Anonymität

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Die Anonymität des Autors ist eine Regel der Heldendichtung und somit eines der Gattungsmerkmale der Heldenepik, welche das Rezeptionskollektiv repräsentiert.

Herkunft

Anonymität geht wahrscheinlich auf eine Epoche zurück, in der sich die einzelne Person primär als Teil einer großen Gemeinschaft verstand. Der einzelne Heldendichter sah sich selbst nicht in der Rolle, mit seinem Schaffen künstlerisch hervorzutreten, sondern ausschließlich in der Verantwortung, das Geschichtsbewusstsein seiner Gemeinschaft für diese zu wahren.

Entwicklung

Seit der hochmittelalterlich-höfischen Zeit kam es zu einem stärkeren Geltungsbedürfnis des Einzelnen; dieses hatte jedoch kaum Einfluss im Bereich der Heldendichtung und auf Erzählstoffe, welche maßgeblich auf mündlichen Quellen beruhten und somit der Tradition des Weitererzählens unterlagen. Diese wurden als Allgemeingut verstanden, so dass der Autor auch hier weiterhin ausschließlich als Vermittler hinter dem Stoff zurücktritt.

Wirkung

Mit der Anonymität des Autors existiert niemand, der als Einzelner fassbar wird. Diese Namenlosigkeit bewirkt ein überindividuelles Bewusstsein der Rezipienten (Rezipientenkollektiv). Man vergleiche hierzu das Nibelungenlied, dessen Geschichten schon seit Jahrhunderten (mündlich) im Umlauf waren. Der Dichter des Nibelungenliedes wollte nicht mit einem individuellen Kunstbewusstsein herausstechen, sondern sieht sich selbst auch weiterhin in dem kollektiven Traditionsbewusstsein.

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit

(Strophe 1, Vers 1 des Nibelungenliedes)

Die erste Strophe des Nibelungenliedes zeigt, dass der Autor sich nicht selbst nennt, sondern mit dem Pronomen "Uns" anzeigt, dass auch er selbst zur Rezipientengruppe gehört. Ebenfalls wird das Nibelungenlied mit "alten maeren" umschrieben, was darauf hinweist, dass die Geschichten auf einem dem Publikum bekannten Stoff aufbauen und nur eine neue Wiedergabe des Erzählers sind.

Unterschied zur Autornennung

Im Unterschied zur Heldenepik nennen sich die Verfasser von Artusromanen häufig mit Namen (vgl. Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach). Die Namensnennung des Autors bedeutet die Anerkennung dichterischer Leistung und weiterhin das bewusste Hervortreten eines Einzelnen.