1243-1245: Rodrigo Jiménez de Radas polemisches Vorwort zur Historia Arabum: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
Verbesserungen
(Verbesserungen, Schlagwörter)
(Verbesserungen)
Zeile 30: Zeile 30:
Trotz allem findet sich die Idee einer mit historischen Besitzansprüchen verknüpften und auch christlich legitimierten „Rückeroberung“ durchaus in mittelalterlichen christlichen Texten aus der Iberischen Halbinsel,<ref name="ftn34">Vgl. Bronisch, ''Reconquista.''</ref> so auch in Rodrigos eingangs zitierter Einleitung zur ''Historia Arabum''. Hier polemisiert der toledanische Erzbischof nicht nur gegen die Anhänger des Islam, indem er Muḥammad als „Begründer und Erfinder ihrer Sekte“ (''eorum secte … conditor et inuentor'') bezeichnet. Er spricht auch „von den Verwüstungen der Araber, die hoffentlich bald vorübergehen“ (''de excidiis Arabum, que utinam sint postrema'') und lobt seinen König Alfons VIII. dafür, dass er „dank Gottes Milde“ (''diuina clemencia miserante'') „die Tüchtigkeit der Goten wiederhergestellt“ (''Gothorum strenuitas restituta'') und „den Christen einen Weg der Vergeltung eröffnet hat“ (''talionis semitas aperuit Christianis''). Rodrigos ''Historia Arabum'' ist damit eindeutig in die Phase der stärker religiös-ideologisch gefärbten Periode christlicher Expansion in den muslimisch beherrschten Süden einzuordnen. Nichtsdestotrotz ist das ideologische Konzept der Reconquista in der ''Historia Arabum'' nur ansatzweise ausformuliert. Selbst die in der Einleitung auftauchenden genannten Elemente (göttliche Hilfe für die Christen, Rückbezug auf die Westgoten, Wiederherstellungs- und Vergeltungsgedanken) sind nicht überall präsent: Kämpfe zwischen Muslimen und Christen etwa werden in der ''Historia Arabum ''z. B. ohne Glaubenspathos beschrieben.<ref name="ftn35">Drews, ''Sarazenen'', S. 271-272. Vgl. dazu auch: Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. XXI, S. 117-118; cap. XXV, S. 121; cap. XXXII, S. 128-129.</ref>
Trotz allem findet sich die Idee einer mit historischen Besitzansprüchen verknüpften und auch christlich legitimierten „Rückeroberung“ durchaus in mittelalterlichen christlichen Texten aus der Iberischen Halbinsel,<ref name="ftn34">Vgl. Bronisch, ''Reconquista.''</ref> so auch in Rodrigos eingangs zitierter Einleitung zur ''Historia Arabum''. Hier polemisiert der toledanische Erzbischof nicht nur gegen die Anhänger des Islam, indem er Muḥammad als „Begründer und Erfinder ihrer Sekte“ (''eorum secte … conditor et inuentor'') bezeichnet. Er spricht auch „von den Verwüstungen der Araber, die hoffentlich bald vorübergehen“ (''de excidiis Arabum, que utinam sint postrema'') und lobt seinen König Alfons VIII. dafür, dass er „dank Gottes Milde“ (''diuina clemencia miserante'') „die Tüchtigkeit der Goten wiederhergestellt“ (''Gothorum strenuitas restituta'') und „den Christen einen Weg der Vergeltung eröffnet hat“ (''talionis semitas aperuit Christianis''). Rodrigos ''Historia Arabum'' ist damit eindeutig in die Phase der stärker religiös-ideologisch gefärbten Periode christlicher Expansion in den muslimisch beherrschten Süden einzuordnen. Nichtsdestotrotz ist das ideologische Konzept der Reconquista in der ''Historia Arabum'' nur ansatzweise ausformuliert. Selbst die in der Einleitung auftauchenden genannten Elemente (göttliche Hilfe für die Christen, Rückbezug auf die Westgoten, Wiederherstellungs- und Vergeltungsgedanken) sind nicht überall präsent: Kämpfe zwischen Muslimen und Christen etwa werden in der ''Historia Arabum ''z. B. ohne Glaubenspathos beschrieben.<ref name="ftn35">Drews, ''Sarazenen'', S. 271-272. Vgl. dazu auch: Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. XXI, S. 117-118; cap. XXV, S. 121; cap. XXXII, S. 128-129.</ref>


Möchte man Rodrigo als Vertreter oder, wie die ältere spanische Forschung, gar als Initiator einer sich konkretisierenden ''Reconquista''-Ideologie darstellen<ref name="ftn36">Vgl. Fuente, ''Elogio'', S. 8: „D. Rodrigo Jiménez de Rada […] que decidió la independencia de nuestra patria.” u. Ebd., S. 14: „D. Rodrigo pasó á Roma, interesó al enérgico Inocencio III., predicóse una cruzada á favor de España con las mismas indulgencies que para de la Palestina.”</ref>, so gilt zu berücksichtigen, dass sein Einsatz für den Krieg gegen muslimische Herrschaftsgebiete eine starke innerchristliche Komponente hatte und dabei eng mit dem Bischofssitz von Toledo verknüpft war. Seit der Einnahme Toledos durch Alfons VI. von León, Kastilien und Galizien (regn. 1065/1072-1109) im Jahre 1085<ref name="ftn37">Sáez Sánchez, Alfons VI., Sp. 398-399.</ref> stand eine Stadt unter christlicher Herrschaft, die in der späteren, stark zentralisierten Phase westgotischer Herrschaft (ca. 589-711) Königssitz und Austragungsort iberischer Reichskonzilien unter der spirituellen Führung des toledanischen Bischofs gewesen war.<ref name="ftn38">Vgl. Ziegler, ''Church and State''<nowiki>; King, </nowiki>''Law and Society''.</ref> Rodrigos Engagement lässt sich in vieler Hinsicht als ein schon von seinen Amtsvorgängern seit 1085 betriebenes Bemühen lesen, dem Bischofssitz Toledo erneut diese zentrale Stellung in einem stärker geeinten Spanien zukommen zu lassen.<ref name="ftn39">Vgl. zum Primatsstreit des 12. Jahrhunderts: Holndonner, ''Kommunikation''.</ref> Angesichts von starken innerchristlichen Divergenzen bei gleichzeitigem Bestehen von Tributverträgen und Heiratsallianzen zwischen christlichen und muslimischen Herrschaften<ref name="ftn40">Jaspert, ''Die Reconquista'', S. 22-25.</ref> bemühte sich Rodrigo in seiner anfänglichen Rolle als Diplomat um die Schaffung einer innerchristlichen Front gegen die in kleine Einheiten (Arab''. ṭāʾifa'', Span. ''taifa'') zersplitterten muslimischen Herrschaftsgebiete, so im bereits oben erwähnten Vertrag von Guadalajara von 1207. Seine darauf folgenden eigenständigen militärischen Initiativen, seine im königlichen und päpstlichen Auftrag gemachten Reisen zum Zweck der Werbung um Finanz- und Humanressourcen, seine Nutzung von Kreuzzugsrhetorik und sein Einsatz für die Einführung des (päpstlich) kanonischen Rechts dienten alle diesem Ziel, christliche Kräfte zu sammeln und im Rahmen ihrer Führung gegen einen gemeinsamen Feind zu führen.<ref name="ftn41">Maser, ''Historia'', S. 23-25.</ref> Rodrigos Wunsch, diese Bemühungen nach dem christlichen Erfolg in der Schlacht von Las Navas de Tolosa 1212 durch die Verleihung des Primats über Spanien belohnt zu sehen, wurde enttäuscht: Als er seinen Anspruch auf dem IV. Laterankonzil 1215 in einer flammenden und zugleich beleidigenden Rede formulierte, lehnte das Konzil ab.<ref name="ftn42">Maser, ''Historia'', S. 13-14.</ref> Seinem Anspruch standen die Interessen anderer iberischer Bischöfe entgegen, die sein Machtstreben misstrauisch beäugten, u. a. den von ihm betriebenen Landkauf aus Privatmitteln.<ref name="ftn43">Pick, ''Conflict'', S. 34-35, Ebd., S. 48-49.</ref> Anders als Rodrigo sahen viele iberische Bischöfe den Titel des Primas nicht an die Geschichte des Westgotenreiches und damit nicht an Toledo gebunden.<ref name="ftn44">Drews sieht darin die Gegnerschaft der Bischöfe zu Rodrigos „neogotischer Ideologie“, dazu: Drews, ''Sarazenen'', S. 269-270.</ref> Auch wenn der Titel des Primas keine jurisdiktiven Kompetenzen beinhaltete, wurde der historisch legitimierte toledanische Anspruch als Bedrohung des eigenen Einflussbereiches empfunden.<ref name="ftn45">Deutlich wird dies durch die fortwährende Beanspruchung neuer Suffraganbistümer, siehe dazu: Maser, ''Historia'', S. 15-19.</ref> Widerstand regte sich insbesondere im Erzbistum von Santiago de Compostela, dessen prestigereicher Kult des hl. Jakobus angeblich bis in die Zeit der Apostel zurückreichte und dessen Schutzpatron mit dem Beinahmen „Maurentöter“ (''matamoros'') ebenso starke antimuslimische Bindungskraft aufweisen konnte wie der gotisch-toledanische Anspruch auf die Wiederherstellung westgotischer Verhältnisse.<ref name="ftn46">Maser, ''Historia'', S. 14-15. Vgl. zum Jakobuskult Herbers, ''Jakobsweg''.</ref> Rodrigos Scheitern wurde durch die 1218 erfolgte Verleihung des Amtes eines päpstlichen Legaten für Spanien teilweise kompensiert.<ref name="ftn47">Cecini, ''Alcoranus'', S. 98. Zu finden ist die Bulle bei: Gorosterratzu, ''Don Rodrigo'', Pamplona: T. Bescansa, 1925, S. 429, Nr. 54.</ref> Dennoch engagierte sich Rodrigo weiter – zunächst im Rahmen seiner meist wirkungslosen Kriegszüge gegen almohadische Truppen zwischen 1212 und 1224<ref name="ftn48">Maser, ''Historia'', S. 24.</ref>, ab 1224 als Diplomat, Organisator und Vermittler im Auftrag des kastilischen Königs Ferdinand III.<ref name="ftn49">Maser, ''Historia'', S. 25-26. </ref> Eine nachhaltige Anerkennung seiner Leistungen im innerchristlichen Spanien glaubte er womöglich aber nur in der Geschichtsschreibung zu finden. Diese ließ eine gesamtspanische Selbstpositionierung des toledanischen Bischofs zu, die ihm im realen Leben mehrmals verwehrt worden war.  
Möchte man Rodrigo als Vertreter oder, wie die ältere spanische Forschung, gar als Initiator einer sich konkretisierenden ''Reconquista''-Ideologie darstellen<ref name="ftn36">Vgl. Fuente, ''Elogio'', S. 8: „D. Rodrigo Jiménez de Rada […] que decidió la independencia de nuestra patria.” u. Ebd., S. 14: „D. Rodrigo pasó á Roma, interesó al enérgico Inocencio III., predicóse una cruzada á favor de España con las mismas indulgencies que para de la Palestina.”</ref>, so gilt zu berücksichtigen, dass sein Einsatz für den Krieg gegen muslimische Herrschaftsgebiete eine starke innerchristliche Komponente hatte und dabei eng mit dem Bischofssitz von Toledo verknüpft war. Seit der Einnahme Toledos durch Alfons VI. von León, Kastilien und Galizien (regn. 1065/1072-1109) im Jahre 1085<ref name="ftn37">Sáez Sánchez, Alfons VI., Sp. 398-399.</ref> stand eine Stadt unter christlicher Herrschaft, die in der späteren, stark zentralisierten Phase westgotischer Herrschaft (ca. 589-711) Königssitz und Austragungsort iberischer Reichskonzilien unter der spirituellen Führung des toledanischen Bischofs gewesen war.<ref name="ftn38">Vgl. Ziegler, ''Church and State''; King, ''Law and Society''.</ref> Rodrigos Engagement lässt sich in vieler Hinsicht als ein schon von seinen Amtsvorgängern seit 1085 betriebenes Bemühen lesen, dem Bischofssitz Toledo erneut diese zentrale Stellung in einem stärker geeinten Spanien zukommen zu lassen.<ref name="ftn39">Vgl. zum Primatsstreit des 12. Jahrhunderts: Holndonner, ''Kommunikation''.</ref> Angesichts von starken innerchristlichen Divergenzen bei gleichzeitigem Bestehen von Tributverträgen und Heiratsallianzen zwischen christlichen und muslimischen Herrschaften<ref name="ftn40">Jaspert, ''Die Reconquista'', S. 22-25.</ref> bemühte sich Rodrigo in seiner anfänglichen Rolle als Diplomat um die Schaffung einer innerchristlichen Front gegen die in kleine Einheiten (Arab''. ṭāʾifa'', Span. ''taifa'') zersplitterten muslimischen Herrschaftsgebiete, so im bereits oben erwähnten Vertrag von Guadalajara von 1207. Seine darauf folgenden eigenständigen militärischen Initiativen, seine im königlichen und päpstlichen Auftrag gemachten Reisen zum Zweck der Werbung um Finanz- und Humanressourcen, seine Nutzung von Kreuzzugsrhetorik und sein Einsatz für die Einführung des (päpstlich) kanonischen Rechts dienten alle diesem Ziel, christliche Kräfte zu sammeln und im Rahmen ihrer Führung gegen einen gemeinsamen Feind zu führen.<ref name="ftn41">Maser, ''Historia'', S. 23-25.</ref> Rodrigos Wunsch, diese Bemühungen nach dem christlichen Erfolg in der Schlacht von Las Navas de Tolosa 1212 durch die Verleihung des Primats über Spanien belohnt zu sehen, wurde enttäuscht: Als er seinen Anspruch auf dem IV. Laterankonzil 1215 in einer flammenden und zugleich beleidigenden Rede formulierte, lehnte das Konzil ab.<ref name="ftn42">Maser, ''Historia'', S. 13-14.</ref> Seinem Anspruch standen die Interessen anderer iberischer Bischöfe entgegen, die sein Machtstreben misstrauisch beäugten, u. a. den von ihm betriebenen Landkauf aus Privatmitteln.<ref name="ftn43">Pick, ''Conflict'', S. 34-35, Ebd., S. 48-49.</ref> Anders als Rodrigo sahen viele iberische Bischöfe den Titel des Primas nicht an die Geschichte des Westgotenreiches und damit nicht an Toledo gebunden.<ref name="ftn44">Drews sieht darin die Gegnerschaft der Bischöfe zu Rodrigos „neogotischer Ideologie“, dazu: Drews, ''Sarazenen'', S. 269-270.</ref> Auch wenn der Titel des Primas keine jurisdiktiven Kompetenzen beinhaltete, wurde der historisch legitimierte toledanische Anspruch als Bedrohung des eigenen Einflussbereiches empfunden.<ref name="ftn45">Deutlich wird dies durch die fortwährende Beanspruchung neuer Suffraganbistümer, siehe dazu: Maser, ''Historia'', S. 15-19.</ref> Widerstand regte sich insbesondere im Erzbistum von Santiago de Compostela, dessen prestigereicher Kult des hl. Jakobus angeblich bis in die Zeit der Apostel zurückreichte und dessen Schutzpatron mit dem Beinahmen „Maurentöter“ (''matamoros'') ebenso starke antimuslimische Bindungskraft aufweisen konnte wie der gotisch-toledanische Anspruch auf die Wiederherstellung westgotischer Verhältnisse.<ref name="ftn46">Maser, ''Historia'', S. 14-15. Vgl. zum Jakobuskult Herbers, ''Jakobsweg''.</ref> Rodrigos Scheitern wurde durch die 1218 erfolgte Verleihung des Amtes eines päpstlichen Legaten für Spanien teilweise kompensiert.<ref name="ftn47">Cecini, ''Alcoranus'', S. 98. Zu finden ist die Bulle bei: Gorosterratzu, ''Don Rodrigo'', Pamplona: T. Bescansa, 1925, S. 429, Nr. 54.</ref> Dennoch engagierte sich Rodrigo weiter – zunächst im Rahmen seiner meist wirkungslosen Kriegszüge gegen almohadische Truppen zwischen 1212 und 1224<ref name="ftn48">Maser, ''Historia'', S. 24.</ref>, ab 1224 als Diplomat, Organisator und Vermittler im Auftrag des kastilischen Königs Ferdinand III.<ref name="ftn49">Maser, ''Historia'', S. 25-26. </ref> Eine nachhaltige Anerkennung seiner Leistungen im innerchristlichen Spanien glaubte er womöglich aber nur in der Geschichtsschreibung zu finden. Diese ließ eine gesamtspanische Selbstpositionierung des toledanischen Bischofs zu, die ihm im realen Leben mehrmals verwehrt worden war.  


Als Chronist der gesamten spanischen Geschichte von den Römern bis zu seinen Lebzeiten wies Rodrigo „den Arabern“ neben Römern und Goten einen gleichberechtigten Platz in der Geschichte der Iberischen Halbinsel zu. Interessant ist dabei, dass Rodrigo der muslimischen Herrschaft auch dadurch eine eigene Daseinsberechtigung zuschreibt, indem er sie vornehmlich als innermuslimische politische Geschichte darstellt und ihre Beziehungen zur jüdischen und christlichen Umwelt weitestgehend ignoriert. In Bezug auf die umayyadische Hauptstadt Córdoba spricht Rodrigo nur von „den Cordobesern“ (''Cordubenses''), ohne jemals zu erläutern, inwieweit Christen und Juden zu dieser Bevölkerung zählten.<ref name="ftn50">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. XLV, S. 143; cap. XLVII, S. 146.</ref> Juden und ihre Lebensverhältnisse unter muslimischer Herrschaft finden im gesamten Werk keine Erwähnung. Hinsichtlich der Christen erwähnt Rodrigo zwar, dass sie sich dem muslimischen Kopfsteuersystem unterzuordnen hatten, beschreibt aber nicht dessen konkrete Auswirkungen.<ref name="ftn51">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. IX, S. 99-101; cap. X, S. 101-102.</ref> Auch sonst beschränkt er sich auf punktuelle Aussagen, die er nicht immer evaluiert und v. a. nicht in einem weiteren Rahmen christlich-muslimischer Beziehungen verortet: Die Verschleppung von Kriegsgefangenen im Rahmen der muslimischen Invasion von 92/711 verurteilt er nicht.<ref name="ftn52">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. X, S. 101-102.</ref> Den Umgang der frühen muslimischen Statthalter mit den Christen beschreibt er als gierig, ungerecht und tyrannisch, konkretisiert dies aber nicht weiter.<ref name="ftn53">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. X, S. 101-102; cap. XII, S. 104-106.</ref> Die Haltung von 3000 christlichen Sklaven durch den umayyadischen Emir al-Ḥakam I. b. Hišām (regn. 180-206/796-822)<ref name="ftn54">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. XXII, S. 118-119. Zum Emir: Huici Miranda, al-Ḥakam I, S. 73-74.</ref> lässt er ebenso kommentarlos stehen wie den Hinweis auf die Mitwirkung von christlichen Soldaten in muslimischen Heeren.<ref name="ftn55">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. XXXV, S. 132-133.</ref> Seine Beschreibung eines Mordes an einem Christen durch den muslimischen Usurpatoren Muḥammad al-Mahdī bi-llāh (regn. 399/1009 bzw. 400/1010) wirkt relativ neutral: Indem er einen Christen ermorden ließ, der dem herrschenden Kalifen Abū l-Walīd Hišām al-Muʾayyad bi-llāh (regn. 365-399/976-1009 und 401-403/1010-1013) äußerlich ähnelte, soll al-Mahdī versucht haben, die Bevölkerung Córdobas vom Tod des Herrschers zu überzeugen. Rodrigo zufolge soll Hišām später das Grab des Christen besucht und sogar den Wunsch geäußert haben, dort ebenfalls bestattet zu werden (''Ego hic eligo sepulturam'').<ref name="ftn56">Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. XXXVII, S. 135. Zu den genannten Kalifen: Lévi-Provençal, al-Mahdī, S. 1239-1240; Dunlop, Hishām II, S. 495-496.</ref> Zur Frage der gesellschaftlichen Stellung der Christen und Juden unter muslimischer Herrschaft gibt Rodrigo also kaum Antworten und nutzt die wenigen Hinweise darauf auch nicht, um gegen die umayyadische Herrschaft zu polemisieren. Auf die unter dem Schlagwort ''convivencia ''(„Zusammenleben“) häufig diskutierte Frage nach dem Miteinander der verschiedenen religiösen Gruppen unter muslimischer Herrschaft liefert die ''Historia Arabum'' kaum Antworten.<ref name="ftn57">Vgl. zur Übersicht über die Convivencia-Debatte: Jaspert, ''Minderheiten'', S. 15-44. </ref>
Als Chronist der gesamten spanischen Geschichte von den Römern bis zu seinen Lebzeiten wies Rodrigo „den Arabern“ neben Römern und Goten einen gleichberechtigten Platz in der Geschichte der Iberischen Halbinsel zu. Interessant ist dabei, dass Rodrigo der muslimischen Herrschaft auch dadurch eine eigene Daseinsberechtigung zuschreibt, indem er sie vornehmlich als innermuslimische politische Geschichte darstellt und ihre Beziehungen zur jüdischen und christlichen Umwelt weitestgehend ignoriert. In Bezug auf die umayyadische Hauptstadt Córdoba spricht Rodrigo nur von „den Cordobesern“ (''Cordubenses''), ohne jemals zu erläutern, inwieweit Christen und Juden zu dieser Bevölkerung zählten.<ref name="ftn50">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. XLV, S. 143; cap. XLVII, S. 146.</ref> Juden und ihre Lebensverhältnisse unter muslimischer Herrschaft finden im gesamten Werk keine Erwähnung. Hinsichtlich der Christen erwähnt Rodrigo zwar, dass sie sich dem muslimischen Kopfsteuersystem unterzuordnen hatten, beschreibt aber nicht dessen konkrete Auswirkungen.<ref name="ftn51">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. IX, S. 99-101; cap. X, S. 101-102.</ref> Auch sonst beschränkt er sich auf punktuelle Aussagen, die er nicht immer evaluiert und v. a. nicht in einem weiteren Rahmen christlich-muslimischer Beziehungen verortet: Die Verschleppung von Kriegsgefangenen im Rahmen der muslimischen Invasion von 92/711 verurteilt er nicht.<ref name="ftn52">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. X, S. 101-102.</ref> Den Umgang der frühen muslimischen Statthalter mit den Christen beschreibt er als gierig, ungerecht und tyrannisch, konkretisiert dies aber nicht weiter.<ref name="ftn53">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. X, S. 101-102; cap. XII, S. 104-106.</ref> Die Haltung von 3000 christlichen Sklaven durch den umayyadischen Emir al-Ḥakam I. b. Hišām (regn. 180-206/796-822)<ref name="ftn54">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. XXII, S. 118-119. Zum Emir: Huici Miranda, al-Ḥakam I, S. 73-74.</ref> lässt er ebenso kommentarlos stehen wie den Hinweis auf die Mitwirkung von christlichen Soldaten in muslimischen Heeren.<ref name="ftn55">Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. XXXV, S. 132-133.</ref> Seine Beschreibung eines Mordes an einem Christen durch den muslimischen Usurpatoren Muḥammad al-Mahdī bi-llāh (regn. 399/1009 bzw. 400/1010) wirkt relativ neutral: Indem er einen Christen ermorden ließ, der dem herrschenden Kalifen Abū l-Walīd Hišām al-Muʾayyad bi-llāh (regn. 365-399/976-1009 und 401-403/1010-1013) äußerlich ähnelte, soll al-Mahdī versucht haben, die Bevölkerung Córdobas vom Tod des Herrschers zu überzeugen. Rodrigo zufolge soll Hišām später das Grab des Christen besucht und sogar den Wunsch geäußert haben, dort ebenfalls bestattet zu werden (''Ego hic eligo sepulturam'').<ref name="ftn56">Rodrigo Jiménez de Rada, ''Historia Arabum'', ed. Valverde (CCCM 72c), cap. XXXVII, S. 135. Zu den genannten Kalifen: Lévi-Provençal, al-Mahdī, S. 1239-1240; Dunlop, Hishām II, S. 495-496.</ref> Zur Frage der gesellschaftlichen Stellung der Christen und Juden unter muslimischer Herrschaft gibt Rodrigo also kaum Antworten und nutzt die wenigen Hinweise darauf auch nicht, um gegen die umayyadische Herrschaft zu polemisieren. Auf die unter dem Schlagwort ''convivencia ''(„Zusammenleben“) häufig diskutierte Frage nach dem Miteinander der verschiedenen religiösen Gruppen unter muslimischer Herrschaft liefert die ''Historia Arabum'' kaum Antworten.<ref name="ftn57">Vgl. zur Übersicht über die Convivencia-Debatte: Jaspert, ''Minderheiten'', S. 15-44. </ref>
Zeile 146: Zeile 146:
Vones, Ludwig: Ferdinand III., in: ''Lexikon des Mittelalters'', 10 Bde., Stuttgart: Metzler, 1977-1999, Bd. 4, Sp. 359-360.
Vones, Ludwig: Ferdinand III., in: ''Lexikon des Mittelalters'', 10 Bde., Stuttgart: Metzler, 1977-1999, Bd. 4, Sp. 359-360.


Ziegler, Aloysius K.: ''Church and State in Visigothic Spain'', Diss., Washington D. C.: Catholic University, 1930.|8=Almoraviden, Almohaden, ḏimma, dhimma, Ideologie, Judentum, Koranübersetzung, Kreuzzugsgedanke, Muslime unter christlicher Herrschaft, Papsttum, Polemik, Reconquista, Toledo, Westgoten,|3a=''INCIPT PROLOGVS IN LIBRO ARABVM POST PRINCIPIVM MACHOMETI''|3b=''Que calamitatum aceruis Hispania dispendia sit perpessa in superioribus, ut licuit, explicaui; nunc de excidiis Arabum, que utinam sint postrema, a quibus nichil fuit in Hispaniis intemptatum, finem imponere dignum duxi, si diuina potencia uelit de cetero a gladiatorum dissecationibus custodire.''|3c=''Que iam a quingentis triginta duobus annis et ultra repetito gladio dissecata nec a filiis euasit uiscerum seccionem necnon quinque regibus dispertita ab eis et transfugis ad Sarracenos intestini uulneris supplicia non euasit. Verum diuina clemencia miserante a tempore nobilis Aldefonsi, qui prope Bilche Amiramomenium cum Arabibus campestri prelio effugauit, et Arabum gladius ebetatus et Gothorum strenuitas restituta talionis semitas aperuit Christianis.''|3d=''Et sicut a principio christianos incolas sub tributi onere coegerunt, sic et modo restitutis munitionibus principibus christianis degunt seruitute solita sub tributo.''|3e=''Eorum itaque successiones et tempora uolens posteris conseruare, eorum exordium a Machometi tempore inchoaui, qui eorum secte fuit conditor et inuentor. De eius origine, predicatione et regno, qui relatione fideli et eorum scripturis ad detegendam gentis illius seuiciam et uersuciam, satis breuiter explicaui.''|4a=ES BEGINNT HIER DAS VORWORT ZUM BUCH ÜBER DIE ARABER NACH DEM ERSTEN AUFTRETEN MUḤAMMADS|4b=Durch welche Unmengen an Unglück Spanien (''Hispania'') Schaden zu leiden hatte, habe ich bereits in den vorangegangenen [Büchern] gebührlich ausgeführt. Nun hielt ich es für angebracht, [mit dem Bericht] über die Verwüstungen der Araber, von denen nichts in den Spanien [Plural: ''in Hispaniis''] verschont blieb, die nun aber hoffentlich die letzten sein werden, einen würdigen Schlusspunkt zu setzen, sofern die göttliche Macht [Spanien] in Zukunft vor Gemetzeln der Schwertkämpfer bewahren will.|4c=Schon seit 532 Jahren und länger vom immer wiederkehrenden Schwert zerschlagen, entging [Spanien] nicht der Zerfleischung seiner Eingeweide durch die [eigenen] Söhne, noch entkam es, aufgesplittert unter fünf Königen, der Pein innerer Verwundung sowohl durch diese als auch durch Überläufer zu den Sarazenen. Da aber die göttliche Barmherzigkeit sich erbarmte, eröffnete sie den Christen seit der Zeit des edlen Alfons, der den ''amīr al-muʾminīn'' (''Amiramomenium'', Arab. „Beherrscher der Gläubigen“) zusammen mit den Arabern in offener Feldschlacht bei Bilg [Vilches, nahe Jaén, einer der Austragungsorte der Schlacht von Las Navas de Tolosa 1212] in die Flucht schlug, nun, da sowohl das Schwert der Araber gezähmt als auch die Tüchtigkeit der Goten wiederhergestellt ist, Wege der Vergeltung.|4d=So wie diese von Anbeginn die christlichen Einwohner unter die Last des Tributs (''sub tributi onere'') zwangen, so leben [nun] sie, kaum, dass die Befestigungsanlagen durch christliche Fürsten wiedererrichtet sind, selbst in altbekannter Knechtschaft unter dem Tribut.|4e=Aus dem Wunsch, ihre Herrscherfolge und Epochen für die Nachwelt zu bewahren, habe ich mich darangemacht, ihren Aufstieg seit der Zeit des Muḥammad, der Begründer und Erfinder ihres Irrglaubens (''secte'') war, zu schildern. Über dessen Ursprung, Predigt und Herrschaft habe ich in angemessener Kürze all das dargelegt, was [ich] zur Entlarvung der Wildheit und Verschlagenheit dieses Volkes aus vertrauenswürdigen Erzählungen und ihren Schriften [zusammentragen konnte].}}
Ziegler, Aloysius K.: ''Church and State in Visigothic Spain'', Diss., Washington D. C.: Catholic University, 1930.|8=Almoraviden, Almohaden, Araber, Arabischkenntnisse, Berber, Christen unter muslimischer Herrschaft, ḏimma, dhimma, Emirat von Córdoba, Ideologie, Judentum, Kalifat von Córdoba, Koranübersetzung, Kreuzzugsgedanke, Las Navas de Tolosa, Mozaraber, Muḥammadbiographie, Muslime unter christlicher Herrschaft, Papsttum, Polemik, Reconquista, Toledo, Tribut, Übersetzungen, Umayyaden, Westgoten,|3a=''INCIPT PROLOGVS IN LIBRO ARABVM POST PRINCIPIVM MACHOMETI''|3b=''Que calamitatum aceruis Hispania dispendia sit perpessa in superioribus, ut licuit, explicaui; nunc de excidiis Arabum, que utinam sint postrema, a quibus nichil fuit in Hispaniis intemptatum, finem imponere dignum duxi, si diuina potencia uelit de cetero a gladiatorum dissecationibus custodire.''|3c=''Que iam a quingentis triginta duobus annis et ultra repetito gladio dissecata nec a filiis euasit uiscerum seccionem necnon quinque regibus dispertita ab eis et transfugis ad Sarracenos intestini uulneris supplicia non euasit. Verum diuina clemencia miserante a tempore nobilis Aldefonsi, qui prope Bilche Amiramomenium cum Arabibus campestri prelio effugauit, et Arabum gladius ebetatus et Gothorum strenuitas restituta talionis semitas aperuit Christianis.''|3d=''Et sicut a principio christianos incolas sub tributi onere coegerunt, sic et modo restitutis munitionibus principibus christianis degunt seruitute solita sub tributo.''|3e=''Eorum itaque successiones et tempora uolens posteris conseruare, eorum exordium a Machometi tempore inchoaui, qui eorum secte fuit conditor et inuentor. De eius origine, predicatione et regno, qui relatione fideli et eorum scripturis ad detegendam gentis illius seuiciam et uersuciam, satis breuiter explicaui.''|4a=ES BEGINNT HIER DAS VORWORT ZUM BUCH ÜBER DIE ARABER NACH DEM ERSTEN AUFTRETEN MUḤAMMADS|4b=Durch welche Unmengen an Unglück Spanien (''Hispania'') Schaden zu leiden hatte, habe ich bereits in den vorangegangenen [Büchern] gebührlich ausgeführt. Nun hielt ich es für angebracht, [mit dem Bericht] über die Verwüstungen der Araber, von denen nichts in den Spanien [Plural: ''in Hispaniis''] verschont blieb, die nun aber hoffentlich die letzten sein werden, einen würdigen Schlusspunkt zu setzen, sofern die göttliche Macht [Spanien] in Zukunft vor Gemetzeln der Schwertkämpfer bewahren will.|4c=Schon seit 532 Jahren und länger vom immer wiederkehrenden Schwert zerschlagen, entging [Spanien] nicht der Zerfleischung seiner Eingeweide durch die [eigenen] Söhne, noch entkam es, aufgesplittert unter fünf Königen, der Pein innerer Verwundung sowohl durch diese als auch durch Überläufer zu den Sarazenen. Da aber die göttliche Barmherzigkeit sich erbarmte, eröffnete sie den Christen seit der Zeit des edlen Alfons, der den ''amīr al-muʾminīn'' (''Amiramomenium'', Arab. „Beherrscher der Gläubigen“) zusammen mit den Arabern in offener Feldschlacht bei Bilg [Vilches, nahe Jaén, einer der Austragungsorte der Schlacht von Las Navas de Tolosa 1212] in die Flucht schlug, nun, da sowohl das Schwert der Araber gezähmt als auch die Tüchtigkeit der Goten wiederhergestellt ist, Wege der Vergeltung.|4d=So wie diese von Anbeginn die christlichen Einwohner unter die Last des Tributs (''sub tributi onere'') zwangen, so leben [nun] sie, kaum, dass die Befestigungsanlagen durch christliche Fürsten wiedererrichtet sind, selbst in altbekannter Knechtschaft unter dem Tribut.|4e=Aus dem Wunsch, ihre Herrscherfolge und Epochen für die Nachwelt zu bewahren, habe ich mich darangemacht, ihren Aufstieg seit der Zeit des Muḥammad, der Begründer und Erfinder ihres Irrglaubens (''secte'') war, zu schildern. Über dessen Ursprung, Predigt und Herrschaft habe ich in angemessener Kürze all das dargelegt, was [ich] zur Entlarvung der Wildheit und Verschlagenheit dieses Volkes aus vertrauenswürdigen Erzählungen und ihren Schriften [zusammentragen konnte].}}
Cookies helfen uns bei der Bereitstellung von Transmed Wiki. Durch die Nutzung von Transmed Wiki erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies speichern.

Navigationsmenü