827: Das Chronicon Salernitanum über die Eroberung Siziliens durch die Muslime: Unterschied zwischen den Versionen

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== Kontextualisierung, Analyse & Interpretation  ==
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Die Darstellung der Eroberung Siziliens durch die Muslime im ''Chronicon Salernitanum'' scheint zunächst unverbunden mit den vorigen und nachfolgenden Schilderungen des Salernitaner Anonymus. Die Erzählung von Sizilien folgt dem Bericht, wie Herzog Sico von Benevent (regn. 817-832) die Stadt Neapel belagert, die Reliquien des Heiligen Janarius nach Benevent überführt und außerdem eine Dynastie von Gastalden in Capua etabliert hat.<ref name="ftn15">''Chronicon Salernitanum'', ed. Westerbergh, cap. 57-58, S. 57-58.</ref> Auch die auf Kapitel 60 folgenden Abschnitte beschäftigen sich wieder ganz mit Entwicklungen innerhalb der langobardischen Eliten. Die Konsequenzen und der weitere Verlauf der islamischen Herrschaftsetablierung in Sizilien werden nicht reflektiert: Erst zwölf Kapitel später wird wieder von den Eroberern Siziliens berichtet, nämlich als sich diese auf das Festland ausbreiteten.<ref name="ftn16">''Chronicon Salernitanum'', ed. Westerbergh, cap. 72, S. 70-71.</ref> Erwähnenswert ist nun, dass die neutral und ohne Wertung beschriebenen Muslime (''gens Agarenorum''), die in Kapitel 60 Sizilien erobern, im Augenblick, da sie zur unmittelbaren Bedrohung auf dem süditalienischen Festland werden, bisweilen als schändlich (''astutissima Agarenorum gens'') bezeichnet werden. Doch ist der Autor auch in dieser Zuschreibung keineswegs festgefahren. Dies zeigt sich wieder, wenn er die Muslime, mit denen Salerno in vielseitigem Austausch stand und Handelsbeziehungen unterhielt, in anderen Zusammenhängen beschreibt.<ref name="ftn17">Kreutz, ''Normans'', S. 18-101; Cicco, Langobardi, S. 78-84. </ref> Wahrnehmungen und Beschreibungen des religiösen Anderen sind im ''Chronicon Salernitanum'' damit prinzipiell kontextabhängig und in ihren Wertungen flexibel.<ref name="ftn18">Kreutz, ''Normans'', S. 49-54.</ref>  
Die Darstellung der Eroberung Siziliens durch die Muslime im ''Chronicon Salernitanum'' scheint zunächst unverbunden mit den vorigen und nachfolgenden Schilderungen des Salernitaner Anonymus. Die Erzählung von Sizilien folgt dem Bericht, wie Herzog Sico von Benevent (regn. 817-832) die Stadt Neapel belagert, die Reliquien des Heiligen Januarius nach Benevent überführt und außerdem eine Dynastie von Gastalden in Capua etabliert hat.<ref name="ftn15">''Chronicon Salernitanum'', ed. Westerbergh, cap. 57-58, S. 57-58.</ref> Auch die auf Kapitel 60 folgenden Abschnitte beschäftigen sich wieder ganz mit Entwicklungen innerhalb der langobardischen Eliten. Die Konsequenzen und der weitere Verlauf der islamischen Herrschaftsetablierung in Sizilien werden nicht reflektiert: Erst zwölf Kapitel später wird wieder von den Eroberern Siziliens berichtet, nämlich als sich diese auf das Festland ausbreiteten.<ref name="ftn16">''Chronicon Salernitanum'', ed. Westerbergh, cap. 72, S. 70-71.</ref> Erwähnenswert ist nun, dass die neutral und ohne Wertung beschriebenen Muslime (''gens Agarenorum''), die in Kapitel 60 Sizilien erobern, im Augenblick, da sie zur unmittelbaren Bedrohung auf dem süditalienischen Festland werden, bisweilen als schändlich (''astutissima Agarenorum gens'') bezeichnet werden. Doch ist der Autor auch in dieser Zuschreibung keineswegs festgefahren. Dies zeigt sich wieder, wenn er die Muslime, mit denen Salerno in vielseitigem Austausch stand und Handelsbeziehungen unterhielt, in anderen Zusammenhängen beschreibt.<ref name="ftn17">Kreutz, ''Normans'', S. 18-101; Cicco, Langobardi, S. 78-84. </ref> Wahrnehmungen und Beschreibungen des religiösen Anderen sind im ''Chronicon Salernitanum'' damit prinzipiell kontextabhängig und in ihren Wertungen flexibel.<ref name="ftn18">Kreutz, ''Normans'', S. 49-54.</ref>  


Dass Euphemios bei dem anonymen Autor zunächst als Beschädigter erscheint, der erst nach erfahrenem Unrecht auf Rache sinnt und daher mit dem König in ''Africa'' paktiert, unterscheidet sich von den byzantinischen und arabisch-islamischen Darstellungen, in denen er als Krimineller und Verräter bzw. als Überläufer charakterisiert wird. Im ''Chronicon Salernitanum'' werden „der andere Mann“ und zumal das „Griechlein“ als Übeltäter bewertet, die mit ihrer Gier – nach einer Frau einerseits und nach Geld andererseits – Krieg ausgelöst und so der Bevölkerung Leid zugefügt haben. Die abfällige Verwendung des Diminutivs ''Graeculus'' für den Repräsentanten der Byzantiner unterstreicht die negative Wahrnehmung, ja Verachtung ihrer politischen Führung seitens des Salernitaner Autors. Der „Barbarenkönig“ erscheint als außenstehende dritte Partei, die von den inner-sizilischen Konflikten profitierte und das Bündnis mit Euphemios als willkommene Möglichkeit ansah, sein Territorium zu vergrößern. Dabei betont der Anonymus, die Bevölkerung Siziliens habe mit Widerstand auf die Eroberer reagiert. Der Hinweis darauf, sie hätten sich überdies neuerdings in Burgen und Festungen zurückgezogen, kann archäologisch nachgewiesen werden und wird in der Sizilienforschung unter dem Begriff des ''incastellamento'' gefasst.<ref name="ftn19">Maurici, ''Castelli''.</ref> Vor allem im Osten der Insel blieb das griechische Christentum in diesen Befestigungen bis über die islamische Herrschaft hinweg bestehen.
Dass Euphemios bei dem anonymen Autor zunächst als Beschädigter erscheint, der erst nach erfahrenem Unrecht auf Rache sinnt und daher mit dem König in ''Africa'' paktiert, unterscheidet sich von den byzantinischen und arabisch-islamischen Darstellungen, in denen er als Krimineller und Verräter bzw. als Überläufer charakterisiert wird. Im ''Chronicon Salernitanum'' werden „der andere Mann“ und zumal das „Griechlein“ als Übeltäter bewertet, die mit ihrer Gier – nach einer Frau einerseits und nach Geld andererseits – Krieg ausgelöst und so der Bevölkerung Leid zugefügt haben. Die abfällige Verwendung des Diminutivs ''Graeculus'' für den Repräsentanten der Byzantiner unterstreicht die negative Wahrnehmung, ja Verachtung ihrer politischen Führung seitens des Salernitaner Autors. Der „Barbarenkönig“ erscheint als außenstehende dritte Partei, die von den inner-sizilischen Konflikten profitierte und das Bündnis mit Euphemios als willkommene Möglichkeit ansah, sein Territorium zu vergrößern. Dabei betont der Anonymus, die Bevölkerung Siziliens habe mit Widerstand auf die Eroberer reagiert. Der Hinweis darauf, sie hätten sich überdies neuerdings in Burgen und Festungen zurückgezogen, kann archäologisch nachgewiesen werden und wird in der Sizilienforschung unter dem Begriff des ''incastellamento'' gefasst.<ref name="ftn19">Maurici, ''Castelli''.</ref> Vor allem im Osten der Insel blieb das griechische Christentum in diesen Befestigungen bis über die islamische Herrschaft hinweg bestehen.
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