Der Rote Ritter

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Dieser Artikel befasst sich mit der Rolle und Konzeption des Roten Ritters in Wolfram von Eschenbachs Parzival. Der Rote Ritter ist eine wiederkehrende Figur, vielmehr eine Sagengestalt in der mittelalterlichen Literatur. Im Parzival lernt der Rezipient den Roten Ritter als Ithêr von Gaheviez oder Kukûmerlant kennen. Im Laufe der Geschichte wird die Rolle des Roten Ritters jedoch von Parzival selbst übernommen, nachdem Ithêr zu Tode gekommen ist.

Der Rote Ritter Ithêr von Gaheviez

Ithêr ist der erste Rote Ritter den der Leser im Verlauf der Parzival[1] Erzählung von Wolfram von Eschenbach kennenlernt. Auch in Chrétien de Troyes Werk perceval gibt es einen vergleichbaren Roten Ritter. [Rosskopf 1972: vgl.156] Ithêr war Mitglied der Tafelrunde (203, 28-204, 4) und ist ein Verwandter Parzivals. Parzival und Ithêr treffen zweimal aufeinander. Beim zweiten Aufeinandertreffen wird Ithêr tödlich von Parzival verwundet (156, 10). Zu diesem Zeitpunkt weiß Parzival jedoch nichts von dem bestehenden Verwandtschaftsgrad zwischen Ithêr und ihm. Darüber aufgeklärt wird er erst von Trevrizent, der ihm seine Sünden erklärt.[2] Ithêr wird aufgrund der Farbe seiner Rüstung Roter Ritter genannt. Wolfram beschreibt das Aussehen des Roten Ritters und seines Pferdes sehr genau:

Original 145, 15-28 Übersetzung
ez was Ithêr von Gaheviez:

den rôten rîter man in hiez.

Sîn harnasch was gar sô rôt

daz ez den ougen rœte bôt:

sîn ors was rôt unde snel,

al rôt was sîn gügerel,

rôt samît was sîn covertiur,

sîn schilt noch rœter danne ein fiur,

al rôt was sîn kursît

und wol an in gesniten wît,

rôt was sîn schaft, rôt was sîn sper,

al rôt nâch des heldes ger,

was im sîn swert gerœtet,

nâch der scherpfe iedoch gelœtet.


Es war Ithêr von Gaheviez,

den nannte man den Roten Ritter.

Seine Rüstung war so ganz und gar rot,

dass einem rot vor Augen wurde.

Sein Roß war rot und kühn,

und lauter rot war dessen

Kopfputz. Die Couvertüre war ein roter

Samt, sein Schild noch röter als Feuer.

Ganz rot war der Streitrock, den er trug,

schön weit geschnitten, rot war sein

Speerschaft, rot das Eisen daran, ganz rot

hatte sich der Held sein Schwert ge-

wünscht, und also hatte man es ihm in Gold

gerötet und seine Schärfe hart gemacht.


Der Rote Ritter Parzival

Parzival tötet Ithêr durch einen gezielten Speerwurf. Trevrizent bezeichnet diesen Mord später als unbeabsichtigt. Auch der Erzähler sieht keine Schuld bei Parzival, er schiebt die Tat auf Parzivals Jugend und seine groziu tumpheit (156,24). In oder wegen Parzivals Anwesenheit kommen im Laufe der Erzählung zahlreiche Personen zu Tode. Davon bekommt Parzival aber so gut wie nichts mit. Er bleibt von den Konsequenzen seiner Taten verschont. Im Fall Ithêr von Gaheviez verhält es sich erstmalig anders. Er tötet Ithêr bewusst, weil er dessen Rüstung besitzen möchte und weil er weiß, dass er so seinem Traum des Ritter-Seins einen großen Schritt näher kommt. Deshalb empfindet Parzival in dieser Episode auch keinerlei Unrechtsbewusstsein, obwohl er eine schwere Sünde begeht die seinem Glauben an Gott eigentlich widerspricht. [Bumke 2004:59-60] Zuvor fordert er von Artus, ihm die Rüstung Ithêrs zu überlassen was dieser zu tun bereit ist denn "[...] es geht also [...] nur um den Kopf des Ithers. Daß dies das eigentliche Motiv des Königs und seiner Ritter ist, zeigt auch die Reaktion Ithers auf Artus‘ Entscheidung [...]". [Rosskopf 1972: 162]

Original 154, 11-16 Übersetzung
der künec von Kukûmerlant

sprach ‘hât Artûses hant

dir mîn harnasch gegebn,

dêswâr daz tæter ouch mîn lebn,

möhtestu mirz an gewinnen.

Sus kan er friwende minnen.’

Der König von Kukûmerlant sprach:

»Wenn die Hand des Artûs dir meine Rü-

stung gegeben hat, so würde er dir gewiß

auch gern mein Leben schenken. Sie zu,

ob du es von mir kriegen kannst.«


Er ist bereit zu kämpfen und "eine Mißbilligung durch Artus hätte ihn davon ebensowenig abhalten können, wie die Bitten der Mutter seinen Auszug aus Soltane verhindern konnten." [Rosskopf 1972: 161] Parzival ist wie berauscht von der Rüstung Ithêrs. Er will sie in seinen Besitz bringen weil ihr Besitz ihn in seinen Augen zu einem vollwertigen Ritter machen würde. Nachdem er Ithêr getötet hat versucht er sofort sich die Rüstung anzuziehen, ist jedoch zu unerfahren und scheitert daran. Erst durch die Hilfe eines Knappen, der ihn noch in die wichtigsten Grundlagen des Rittertums einweist, schafft er es schließlich, die langersehnte rote Rüstung zu tragen. Er versucht sich dadurch eine neue, ritterlîche Identität anzueignen. Dieser Versuch kann als misslungen interpretiert werden, weil das reine Überziehen einer neuen Identität in Form einer Rüstung noch keine neue Identität schafft. Sie ist lediglich geliehen. Dies ist zumindest eine Interpretation der Identitätsübernahme Parzivals. Bleibt man nah am Primärtext, so wird Parzival von Gurnemanz eine neue Identität zugesprochen.

Original 170, 3-6 Übersetzung
der wirt erkante den ritter rôt:

er dersiufte, in derbarmt sîn nôt.

sînen gast des namn er niht erliez,

den rôten ritter er in hiez.


Der Wirt erkannte den Roten Ritter, und

er mußte seufzen: Ihn erbarmte sein trau-

riges Geschick. Seinen Gast aber ließ er

diesen Namen nicht einfach abtun: Er

nannte in selber den Roten Ritter.

Parzival ist nun der neue Rote Ritter und wird als solcher offiziell wahrgenommen. Doch es bleibt nicht nur bei der Identitätsübergabe und dem Besitz der roten Rüstung. Parzivals prophezeites Schicksal bewahrheitet sich und er wird in die Tafelrunde aufgenommen.

Original 280, 12-18 Übersetzung
do er den künec Ithêren schôz

und Clâmidên und Kingrûn

ouch sande gein den Bertûn

in sînen hof besunder.

über die tafelrunder

wolt er in durch gesellekeit

laden. durch daz er nâch im reit,

als er den König Ithêr

erschoss und als er Clâmidê und vorher

noch Kingrûn gefangen an seinen Hof zu

den Bertûnen sandte. Diesen Ritter wollte

Artûs zur Tafelrunde laden, dort sollte er

Mitglied werden. Deshalb war er aufge-

brochen, ihn zu suchen.

Fazit

Parzival hat die Rolle des ungeliebten und in Ungnade gefallenen Ithêr von Gaheviez übernommen und versucht, nicht nur die Rüstung und die damit verbundene Identität des Roten Ritters zu übernehmen, sondern sich gleichzeitig als anerkannter Ritter zu etablieren. Für Parzivals Entwicklung ist die Tötung Ithêrs ein Knackpunkt, so ist sein Tod der erste Fall in dem Parzival, wenn auch nachträglich, seine Schuld vorgehalten bekommt. Ob das Wissen um die verwandtschaftliche Beziehung zu Ithêr etwas an Parzivals Entscheidung zu kämpfen geändert hätte lässt sich nur spekulieren und ist in der Forschung nicht abschließend geklärt. Ritter zu werde glückt ihm, denn er wird in die Tafelrunde aufgenommen und schafft es schließlich sogar, König der Gralsburg zu werden. Ithêr in seiner Rolle als Roter Ritter fungiert als Puzzleteil in Parzivals Entwicklung und Erziehung. Er stimmt dem Kampf zu obwohl er sieht wie motiviert Parzival ist seine Rüstung, und somit sein Leben zu gewinnen.

Anmerkungen

  1. Dieser Artikel verwendet die neuhochdeutsche Schreibweise für Eigennamen aus dem Parzival. Dies dient der Leserlichkeit. In mittelhochdeutschen Zitaten wird die originale, mittelhochdeutsche Schreibweise angegeben.
  2. Zu diesem Thema existiert ein weiterer Artikel: Parzivals Schuld (Wolfram von Eschenbach, Parzival)


Literaturnachweise

Textausgabe

<HarvardReferences/> Alle Angaben beziehen sich auf diese Ausgabe des Primärtextes: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.

Sekundärliteratur

[*Rosskopf 1972] Rosskopf, Rudolf. Der Traum Herzeloydes Und Der Rote Ritter; Erwägungen Über Die Bedeutung Des Staufisch-welfischen Thronstreites Für Wolframs Parzival. Göppingen: Kümmerle, 1972. S. 156-217.
[*Carnevale 2005] Carnevale, Carla. Gesellenstück Und Meisterwerk: Adolf Muschgs Roman Der Rote Ritter Zwischen Auserzählung Und Neuschöpfung Des Parzival. Frankfurt Am Main: P. Lang, 2005. Print.
[*Bumke 2004] Bumke, Joachim. Wolfram Von Eschenbach. 8., Völlig Neu Bearb. Aufl. ed. Stuttgart: Metzler, 2004.