973: Ibn Ḥawqal über christlich-muslimische Ehen auf Sizilien: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
K
keine Bearbeitungszusammenfassung
(Anpassung an editorische Richtlinien)
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
{{Kapitel AR-DE|Theresa Jäckh|Ibn Ḥawqal, ''Kitāb ṣūrat al-arḍ'' [Buch vom Bild der Erde], ed. von Michael J. De Goeje, bearb. von Johannes H. Kramers (Bibliotheca geographorum Arabicorum&nbsp;2a), Leipzig: Harrasowitz, 1938, S. 129, übers. Theresa Jäckh.</div>|المشعمذون اكثر اهل حصونهم وباديتهم وضياعهم، رأيتهم التزويج الى النصارى على ان ما كان بينهم من ولدٍ ذكر لحق بأبيه من المشعمذون وما كانت من انثى فنصرانية مع امها، لايصلّون ولا يتطهرون ولا يزكون ولا يحجّون. وفيهم من يصوم شهر الرمضان ويغتسلون اذا صاموا من الجنابة. وهذه منقبةٌ لا يشَركهم أحد وفضيلة دون جميع الخلق، احرزوا بها في الجهل قصب السبق|Die meisten Bewohner der Festungen, der ländlichen Gegenden und Dörfern sind ''al- mušaʿmiḏūn''. Ich habe gesehen, dass sie die Ehe mit Christinnen eingehen, was dazu führt, dass die Jungen ihren Vätern als ''al-mušʿamiḏūn'' zugeordnet sind und dass die Mädchen Christinnen werden mit ihren Müttern. Sie beten nicht, sie vollziehen keine rituellen Reinigungsakte, sie zahlen keine Almosensteuer und gehen auch nicht auf Pilgerfahrt. Einige von ihnen fasten im Monat Ramaḍān und erreichen so eine Reinigung nach großer ritueller Unreinheit (''al-ğanāba''). Dies[e Praxis] ist eine Merkwürdigkeit, die sie mit niemandem sonst auf der Welt teilen und mit dieser Eigenschaft haben sie den Pokal im Wettrennen der Dummheit gewonnen.|5=== Autor/in & Werk: ==
{{Kapitel AR-DE|Theresa Jäckh|Ibn Ḥawqal, ''Kitāb ṣūrat al-arḍ'' [Buch vom Bild der Erde], ed. von Michael J. De Goeje, bearb. von Johannes H. Kramers (Bibliotheca geographorum Arabicorum&nbsp;2a), Leipzig: Harrasowitz, 1938, S. 129, übers. Theresa Jäckh.</div>|المشعمذون اكثر اهل حصونهم وباديتهم وضياعهم، رأيتهم التزويج الى النصارى على ان ما كان بينهم من ولدٍ ذكر لحق بأبيه من المشعمذون وما كانت من انثى فنصرانية مع امها، لايصلّون ولا يتطهرون ولا يزكون ولا يحجّون. وفيهم من يصوم شهر الرمضان ويغتسلون اذا صاموا من الجنابة. وهذه منقبةٌ لا يشَركهم أحد وفضيلة دون جميع الخلق، احرزوا بها في الجهل قصب السبق|Die meisten Bewohner der Festungen, der ländlichen Gegenden und Dörfern sind ''al- mušaʿmiḏūn''. Ich habe gesehen, dass sie die Ehe mit Christinnen eingehen, was dazu führt, dass die Jungen ihren Vätern als ''al-mušʿamiḏūn'' zugeordnet sind und dass die Mädchen Christinnen werden mit ihren Müttern. Sie beten nicht, sie vollziehen keine rituellen Reinigungsakte, sie zahlen keine Almosensteuer und gehen auch nicht auf Pilgerfahrt. Einige von ihnen fasten im Monat Ramaḍān und erreichen so eine Reinigung nach großer ritueller Unreinheit (''al-ğanāba''). Dies[e Praxis] ist eine Merkwürdigkeit, die sie mit niemandem sonst auf der Welt teilen und mit dieser Eigenschaft haben sie den Pokal im Wettrennen der Dummheit gewonnen.|5=== Autor/in & Werk  ==


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Ibn Ḥawqal stammte aus Nisibis im nördlichen Mesopotamien (heutiges Nuṣaybin in der südl. Türkei). Im Mai 943 (7. Ramaḍān 331) begab er sich von Baġdād aus nach al-Mahdiyya, der Hauptstadt der Fatimiden, an deren Hof Ibn Ḥawqal weilte, bevor er auf langjährige Reisen aufbrach, die ihn zunächst nach al-Andalus, Nordafrika und in die südliche Sahara führten (336-40/947-51). Danach gelangte er im Osten bis nach Armenien und Azerbaijan (ca. 344/955) und weiter nach Persien und Transoxanien (350-8/961-9 bzw. 358/969). Als letzte Station besuchte Ibn Ḥawqal im Jahr 973/363 die sich zu dieser Zeit unter fatimidischer Vorherrschaft befindliche Insel Sizilien. Spekuliert wurde, ob Ibn Ḥawqal im Auftrag der fatimidischen Kalifen reiste und in wie weit eine Nähe zu der schiitisch-ismailitischen Dynastie seiner Berichterstattung eine entsprechende ideologische Färbung verliehen habe.<ref name="ftn1">Wiet, L’importance; Miquel, Art. Ibn Ḥawqal<nowiki>; kritisch zuletzt: Benchejroun, Requiem.</nowiki></ref> Über die bereisten Gebiete verfasste Ibn Ḥawqal ein umfangreiches geographisches Werk, das in der Tradition der Balḫī-Schule steht und darauf zielte, die Regionen (''iqlīm'','' ''Pl.'' aqālīm'') der Welt und ihre Grenzen zu erfassen und außerdem ihre Bewohner und Gebräuche auf Grundlage eigener Beobachtung (''ʿiyān'') zu beschreiben. Ibn Ḥawqal’s Werk liegt in drei Versionen vor, die in unterschiedliche Dekaden datieren. Die Standardedition von Kramer bietet eine Kombination der drei Texttraditionen. Eine davon ist bekannt unter dem Namen ''Kitāb al-masālik wa-l-mamālik'' und orientiert sich – allein dem Titel nach – noch stark an dem Geographen al-Iṣtaḫrī (gest. mittleres 4./10. Jh.), von dem er während seiner Lehrjahre wichtige Anregungen erhalten hatte. Eine spätere Version trägt den Titel ''Ṣūrat al-arḍ'', wurde zwischen 367/978 und 378/988 verfasst und einem nicht näher bekannten Abū l-Sarī al-Ḥasan b. al-Faḍl al-Iṣfahānī gewidmet. Eine weitere Redaktion des Werkes ist dem ḥamdānidischen Herrscher von Aleppo, Sayf al-Dawla (gest. 356/967), zugedacht, der allerdings schon verstorben gewesen sein muss, denn Ibn Ḥawqal erwähnt darin Entwicklungen, die sich lange nach dessen Tod ereignet hatten. Hervorzuheben sind die zwanzig bzw. einundzwanzig kartographischen Darstellungen, die Teil der späteren Redaktionen sind.</div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Ibn Ḥawqal stammte aus Nisibis im nördlichen Mesopotamien (heutiges Nuṣaybin in der südl. Türkei). Im Mai 943 (7. Ramaḍān 331) begab er sich von Baġdād aus nach al-Mahdiyya, der Hauptstadt der Fatimiden, an deren Hof Ibn Ḥawqal weilte, bevor er auf langjährige Reisen aufbrach, die ihn zunächst nach al-Andalus, Nordafrika und in die südliche Sahara führten (336-40/947-51). Danach gelangte er im Osten bis nach Armenien und Azerbaijan (ca. 344/955) und weiter nach Persien und Transoxanien (350-8/961-9 bzw. 358/969). Als letzte Station besuchte Ibn Ḥawqal im Jahr 973/363 die sich zu dieser Zeit unter fatimidischer Vorherrschaft befindliche Insel Sizilien. Spekuliert wurde, ob Ibn Ḥawqal im Auftrag der fatimidischen Kalifen reiste und in wie weit eine Nähe zu der schiitisch-ismailitischen Dynastie seiner Berichterstattung eine entsprechende ideologische Färbung verliehen habe.<ref name="ftn1">Wiet, L’importance; Miquel, Art. Ibn Ḥawqal<nowiki>; kritisch zuletzt: Benchejroun, Requiem.</nowiki></ref> Über die bereisten Gebiete verfasste Ibn Ḥawqal ein umfangreiches geographisches Werk, das in der Tradition der Balḫī-Schule steht und darauf zielte, die Regionen (''iqlīm'','' ''Pl.'' aqālīm'') der Welt und ihre Grenzen zu erfassen und außerdem ihre Bewohner und Gebräuche auf Grundlage eigener Beobachtung (''ʿiyān'') zu beschreiben. Ibn Ḥawqal’s Werk liegt in drei Versionen vor, die in unterschiedliche Dekaden datieren. Die Standardedition von Kramer bietet eine Kombination der drei Texttraditionen. Eine davon ist bekannt unter dem Namen ''Kitāb al-masālik wa-l-mamālik'' und orientiert sich – allein dem Titel nach – noch stark an dem Geographen al-Iṣtaḫrī (gest. mittleres 4./10. Jh.), von dem er während seiner Lehrjahre wichtige Anregungen erhalten hatte. Eine spätere Version trägt den Titel ''Ṣūrat al-arḍ'', wurde zwischen 367/978 und 378/988 verfasst und einem nicht näher bekannten Abū l-Sarī al-Ḥasan b. al-Faḍl al-Iṣfahānī gewidmet. Eine weitere Redaktion des Werkes ist dem ḥamdānidischen Herrscher von Aleppo, Sayf al-Dawla (gest. 356/967), zugedacht, der allerdings schon verstorben gewesen sein muss, denn Ibn Ḥawqal erwähnt darin Entwicklungen, die sich lange nach dessen Tod ereignet hatten. Hervorzuheben sind die zwanzig bzw. einundzwanzig kartographischen Darstellungen, die Teil der späteren Redaktionen sind.</div>
== Inhalt & Quellenkontext: ==
== Inhalt & Quellenkontext  ==


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Ibn Ḥawqals ''Ṣūrat al-arḍ'' folgt im Aufbau nicht seinem Reiseitinerar, sondern ist nach geographischen Regionen und Provinzen angeordnet.<ref name="ftn2">Zur Italien- bzw. Sizilienberichterstattung Ibn Ḥawqal’s siehe König, ''Views'', S.&nbsp;207 und Ducène, ''L’''Europe, S.&nbsp;290 sowie S. 61-64, S. 79, S: 95f., S. 150f., S. 160f.</ref> So findet sich der Abschnitt zu Sizilien nach der Beschreibung von al-Andalus (der ersten ausführlichen geographischen Darstellung der Iberischen Halbinsel unter islamischer Herrschaft) und geht dem Bericht über Ägypten voraus. Der eigentlichen geographischen Analyse der zentralen Mittelmeerinsel widmet der Autor nur einen kurzen Paragraphen, beschreibt dann aber relativ ausführlich die topographischen Begebenheiten der Hauptstadt Palermo, deren Mauern und Tore, Viertel und Märkte er benennt und verortet, wobei er besonderes detailliert über die Wasserversorgung der Stadt durch Flüsse, Quellen und Brunnen spricht. Der umfangreichere Teil seines Berichtes speist sich ganz aus den persönlichen Beobachtungen Ibn Ḥawqals hinsichtlich der Sizilianer und ihren spezifischen Charakteristika. Diese scheinen ihn so fasziniert zu haben, dass er nach eigener Aussage ein ganzes Buch über sie verfasst habe,<ref name="ftn3">Ibn Ḥawqal, ''Ṣūrat al-arḍ'', S. 129.</ref> das allerdings nicht erhalten ist. Immer wieder bemüht sich Ibn Ḥawqal, durch Anekdoten herauszustellen, wie dumm und unrein die Sizilianer seien, wie verdorben ihre Sitten, wie pervertiert ihre religiösen Praktiken. In diesen Zusammenhang ist auch die Darstellung und Verurteilung interreligiöser Eheschließungen der sizilischen Landbevölkerung einzuordnen. Muslime würden dort Christinnen heiraten, und aus der Verbindung gingen Christinnen einerseits und sogenannte ''al-mušaʿmiḏūn'' andererseits hervor. Der Begriff ''al-mušaʿmiḏ'' ist auf keine arabische Wurzel zurückzuführen und wurde standardmäßig bisher als „Bastard“ übersetzt.<ref name="ftn4">Erstmals als „bastardi“ übersetzt von Gabrieli, Ibn Ḥawqal, S. 249; ähnlich die französische Übersetzung: Kramers / Wiet, ''Configuration'', S. 128 „bâtards“; Metcalfe, ''Arabic Speakers'', S.&nbsp;16 übersetzt „bastardised Muslim“ und fügt in der dazugehörigen Fußnote 51 aber hinzu, [t]he translation in English seems to lie somewhere between mongrels, half-castes, buffoons and imposters“; die Auffassung der Vortäuschung findet sich als „trickster“ auch bei Lewis, Ibn Hauqal, S. 99.</ref> Die ''mušaʿmiḏūn'' scheinen Ibn Ḥawqal nicht als Muslime zu gelten, weil sie den religiösen Pflichten des Islam – genannt werden ''ṣalāt'' (Pflichtgebet), ''zakāt'' (Almosengabe), ''ḥağğ'' (Pilgerfahrt) – nicht zu Genüge nachkämen. So lebten sie in ritueller Unreinheit (''ğanāba''), von der sich nur einige durch Fasten im Ramaḍān reinigen würden (''ġusl al-ğanāba'').<ref name="ftn5">Juynboll, Art. Djanāba, S. 44f.; Bousquet, Art. Ghusl, S.&nbsp;1104.</ref></div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Ibn Ḥawqals ''Ṣūrat al-arḍ'' folgt im Aufbau nicht seinem Reiseitinerar, sondern ist nach geographischen Regionen und Provinzen angeordnet.<ref name="ftn2">Zur Italien- bzw. Sizilienberichterstattung Ibn Ḥawqal’s siehe König, ''Views'', S.&nbsp;207 und Ducène, ''L’''Europe, S.&nbsp;290 sowie S. 61-64, S. 79, S: 95f., S. 150f., S. 160f.</ref> So findet sich der Abschnitt zu Sizilien nach der Beschreibung von al-Andalus (der ersten ausführlichen geographischen Darstellung der Iberischen Halbinsel unter islamischer Herrschaft) und geht dem Bericht über Ägypten voraus. Der eigentlichen geographischen Analyse der zentralen Mittelmeerinsel widmet der Autor nur einen kurzen Paragraphen, beschreibt dann aber relativ ausführlich die topographischen Begebenheiten der Hauptstadt Palermo, deren Mauern und Tore, Viertel und Märkte er benennt und verortet, wobei er besonderes detailliert über die Wasserversorgung der Stadt durch Flüsse, Quellen und Brunnen spricht. Der umfangreichere Teil seines Berichtes speist sich ganz aus den persönlichen Beobachtungen Ibn Ḥawqals hinsichtlich der Sizilianer und ihren spezifischen Charakteristika. Diese scheinen ihn so fasziniert zu haben, dass er nach eigener Aussage ein ganzes Buch über sie verfasst habe,<ref name="ftn3">Ibn Ḥawqal, ''Ṣūrat al-arḍ'', S. 129.</ref> das allerdings nicht erhalten ist. Immer wieder bemüht sich Ibn Ḥawqal, durch Anekdoten herauszustellen, wie dumm und unrein die Sizilianer seien, wie verdorben ihre Sitten, wie pervertiert ihre religiösen Praktiken. In diesen Zusammenhang ist auch die Darstellung und Verurteilung interreligiöser Eheschließungen der sizilischen Landbevölkerung einzuordnen. Muslime würden dort Christinnen heiraten, und aus der Verbindung gingen Christinnen einerseits und sogenannte ''al-mušaʿmiḏūn'' andererseits hervor. Der Begriff ''al-mušaʿmiḏ'' ist auf keine arabische Wurzel zurückzuführen und wurde standardmäßig bisher als „Bastard“ übersetzt.<ref name="ftn4">Erstmals als „bastardi“ übersetzt von Gabrieli, Ibn Ḥawqal, S. 249; ähnlich die französische Übersetzung: Kramers / Wiet, ''Configuration'', S. 128 „bâtards“; Metcalfe, ''Arabic Speakers'', S.&nbsp;16 übersetzt „bastardised Muslim“ und fügt in der dazugehörigen Fußnote 51 aber hinzu, [t]he translation in English seems to lie somewhere between mongrels, half-castes, buffoons and imposters“; die Auffassung der Vortäuschung findet sich als „trickster“ auch bei Lewis, Ibn Hauqal, S. 99.</ref> Die ''mušaʿmiḏūn'' scheinen Ibn Ḥawqal nicht als Muslime zu gelten, weil sie den religiösen Pflichten des Islam – genannt werden ''ṣalāt'' (Pflichtgebet), ''zakāt'' (Almosengabe), ''ḥağğ'' (Pilgerfahrt) – nicht zu Genüge nachkämen. So lebten sie in ritueller Unreinheit (''ğanāba''), von der sich nur einige durch Fasten im Ramaḍān reinigen würden (''ġusl al-ğanāba'').<ref name="ftn5">Juynboll, Art. Djanāba, S. 44f.; Bousquet, Art. Ghusl, S.&nbsp;1104.</ref></div>
== Kontextualisierung, Analyse & Interpretation: ==
== Kontextualisierung, Analyse & Interpretation  ==


<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Aus Ibn Ḥawqals Beschreibung der Sizilianer lässt sich herauslesen, dass er die Bevölkerung in Palermitaner und Nicht-Palermitaner unterteilt und damit zwischen Stadt- und Landbewohnern unterscheidet. So handele es sich bei den ''mušaʿmiḏūn ''um die Bevölkerung in den abgelegenen Gebieten Siziliens, den Festungen und Dörfern. Palermo stellte Ibn Ḥawqal zufolge die einzige richtige Stadt Siziliens dar, deren städtisches Leben gewissermaßen eine kulturelle Leitfunktion übernahm. Zu erinnern ist in diesem Kontext, dass Palermo seit der Eroberung durch die Aġlabiden (215-6/831) innerhalb Siziliens den höchsten Grad an Islamisierung und auch an Arabisierung erfahren hatte. Das unwegsame sizilische Hinterland wurde hingegen nur langsam und mühsam unterworfen und blieb in weiten Teilen – zumal im Osten – tiefgreifend christlich bzw. griechisch-byzantinisch geprägt. Über die Palermitaner sagt Ibn Ḥawqal im Kontext seiner topographischen Beschreibung, dass viele von ihnen Händler seien, führt später aber aus, dass Palermo mit Moscheen und Schulen überfüllt gewesen sei, was er nicht etwa auf eine hohe Religiosität zurückführt, sondern darauf, dass die Palermitaner Muslime nicht einmal das Gebet gemeinsam mit ihren Brüdern verrichten und außerdem durch die Lehrtätigkeit an Schulen ihre Pflichten des ''ğihād'' sowie gewisse Steuerabgaben umgehen wollten.<ref name="ftn6">Ibn Ḥawqal, ''Ṣūrat al-arḍ'', S. 126f.</ref> Zu kontextualisieren sind diese Aussagen vor dem Hintergrund der Konflikte zwischen der Provinz Ṣiqilliya und dem fatimidischen Kernland von Ifrīqiya: Immer wieder kam es auf Sizilien zu blutigen Auflehnungen gegen die Statthalter der Fatimiden, sodass die Kalifen dauerhaft ein Kontingent von Kutāma-Garden – einer berberischen Militäreinheit, die sich durch besondere Treue ausgezeichnet hatte – in Palermo stationieren mussten. Die fatimidische Verwaltung zog sich dabei in die eigens gegründete Zwingburg von al-Ḫāliṣa am Stadtrand Palermos zurück. </div>
<div style="margin-left:0cm;margin-right:0cm;">Aus Ibn Ḥawqals Beschreibung der Sizilianer lässt sich herauslesen, dass er die Bevölkerung in Palermitaner und Nicht-Palermitaner unterteilt und damit zwischen Stadt- und Landbewohnern unterscheidet. So handele es sich bei den ''mušaʿmiḏūn ''um die Bevölkerung in den abgelegenen Gebieten Siziliens, den Festungen und Dörfern. Palermo stellte Ibn Ḥawqal zufolge die einzige richtige Stadt Siziliens dar, deren städtisches Leben gewissermaßen eine kulturelle Leitfunktion übernahm. Zu erinnern ist in diesem Kontext, dass Palermo seit der Eroberung durch die Aġlabiden (215-6/831) innerhalb Siziliens den höchsten Grad an Islamisierung und auch an Arabisierung erfahren hatte. Das unwegsame sizilische Hinterland wurde hingegen nur langsam und mühsam unterworfen und blieb in weiten Teilen – zumal im Osten – tiefgreifend christlich bzw. griechisch-byzantinisch geprägt. Über die Palermitaner sagt Ibn Ḥawqal im Kontext seiner topographischen Beschreibung, dass viele von ihnen Händler seien, führt später aber aus, dass Palermo mit Moscheen und Schulen überfüllt gewesen sei, was er nicht etwa auf eine hohe Religiosität zurückführt, sondern darauf, dass die Palermitaner Muslime nicht einmal das Gebet gemeinsam mit ihren Brüdern verrichten und außerdem durch die Lehrtätigkeit an Schulen ihre Pflichten des ''ğihād'' sowie gewisse Steuerabgaben umgehen wollten.<ref name="ftn6">Ibn Ḥawqal, ''Ṣūrat al-arḍ'', S. 126f.</ref> Zu kontextualisieren sind diese Aussagen vor dem Hintergrund der Konflikte zwischen der Provinz Ṣiqilliya und dem fatimidischen Kernland von Ifrīqiya: Immer wieder kam es auf Sizilien zu blutigen Auflehnungen gegen die Statthalter der Fatimiden, sodass die Kalifen dauerhaft ein Kontingent von Kutāma-Garden – einer berberischen Militäreinheit, die sich durch besondere Treue ausgezeichnet hatte – in Palermo stationieren mussten. Die fatimidische Verwaltung zog sich dabei in die eigens gegründete Zwingburg von al-Ḫāliṣa am Stadtrand Palermos zurück. </div>
106

Bearbeitungen

Cookies helfen uns bei der Bereitstellung von Transmed Wiki. Durch die Nutzung von Transmed Wiki erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies speichern.

Navigationsmenü