 (1988), S. 41–48 [nur Übersetzung].
Vogtherr, Thomas: ''Einführung'' ''in die Urkundenlehre'', Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2. Aufl. 2017.|6=Ferreres Nos, Joan: Estudi de les capitulacions dels moros de Cervera, in: ''Boletín del Centro de Estudios del Maestrazgo'' 22 (1988), S. 41–48 [nur Übersetzung].


García Edo, Vicente: Actitud de Jaime I en relación con los musulmanes del reino de Valencia durante los años de conquista (1232–1245) (Notas para su estudio), in: Míkel de Epalza, Jesús Huguet (Hrsg.): ''Ibn al-Abbar. Polític i escriptor àrab valencià (1199–1260)''. València: Generalitat Valènciana, 1990, S. 289–321, App., Nr. 1, S. 316.
García Edo, Vicente: Actitud de Jaime I en relación con los musulmanes del reino de Valencia durante los años de conquista (1232–1245) (Notas para su estudio), in: Míkel de Epalza, Jesús Huguet (Hrsg.): ''Ibn al-Abbar. Polític i escriptor àrab valencià (1199–1260)''. València: Generalitat Valènciana, 1990, S. 289–321, App., Nr. 1, S. 313–316.


Guinot Rodríguez, Enric (Hrsg.): ''Cartes de poblament medievals valencianes'', València: Generalitat Valenciana, 1991, Nr. 7, S. 95–98.|5=== Autor/in & Werk  ==
Guinot Rodríguez, Enric (Hrsg.): ''Cartes de poblament medievals valencianes'', València: Generalitat Valenciana, 1991, Nr. 7, S. 95–98.|5=== Autor/in & Werk  ==
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[§2] Der katalanische Begriff ''Cartes de Poblament'' (Kast.: ''Cartas pueblas'', Dt. etwa: „Ansiedlungsurkunden“) bezeichnet Dokumente, mit denen der König oder ein anderer Landesherr den Mitgliedern einer oder mehrerer Gemeinden das Siedlungsrecht in seinem Herrschaftsgebiet unter bestimmten Bedingungen (weiter-)gewährte. Zu den Empfängern gehörten allerdings nicht nur ansässige muslimische Gemeinden, sondern ebenso christliche, jüdische oder muslimische Neusiedlergruppen die sich an bestimmten Orten niederließen. Obwohl diese Schriftstücke formal vonseiten der Herrschenden ausgestellt wurden, sollten sie keinesfalls als einseitige Gunsterweise, sondern vielmehr als das beurkundete Endergebnis oft langwieriger und hart geführter Verhandlungen betrachtet werden, an denen alle beteiligten Parteien ihren Anteil hatten. Aus dem Königreich València kennen wir bis zum Ende der Regierungszeit Jakobs I. 1276 rund 170 solcher Dokumente, von denen etwa 30 für muslimische Empfänger ausgestellt wurden. Unter letzteren ist die hier zu behandelnde Urkunde für Cervera (''Ǧarbayra'') das älteste bekannte Exemplar.<ref name="ftn3">Die wichtigsten Editionswerke sind: Guinot Rodríguez (Hrsg.),'' Cartes de poblament'' und Febrer Romaguera, Manuel Vicente (Hrsg.): ''Cartas pueblas de las morerías valencianas y documentación complementaria (1234–1372)'', Zaragoza: Anubar, 1991. Eine generelle Einführung zur Quellengruppe bietet Guinot Rodríguez, Cartes de poblament.</ref>
[§2] Der katalanische Begriff ''Cartes de Poblament'' (Kast.: ''Cartas pueblas'', Dt. etwa: „Ansiedlungsurkunden“) bezeichnet Dokumente, mit denen der König oder ein anderer Landesherr den Mitgliedern einer oder mehrerer Gemeinden das Siedlungsrecht in seinem Herrschaftsgebiet unter bestimmten Bedingungen (weiter-)gewährte. Zu den Empfängern gehörten allerdings nicht nur ansässige muslimische Gemeinden, sondern ebenso christliche, jüdische oder muslimische Neusiedlergruppen die sich an bestimmten Orten niederließen. Obwohl diese Schriftstücke formal vonseiten der Herrschenden ausgestellt wurden, sollten sie keinesfalls als einseitige Gunsterweise, sondern vielmehr als das beurkundete Endergebnis oft langwieriger und hart geführter Verhandlungen betrachtet werden, an denen alle beteiligten Parteien ihren Anteil hatten. Aus dem Königreich València kennen wir bis zum Ende der Regierungszeit Jakobs I. 1276 rund 170 solcher Dokumente, von denen etwa 30 für muslimische Empfänger ausgestellt wurden. Unter letzteren ist die hier zu behandelnde Urkunde für Cervera (''Ǧarbayra'') das älteste bekannte Exemplar.<ref name="ftn3">Die wichtigsten Editionswerke sind: Guinot Rodríguez (Hrsg.),'' Cartes de poblament'' und Febrer Romaguera, Manuel Vicente (Hrsg.): ''Cartas pueblas de las morerías valencianas y documentación complementaria (1234–1372)'', Zaragoza: Anubar, 1991. Eine generelle Einführung zur Quellengruppe bietet Guinot Rodríguez, Cartes de poblament.</ref>


[§3] Das Dokument wurde durch Hug de Fullalquer, den Meister des Johanniterordens in Aragón und Katalonien (sed. 1230–1245), ausgestellt, der nicht nur in seinem eigenen Recht, sondern im Namen seiner Ordensbrüder urkundete. Der Johanniterorden in der Krone Aragón war einer von zahlreichen Ablegern, die der einst auf die sogenannten Kreuzfahrerstaaten in der Levante beschränkte Ritterorden im Verlauf des 12. und 13. Jahrhundert in vielen Regionen Europas gegründet hatte. Der Zweig im Osten der Iberischen Halbinsel existierte bereits seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Ihre Ordensmeister unterhielten zumeist enge Beziehungen zu den Herrschern der Krone Aragón, die die Ordensbrüder nicht selten mit militärischen Aufgaben, wie der Teilnahme an Kriegszügen oder der Übernahme grenznaher Festungen, betrauten.<ref name="ftn4">Siehe dazu weiterführend Bonet Donato, ''Orden del Hospital''<nowiki>; in unserem Kontext insbesondere Guinot Rodríguez, Orden de San Juan del Hospital. Einen breiten Überblick über die Aktivitäten des Ordens auf der Iberischen Halbinsel bietet Barquero Goñi, Orden militar de San Juan.</nowiki></ref> Die Beziehung zwischen Hug de Fullalquer und dem während seiner Amtszeit herrschenden König Jakob I. (regn. 1213–1276)<ref name="ftn5">Katalan.: Jaume I., Aragones.: Chaime I., Kast.: Jaime I., Engl.: James I.</ref> kann als besonders eng bezeichnet werden, hatte der Monarch sich doch persönlich für die Wahl des Kastellans von Amposta zum Ordensmeister eingesetzt. In der Amtszeit Hugs beteiligte sich der Orden engagiert an den Eroberungszügen der Krone und wurde im Gegenzug immer wieder mit großzügigen Privilegien bedacht.<ref name="ftn6">Über die enge Beziehung zwischen beiden Akteuren berichtet auch der König selbst in seinem autobiographisch ausgerichteten ''Llibre dels feits'': [König Jakob I. von Aragón], ''Les quatre grans cròniques. I. Llibre dels feits del rei En Jaume'', ed. Ferran Soldevila unter Mitarbeit v. Jordi Bruguera und María Teresa Ferrer i Mallol, Barcelona: Institut d’Estudis Catalans, 2008, cap. 95, S. 189–190; englische Übersetzung: ''The Book of Deeds of James I of Aragon. A Translation of the Medieval Catalan Llibre dels Fets'', ed. Damian J. Smith und Helena Buffery, Farnham: Ashgate, 2003, cap. 95, S. 114–115. Vgl. weiterführend Bonet Donato, Hospitalers, insbes. 342–349; zum Ordensmeister selbst Conca und Guia, Hug de Forcalquer.</ref>  
[§3] Das Dokument wurde durch Hug de Fullalquer, den Meister des Johanniterordens in Aragón und Katalonien (sed. 1230–1245), ausgestellt, der nicht nur in seinem eigenen Recht, sondern im Namen seiner Ordensbrüder urkundete. Der Johanniterorden in der Krone Aragón war einer von zahlreichen Ablegern, die der einst auf die sogenannten Kreuzfahrerstaaten in der Levante beschränkte Ritterorden im Verlauf des 12. und 13. Jahrhundert in vielen Regionen Europas gegründet hatte. Der Zweig im Osten der Iberischen Halbinsel existierte bereits seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Ihre Ordensmeister unterhielten zumeist enge Beziehungen zu den Herrschern der Krone Aragón, die die Ordensbrüder nicht selten mit militärischen Aufgaben, wie der Teilnahme an Kriegszügen oder der Übernahme grenznaher Festungen, betrauten.<ref name="ftn4">Siehe dazu weiterführend Bonet Donato, ''Orden del Hospital''<nowiki>; in unserem Kontext insbesondere Guinot Rodríguez, Orden de San Juan del Hospital. Einen breiten Überblick über die Aktivitäten des Ordens auf der Iberischen Halbinsel bietet Barquero Goñi, Orden militar de San Juan.</nowiki></ref> Die Beziehung zwischen Hug de Fullalquer und dem während seiner Amtszeit herrschenden König Jakob I. (regn. 1213–1276)<ref name="ftn5">Katalan.: Jaume I., Aragones.: Chaime I., Kast.: Jaime I., Engl.: James I.</ref> kann als besonders eng bezeichnet werden, hatte der Monarch sich doch persönlich für die Wahl des Kastellans von Amposta zum Ordensmeister eingesetzt. In der Amtszeit Hugs beteiligte sich der Orden engagiert an den Eroberungszügen der Krone und wurde im Gegenzug immer wieder mit großzügigen Privilegien bedacht.<ref name="ftn6">Über die enge Beziehung zwischen beiden Akteuren berichtet auch der König selbst in seinem autobiographisch ausgerichteten "Buch der Taten": ''Les quatre grans cròniques. I. Llibre dels feits del rei En Jaume'', ed. Ferran Soldevila unter Mitarbeit v. Jordi Bruguera und María Teresa Ferrer i Mallol, Barcelona: Institut d’Estudis Catalans, 2008, cap. 95, S. 189–190; englische Übersetzung: ''The Book of Deeds of James I of Aragon. A Translation of the Medieval Catalan Llibre dels Fets'', ed. Damian J. Smith und Helena Buffery, Farnham: Ashgate, 2003, cap. 95, S. 114–115. Vgl. weiterführend Bonet Donato, Hospitalers, insbes. 342–349; zum Ordensmeister selbst Conca und Guia, Hug de Forcalquer.</ref>  


[§4] Ausgestellt wurde die Carta de Poblament für die muslimische Gemeinde von Cervera (''Ǧarbayra''), dem heutigen Cervera del Maestre/Maestrat (Comarca Baix Maestrat, Provinz Castelló, Comunitat Valenciana), für die die Ausstellung des Dokuments mit der Unterstellung unter die Herrschaft des Ordens einherging.
[§4] Ausgestellt wurde die Carta de Poblament für die muslimische Gemeinde von Cervera (''Ǧarbayra''), dem heutigen Cervera del Maestre/Maestrat (Comarca Baix Maestrat, Provinz Castelló, Comunitat Valenciana), für die die Ausstellung des Dokuments mit der Unterstellung unter die Herrschaft des Ordens einherging.
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== Kontextualisierung, Analyse & Interpretation ==
== Kontextualisierung, Analyse & Interpretation ==
[§10] Im Folgenden werden einige, von der ''Carta de Poblament'' berührte Themenfelder besprochen. Zunächst ist die Bedeutung dieser Dokumente im Kontext von Kapitulationsverhandlungen zu evaluieren. In diesem Zusammenhang sind auch mögliche Rückschlüsse auf die an den Verhandlungen beteiligten Gemeindevertreter im konkreten Beispiel Cervera und somit auf die Führungsschicht dieser Aljama zu erörtern. Im Anschluss daran sollen einige zentrale Bestimmungen der Ansiedlungsurkunde zu Religionsfreiheit und Rechtsprechung sowie hinsichtlich der Beziehungen zu Nichtmuslimen in den Blick genommen werden. Zudem soll kurz auf die Besetzung von Gemeindeämtern durch die neuen Landesherren eingegangen werden. Im Rahmen dieser Analysen soll die spezifische Situation in Cervera durch Vergleiche mit anderen Siedlungszentren der Region kontextualisiert werden, wobei die Aljama von Xivert (''Ḥiṣn Šubrut'', heute Alcalà de Xivert, Comarca Baix Maestrat, Provinz Castelló, Comunitat Valenciana), die im November 1233 unter die Herrschaft des Templerordens geriet, aufgrund des zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs eine besonders geeignete Vergleichsfolie darstellt.<ref name="ftn19">Zum Kontext der Eroberung siehe die vorherige FN. Die zukünftigen Herrschaftsrechte über Xivert hatte der Orden 1169 durch Alfonso II. erhalten: Sánchez Casabón (Hrsg.): ''Alfonso II'', Nr. 74, S. 119–122. Jakob I. hatte sie 1224/1225 zunächst anderweitig vergeben, im Juli 1233 aber wieder bekräftigt: Huici Miranda und Cabanes Pecourt (Hrsg.), ''Documentos'', Bd. 1, Nr. 62, 72, 183, S. 132–133, 151–152, 315–316. Die Ende April 1234 ausgestellte Ansiedlungsurkunde für die muslimische Gemeinde ist ebenfalls nur als spätere Abschrift des lateinischen Textes erhalten, während wir über die Beschaffenheit eines gleichsam anzunehmenden arabischen Teils nichts wissen: Guinot Rodríguez (Hrsg.), ''Cartes de Poblament'', Nr. 10, S. 100–105. Grundlegend zu den Aktivitäten des Ordens in der Krone Aragón siehe Forey, ''Templars''.</ref>  
[§10] Im Folgenden werden einige, von der ''Carta de Poblament'' berührte Themenfelder besprochen. Zunächst ist die Bedeutung dieser Dokumente im Kontext von Kapitulationsverhandlungen zu evaluieren. In diesem Zusammenhang sind auch mögliche Rückschlüsse auf die an den Verhandlungen beteiligten Gemeindevertreter im konkreten Beispiel Cervera und somit auf die Führungsschicht dieser Aljama zu erörtern. Im Anschluss daran sollen einige zentrale Bestimmungen der Ansiedlungsurkunde zu Religionsfreiheit und Rechtsprechung sowie hinsichtlich der Beziehungen zu Nichtmuslimen in den Blick genommen werden. Zudem soll kurz auf die Besetzung von Gemeindeämtern durch die neuen Landesherren eingegangen werden. Im Rahmen dieser Analysen soll die spezifische Situation in Cervera durch Vergleiche mit anderen Siedlungszentren der Region kontextualisiert werden, wobei die Aljama von Xivert (''Ḥiṣn Šubrut'', heute Alcalà de Xivert, Comarca Baix Maestrat, Provinz Castelló, Comunitat Valenciana), die im November 1233 unter die Herrschaft des Templerordens geriet, aufgrund des zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs eine besonders geeignete Vergleichsfolie darstellt.<ref name="ftn19">Zum Kontext der Eroberung siehe die vorherige FN. Die zukünftigen Herrschaftsrechte über Xivert hatte der Orden 1169 durch Alfons II. erhalten: Sánchez Casabón (Hrsg.): ''Alfonso II'', Nr. 74, S. 119–122. Jakob I. hatte sie 1224/1225 zunächst anderweitig vergeben, im Juli 1233 aber wieder bekräftigt: Huici Miranda und Cabanes Pecourt (Hrsg.), ''Documentos'', Bd. 1, Nr. 62, 72, 183, S. 132–133, 151–152, 315–316. Die Ende April 1234 ausgestellte Ansiedlungsurkunde für die muslimische Gemeinde ist ebenfalls nur als spätere Abschrift des lateinischen Textes erhalten, während wir über die Beschaffenheit eines gleichsam anzunehmenden arabischen Teils nichts wissen: Guinot Rodríguez (Hrsg.), ''Cartes de Poblament'', Nr. 10, S. 100–105. Grundlegend zu den Aktivitäten des Ordens in der Krone Aragón siehe Forey, ''Templars''.</ref>  


[§11] In der diplomatischen Kultur der Krone Aragón kam der Verschriftlichung von Verhandlungsergebnissen – sei es in Form von Ansiedlungsurkunden, Verträgen<ref name="ftn20">Burns und Chevedden, ''Negotiating Cultures''.</ref> oder beurkundeten Gunsterweisen der Landesherren<ref name="ftn21">Huici Miranda und Cabanes Pecourt (Hrsg.), ''Documentos''<nowiki>; Burns, Robert Ignatius (Hrsg.): </nowiki>''Diplomatarium of the Crusader Kingdom of Valencia. The Registered Charters of its Conqueror Jaume I., 1257–1276'', 4 Bde., Princeton: Princeton University Press, 1985–2007.</ref> – generell ein hoher Stellenwert zu. Dabei wurde die Ausfertigung und Übergabe solcher Dokumente im Osten der Iberischen Halbinsel fast immer als bedeutendes und symbolisch aufgeladenes Ereignis inszeniert, bei dem die beteiligten Seiten nicht nur ein Instrument zur zukünftigen Absicherung ihrer Ansprüche, sondern ''ad hoc'' eine Projektionsfläche für die Repräsentation von Rang, Einfluss und Macht erhielten.<ref name="ftn22">Grundlegend zur Urkundenpraxis in der Krone Aragón siehe Burns (Hrsg.), ''Diplomatarium'', Bd. 1.</ref>
[§11] In der diplomatischen Kultur der Krone Aragón kam der Verschriftlichung von Verhandlungsergebnissen – sei es in Form von Ansiedlungsurkunden, Verträgen<ref name="ftn20">Burns und Chevedden, ''Negotiating Cultures''.</ref> oder beurkundeten Gunsterweisen der Landesherren<ref name="ftn21">Huici Miranda und Cabanes Pecourt (Hrsg.), ''Documentos''<nowiki>; Burns, Robert Ignatius (Hrsg.): </nowiki>''Diplomatarium of the Crusader Kingdom of Valencia. The Registered Charters of its Conqueror Jaume I., 1257–1276'', 4 Bde., Princeton: Princeton University Press, 1985–2007.</ref> – generell ein hoher Stellenwert zu. Dabei wurde die Ausfertigung und Übergabe solcher Dokumente im Osten der Iberischen Halbinsel fast immer als bedeutendes und symbolisch aufgeladenes Ereignis inszeniert, bei dem die beteiligten Seiten nicht nur ein Instrument zur zukünftigen Absicherung ihrer Ansprüche, sondern ''ad hoc'' eine Projektionsfläche für die Repräsentation von Rang, Einfluss und Macht erhielten.<ref name="ftn22">Grundlegend zur Urkundenpraxis in der Krone Aragón siehe Burns (Hrsg.), ''Diplomatarium'', Bd. 1.</ref>
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[§21] Tatsächlich stellte die Aufteilung der gerichtlichen Kompetenzen sowie die Heranziehung jüdischer und islamischer Rechtsgrundsätze in Gerichtsprozessen zwischen Muslimen, Juden und Christen eine gängige Praxis dar, die über Jahrhunderte Bestand hatte, bis die Vertreibungen und Zwangskonversionen im 15. und 16. Jahrhundert das vorläufige Ende der religiösen Vielfalt einläuteten. Sie lässt sich auch für die Mehrzahl der Siedlungszentren des Königreiches València nachweisen, wo ihre rechtlichen Grundlagen bereits ab den 1240er Jahren in Rechtskodifikationen wie den ''Furs de València'' institutionalisiert wurden.<ref name="ftn39">Furs de València, ed. Pedro López Elum, ''Los orígenes de los Fvrs de València y de las cortes en el siglo XIII'', València: Biblioteca Valenciana, 2001, S. 103–368, hier etwa: cap. LXIII, §7, 24, S. 179, 181. Einführend zu dieser Rechtssammlung Guinot Rodríguez, Fueros. </ref> Zahlreiche Zeugnisse für die tatsächliche Anwendung dieser Praktiken finden sich in den gerichtlichen Aufzeichnungen der sogenannten ''Llibres de la Cort''.<ref name="ftn40">''Llibre de la Cort del Justícia d’Alcoi (1263–1265),'' ed. Maria Àngels Diéguez und Concha Ferragut, València: PUV, 2011; ''Llibre de la Cort del Justícia de Cocentaina (1269–1295)'', ed. Josep Torró, 2 Bde., València: PUV, 2009; ''Llibre de la Cort del Justícia de València'', ed. Guinot Rodríguez u. a., 3 Bde., València: PUV, 2008.</ref>
[§21] Tatsächlich stellte die Aufteilung der gerichtlichen Kompetenzen sowie die Heranziehung jüdischer und islamischer Rechtsgrundsätze in Gerichtsprozessen zwischen Muslimen, Juden und Christen eine gängige Praxis dar, die über Jahrhunderte Bestand hatte, bis die Vertreibungen und Zwangskonversionen im 15. und 16. Jahrhundert das vorläufige Ende der religiösen Vielfalt einläuteten. Sie lässt sich auch für die Mehrzahl der Siedlungszentren des Königreiches València nachweisen, wo ihre rechtlichen Grundlagen bereits ab den 1240er Jahren in Rechtskodifikationen wie den ''Furs de València'' institutionalisiert wurden.<ref name="ftn39">Furs de València, ed. Pedro López Elum, ''Los orígenes de los Fvrs de València y de las cortes en el siglo XIII'', València: Biblioteca Valenciana, 2001, S. 103–368, hier etwa: cap. LXIII, §7, 24, S. 179, 181. Einführend zu dieser Rechtssammlung Guinot Rodríguez, Fueros. </ref> Zahlreiche Zeugnisse für die tatsächliche Anwendung dieser Praktiken finden sich in den gerichtlichen Aufzeichnungen der sogenannten ''Llibres de la Cort''.<ref name="ftn40">''Llibre de la Cort del Justícia d’Alcoi (1263–1265),'' ed. Maria Àngels Diéguez und Concha Ferragut, València: PUV, 2011; ''Llibre de la Cort del Justícia de Cocentaina (1269–1295)'', ed. Josep Torró, 2 Bde., València: PUV, 2009; ''Llibre de la Cort del Justícia de València'', ed. Guinot Rodríguez u. a., 3 Bde., València: PUV, 2008.</ref>


[§22] Private oder geschäftliche Beziehungen zu Nichtmuslimen wurden vonseiten der Gemeindeführungen nicht selten mit mehr oder weniger großem Misstrauen betrachtet. Die Vertreter von Cervera setzten innerhalb ihres Stadtviertels (Katalan.: [''ar'']''raval'' > Arab.: ''al-rabaḍ'') ein Ansiedlungsverbot für Juden und Christen durch. Selbst ein längeres Verweilen sollte ihnen dort nicht gestattet sein, wofür die Muslime das Recht zur Ernennung eines Torwächters (''porterius'') aus ihren eigenen Reihen beanspruchten.<ref name="ftn41">Zu den Begriffen weiterführend'' ''Burns, ''L’Islam'', Bd. 1, S. 166, FN. 27, 239–252, Bd. 2, S. 167–168.</ref> Die Hintergründe für das Beharren auf einer solchen „Schutzzone“ mögen zum einen in der Angst vor einer negativen Beeinflussung der traditionellen islamischen Lebensweise – etwa verbunden mit verstärktem Konversionsdruck – gelegen haben. Gleichsam stand für die Muslime aber zu befürchten, dass die nicht nur sozial, sondern zumeist auch finanziell besser gestellten Neusiedler auch in diesem Teil des Siedlungszentrums sukzessive die Vorherrschaft übernehmen würden.<ref name="ftn42">Einen solchen Fall kennen wir etwa aus dem 1242 unterworfenen Alzira (''Ǧazīrat Šuqr''), wo – trotz eines ähnlichen Segregationsgebotes (''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 331, S. 368, übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 331, S. 256) – einige der von Krone angeworbenen, christlichen Siedlergruppen innerhalb weniger Jahre soviel Landbesitz aus muslimischer Hand aufkauften oder anderweitig in Besitz nahmen, dass es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Muslimen kam. Ein vom König selbst geleitetes Streitschlichtungsverfahren annullierte Mitte 1246 schließlich alle Transaktionen, die nicht durch beglaubigte Urkunden oder Kaufverträge belegt werden konnten. Das Urteil ist ediert in Huici Miranda und Cabanes Pecourt (Hrsg.), ''Documentos'', Bd. 2, Nr. 431, S. 226–228; vgl. dazu auch ''L’Islam'', Bd. 1, S. 276–277, 331, FN. 114, 390–391; Guichard, ''Al-Andalus'', S. 572–574; und Torró, ''Naixement'', S. 126, 182–183.</ref> Gerade in den nördlichen Regionen des Königreiches València, die schon in den ersten Jahren nach der christlichen Eroberung von Immigrationsbewegungen erfasst wurden, wurden solche Schutzbestimmungen daher häufig vonseiten der Aljamas eingefordert, unter anderem auch in Xivert.<ref name="ftn43">Guinot Rodríguez (Hrsg.), ''Cartes de Poblament'', Nr. 10, S. 103: “Ad hec, nullus christianus vel iudeus maneat inter sarracenos vel ospitetur sine licentia sua et voluntate infra domus suas et honores.” Der Torwächter (''ianitorem sive portarium'') wurde hier allerdings vonseiten der Ordensleitung ernannt.</ref>
[§22] Private oder geschäftliche Beziehungen zu Nichtmuslimen wurden vonseiten der Gemeindeführungen nicht selten mit mehr oder weniger großem Misstrauen betrachtet. Die Vertreter von Cervera setzten innerhalb ihres Stadtviertels (Katalan.: [''ar'']''raval'' > Arab.: ''al-rabaḍ'') ein Ansiedlungsverbot für Juden und Christen durch. Selbst ein längeres Verweilen sollte ihnen dort nicht gestattet sein, wofür die Muslime das Recht zur Ernennung eines Torwächters (''porterius'') aus ihren eigenen Reihen beanspruchten.<ref name="ftn41">Zu den Begriffen weiterführend'' ''Burns, ''L’Islam'', Bd. 1, S. 166, FN. 27, 239–252, Bd. 2, S. 167–168.</ref> Die Hintergründe für das Beharren auf einer solchen „Schutzzone“ mögen zum einen in der Angst vor einer negativen Beeinflussung der traditionellen islamischen Lebensweise – etwa verbunden mit verstärktem Konversionsdruck – gelegen haben. Gleichsam stand für die Muslime aber zu befürchten, dass die nicht nur sozial, sondern zumeist auch finanziell besser gestellten Neusiedler auch in diesem Teil des Siedlungszentrums sukzessive die Vorherrschaft übernehmen würden.<ref name="ftn42">Einen solchen Fall kennen wir etwa aus dem 1242 unterworfenen Alzira (''Ǧazīrat Šuqr''), wo – trotz eines ähnlichen Segregationsgebotes (''Llibre dels feits'', ed. Soldevila, cap. 331, S. 368, übers. ''Book of Deeds'', ed. Smith/Buffery, cap. 331, S. 256) – einige der von der Krone angeworbenen, christlichen Siedlergruppen innerhalb weniger Jahre soviel Landbesitz aus muslimischer Hand aufkauften oder anderweitig in Besitz nahmen, dass es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Muslimen kam. Ein vom König selbst geleitetes Streitschlichtungsverfahren annullierte Mitte 1246 schließlich alle Transaktionen, die nicht durch beglaubigte Urkunden oder Kaufverträge belegt werden konnten. Das Urteil ist ediert in Huici Miranda und Cabanes Pecourt (Hrsg.), ''Documentos'', Bd. 2, Nr. 431, S. 226–228; vgl. dazu auch ''L’Islam'', Bd. 1, S. 276–277, 331, FN. 114, 390–391; Guichard, ''Al-Andalus'', S. 572–574; und Torró, ''Naixement'', S. 126, 182–183.</ref> Gerade in den nördlichen Regionen des Königreiches València, die schon in den ersten Jahren nach der christlichen Eroberung von Immigrationsbewegungen erfasst wurden, wurden solche Schutzbestimmungen daher häufig vonseiten der Aljamas eingefordert, unter anderem auch in Xivert.<ref name="ftn43">Guinot Rodríguez (Hrsg.), ''Cartes de Poblament'', Nr. 10, S. 103: “Ad hec, nullus christianus vel iudeus maneat inter sarracenos vel ospitetur sine licentia sua et voluntate infra domus suas et honores.” Der Torwächter (''ianitorem sive portarium'') wurde hier allerdings vonseiten der Ordensleitung ernannt.</ref>


[§23] Neben allen Zugeständnissen hinsichtlich der autonomen Administration innergemeindlicher Angelegenheiten mussten die Vertreter der Aljamas aber auch bestimmte Neuerungen hinnehmen, wenn die neuen Landesherren sie mit Nachdruck einforderten. Sowohl in Cervera als auch in Xivert setzten die Ordensleitungen etwa durch, die Ämter des ''Saio''/''Saig'' und des ''amīn'' mit muslimischen Kandidaten ihrer Wahl zu besetzen. Ihre Aufgabenfelder wurden durch die stipulierten Bestimmungen nur vage definiert und betrafen offenbar vorrangig die Durchsetzung finanzieller, gerichtlicher und administrativer Interessen der Ordensleitung.<ref name="ftn44">Vgl. den Quellentext oben: „Item, dabimus omnibus mauris scilicet toti aljama, unum Alaminum et unum Saionem de sua lege pro negotiis que inter vos et ipsos fuerint faciendi et pro gubernandum mauros. (…)“ mit Guinot Rodríguez (Hrsg.), ''Cartes de Poblament'', Nr. 10, S. 103–104: “Ceterum, sarraceni predicti habeant Alaminum ad incautandum et accipiendum iura dominorum fratrum, et saionem et ianitorem sive portarium in suo arravallo et isti tres sint mauri aut de castro Exiverti aut de loco alio, sicut ad officium istud poterint inveniri.”</ref>  
[§23] Neben allen Zugeständnissen hinsichtlich der autonomen Administration innergemeindlicher Angelegenheiten mussten die Vertreter der Aljamas aber auch bestimmte Neuerungen hinnehmen, wenn die neuen Landesherren sie mit Nachdruck einforderten. Sowohl in Cervera als auch in Xivert setzten die Ordensleitungen etwa durch, die Ämter des ''Saio''/''Saig'' und des ''amīn'' mit muslimischen Kandidaten ihrer Wahl zu besetzen. Ihre Aufgabenfelder wurden durch die stipulierten Bestimmungen nur vage definiert und betrafen offenbar vorrangig die Durchsetzung finanzieller, gerichtlicher und administrativer Interessen der Ordensleitung.<ref name="ftn44">Vgl. den Quellentext oben: „Item, dabimus omnibus mauris scilicet toti aljama, unum Alaminum et unum Saionem de sua lege pro negotiis que inter vos et ipsos fuerint faciendi et pro gubernandum mauros. (…)“ mit Guinot Rodríguez (Hrsg.), ''Cartes de Poblament'', Nr. 10, S. 103–104: “Ceterum, sarraceni predicti habeant Alaminum ad incautandum et accipiendum iura dominorum fratrum, et saionem et ianitorem sive portarium in suo arravallo et isti tres sint mauri aut de castro Exiverti aut de loco alio, sicut ad officium istud poterint inveniri.”</ref>  
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[§24] Diese Beobachtungen decken sich mit dem generellen Wissensstand zu beiden Funktionären: Die Befugnisse des vergleichsweise selten nachzuweisenden ''Saio''/''Saig'' betrafen hauptsächlich die Durchsetzung strafgerichtlicher Anordnungen in Vertretung des Landesherrn.<ref name="ftn45">In dieser Funktion begegnet 1266 auch ein christlicher Amtsträger in València (''Balansiya''): Guinot Rodríguez, Enric (Hrsg.):'' Pergamins, processos i cartes reials. Documentació dispersa valenciana del segle XIII'', València: PUV, 2010, Nr. 2, S. 34–35; siehe zudem weiterführend ''L’Islam'', Bd. 1, S. 353; und Burns, ''Colonialism'', S. 265, FN. 46.</ref> Das Amt des wesentlich häufiger anzutreffenden ''amīn'' umfasste in almohadischer Zeit vorrangig Aufgaben aus dem Bereich der Finanzverwaltung, so etwa die Eintreibung von Steuern innerhalb der Gemeinde. Unter christlicher Oberherrschaft weitete sich dieser Aufgabenbereich zunehmend in unterschiedliche, oft nur schwer zu greifende Richtungen aus, bis das Amt im 14./15. Jahrhundert zu einer hohen Führungsposition innerhalb der valèncianischen Aljamas wurde. In der hier relevanten Zeitspanne um die Mitte des 13. Jahrhunderts können wir den ''amīn'' bereits in zahlreichen Aljamas als wichtigsten Kontaktmann der Krone oder anderer Landesherren greifen, ohne dass generalisierende Aussagen über die Herkunft, die genauen Befugnisse oder das Ansehen der jeweiligen Amtsträger innerhalb der Gemeinde möglich wären. Im Gegenteil scheint das Recht zur Besetzung des Amtes zwischen der Krone, den Muslimen und den jeweiligen Landesherren stets hart umkämpft gewesen zu sein, wie sich an unterschiedlichen Übereinkünften für zahlreiche Siedlungszentren ablesen lässt.<ref name="ftn46">Vgl. etwa die königlichen Bestallungsurkunden für Amtsträger in Ibi (1261), Quart de Poblet (1262) und Chelva (1269), in: Burns (Hrsg.), ''Diplomatarium'', Bd. 2, Nr. 355, 399, S. 300–301, 342–343, Bd. 3, Nr. 871, S. 444, mit den Regelungen in den Ansiedlungsurkunden für Uixó (''Šūn'', 1250), Xàtiva (''Šāṭiba'', 1252) und Bunyol (''al-Bunyūl'', 1254), in: Guinot Rodríguez (Hrsg.), ''Cartes de Poblament'', Nr. 84, 96, 105, S. 224–226, 247–250, 265–266, sowie einem Streit zwischen der Krone und einem auf Zeit eingesetzten Landesherren (Pego/''Baġu'', 1259): Burns (Hrsg.), ''Diplomatarium'', Bd. 2, Nr. 218, S. 185. Vgl. zudem Burns, ''L’Islam'', Bd. 1, S. 362, Bd. 2, S. 140–146; Burns, ''Colonialism'', S. 248–254; Guichard, ''Al-Andalus'', S. 341–342, FN. 2; sowie aus einer weiteren Perspektive Cahen, Amīn.</ref>
[§24] Diese Beobachtungen decken sich mit dem generellen Wissensstand zu beiden Funktionären: Die Befugnisse des vergleichsweise selten nachzuweisenden ''Saio''/''Saig'' betrafen hauptsächlich die Durchsetzung strafgerichtlicher Anordnungen in Vertretung des Landesherrn.<ref name="ftn45">In dieser Funktion begegnet 1266 auch ein christlicher Amtsträger in València (''Balansiya''): Guinot Rodríguez, Enric (Hrsg.):'' Pergamins, processos i cartes reials. Documentació dispersa valenciana del segle XIII'', València: PUV, 2010, Nr. 2, S. 34–35; siehe zudem weiterführend ''L’Islam'', Bd. 1, S. 353; und Burns, ''Colonialism'', S. 265, FN. 46.</ref> Das Amt des wesentlich häufiger anzutreffenden ''amīn'' umfasste in almohadischer Zeit vorrangig Aufgaben aus dem Bereich der Finanzverwaltung, so etwa die Eintreibung von Steuern innerhalb der Gemeinde. Unter christlicher Oberherrschaft weitete sich dieser Aufgabenbereich zunehmend in unterschiedliche, oft nur schwer zu greifende Richtungen aus, bis das Amt im 14./15. Jahrhundert zu einer hohen Führungsposition innerhalb der valèncianischen Aljamas wurde. In der hier relevanten Zeitspanne um die Mitte des 13. Jahrhunderts können wir den ''amīn'' bereits in zahlreichen Aljamas als wichtigsten Kontaktmann der Krone oder anderer Landesherren greifen, ohne dass generalisierende Aussagen über die Herkunft, die genauen Befugnisse oder das Ansehen der jeweiligen Amtsträger innerhalb der Gemeinde möglich wären. Im Gegenteil scheint das Recht zur Besetzung des Amtes zwischen der Krone, den Muslimen und den jeweiligen Landesherren stets hart umkämpft gewesen zu sein, wie sich an unterschiedlichen Übereinkünften für zahlreiche Siedlungszentren ablesen lässt.<ref name="ftn46">Vgl. etwa die königlichen Bestallungsurkunden für Amtsträger in Ibi (1261), Quart de Poblet (1262) und Chelva (1269), in: Burns (Hrsg.), ''Diplomatarium'', Bd. 2, Nr. 355, 399, S. 300–301, 342–343, Bd. 3, Nr. 871, S. 444, mit den Regelungen in den Ansiedlungsurkunden für Uixó (''Šūn'', 1250), Xàtiva (''Šāṭiba'', 1252) und Bunyol (''al-Bunyūl'', 1254), in: Guinot Rodríguez (Hrsg.), ''Cartes de Poblament'', Nr. 84, 96, 105, S. 224–226, 247–250, 265–266, sowie einem Streit zwischen der Krone und einem auf Zeit eingesetzten Landesherren (Pego/''Baġu'', 1259): Burns (Hrsg.), ''Diplomatarium'', Bd. 2, Nr. 218, S. 185. Vgl. zudem Burns, ''L’Islam'', Bd. 1, S. 362, Bd. 2, S. 140–146; Burns, ''Colonialism'', S. 248–254; Guichard, ''Al-Andalus'', S. 341–342, FN. 2; sowie aus einer weiteren Perspektive Cahen, Amīn.</ref>


[§25] Über die weiteren Beziehungen zwischen dem Johanniterorden und den Muslimen von Cervera sind wir nur lückenhaft unterrichtet. Wie bereits erwähnt, erwirkte die Ordensführung 1235 eine erneute Besitzbestätigung durch die Krone<ref name="ftn47">Huici Miranda und Cabanes Pecourt (Hrsg.), Documentos, Bd. 1, Nr. 226, S. 372.</ref> und förderte die Ansiedlung christlicher Siedler in der Region über die Vergabe großzügiger Privilegien.<ref name="ftn48">Vgl. etwa Guinot Rodríguez (Hrsg.), ''Cartes de Poblament'', Nr. 12, 15, 21–22, 35, 82, S. 106–108, 111–113, 120–125, 146–147, 220–221.</ref> Auch die Beziehungen zur Führung der Aljama scheinen zunächst stabil geblieben zu sein, wie eine 1237 beurkundete Besitzübertragung von Ländereien im Umland der Siedlung an den örtlichen ''faqīh''(-''qāḍī'') verdeutlicht.<ref name="ftn49">García Edo, Actitud, App., Nr. 1, S. 316, ausgestellt für einen namentlich nicht genannten “alfachim de Cervaria“, dessen Identifizierung mit dem oben genannten Abinfaur/Ibn Fawwār hypothetisch bleiben muss.</ref> Aus den Jahrzehnten danach haben wir jedoch keine nennenswerten Informationen über die weitere Entwicklung der Gemeinde.
[§25] Über die weiteren Beziehungen zwischen dem Johanniterorden und den Muslimen von Cervera sind wir nur lückenhaft unterrichtet. Wie bereits erwähnt, erwirkte die Ordensführung 1235 eine erneute Besitzbestätigung durch die Krone<ref name="ftn47">Huici Miranda und Cabanes Pecourt (Hrsg.), Documentos, Bd. 1, Nr. 226, S. 372.</ref> und förderte die Ansiedlung christlicher Siedler in der Region über die Vergabe großzügiger Privilegien.<ref name="ftn48">Vgl. etwa Guinot Rodríguez (Hrsg.), ''Cartes de Poblament'', Nr. 12, 15, 21–22, 35, 82, S. 106–108, 111–113, 120–125, 146–147, 220–221.</ref> Auch die Beziehungen zur Führung der Aljama scheinen zunächst stabil geblieben zu sein, wie eine 1237 beurkundete Besitzübertragung von Ländereien im Umland der Siedlung an den örtlichen ''faqīh''(-''qāḍī'') verdeutlicht.<ref name="ftn49">García Edo, Actitud, App., Nr. 2, S. 316, ausgestellt für einen namentlich nicht genannten “alfachim de Cervaria“, dessen Identifizierung mit dem oben genannten Abinfaur/Ibn Fawwār hypothetisch bleiben muss.</ref> Aus den Jahrzehnten danach haben wir jedoch keine nennenswerten Informationen über die weitere Entwicklung der Gemeinde.


[§26] Abschließend kann resümiert werden, dass die Ansiedlungsurkunde für Cervera nicht nur unser Wissen über die Herrschaftsübernahme des Johanniterordens in der Comarca Baix Maestrat in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ergänzt, sondern auch ein gutes Beispiel für die generelle Beschaffenheit und Bedeutung dieser Quellengruppe darstellt. Wie an dieser Fallstudie gezeigt werden kann, stellten die ''Cartes de Poblament'', die heute fast ausschließlich abschriftlich oder in Übersetzung erhalten sind, die Endergebnisse zumeist hart geführter Aushandlungsprozesse dar, die die muslimischen Gemeinden des ''Šarq al-Andalus'' im Vorfeld ihrer Kapitulation mit den christlichen Eroberern führten. Die Verhandlungen über den Inhalt dieser Dokumente, aber auch ihre Ausfertigung und zeremonielle Übergabe wurden dabei von den beteiligten Akteuren zur Repräsentation von Rang, Einfluss und Macht genutzt. Obwohl die Ansiedlungsurkunden formal als Gunsterweise des Königs oder der Landesherren ausgestellt wurden, waren sie in ihren Inhalten maßgeblich durch die Forderungen und Ansprüche der muslimischen Seite mitgeprägt. Deutlich wird das vor allem an den in ihnen stipulierten Bestimmungen, die die wichtigsten Rahmenbedingungen für den zukünftigen Fortbestand der Gemeinde unter christlicher Oberherrschaft festlegten. In den Verhandlungen darüber vermochten es die muslimischen Führungseliten vielfach erfolgreich, das Recht zur eigenverantwortlichen Administration ihrer Gemeinde nach den etablierten islamischen Traditionen soweit wie möglich zu bewahren und den neuen Landesherren nur gerade soviel Konzessionen einzuräumen, wie diese als Mindestmaß einforderten. Obwohl die christlichen Herrschaftseliten die verbrieften Rechte der muslimischen Gemeinden in späteren Jahren nicht selten über urkundliche Erlasse, neu zusammengestellte Rechtskodifikationen oder neu ausgehandelte Ansiedlungsurkunden aushöhlten oder anderweitig übergingen, stellten die ''Cartes de Poblament'' über viele Jahrzehnte die rechtliche Basis für die Lebensbedingungen der Muslime in den verschiedenen Gemeinden dar, bis die religiöse Vielfalt im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts in zunehmendem Maße unterdrückt wurde.
[§26] Abschließend kann resümiert werden, dass die Ansiedlungsurkunde für Cervera nicht nur unser Wissen über die Herrschaftsübernahme des Johanniterordens in der Comarca Baix Maestrat in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ergänzt, sondern auch ein gutes Beispiel für die generelle Beschaffenheit und Bedeutung dieser Quellengruppe darstellt. Wie an dieser Fallstudie gezeigt werden kann, stellten die ''Cartes de Poblament'', die heute fast ausschließlich abschriftlich oder in Übersetzung erhalten sind, die Endergebnisse zumeist hart geführter Aushandlungsprozesse dar, die die muslimischen Gemeinden des ''Šarq al-Andalus'' im Vorfeld ihrer Kapitulation mit den christlichen Eroberern führten. Die Verhandlungen über den Inhalt dieser Dokumente, aber auch ihre Ausfertigung und zeremonielle Übergabe wurden dabei von den beteiligten Akteuren zur Repräsentation von Rang, Einfluss und Macht genutzt. Obwohl die Ansiedlungsurkunden formal als Gunsterweise des Königs oder der Landesherren ausgestellt wurden, waren sie in ihren Inhalten maßgeblich durch die Forderungen und Ansprüche der muslimischen Seite mitgeprägt. Deutlich wird das vor allem an den in ihnen stipulierten Bestimmungen, die die wichtigsten Rahmenbedingungen für den zukünftigen Fortbestand der Gemeinde unter christlicher Oberherrschaft festlegten. In den Verhandlungen darüber vermochten es die muslimischen Führungseliten vielfach erfolgreich, das Recht zur eigenverantwortlichen Administration ihrer Gemeinde nach den etablierten islamischen Traditionen soweit wie möglich zu bewahren und den neuen Landesherren nur gerade soviel Konzessionen einzuräumen, wie diese als Mindestmaß einforderten. Obwohl die christlichen Herrschaftseliten die verbrieften Rechte der muslimischen Gemeinden in späteren Jahren nicht selten über urkundliche Erlasse, neu zusammengestellte Rechtskodifikationen oder neu ausgehandelte Ansiedlungsurkunden aushöhlten oder anderweitig übergingen, stellten die ''Cartes de Poblament'' über viele Jahrzehnte die rechtliche Basis für die Lebensbedingungen der Muslime in den verschiedenen Gemeinden dar, bis die religiöse Vielfalt im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts in zunehmendem Maße unterdrückt wurde.
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[§27] Die Bedeutung dieser Quellengruppe lässt sich zudem im größeren Kontext der politischen Entwicklungen auf der Iberischen Halbinsel verorten. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts konnten die nach Süden expandierenden Königreiche Kastilien und Aragón in teils rascher Folge massive Gebietsgewinne verzeichnen. Die in diesen Gebieten ansässige, fast ausschließlich muslimische Bevölkerung konnte schon aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit nicht einfach so vertrieben oder versklavt werden, sondern musste auf möglichst nachhaltige Weise in die neu zu etablierenden Strukturen der christlichen Herrschaftskomplexe einbezogen werden. Die Vorteile einer einvernehmlichen Verständigung mit den zu unterwerfenden Siedlungszentren gegenüber gewaltsamen Eroberungen hatten beide Königreiche und die mit ihnen verbündeten Akteure schon während früherer Expansionsphasen erprobt und wandten dieses Vorgehen nun auch beim weiteren Vordringen in den Süden von al-Andalus an. Im Kontext der Kapitulationsverhandlungen boten sich den Führungseliten der jeweiligen Aljamas Handlungsspielräume, die sie vielfach dazu nutzten, selbstbewusst und als nahezu ebenbürtige Verhandlungspartner mit denjenigen Ansprüchen und Forderungen an die Eroberer heranzutreten, auf die sie im Gegenzug für ihre Unterstellung unter christliche Oberherrschaft bestanden. Insofern erscheint es zumindest im Falle der katalanisch-aragonesischen Unterwerfung des ''Šarq al-Andalus'' durchaus gerechtfertigt, sie nicht nur als gewaltsame militärische Eroberung, sondern gleichsam als Abfolge von Aushandlungsprozessen zu begreifen, im Zuge derer sich beide Seiten auf die Rahmenbedingungen des zukünftigen Zusammenlebens unter christlicher Oberherrschaft einigten.  
[§27] Die Bedeutung dieser Quellengruppe lässt sich zudem im größeren Kontext der politischen Entwicklungen auf der Iberischen Halbinsel verorten. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts konnten die nach Süden expandierenden Königreiche Kastilien und Aragón in teils rascher Folge massive Gebietsgewinne verzeichnen. Die in diesen Gebieten ansässige, fast ausschließlich muslimische Bevölkerung konnte schon aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit nicht einfach so vertrieben oder versklavt werden, sondern musste auf möglichst nachhaltige Weise in die neu zu etablierenden Strukturen der christlichen Herrschaftskomplexe einbezogen werden. Die Vorteile einer einvernehmlichen Verständigung mit den zu unterwerfenden Siedlungszentren gegenüber gewaltsamen Eroberungen hatten beide Königreiche und die mit ihnen verbündeten Akteure schon während früherer Expansionsphasen erprobt und wandten dieses Vorgehen nun auch beim weiteren Vordringen in den Süden von al-Andalus an. Im Kontext der Kapitulationsverhandlungen boten sich den Führungseliten der jeweiligen Aljamas Handlungsspielräume, die sie vielfach dazu nutzten, selbstbewusst und als nahezu ebenbürtige Verhandlungspartner mit denjenigen Ansprüchen und Forderungen an die Eroberer heranzutreten, auf die sie im Gegenzug für ihre Unterstellung unter christliche Oberherrschaft bestanden. Insofern erscheint es zumindest im Falle der katalanisch-aragonesischen Unterwerfung des ''Šarq al-Andalus'' durchaus gerechtfertigt, sie nicht nur als gewaltsame militärische Eroberung, sondern gleichsam als Abfolge von Aushandlungsprozessen zu begreifen, im Zuge derer sich beide Seiten auf die Rahmenbedingungen des zukünftigen Zusammenlebens unter christlicher Oberherrschaft einigten.  


[§28] Trotz dieser Umstände brachte die zunehmende soziale und wirtschaftliche Benachteiligung die als ''Mudejaren'' (Katalan.: ''mudèjars'', Kast.: ''mudéjares'' > Arab.: ''mudaǧǧan'') bezeichnete, muslimische Bevölkerung aber vielerorts dazu, sich schon wenige Jahre nach ihrer Kapitulation gewaltsam gegen die christliche Oberherrschaft aufzulehnen. Solche Aufstände dehnten sich bisweilen auf größere Regionen aus und erschütterten in den Jahren 1247–1258 und 1275–1277 das Königreich València sowie 1263–1266 das kastilisch beherrschte Königreich Múrcia.<ref name="ftn50">Vgl. dazu auch [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/1250:_Der_Regionalherrscher_al-Azraq_schreibt_an_die_Königin_von_Aragón 1250: Der Regionalherrscher al-Azraq schreibt an die Königin von Aragón].</ref> Nach der gewaltsamen Niederschlagung dieser Rebellionen bemühten sich die jeweiligen christlichen Landesherren noch intensiver als zuvor um die Konsolidierung ihrer Herrschaft über die unterworfenen Gebiete, sodass diese bis zum Ende des 13. Jahrhunderts ein vergleichsweise hohes Maß an Stabilität erreichen konnte.|4j=}}
[§28] Trotz dieser Umstände brachte die zunehmende soziale und wirtschaftliche Benachteiligung die als ''Mudejaren'' (Katalan.: ''mudèjars'', Kast.: ''mudéjares'' > Arab.: ''mudaǧǧan'') bezeichnete, muslimische Bevölkerung aber vielerorts dazu, sich schon wenige Jahre nach ihrer Kapitulation gewaltsam gegen die christliche Oberherrschaft aufzulehnen. Solche Aufstände dehnten sich bisweilen auf größere Regionen aus und erschütterten in den Jahren 1247–1258 und 1275–1277 das Königreich València sowie 1263–1266 das kastilisch beherrschte Königreich Múrcia.<ref name="ftn50">Vgl. dazu auch [https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/1250:_Der_Regionalherrscher_al-Azraq_schreibt_an_die_Königin_von_Aragón 1250: Der Regionalherrscher al-Azraq schreibt an die Königin von Aragón].</ref> Nach der gewaltsamen Niederschlagung dieser Rebellionen bemühten sich die jeweiligen christlichen Landesherren noch intensiver als zuvor um die Konsolidierung ihrer Herrschaft über die unterworfenen Gebiete, sodass diese bis zum Ende des 13. Jahrhunderts ein vergleichsweise hohes Maß an Stabilität erreichen konnte.|4h=Zeichen (''Sig+num'') des ''faqīh ''[und] ''qāḍī''. Zeichen des Abdel Abdezamet. Zeichen des Azmeti, Sohn des Moimoni Nigri. Zeichen des Faza, Sohn des Abinfazne. Zeichen des Abil Abinfarez. Zeichen des Azmet Abil Abinabale. Wir bestätigen und gewähren alles, was weiter oben festgelegt wurde, in unserem Namen sowie für alle gegenwärtig und zukünftig in Cervera ansässigen Mauren, werden es gültig und beständig halten, ehren und ihm niemals auf irgendeine Art zuwiderhandeln. (…)}}
 
[[ar:١٢٣٣: فرسان الإسبتارية بتاج مملكة أرغون يمنح مسلمي جربيرة الحق في البقاء]]
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