621: Isidor von Sevilla zum Ursprung des Sarazenenbegriffs: Unterschied zwischen den Versionen

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{{Kapitel LAT-DE|Daniel G. König|Isidorus Hispalensis, ''Etymologiarum libri'', ed. Wallace Martin Lindsay, Oxford 1987, lib. IX, cap. 2,57, keine Seitenangaben, übers. Daniel G. König.|[IX,2,57] ''Saraceni dicti, vel quia ex Sara genitos se praedicent, vel sicut gentiles aiunt, quod ex origine Syrorum sint, quasi Syriginae. Hi peramplam habitant solitudinem. Ipsi sunt et Ismaelitae, ut liber Geneseos docet, quod sint ex Ismaele. Ipsi Cedar a filio Ismaelis. Ipsi Agareni ab Agar; qui, ut diximus, perverso nomine Saraceni vocantur, quia ex Sara se genitos gloriantur.''|Sie werden Sarazenen genannt, weil sie behaupten, von Sara abzustammen, oder, so behaupten einige Nichtchristen, weil sie syrischen Ursprungs, also ''Syriginae'', sind. Sie leben in der weiten Wüste. Dieselben sind auch Ismaeliten, die von Ismael abstammen, wie uns das Buch Genesis lehrt. Dieselben Qaydar stammen von einem Sohn Ismaels, die ''Agareni'' wiederum von Hagar ab, aber werden, wie wir schon gesagt haben, mit dem perversen Namen ''Saraceni'' bezeichnet, weil sie sich rühmen, von Sara abzustammen.|5===Autor & Werk==  
{{Kapitel LAT-DE|Daniel G. König|Isidorus Hispalensis, ''Etymologiarum libri'', ed. Wallace Martin Lindsay, Oxford 1987, lib. IX, cap. 2,57, keine Seitenangaben, übers. Daniel G. König.|[IX,2,57] ''Saraceni dicti, vel quia ex Sara genitos se praedicent, vel sicut gentiles aiunt, quod ex origine Syrorum sint, quasi Syriginae. Hi peramplam habitant solitudinem. Ipsi sunt et Ismaelitae, ut liber Geneseos docet, quod sint ex Ismaele. Ipsi Cedar a filio Ismaelis. Ipsi Agareni ab Agar; qui, ut diximus, perverso nomine Saraceni vocantur, quia ex Sara se genitos gloriantur.''|Sie werden Sarazenen genannt, weil sie behaupten, von Sara abzustammen, oder, so behaupten einige Nichtchristen, weil sie syrischen Ursprungs, also ''Syriginae'', sind. Sie leben in der weiten Wüste. Dieselben sind auch Ismaeliten, die von Ismael abstammen, wie uns das Buch Genesis lehrt. Dieselben Qaydar stammen von einem Sohn Ismaels, die ''Agareni'' wiederum von Hagar ab, aber werden, wie wir schon gesagt haben, mit dem perversen Namen ''Saraceni'' bezeichnet, weil sie sich rühmen, von Sara abzustammen.|5===Autor/in & Werk==  
Isidor, Bischof von Sevilla, wurde um 560 geboren und erlebte somit kurz vor seinem dreißigsten Lebensjahr die offizielle Konversion der westgotischen Elite zum Katholizismus unter König Reccared (reg. 586-601). Kurz vor dessen Tod beerbte er seinen, Reccared nahestehenden und mit Papst Gregor I. in Kontakt stehenden Bruder Leander auf dem Bischofsstuhl von Sevilla. Während seiner Amtszeit verband ihn eine besonders enge Beziehung mit dem westgotischen König Sisebut, der in Reaktion auf das ihm von Isidor gewidmete Traktat ''De natura rerum'' (613) ein Traktat zu Mondfinsternissen verfasste, und auf dessen Bemühungen um Zwangskonversion von Juden Isidor mit dem Werk ''De fide catholica contra Iudaeos'' reagierte. Sein umfassendes Werk umfasste neben den hier zitierten ''Etymologiae'' u. a. eine Chronik sowie eine Geschichte der für die Iberischen Halbinsel relevanten völkerwanderungszeitlichen ''gentes'' der Goten, Sueven und Vandalen.<ref name="ftn1">Isidore of Seville, Etymologies, übers. Barney et al., S. 4-9.</ref>  
Isidor, Bischof von Sevilla, wurde um 560 geboren und erlebte somit kurz vor seinem dreißigsten Lebensjahr die offizielle Konversion der westgotischen Elite zum Katholizismus unter König Reccared (reg. 586-601). Kurz vor dessen Tod beerbte er seinen, Reccared nahestehenden und mit Papst Gregor I. in Kontakt stehenden Bruder Leander auf dem Bischofsstuhl von Sevilla. Während seiner Amtszeit verband ihn eine besonders enge Beziehung mit dem westgotischen König Sisebut, der in Reaktion auf das ihm von Isidor gewidmete Traktat ''De natura rerum'' (613) ein Traktat zu Mondfinsternissen verfasste, und auf dessen Bemühungen um Zwangskonversion von Juden Isidor mit dem Werk ''De fide catholica contra Iudaeos'' reagierte. Sein umfassendes Werk umfasste neben den hier zitierten ''Etymologiae'' u. a. eine Chronik sowie eine Geschichte der für die Iberischen Halbinsel relevanten völkerwanderungszeitlichen ''gentes'' der Goten, Sueven und Vandalen.<ref name="ftn1">Isidore of Seville, Etymologies, übers. Barney et al., S. 4-9.</ref>  
==Inhalt & Quellenkontext==  
==Inhalt & Quellenkontext==  
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Die vorislamische arabische Sphäre wird v. a. in den Büchern IX (''De linguis, gentibus, regnis, militia, civibus, affinitatibus''), XII (''De animalibus''), XIV (''De terra et partibus''), XVI (''De lapidibus et metallis''), XVII (''De rebus rusticis'') und XIX (''De navibus aedificiis et vestibus'') behandelt. Isidor befasst sich hier mit der Flora und Fauna der Arabischen Halbinsel – dem Kamel, Schlangen und dem Phoenix in der Tier- (XII,1,35; 4,29; 7,22), v. a. Gewürzen und aromatischen Gewächsen in der Pflanzenwelt (XIV,3,13-26; XVII, 8,1-12; 9,4; 9,11). Auch wertvollen Steinen widmet er einige Aufmerksamkeit (XVI,7,9; 7,11; 8,3-5; 13,6). Einige Passagen befassen sich schließlich auch mit den Lebensgewohnheiten von als ''Arabes'' bezeichneten Gruppen: Er erwähnt durchgestochene Ohren, bestimmte Kleidungsformen sowie aus Salzblöcken gebaute Häuser, ferner auch Handel mit Ägypten (XV,1,35; XVI,2,3; XIX,23,7; 25,6; 26, 10). Die gemachten Angaben beschreiben dabei eindeutig nicht die Verhältnisse auf und im Umfeld der arabischen Halbinsel des späten 6. oder frühen 7. Jahrhunderts, sondern beruhen zum größten Teil auf alttestamentarischen Referenzen zu den Nachkommen Ismaels, in ihren geo- und ethnographischen Inhalten allerdings auf antiken lateinischen geo- und ethnographischen Traktaten.
Die vorislamische arabische Sphäre wird v. a. in den Büchern IX (''De linguis, gentibus, regnis, militia, civibus, affinitatibus''), XII (''De animalibus''), XIV (''De terra et partibus''), XVI (''De lapidibus et metallis''), XVII (''De rebus rusticis'') und XIX (''De navibus aedificiis et vestibus'') behandelt. Isidor befasst sich hier mit der Flora und Fauna der Arabischen Halbinsel – dem Kamel, Schlangen und dem Phoenix in der Tier- (XII,1,35; 4,29; 7,22), v. a. Gewürzen und aromatischen Gewächsen in der Pflanzenwelt (XIV,3,13-26; XVII, 8,1-12; 9,4; 9,11). Auch wertvollen Steinen widmet er einige Aufmerksamkeit (XVI,7,9; 7,11; 8,3-5; 13,6). Einige Passagen befassen sich schließlich auch mit den Lebensgewohnheiten von als ''Arabes'' bezeichneten Gruppen: Er erwähnt durchgestochene Ohren, bestimmte Kleidungsformen sowie aus Salzblöcken gebaute Häuser, ferner auch Handel mit Ägypten (XV,1,35; XVI,2,3; XIX,23,7; 25,6; 26, 10). Die gemachten Angaben beschreiben dabei eindeutig nicht die Verhältnisse auf und im Umfeld der arabischen Halbinsel des späten 6. oder frühen 7. Jahrhunderts, sondern beruhen zum größten Teil auf alttestamentarischen Referenzen zu den Nachkommen Ismaels, in ihren geo- und ethnographischen Inhalten allerdings auf antiken lateinischen geo- und ethnographischen Traktaten.


==Kontextualisierung, Analyse & Interpretation==
==Kontextualisierung, Analyse, Interpretation==
Wichtig an diesem Zitat ist die schon vor dem Auftreten des Islam vollzogene Einordnung arabischer Gruppen in eine biblische Genealogie, die arabischen Gruppen zugleich einen Status als barbarische Wüstenbewohner zuordnet. Referenztext ist 1. Mose 16, in dem es um die Nachkommenschaft Abrahams durch seine legitime Frau Sara und seine Magd Hagar geht. Zwischen beiden Frauen entsteht eine Konkurrenzsituation, als Hagar vor der im Alter fortgeschrittenen Sara von Abraham ein Kind empfängt. In Reaktion auf die schlechte Behandlung durch Sara flieht Hagar, wird aber von einem Engel gehindert, der ihr den Auftrag gibt, ihren Sohn Ismael, d.h. Erhörung durch Gott, zu nennen und zu Sara zurückzukehren. Zu Ismael prophezeit der Engel Folgendes (1. Mose 16,12): „Er wird ein Mann wie ein Wildesel sein; seine Hand wider jedermann und jedermanns Hand wider ihn, und er wird sich all seinen Brüdern vor die Nase setzen.“ Als dann Isaak geboren wird, fordert Sara Abraham auf, Ismael mitsamt seiner als Ägypterin klassifizierten Mutter Hagar zu vertreiben, „denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit meinem Sohn Isaak (1. Mose 21,10).“ Abrahams Widerwillen, Mutter und Sohn zu vertreiben, wird dann durch Gott selbst gutgeheißen, Abraham beschwichtigt, „denn nach Isaak soll dein Geschlecht genannt werden. Aber auch den Sohn der Magd will ich zu einem Volk machen, weil er dein Sohn ist (1. Mose 21,12-13).“
Wichtig an diesem Zitat ist die schon vor dem Auftreten des Islam vollzogene Einordnung arabischer Gruppen in eine biblische Genealogie, die arabischen Gruppen zugleich einen Status als barbarische Wüstenbewohner zuordnet. Referenztext ist 1. Mose 16, in dem es um die Nachkommenschaft Abrahams durch seine legitime Frau Sara und seine Magd Hagar geht. Zwischen beiden Frauen entsteht eine Konkurrenzsituation, als Hagar vor der im Alter fortgeschrittenen Sara von Abraham ein Kind empfängt. In Reaktion auf die schlechte Behandlung durch Sara flieht Hagar, wird aber von einem Engel gehindert, der ihr den Auftrag gibt, ihren Sohn Ismael, d.h. Erhörung durch Gott, zu nennen und zu Sara zurückzukehren. Zu Ismael prophezeit der Engel Folgendes (1. Mose 16,12): „Er wird ein Mann wie ein Wildesel sein; seine Hand wider jedermann und jedermanns Hand wider ihn, und er wird sich all seinen Brüdern vor die Nase setzen.“ Als dann Isaak geboren wird, fordert Sara Abraham auf, Ismael mitsamt seiner als Ägypterin klassifizierten Mutter Hagar zu vertreiben, „denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit meinem Sohn Isaak (1. Mose 21,10).“ Abrahams Widerwillen, Mutter und Sohn zu vertreiben, wird dann durch Gott selbst gutgeheißen, Abraham beschwichtigt, „denn nach Isaak soll dein Geschlecht genannt werden. Aber auch den Sohn der Magd will ich zu einem Volk machen, weil er dein Sohn ist (1. Mose 21,12-13).“


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