797-802: Notkers Gesta Karoli Magni zum Gesandtenaustausch zwischen Karl dem Großen und Hārūn al-Rašīd: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
keine Bearbeitungszusammenfassung
(Die Seite wurde neu angelegt: „{{Kapitel LAT-DE TAB-2|Till Kalkbrenner|Notker Balbulus, ''Gesta Karoli Magni imperatoris'', ed. Haefele (MGH SS rer. Germ. NS 12), lib. II, cap. 8, S. 59-62.…“)
 
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 2: Zeile 2:
Notker, genannt Balbulus, der Stammler, war ein in Sankt Gallen wirkender Mönch. Geboren wurde er wahrscheinlich im Jahre 840. Er entstammte einer einflussreichen Grundherrenfamilie, welche bei Jonschwil, nahe Sankt Gallen heimisch war. Informationen über sein Leben lassen sich hauptsächlich aus autobiographischen Bemerkungen in seinen Werken ziehen. Sein Todestag, der 6. April 912, ist das einzige gesicherte Datum seines Lebens.<ref name="ftn1">Ochsenbein und Schmuki, ''Notkere'', S. 17-18. Notkers Todestag war im Nekrolog des Klosters Sankt Gallen vermerkt worden.</ref> Nachdem er früh verwaist war, kam er zuerst in die Obhut eines Kriegers namens Adalbert, bevor er dem Kloster Sankt Gallen beitrat. Dort erhielt er eine umfangreiche Ausbildung und trat als Urkundenschreiber, Bibliothekar und Hospitar in Erscheinung. Besondere Wirkung entfaltete er jedoch als Erzieher und Lehrer für jüngere Mönche.<ref name="ftn2">Haefele und Gschwind-Giesinger, Notker, Sp. 1289-1290.</ref> Mehrere seiner Schüler bekleideten später hohe Kirchenämter im süddeutsch-alpinen Raum, so zum Beispiel Hartmann (gest. 925), Abt von Sankt Gallen, und Salomo III. (gest. 919/920), Bischof von Konstanz.<ref name="ftn3">Haefele und Gschwind-Giesinger, Notker, Sp. 1289-1290.</ref> 1215 gab es den ersten Versuch einer Kanonisierung Notkers durch Abt Ulrich IV. von Sankt Gallen (gest. 1220), im Zusammenhang damit lieferte ein unbekannter Mönch die ''Vita Notkeri Balbuli''. 1513 erfolgte die Seligsprechung.<ref name="ftn4">Stotz, Notker.</ref>
Notker, genannt Balbulus, der Stammler, war ein in Sankt Gallen wirkender Mönch. Geboren wurde er wahrscheinlich im Jahre 840. Er entstammte einer einflussreichen Grundherrenfamilie, welche bei Jonschwil, nahe Sankt Gallen heimisch war. Informationen über sein Leben lassen sich hauptsächlich aus autobiographischen Bemerkungen in seinen Werken ziehen. Sein Todestag, der 6. April 912, ist das einzige gesicherte Datum seines Lebens.<ref name="ftn1">Ochsenbein und Schmuki, ''Notkere'', S. 17-18. Notkers Todestag war im Nekrolog des Klosters Sankt Gallen vermerkt worden.</ref> Nachdem er früh verwaist war, kam er zuerst in die Obhut eines Kriegers namens Adalbert, bevor er dem Kloster Sankt Gallen beitrat. Dort erhielt er eine umfangreiche Ausbildung und trat als Urkundenschreiber, Bibliothekar und Hospitar in Erscheinung. Besondere Wirkung entfaltete er jedoch als Erzieher und Lehrer für jüngere Mönche.<ref name="ftn2">Haefele und Gschwind-Giesinger, Notker, Sp. 1289-1290.</ref> Mehrere seiner Schüler bekleideten später hohe Kirchenämter im süddeutsch-alpinen Raum, so zum Beispiel Hartmann (gest. 925), Abt von Sankt Gallen, und Salomo III. (gest. 919/920), Bischof von Konstanz.<ref name="ftn3">Haefele und Gschwind-Giesinger, Notker, Sp. 1289-1290.</ref> 1215 gab es den ersten Versuch einer Kanonisierung Notkers durch Abt Ulrich IV. von Sankt Gallen (gest. 1220), im Zusammenhang damit lieferte ein unbekannter Mönch die ''Vita Notkeri Balbuli''. 1513 erfolgte die Seligsprechung.<ref name="ftn4">Stotz, Notker.</ref>


Notker betätigte sich als Dichter, so in den zwei Werken ''De Sancto Stephano'' (um 883) und ''Liber Ymnorum'' (um 884). Beide Werke waren ihm bekannten Bischöfen gewidmet.<ref name="ftn5">Herbers, Notker, Sp. 1032-1035.</ref> Mit dem ''Metrum de vita sancti Galli'' (um 884-890), welches nur in Fragmenten und Zitaten erhalten ist, schuf er ein Werk zur frühen Geschichte seines Klosters.<ref name="ftn6">Herbers, Notker, Sp. 1032-1035; Haefele und Gschwind-Giesinger, Notker, Sp. 1289-1290.</ref> Notker verfasste jedoch auch Prosatexte, welche durchaus praktische Zwecke verfolgten. Im sogenannten ''Formelbuch'' kompilierte er zum Beispiel eine Sammlung von Ratschlägen und Urkundenformeln für seinen ehemaligen Schüler, der 890 als Salomo III. zum Bischof von Konstanz und Abt von Sankt Gallen erhoben wurde. Speziell zu diesem Ereignis scheint das Formelbuch erstellt worden zu sein.<ref name="ftn7">Haefele und Gschwind-Giesinger, Sp. 1289-1290.</ref> Auch ein unvollendetes ''Martyrologium'' (vermutlich um 896 noch in Arbeit) gehört zu den umfangreicheren Werken Notkers. Darüber hinaus ist ein Korpus an Briefen zwischen Notker und anderen Geistlichen des süddeutsch-alpinen Raums, meist Notkers Schülern, erhalten geblieben.<ref name="ftn8">Haefele und Gschwind-Giesinger, Sp. 1289-1290.</ref> Lange einem anonymen St. Galler Mönch zugeschrieben, gehören die ''Gesta Karoli Magni imperatoris'' zu den wichtigsten Werken Notkers.
Notker betätigte sich als Dichter, so in den zwei Werken ''De Sancto Stephano'' (um 883) und ''Liber Ymnorum'' (um 884). Beide Werke waren ihm bekannten Bischöfen gewidmet.<ref name="ftn5">Herbers, Notker, Sp. 1032-1035.</ref> Mit dem ''Metrum de vita sancti Galli'' (um 884-890), welches nur in Fragmenten und Zitaten erhalten ist, schuf er ein Werk zur frühen Geschichte seines Klosters.<ref name="ftn6">Herbers, Notker, Sp. 1032-1035; Haefele und Gschwind-Giesinger, Notker, Sp. 1289-1290.</ref> Notker verfasste jedoch auch Prosatexte, welche durchaus praktische Zwecke verfolgten. Im sogenannten ''Formelbuch'' kompilierte er zum Beispiel eine Sammlung von Ratschlägen und Urkundenformeln für seinen ehemaligen Schüler, der 890 als Salomo III. zum Bischof von Konstanz und Abt von Sankt Gallen erhoben wurde. Speziell zu diesem Ereignis scheint das Formelbuch erstellt worden zu sein.<ref name="ftn7">Haefele und Gschwind-Giesinger, Notker, Sp. 1289-1290.</ref> Auch ein unvollendetes ''Martyrologium'' (vermutlich um 896 noch in Arbeit) gehört zu den umfangreicheren Werken Notkers. Darüber hinaus ist ein Korpus an Briefen zwischen Notker und anderen Geistlichen des süddeutsch-alpinen Raums, meist Notkers Schülern, erhalten geblieben.<ref name="ftn8">Haefele und Gschwind-Giesinger, Notker, Sp. 1289-1290.</ref> Lange einem anonymen St. Galler Mönch zugeschrieben, gehören die ''Gesta Karoli Magni imperatoris'' zu den wichtigsten Werken Notkers.
==Inhalt & Quellenkontext==  
==Inhalt & Quellenkontext==  
Die ''Gesta Karoli Magni imperatoris'' wurden vermutlich zwischen 884 und 887 auf Wunsch Kaiser Karls III. (regn. 876-887 als König des Ostfrankenreiches, ab 881 Kaiser) von Notker verfasst, allerdings nie vollendet, was wahrscheinlich mit der Absetzung des Kaisers im November 887 in Zusammenhang steht.<ref name="ftn9">Notker, ''Gesta'', ed. Haefele, S. XIV.</ref> Der Auftrag zum Werk erfolgte wohl im Dezember 883, als sich Karl III. auf dem Rückweg aus Italien befand und sich drei Tage in Sankt Gallen aufhielt. Dort wurde er von den Mönchen festlich bewirtet und mit Gedichten, Gesprächen und Erzählungen unterhalten. Der größte Anteil an dieser Unterhaltung des Herrschers scheint Notker zugefallen zu sein.<ref name="ftn10">Notker, ''Gesta'', ed. Haefele, S. XIII.</ref> Dabei muss Notker Karl III. mit seinem anekdotischen Wissen über die Zeit seines Urgroßvaters Karls des Großen beeindruckt haben. Haefele verortet die Entstehung des Werkes, oder zumindest die letzte Bearbeitungsphase, in den Zeitraum nach 885. Dies begründet er mit Notkers Darstellung der Dänen- und Normannenkriege Karls des Großen, welche Notker im Lichte der wenig erfolgreichen, ab 885 geführten Kriege Karls III. beschrieben habe.<ref name="ftn11">Notker, ''Gesta'', ed. Haefele, S. XIV.</ref> Das Werk sollte insgesamt drei Teile und eine Vorrede umfassen: Teil I befasst sich mit der Beziehung Karls des Großen zur Kirche und ist größtenteils überliefert, während der fragmentarisch überlieferte Teil II die kriegerischen und außenpolitischen Erfolge des Kaisers abhandelt. Teil III hätte das Privatleben des Kaisers behandeln sollen, wurde anscheinend jedoch nie erstellt.<ref name="ftn12">Notker, ''Gesta'', ed. Haefele, S. XVI.</ref> Bei der Komposition der ''Gesta'' griff Notker nicht nur auf einschlägige Chroniken und Annalen wie die ''Annales Regni Francorum'' zurück, sondern auch auf mündliche Berichte und eventuell auch auf eine ''mappa mundi'', welche in Sankt Gallen verwahrt wurde.<ref name="ftn13">Notker, ''Gesta'', ed. Haefele, S. XIII, S. XVIII.</ref>
Die ''Gesta Karoli Magni imperatoris'' wurden vermutlich zwischen 884 und 887 auf Wunsch Kaiser Karls III. (regn. 876-887 als König des Ostfrankenreiches, ab 881 Kaiser) von Notker verfasst, allerdings nie vollendet, was wahrscheinlich mit der Absetzung des Kaisers im November 887 in Zusammenhang steht.<ref name="ftn9">Notker, ''Gesta'', ed. Haefele, S. XIV.</ref> Der Auftrag zum Werk erfolgte wohl im Dezember 883, als sich Karl III. auf dem Rückweg aus Italien befand und sich drei Tage in Sankt Gallen aufhielt. Dort wurde er von den Mönchen festlich bewirtet und mit Gedichten, Gesprächen und Erzählungen unterhalten. Der größte Anteil an dieser Unterhaltung des Herrschers scheint Notker zugefallen zu sein.<ref name="ftn10">Notker, ''Gesta'', ed. Haefele, S. XIII.</ref> Dabei muss Notker Karl III. mit seinem anekdotischen Wissen über die Zeit seines Urgroßvaters Karls des Großen beeindruckt haben. Haefele verortet die Entstehung des Werkes, oder zumindest die letzte Bearbeitungsphase, in den Zeitraum nach 885. Dies begründet er mit Notkers Darstellung der Dänen- und Normannenkriege Karls des Großen, welche Notker im Lichte der wenig erfolgreichen, ab 885 geführten Kriege Karls III. beschrieben habe.<ref name="ftn11">Notker, ''Gesta'', ed. Haefele, S. XIV.</ref> Das Werk sollte insgesamt drei Teile und eine Vorrede umfassen: Teil I befasst sich mit der Beziehung Karls des Großen zur Kirche und ist größtenteils überliefert, während der fragmentarisch überlieferte Teil II die kriegerischen und außenpolitischen Erfolge des Kaisers abhandelt. Teil III hätte das Privatleben des Kaisers behandeln sollen, wurde anscheinend jedoch nie erstellt.<ref name="ftn12">Notker, ''Gesta'', ed. Haefele, S. XVI.</ref> Bei der Komposition der ''Gesta'' griff Notker nicht nur auf einschlägige Chroniken und Annalen wie die ''Annales Regni Francorum'' zurück, sondern auch auf mündliche Berichte und eventuell auch auf eine ''mappa mundi'', welche in Sankt Gallen verwahrt wurde.<ref name="ftn13">Notker, ''Gesta'', ed. Haefele, S. XIII, S. XVIII.</ref>
Zeile 115: Zeile 115:
Semmler, Josef: Der vorbildliche Herrscher in seinem Jahrhundert. Karl der Große, in: Hans Hecker (Hrsg.),''Der Herrscher. Leitbild und Abbild in Mittelalter und Renaissance'', Düsseldorf: Droste, 1990, S. 43-58.
Semmler, Josef: Der vorbildliche Herrscher in seinem Jahrhundert. Karl der Große, in: Hans Hecker (Hrsg.),''Der Herrscher. Leitbild und Abbild in Mittelalter und Renaissance'', Düsseldorf: Droste, 1990, S. 43-58.


Stotz, Peter: Notker der Stammler. Notker Balbulus, in: ''Historisches Lexikon der Schweiz, Version vom 09.09.2010'', <span style="color:#000080;"><u>http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10222.php</u></span> (Zugriff: 28.08.2019).|8=Abbasiden, Aachen, Bagdad, Diplomatie, Elefant, Franken, Fürstenspiegel, Gabentausch, Gesandte, Geschenke, Geographie, Grabeskirche, Heiliges Grab, Herrschertugenden, Historiographie, Jerusalem, Juden, Legitimation, Patriarch, Prestige, Vorbilder, Wissen über Andere|3a=''Per idem tempus etiam a legati Persarum ad eum directi sunt. Qui situm Francię nescientes pro magno duxerunt, sic litus Italię propter famositatem Romę, cui tunc illum imperare cognoverant, apprehendere valuissent. Cumque episcopis Campanie vel Tuscię, Emilię vel Ligurię Burgundieque sive Gallię simul et abbatibus vel comitibus causam adventus sui indicassent dissimulanterque ab eisdem suscepti vel expulsi fuissent, tandem post anni revolutum circulum apud Aquasgrani famosissimum virtutibus Karolum defessi et nimio defecti reppererunt circuitu. Venerunt autem lluc in maioris XLmę ebdomada maiore. Nuntiatique imperatori dilati sunt ab eius conspectu usque in vigiliam paschę. Cumque in festivitate praecipua incomparabilis ille incomparabiliter adornatus fuisset, iussit introduci personas eius gentis, quę cuncto quondam esset orbi terribilis. Quibus tamen excellentissimus Karolus ita terrificus videbatur prae omnibus, quasi numquam regem vel imperatorem vidissent. Quos ille blande susceptos hoc munere ditavit, ut quasi unus de filiis eius ubicum que vellent ambulandi et singula quęque perspiciendi et quę - cumque rogandi vel interrogandi licentiam haberent. Quo tripudio gestientes ipsi adherere, ipsum inspicere ipsum magnitudinem risum retinere nequeuntes complosis manibus aiebant: 'Prius terreos tantum homines vidimus, nunc autem aureum'. Deinde ad singulos procerum accedentes novitatemque vestimentorum sive armorum admirati ad mirabiliorem sunt augustum regressi. Quod cum eadem nocte et sequenti dominica iugiter in ęcclesia facerent, in ipsa sacrosancta die ad opipare convivium opulentissimi Karoli cum Francię Europęve proceribus sunt invitati. Sed tamen rerum miraculo perculsi propemodum exsurrexere ieiuni. (…)''|3b=''Attulerunt autem Persę imperatori elephantum et simias, opobalsamum, nardum unguentaque varia, pigmenta, odoramenta vel medicamenta diversissima, adeo ut orientem evacuasse et occidentem viderentur implesse. Cumque multa apud imperatorem amiliaritate uti cepissent, quadam die cum iam lętiores essent et grecingario fortiori incaluissent, ad Karolum, serietate sobrietateque semper armatum, ioculariter hęc prolocuti sunt: 'Magna quidem est, o imperator, potentia vestra, sed multo minor rumore, quo apud orientalia regna diffamati polletis'. Quo ille audito et profundissima indignatione dissimulata ioculariter inquisivit ab eis: 'Cur ita, filii meis, dicitis? vel hoc vobis unde videtur?' At illi repetentes a principio narraverunt ei cuncta, quę sibi in cismarinis partibus contigerunt, dicentes: 'Nos Persę vel Medi Armeniique vel Indi, Parthi et Elamitę omnesque orientales multo magis vos quam dominatorem nostrum Aaron timemus . De Macedonibus autem vel Achivis quid dicamus? Qui iam iamque magnitudinem vestram plus se fluctibus Ionii oppressuram pavitant. Insulani autem omnes, per quos iter habuimus, ad obsequium vestrum ita prompti sunt et intenti, quasi in palacio vestro nutriti fuerint et beneficiis ingentibus honorati. Istarum autem partium primores, ut nobis videtur, non satis curant de vobis, nisi tantum in praesentia vestra. Nam cum eis utpote peregrini perinde suggereremus, ut aliquid nobis humanitatis in vestri amore, quia vos quęreremus, exhibere dignarentur, inadiutos et vacuos dimiserunt'. Tunc imperator omnes comites et abbates, per quos idem missi profecti sunt, cunctis honoribus denudavit. Episcopos autem infinitę pecunię multavit vel dampnavit. Legatos vero cum ingenti cautela et honore ad usque proprios fines deduci praecepit.''|4a=Zu gleicher Zeit wurden auch Gesandte der Perser an ihn geschickt. Diese kannten die Lage des Frankenlandes nicht, und hielten es für ein großes, wenn es ihnen gelänge, das Ufer Italiens zu erreichen, um des Ruhmes der Stadt Rom willen, über welche er [Karl] herrschte, wie sie erfahren hatten. Und da sie den Bischöfen von Campanien und Tuscien, Emilien und Ligurien, und von Burgund und Gallien, auch den Äbten und Grafen, die Ursache ihrer Ankunft angezeigt hatten, und von ihnen in hinterlistiger Weise bald aufgenommen, bald abgewiesen waren, fanden sie endlich nach Verlauf eines vollen Jahres zu Aachen den durch seine Tugenden hochberühmten Karl, ganz ermüdet und erschöpft durch den weiten Umweg. Sie kamen aber dort an in der großen Woche des großen Fastens, und da man sie dem Kaiser gemeldet hatte, hieß er sie bis zum Osterabend warten. Als nun an diesem Hauptfeste jener unvergleichliche Mann ganz unvergleichlich geschmückt war, befahl er, die Männer aus jenem Volk hereinzuführen, welches einst dem ganzen Erdkreis furchtbar war. Dennoch erschien ihnen der herrliche Karl so schrecklich vor allen andern, als ob sie noch nie vorher einen König oder Kaiser gesehen hätten. Er aber nahm sie freundlich auf und gewährte ihnen die Gunst, dass sie wie seine Söhne Freiheit hatten hinzugehen wohin sie wollten, und sich alles zu betrachten, auch nach jedem zu fragen und nachzuforschen. Voll Freude darüber, zogen sie es allen Schätzen des Orients vor, in seiner Nähe zu bleiben, ihn zu betrachten, ihn zu bewundern. Und auf den Söller steigend, der das Hauptgebäude der Kirche umgibt, schauten sie hinab auf die Geistlichkeit und das Heer, und immer wieder zum Kaiser zurückkehrend, machten sie der Größe ihrer Freude in Lachen Luft, und die Hände zusammenschlagend sagten sie: ‚Früher haben wir nur Menschen von Erde gesehen, jetzt aber einen goldenen.‘ Dann traten sie zu den einzelnen Fürsten, bewunderten die Neuheit der Gewänder und Waffen, und kamen wieder zu dem noch wunderbareren Kaiser zurück. Als sie solches in der Nacht und am folgenden Sonntag in der Kirche fortwährend getan hatten, wurden sie am heiligsten Tage selbst zu einem herrlichen Mahl des reichen Karl mit den Fürsten des Frankenlandes oder ganz Europas eingeladen. Aber durch die wunderbaren Dinge waren sie doch so betäubt, dass sie sich fast nüchtern wieder erhoben. (…)|4b=Die Perser aber brachten dem Kaiser einen Elefanten und Affen, Balsam, Narden und verschiedene Salben, Gewürze, Wohlgerüche und die mannigfachen Heilmittel, so dass sie den Orient ausgeleert und den Westen angefüllt zu haben schienen. Und da sie sehr vertraut mit dem Kaiser zu verkehren anfingen, sprachen sie eines Tages, als sie schon fröhlicher waren und von starkem Graecinger [Bier oder Wein?] erhitzt, zum Karl, der immer mit Ernst und Mäßigkeit gewappnet war, scherzhafter Weise solche Worte: ‚Sehr groß ist freilich eure Macht, oh Kaiser, aber doch viel kleiner als der Ruf, der von euch die Reiche des Orients erfüllt hat.‘ Als jener das vernommen hatte, verbarg er seinen tiefen Unwillen und fragte sie scherzend: ‚Warum sprechet ihr so, meine Söhne? oder warum erscheint euch das so?‘ Jene aber, von Anfang anhebend, erzählten ihm alles, was ihnen diesseits des Meeres begegnet war, und sagten: ‚Wir Perser und Meder, Armenier und Inder, Parther und Elamiter und alle Völker des Ostens, fürchten euch noch viel mehr als unsern Herrn, den Aaron. Von den Makedoniern aber oder Griechen, was sollen wir von denen sagen? Die schon von Tag zu Tag größere Furcht empfinden, von euerer Größe verschlungen zu werden, als von den Fluten des Ionischen Meeres. Auf den Inseln aber, die wir auf unserer Reise berührt haben, sind alle so bereit zu euerem Dienst und so eifrig, als wären sie in euerer Pfalz aufgewachsen und mit allen Wohltaten überhäuft. Aber hier zu Lande scheint es uns, dass die Großen nicht viel um euch sich kümmern, ausgenommen in eurer Gegenwart. Denn wenn wir, als Fremde, sie zuweilen ersuchten, uns um euretwillen, da wir ja euch aufsuchen wollten, einige Freundlichkeit zu erweisen, so ließen sie uns ohne Hilfe und Beistand ziehen.‘ Da enthob der Kaiser alle Grafen und Äbte, bei denen die Gesandten auf ihrer Reise vorgesprochen hatten, ihrer sämtlichen Ehren; die Bischöfe aber strafte er mit unfassbar hohen Geldsummen. Aber die Gesandten ließ er mit großer Sorgfalt und vielen Ehren bis zu ihrer Grenze zurückgeleiten.}}
Stotz, Peter: Notker der Stammler. Notker Balbulus, in: ''Historisches Lexikon der Schweiz'',Version vom 09.09.2010, <span style="color:#000080;"><u>http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10222.php</u></span> (Zugriff: 28.08.2019).|8=Abbasiden, Aachen, Bagdad, Diplomatie, Elefant, Franken, Fürstenspiegel, Gabentausch, Gesandte, Geschenke, Geographie, Grabeskirche, Heiliges Grab, Herrschertugenden, Historiographie, Jerusalem, Juden, Legitimation, Patriarch, Prestige, Vorbilder, Wissen über Andere|3a=''Per idem tempus etiam a legati Persarum ad eum directi sunt. Qui situm Francię nescientes pro magno duxerunt, sic litus Italię propter famositatem Romę, cui tunc illum imperare cognoverant, apprehendere valuissent. Cumque episcopis Campanie vel Tuscię, Emilię vel Ligurię Burgundieque sive Gallię simul et abbatibus vel comitibus causam adventus sui indicassent dissimulanterque ab eisdem suscepti vel expulsi fuissent, tandem post anni revolutum circulum apud Aquasgrani famosissimum virtutibus Karolum defessi et nimio defecti reppererunt circuitu. Venerunt autem lluc in maioris XLmę ebdomada maiore. Nuntiatique imperatori dilati sunt ab eius conspectu usque in vigiliam paschę. Cumque in festivitate praecipua incomparabilis ille incomparabiliter adornatus fuisset, iussit introduci personas eius gentis, quę cuncto quondam esset orbi terribilis. Quibus tamen excellentissimus Karolus ita terrificus videbatur prae omnibus, quasi numquam regem vel imperatorem vidissent. Quos ille blande susceptos hoc munere ditavit, ut quasi unus de filiis eius ubicum que vellent ambulandi et singula quęque perspiciendi et quę - cumque rogandi vel interrogandi licentiam haberent. Quo tripudio gestientes ipsi adherere, ipsum inspicere ipsum magnitudinem risum retinere nequeuntes complosis manibus aiebant: 'Prius terreos tantum homines vidimus, nunc autem aureum'. Deinde ad singulos procerum accedentes novitatemque vestimentorum sive armorum admirati ad mirabiliorem sunt augustum regressi. Quod cum eadem nocte et sequenti dominica iugiter in ęcclesia facerent, in ipsa sacrosancta die ad opipare convivium opulentissimi Karoli cum Francię Europęve proceribus sunt invitati. Sed tamen rerum miraculo perculsi propemodum exsurrexere ieiuni. (…)''|3b=''Attulerunt autem Persę imperatori elephantum et simias, opobalsamum, nardum unguentaque varia, pigmenta, odoramenta vel medicamenta diversissima, adeo ut orientem evacuasse et occidentem viderentur implesse. Cumque multa apud imperatorem amiliaritate uti cepissent, quadam die cum iam lętiores essent et grecingario fortiori incaluissent, ad Karolum, serietate sobrietateque semper armatum, ioculariter hęc prolocuti sunt: 'Magna quidem est, o imperator, potentia vestra, sed multo minor rumore, quo apud orientalia regna diffamati polletis'. Quo ille audito et profundissima indignatione dissimulata ioculariter inquisivit ab eis: 'Cur ita, filii meis, dicitis? vel hoc vobis unde videtur?' At illi repetentes a principio narraverunt ei cuncta, quę sibi in cismarinis partibus contigerunt, dicentes: 'Nos Persę vel Medi Armeniique vel Indi, Parthi et Elamitę omnesque orientales multo magis vos quam dominatorem nostrum Aaron timemus . De Macedonibus autem vel Achivis quid dicamus? Qui iam iamque magnitudinem vestram plus se fluctibus Ionii oppressuram pavitant. Insulani autem omnes, per quos iter habuimus, ad obsequium vestrum ita prompti sunt et intenti, quasi in palacio vestro nutriti fuerint et beneficiis ingentibus honorati. Istarum autem partium primores, ut nobis videtur, non satis curant de vobis, nisi tantum in praesentia vestra. Nam cum eis utpote peregrini perinde suggereremus, ut aliquid nobis humanitatis in vestri amore, quia vos quęreremus, exhibere dignarentur, inadiutos et vacuos dimiserunt'. Tunc imperator omnes comites et abbates, per quos idem missi profecti sunt, cunctis honoribus denudavit. Episcopos autem infinitę pecunię multavit vel dampnavit. Legatos vero cum ingenti cautela et honore ad usque proprios fines deduci praecepit.''|4a=Zu gleicher Zeit wurden auch Gesandte der Perser an ihn geschickt. Diese kannten die Lage des Frankenlandes nicht, und hielten es für ein großes, wenn es ihnen gelänge, das Ufer Italiens zu erreichen, um des Ruhmes der Stadt Rom willen, über welche er [Karl] herrschte, wie sie erfahren hatten. Und da sie den Bischöfen von Campanien und Tuscien, Emilien und Ligurien, und von Burgund und Gallien, auch den Äbten und Grafen, die Ursache ihrer Ankunft angezeigt hatten, und von ihnen in hinterlistiger Weise bald aufgenommen, bald abgewiesen waren, fanden sie endlich nach Verlauf eines vollen Jahres zu Aachen den durch seine Tugenden hochberühmten Karl, ganz ermüdet und erschöpft durch den weiten Umweg. Sie kamen aber dort an in der großen Woche des großen Fastens, und da man sie dem Kaiser gemeldet hatte, hieß er sie bis zum Osterabend warten. Als nun an diesem Hauptfeste jener unvergleichliche Mann ganz unvergleichlich geschmückt war, befahl er, die Männer aus jenem Volk hereinzuführen, welches einst dem ganzen Erdkreis furchtbar war. Dennoch erschien ihnen der herrliche Karl so schrecklich vor allen andern, als ob sie noch nie vorher einen König oder Kaiser gesehen hätten. Er aber nahm sie freundlich auf und gewährte ihnen die Gunst, dass sie wie seine Söhne Freiheit hatten hinzugehen wohin sie wollten, und sich alles zu betrachten, auch nach jedem zu fragen und nachzuforschen. Voll Freude darüber, zogen sie es allen Schätzen des Orients vor, in seiner Nähe zu bleiben, ihn zu betrachten, ihn zu bewundern. Und auf den Söller steigend, der das Hauptgebäude der Kirche umgibt, schauten sie hinab auf die Geistlichkeit und das Heer, und immer wieder zum Kaiser zurückkehrend, machten sie der Größe ihrer Freude in Lachen Luft, und die Hände zusammenschlagend sagten sie: ‚Früher haben wir nur Menschen von Erde gesehen, jetzt aber einen goldenen.‘ Dann traten sie zu den einzelnen Fürsten, bewunderten die Neuheit der Gewänder und Waffen, und kamen wieder zu dem noch wunderbareren Kaiser zurück. Als sie solches in der Nacht und am folgenden Sonntag in der Kirche fortwährend getan hatten, wurden sie am heiligsten Tage selbst zu einem herrlichen Mahl des reichen Karl mit den Fürsten des Frankenlandes oder ganz Europas eingeladen. Aber durch die wunderbaren Dinge waren sie doch so betäubt, dass sie sich fast nüchtern wieder erhoben. (…)|4b=Die Perser aber brachten dem Kaiser einen Elefanten und Affen, Balsam, Narden und verschiedene Salben, Gewürze, Wohlgerüche und die mannigfachen Heilmittel, so dass sie den Orient ausgeleert und den Westen angefüllt zu haben schienen. Und da sie sehr vertraut mit dem Kaiser zu verkehren anfingen, sprachen sie eines Tages, als sie schon fröhlicher waren und von starkem Graecinger [Bier oder Wein?] erhitzt, zum Karl, der immer mit Ernst und Mäßigkeit gewappnet war, scherzhafter Weise solche Worte: ‚Sehr groß ist freilich eure Macht, oh Kaiser, aber doch viel kleiner als der Ruf, der von euch die Reiche des Orients erfüllt hat.‘ Als jener das vernommen hatte, verbarg er seinen tiefen Unwillen und fragte sie scherzend: ‚Warum sprechet ihr so, meine Söhne? oder warum erscheint euch das so?‘ Jene aber, von Anfang anhebend, erzählten ihm alles, was ihnen diesseits des Meeres begegnet war, und sagten: ‚Wir Perser und Meder, Armenier und Inder, Parther und Elamiter und alle Völker des Ostens, fürchten euch noch viel mehr als unsern Herrn, den Aaron. Von den Makedoniern aber oder Griechen, was sollen wir von denen sagen? Die schon von Tag zu Tag größere Furcht empfinden, von euerer Größe verschlungen zu werden, als von den Fluten des Ionischen Meeres. Auf den Inseln aber, die wir auf unserer Reise berührt haben, sind alle so bereit zu euerem Dienst und so eifrig, als wären sie in euerer Pfalz aufgewachsen und mit allen Wohltaten überhäuft. Aber hier zu Lande scheint es uns, dass die Großen nicht viel um euch sich kümmern, ausgenommen in eurer Gegenwart. Denn wenn wir, als Fremde, sie zuweilen ersuchten, uns um euretwillen, da wir ja euch aufsuchen wollten, einige Freundlichkeit zu erweisen, so ließen sie uns ohne Hilfe und Beistand ziehen.‘ Da enthob der Kaiser alle Grafen und Äbte, bei denen die Gesandten auf ihrer Reise vorgesprochen hatten, ihrer sämtlichen Ehren; die Bischöfe aber strafte er mit unfassbar hohen Geldsummen. Aber die Gesandten ließ er mit großer Sorgfalt und vielen Ehren bis zu ihrer Grenze zurückgeleiten.}}
45

Bearbeitungen

Cookies helfen uns bei der Bereitstellung von Transmed Wiki. Durch die Nutzung von Transmed Wiki erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies speichern.

Navigationsmenü