827: Das Chronicon Salernitanum über die Eroberung Siziliens durch die Muslime: Unterschied zwischen den Versionen

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{{Kapitel LAT-DE|Theresa Jäckh|Chronicon Salernitanum, A Critical Edition with Studies on Literary and Historical Sources and on Language, ed. Ulla Westerbergh (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia latina Stockholmiensia 3), Stockholm 1956, cap. 60, S. 59, übers. von TJ.|''Per idem tempus Agarenorum gens Siciliam invaserunt. Sed quomodo terram illam actriverunt, nunc materiam subministremus. Erat vir predives quidam in Sicilie finibus, Eufimius nomine; disponsavit puellam, Homonizam nomine gerente, mire pulcritudinis. Illo denique tempore quidam Greculus Siciliam preerat. Accepta pecunia ab alio viro, disponsatam Eufimii auferens atque alius viri eam denique tradidit.''
{{Kapitel_LAT-DE_TAB-4|Theresa Jäckh|Chronicon Salernitanum, A Critical Edition with Studies on Literary and Historical Sources and on Language, ed. Ulla Westerbergh (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia latina Stockholmiensia 3), Stockholm 1956, cap. 60, S. 59, übers. von TJ.|''Per idem tempus Agarenorum gens Siciliam invaserunt. Sed quomodo terram illam actriverunt, nunc materiam subministremus. Erat vir predives quidam in Sicilie finibus, Eufimius nomine; disponsavit puellam, Homonizam nomine gerente, mire pulcritudinis. Illo denique tempore quidam Greculus Siciliam preerat. Accepta pecunia ab alio viro, disponsatam Eufimii auferens atque alius viri eam denique tradidit.''
 
''Quod dum in patulo exiit atque Eufimii nunciatum fuisset, talia nimirum verba depromsit: "Meam namque fedastis uxorem; hoc pereat anno, si non fedare facio plurimorum uxores!" Quapropter cum servis suis navem ascendit Africamque properavit, atque regi terre illius huius modi verba depromsit:„Multarum navium dirige mecum, quatenus spaciosa terra vestre dicioni commictam.“ Ut rex barbarus talia audiens, nimis gavisus est, atque sine mora omnis navalis exercitus iussit congregare in unum.''
''Quod dum in patulo exiit atque Eufimii nunciatum fuisset, talia nimirum verba depromsit: "Meam namque fedastis uxorem; hoc pereat anno, si non fedare facio plurimorum uxores!" Quapropter cum servis suis navem ascendit Africamque properavit, atque regi terre illius huius modi verba depromsit:„Multarum navium dirige mecum, quatenus spaciosa terra vestre dicioni commictam.“ Ut rex barbarus talia audiens, nimis gavisus est, atque sine mora omnis navalis exercitus iussit congregare in unum.''
''Dum fuissent nimirum congregati in unum, rex ille barbarus huiusmodi exorsus verba: "Omne consilium ab isto meo viroque amico percipite, atque eius iussa quasi mea metuite." Et hec dicens, non exigua dona eorum silicet condonavit, sed amplissima plus omnibus Eufimius dedit. Cum vero Siciliam properassent, protinus eam videlicet invaserunt, atque multaque opes ibidem silicet reppererunt; ingrediuntur, multorum populorum faciunt strages, vix paucis evadentibus, qui nuper (per) tutissima castra et moncium confugerunt iuga.''
''Dum fuissent nimirum congregati in unum, rex ille barbarus huiusmodi exorsus verba: "Omne consilium ab isto meo viroque amico percipite, atque eius iussa quasi mea metuite." Et hec dicens, non exigua dona eorum silicet condonavit, sed amplissima plus omnibus Eufimius dedit. Cum vero Siciliam properassent, protinus eam videlicet invaserunt, atque multaque opes ibidem silicet reppererunt; ingrediuntur, multorum populorum faciunt strages, vix paucis evadentibus, qui nuper (per) tutissima castra et moncium confugerunt iuga.''
''Sed et ipsum Greculum ibidem negaverunt [eher: necaverunt?] ceterisque illius sequaces, atque ab illo tempore Siciliam dominare ceperunt. Audito hoc, princeps Sico valde est exinde mestus, atque coronam in suo capite iam minime posuit, predicens futurum gladium inter agmina Longobardorum. Pro una denique puella sunt aliorum multeque denique viduate. Et qui antea omnes in unum inter se epulabant et exultabant, postmodum pro unum Greculum immensas lacrimas effundebant.''|Zu jener Zeit fiel das Volk der Hagarenen in Sizilien ein. Wie sie denn aber jenes Land aufrieben, dazu liefern wir nun den Bericht: Am äußeren Rand Siziliens gab es einen sehr reichen Mann mit dem Namen Euphemios. Er verlobte sich mit einem Mädchen, das den Namen Homoniza trug und von außerordentlicher Schönheit war. In dieser Zeit stand Sizilien irgendein Griechlein vor. Nachdem er Geld von einem anderen Mann empfangen hatte, raubte er die Verlobte des Euphemios und übergab sie dann dem anderen Mann.
''Sed et ipsum Greculum ibidem negaverunt [eher: necaverunt?] ceterisque illius sequaces, atque ab illo tempore Siciliam dominare ceperunt. Audito hoc, princeps Sico valde est exinde mestus, atque coronam in suo capite iam minime posuit, predicens futurum gladium inter agmina Longobardorum. Pro una denique puella sunt aliorum multeque denique viduate. Et qui antea omnes in unum inter se epulabant et exultabant, postmodum pro unum Greculum immensas lacrimas effundebant.''|Zu jener Zeit fiel das Volk der Hagarenen in Sizilien ein. Wie sie denn aber jenes Land aufrieben, dazu liefern wir nun den Bericht: Am äußeren Rand Siziliens gab es einen sehr reichen Mann mit dem Namen Euphemios. Er verlobte sich mit einem Mädchen, das den Namen Homoniza trug und von außerordentlicher Schönheit war. In dieser Zeit stand Sizilien irgendein Griechlein vor. Nachdem er Geld von einem anderen Mann empfangen hatte, raubte er die Verlobte des Euphemios und übergab sie dann dem anderen Mann.
Als dies schließlich unter der Allgemeinheit bekannt und dem Euphemios mitgeteilt wurde, stieß er freilich mit folgenden Worten hervor: „Meine Frau habt ihr wahrlich geschändet. Dieses Jahr soll zugrunde gehen, wenn ich nicht die Frauen vieler schänden lasse.“ Deshalb bestieg er mit seinen Sklaven ein Schiff, eilte nach Afrika und unterbreitete dem König jenes Landes derartige Worte: „Sende mit mir zahlreiche Schiffe, so werde ich ein großes, weites Land unter eure Macht stellen“. Und als der Barbarenkönig solches hörte, freute er sich gewaltig und befahl, dass sich ohne Verzug die ganze Flotte zusammenziehen solle.  
Als dies schließlich unter der Allgemeinheit bekannt und dem Euphemios mitgeteilt wurde, stieß er freilich mit folgenden Worten hervor: „Meine Frau habt ihr wahrlich geschändet. Dieses Jahr soll zugrunde gehen, wenn ich nicht die Frauen vieler schänden lasse.“ Deshalb bestieg er mit seinen Sklaven ein Schiff, eilte nach Afrika und unterbreitete dem König jenes Landes derartige Worte: „Sende mit mir zahlreiche Schiffe, so werde ich ein großes, weites Land unter eure Macht stellen“. Und als der Barbarenkönig solches hörte, freute er sich gewaltig und befahl, dass sich ohne Verzug die ganze Flotte zusammenziehen solle.  
Als sie freilich zusammen versammelt waren, begann jener Barbarenkönig mit derartigem Worten: „Nehmt jede Anweisung von diesem meinen Mann und Freund und fürchtet seine Befehle, als wenn es meine wären.“ Und wie er dieses sagte, überließ er ihnen natürlich keine geringfügigen Gaben, sondern viel prächtigere als alles, was Euphemios gegeben hatte. Als sie aber nach Sizilien eilten, überfielen sie es offenbar sogleich und trafen, wie es scheint, auf starken Widerstand. Sie drangen vor, machten zahlreiche Völker untertan, mit Mühe konnten wenige fliehen, die unlängst in die zahlreichen Kastelle und Joche der Berge entflohen sind.
Als sie freilich zusammen versammelt waren, begann jener Barbarenkönig mit derartigem Worten: „Nehmt jede Anweisung von diesem meinen Mann und Freund und fürchtet seine Befehle, als wenn es meine wären.“ Und wie er dieses sagte, überließ er ihnen natürlich keine geringfügigen Gaben, sondern viel prächtigere als alles, was Euphemios gegeben hatte. Als sie aber nach Sizilien eilten, überfielen sie es offenbar sogleich und trafen, wie es scheint, auf starken Widerstand. Sie drangen vor, machten zahlreiche Völker untertan, mit Mühe konnten wenige fliehen, die unlängst in die zahlreichen Kastelle und Joche der Berge entflohen sind.
Aber sie verleugneten [töteten] daselbst auch das Griechlein und seine übrigen Begleiter, und von dieser Zeit an begannen sie, über Sizilien zu herrschen. Nachdem er das gehört hatte, war Fürst Sico schließlich sehr traurig, und er trug kaum mehr die Krone auf seinem Haupt, nachdem er vorausgesagt hatte, dass zukünftig das Schwert zwischen den Scharen der Langobarden sein würde. Schließlich sind wegen eines Mädchens andere und bald viele Witwen geworden. Und jene, die früher alle gemeinsam gespeist und gejauchzt haben, vergossen später zahlreiche Tränen wegen eines Griechleins.|5===Autor/in & Werk==
Aber sie verleugneten [töteten] daselbst auch das Griechlein und seine übrigen Begleiter, und von dieser Zeit an begannen sie, über Sizilien zu herrschen. Nachdem er das gehört hatte, war Fürst Sico schließlich sehr traurig, und er trug kaum mehr die Krone auf seinem Haupt, nachdem er vorausgesagt hatte, dass zukünftig das Schwert zwischen den Scharen der Langobarden sein würde. Schließlich sind wegen eines Mädchens andere und bald viele Witwen geworden. Und jene, die früher alle gemeinsam gespeist und gejauchzt haben, vergossen später zahlreiche Tränen wegen eines Griechleins.|5===Autor/in & Werk==
Das ''Chronicon Salernitanum'' behandelt die Geschichte der Langobarden vom späteren 6.  bis ins spätere 10. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Dukats von Benevent und des Fürstentums von Salerno. Der anonyme Verfasser stellt seinem Werk drei Herrscherlisten voraus, die es politisch und chronologisch einordnen: Erstens werden die langobardischen Könige von Albuin (r. 560/568-72/3) bis Desiderius (r. 757-74) genannt; zweitens die fränkischen Könige beginnend mit entweder Pippin dem Älteren oder Mittleren (r. 615/625-640 / 697-715) über Karl den Großen (r. 768-814) und ihm folgend die fränkisch-sächsischen Herrscher bis zu Otto III. (r. 983-1002) sowie drittens die langobardischen Herrscher Benevents von Zotto (r. 571-591) bis zu Radelchis II. (r. 881-900). Die eigentliche Erzählung setzt mit dem Pontifikat Papst Zaccharias (sed. 741-752) ein. Für die frühe Berichterstattung zur fränkisch-karolingischen Politik stützt sich der Autor stark auf den Liber Pontificalis. Sein vorwiegendes Interesse gilt bald aber den internen Konflikten der Langobarden und der Abspaltung der Fürstentümer, zumal Salernos (851), und deren weitere Entwicklungen im Mächtegeflecht der süditalienischen Halbinsel. Für mehrere Teile verwendet der Verfasser ausgiebig Passagen aus der Origo Gentis Langobardorum, der Historia Langobardorum und der Chronica Sancti Benedicti Casinensis. Der Quellenwert des Chronicon Salernitanum wurde nach seiner Erstedition daher zunächst geringgeschätzt. Mittlerweile herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass die – wenn auch in Teilen kompilative – Chronik von größter Bedeutung für die Geschichtsforschung zu Süditalien ist.<ref name="ftn1">Delogu, Mito, S. 237-277; Pohl, Werkstätte, S. 55-67, weist zurecht darauf hin, dass das Chronicon Salernitanum „mehr Aufmerksamkeit“ verdienen würde.</ref> Gerade für die Zeit ab etwa der Mitte des 9. Jahrhunderts erhält die Komposition des Anonymus selbstständigeren Charakter, und er berichtet in eigentümlicher Breite und Anschaulichkeit. Wurde dieser Stil bisweilen in den Bereich der „Volksmärchen“<ref name="ftn2">Manitius, Geschichte, S. 199.</ref> verwiesen, zeigt die genaue Analyse aber eine argumentative Logik der Erzählweise. Die Quelle ist vor allem deswegen wertvoll, weil sie eine lateinische Perspektive auf die Aktivitäten der Muslime in Süditalien und deren kurzzeitige Herrschaftsetablierung in den Emiraten von Bari und Tarent bietet. Weiter gewährt das Chronicon Salernitanum besondere Einblicke in die Beziehungen der konkurrierenden Städte Salerno, Neapel und Amalfi. In diesem Kontext schließlich bricht die Chronik unvermittelt in derjenigen Phase ab, in der die Salernitaner Prinzenbrüder Gisulf I. (r. 978-981) und Pandulf (r. 981) mit den Amalfitanern ringen, die sich schließlich unter Manso (r. 966-1004 als Herzog von Amalfi, r. 966-983 als Prinz von Salerno) für einige Zeit Salernos bemächtigen sollten.   
Das ''Chronicon Salernitanum'' behandelt die Geschichte der Langobarden vom späteren 6.  bis ins spätere 10. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Dukats von Benevent und des Fürstentums von Salerno. Der anonyme Verfasser stellt seinem Werk drei Herrscherlisten voraus, die es politisch und chronologisch einordnen: Erstens werden die langobardischen Könige von Albuin (r. 560/568-72/3) bis Desiderius (r. 757-74) genannt; zweitens die fränkischen Könige beginnend mit entweder Pippin dem Älteren oder Mittleren (r. 615/625-640 / 697-715) über Karl den Großen (r. 768-814) und ihm folgend die fränkisch-sächsischen Herrscher bis zu Otto III. (r. 983-1002) sowie drittens die langobardischen Herrscher Benevents von Zotto (r. 571-591) bis zu Radelchis II. (r. 881-900). Die eigentliche Erzählung setzt mit dem Pontifikat Papst Zaccharias (sed. 741-752) ein. Für die frühe Berichterstattung zur fränkisch-karolingischen Politik stützt sich der Autor stark auf den Liber Pontificalis. Sein vorwiegendes Interesse gilt bald aber den internen Konflikten der Langobarden und der Abspaltung der Fürstentümer, zumal Salernos (851), und deren weitere Entwicklungen im Mächtegeflecht der süditalienischen Halbinsel. Für mehrere Teile verwendet der Verfasser ausgiebig Passagen aus der Origo Gentis Langobardorum, der Historia Langobardorum und der Chronica Sancti Benedicti Casinensis. Der Quellenwert des Chronicon Salernitanum wurde nach seiner Erstedition daher zunächst geringgeschätzt. Mittlerweile herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass die – wenn auch in Teilen kompilative – Chronik von größter Bedeutung für die Geschichtsforschung zu Süditalien ist.<ref name="ftn1">Delogu, Mito, S. 237-277; Pohl, Werkstätte, S. 55-67, weist zurecht darauf hin, dass das Chronicon Salernitanum „mehr Aufmerksamkeit“ verdienen würde.</ref> Gerade für die Zeit ab etwa der Mitte des 9. Jahrhunderts erhält die Komposition des Anonymus selbstständigeren Charakter, und er berichtet in eigentümlicher Breite und Anschaulichkeit. Wurde dieser Stil bisweilen in den Bereich der „Volksmärchen“<ref name="ftn2">Manitius, Geschichte, S. 199.</ref> verwiesen, zeigt die genaue Analyse aber eine argumentative Logik der Erzählweise. Die Quelle ist vor allem deswegen wertvoll, weil sie eine lateinische Perspektive auf die Aktivitäten der Muslime in Süditalien und deren kurzzeitige Herrschaftsetablierung in den Emiraten von Bari und Tarent bietet. Weiter gewährt das Chronicon Salernitanum besondere Einblicke in die Beziehungen der konkurrierenden Städte Salerno, Neapel und Amalfi. In diesem Kontext schließlich bricht die Chronik unvermittelt in derjenigen Phase ab, in der die Salernitaner Prinzenbrüder Gisulf I. (r. 978-981) und Pandulf (r. 981) mit den Amalfitanern ringen, die sich schließlich unter Manso (r. 966-1004 als Herzog von Amalfi, r. 966-983 als Prinz von Salerno) für einige Zeit Salernos bemächtigen sollten.   
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