827: Das Chronicon Salernitanum über die Eroberung Siziliens durch die Muslime: Unterschied zwischen den Versionen

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== Inhalt & Quellenkontext  ==
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In Kapitel 60 berichtet das ''Chronicon Salernitanum'' von der Eroberung Siziliens durch die Muslime. Der Autor erwähnt hier erstmals die zentrale Mittelmeerinsel ebenso wie die Griechen (d.h. die Byzantiner) und Muslime, die für die späteren Schilderungen der politischen Entwicklungen in Süditalien noch von großer Bedeutung werden. An dieser Stelle aber werden diese Gruppierungen und die politischen Entitäten, denen sie zugehören, nicht näher charakterisiert. Auch ihre bevorstehende Rolle innerhalb des Werkes bzw. der Geschichte wird nicht vorausgedeutet, sodass das Kapitel zunächst etwas isoliert wirken mag. Die gesamte Eroberung Siziliens durch die Muslime (827-902) und deren Herrschaftsetablierung wird innerhalb eines Abschnittes abgehandelt, sodass der Autor in wenigen Zeilen den Zeitraum von mehreren Jahrzehnten abdeckt. Sein Hauptaugenmerk richtet er dabei nicht auf die militärischen Erfolge dieser politischen und religiösen Expansion, sondern auf einen Vorfall, welcher der Eroberung vorausging und das Geschehen somit erklären soll. Als Hauptakteur wird ein gewisser Euphemios genannt, dessen Verlobte Homoniza von einem sogenannten „Griechlein“, das als Vorsteher von Sizilien bezeichnet wird und damit wohl den Strategen (''στρατηγός'') der byzantinischen Verwaltungseinheit Sizilien meint, gegen Geld für einen anderen Mann geraubt wurde. Daraufhin habe Euphemios Rache geschworen, den „Barbarenkönig“ (''rex barbarus'') in Afrika um militärische Unterstützung gebeten und ihm im Gegenzug die Herrschaft über große Ländereien versprochen. Sie gingen folgend ein Bündnis ein, zogen gemeinsam gegen Sizilien und unterwarfen die Insel.
In Kapitel 60 berichtet das ''Chronicon Salernitanum'' von der Eroberung Siziliens durch die Muslime. Der Autor erwähnt hier erstmals die zentrale Mittelmeerinsel ebenso wie die Griechen (d.h. die Byzantiner) und Muslime, die für die späteren Schilderungen der politischen Entwicklungen in Süditalien noch von großer Bedeutung werden. An dieser Stelle aber werden diese Gruppierungen und die politischen Entitäten, denen sie zugehören, nicht näher charakterisiert. Auch ihre bevorstehende Rolle innerhalb des Werkes bzw. der Geschichte wird nicht vorausgedeutet, sodass das Kapitel zunächst etwas isoliert wirken mag. Die gesamte Eroberung Siziliens durch die Muslime (827-902) und deren Herrschaftsetablierung wird innerhalb eines Abschnittes abgehandelt, sodass der Autor in wenigen Zeilen den Zeitraum von mehreren Jahrzehnten abdeckt. Sein Hauptaugenmerk richtet er dabei nicht auf die militärischen Erfolge dieser politischen und religiösen Expansion, sondern auf einen Vorfall, welcher der Eroberung vorausging und das Geschehen somit erklären soll. Die zentrale Rolle bei diesen Ereignissen nimmt ein gewisser Euphemios ein, dessen Verlobte Homoniza von einem sogenannten „Griechlein“ gegen Geld für einen anderen Mann geraubt worden sein soll. Mit dem „Griechlein“, das als Vorsteher von Sizilien bezeichnet wird, scheint der Stratege (στρατηγός) der byzantinischen Verwaltungseinheit Sizilien gemeint zu sein. Euphemios habe folgend Rache geschworen, den „Barbarenkönig“ (''rex barbarus'') in Afrika um militärische Unterstützung gebeten und ihm im Gegenzug die Herrschaft über große Ländereien versprochen. Sie gingen folgend ein Bündnis ein, zogen gemeinsam gegen Sizilien und unterwarfen die Insel.


Über Euphemios berichten neben dem ''Chronicon Salernitanum'' auch die byzantinischen Geschichtswerke. Diesen zufolge fungierte Euphemios als Verwalter (''τουρμάρχος)'' des westlichen Sizilien und als Kommandeur der sizilisch-byzantinischen Flotte. Erstmals fassbar wird er auf einem Feldzug gegen Nordafrika im Jahr 826.<ref name="ftn9">Theophanes Continuatus, ''Chronographia libri I-IV'', ed. Michael Featherstone, Juan Signes Condoñer (Corpus fontium historiae Byzantinae 53), Berlin: De Gruyter, 2015, lib. 2, cap. 27, S. 121-122; Ioannis Scylitzes, ''Synopsis istoriarum'', ed. Johannes Thurn (Corpus Fontium Historiae Byzantinae, ser. Berolinensis 5), Berlin: De Gruyter, 1973, cap. 46, §35-47, S. 68.</ref> Gegen die byzantinische Obrigkeit soll Euphemios aufbegehrt, den Strategen Siziliens namens Konstantinos getötet und sich selbst zum Herrscher in Syrakus ausgerufen haben – ein Siegel, das ihn als „König der Römer“ bezeichnet, liefert dabei eine Bestätigung für das Narrativ der byzantinischen Chroniken.<ref name="ftn10">Prigent, Pour en finir.</ref> Als Grund für die Rebellion des Euphemios führen der so genannte Theophanes Continuatus, Ioannes Skylitzes wie auch das ''Chronicon Salernitanum'' eine Frau an: In den griechischen Texten bleibt sie namenlos und wird als gottergebene Nonne beschrieben, die Euphemios gegen ihren Willen geraubt und geehelicht haben soll. Als Euphemios für dieses Vergehen bestraft werden sollte, habe er den Aufstand begonnen.<ref name="ftn11">Theophanus continuatus, ''Chronographia'', Bd. 2, cap. 27, §16-20, S. 81; Skylitzes, ''Synopsis'', cap. 20, S. 46f.</ref> Da an anderer Stelle bei Theophanes Continuatus die Rede davon ist, dass zusammen mit Euphemios auch andere Männer agierten, lässt sich vermuten, dass es im byzantinischen Sizilien zu einer umfassenderen Sezessionsbewegung gekommen war, als es die Fokussierung auf Euphemios und seine individuellen Handlungen in der hofnahen byzantinischen Geschichtsschreibung zunächst suggerieren mag.<ref name="ftn12">Prigent, Carrière.</ref>
Über Euphemios berichten neben dem ''Chronicon Salernitanum'' auch die byzantinischen Geschichtswerke. Diesen zufolge fungierte Euphemios als Verwalter (''τουρμάρχος)'' des westlichen Sizilien und als Kommandeur der sizilisch-byzantinischen Flotte. Erstmals fassbar wird er auf einem Feldzug gegen Nordafrika im Jahr 826.<ref name="ftn9">Theophanes Continuatus, ''Chronographia libri I-IV'', ed. Michael Featherstone, Juan Signes Condoñer (Corpus fontium historiae Byzantinae 53), Berlin: De Gruyter, 2015, lib. 2, cap. 27, S. 121-122; Ioannis Scylitzes, ''Synopsis istoriarum'', ed. Johannes Thurn (Corpus Fontium Historiae Byzantinae, ser. Berolinensis 5), Berlin: De Gruyter, 1973, cap. 46, §35-47, S. 68.</ref> Gegen die byzantinische Obrigkeit soll Euphemios aufbegehrt, den Strategen Siziliens namens Konstantinos getötet und sich selbst zum Herrscher in Syrakus ausgerufen haben – ein Siegel, das ihn als „König der Römer“ bezeichnet, liefert dabei eine Bestätigung für das Narrativ der byzantinischen Chroniken.<ref name="ftn10">Prigent, Pour en finir.</ref> Als Grund für die Rebellion des Euphemios führen der so genannte Theophanes Continuatus, Ioannes Skylitzes wie auch das ''Chronicon Salernitanum'' eine Frau an: In den griechischen Texten bleibt sie namenlos und wird als gottergebene Nonne beschrieben, die Euphemios gegen ihren Willen geraubt und geehelicht haben soll. Als Euphemios für dieses Vergehen bestraft werden sollte, habe er den Aufstand begonnen.<ref name="ftn11">Theophanus continuatus, ''Chronographia'', Bd. 2, cap. 27, §16-20, S. 81; Skylitzes, ''Synopsis'', cap. 20, S. 46f.</ref> Da an anderer Stelle bei Theophanes Continuatus die Rede davon ist, dass zusammen mit Euphemios auch andere Männer agierten, lässt sich vermuten, dass es im byzantinischen Sizilien zu einer umfassenderen Sezessionsbewegung gekommen war, als es die Fokussierung auf Euphemios und seine individuellen Handlungen in der hofnahen byzantinischen Geschichtsschreibung zunächst suggerieren mag.<ref name="ftn12">Prigent, Carrière.</ref>
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