Gawans Abenteuer auf dem Weg zum Gerichtskampf gegen Kingrimursel (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Der folgende Artikel beschäftigt sich mit Gawan und seinen Abenteuern auf dem Weg zum Gerichtskampf gegen Kingrimursel. Diese Handlung erstreckt sich über die Bücher VII und VIII des Parzival. Im Folgenden wird das Geschehen in den Handlungszusammenhang gebracht und darüber hinaus beleuchtet, welchen Widrigkeiten sich Gawan auf seiner Reise dorthin stellen muss und inwiefern diese Textstelle für den weiteren Handlungsverlauf wichtig ist.

Einordnung in den Textzusammenhang

Bevor näher geschildert wird, welchen Kämpfen und Abenteuern Gawan gegenübertritt, ist noch zu klären, wie es dazu kommt, dass er sich zu dem Gerichtskampf gegen Kingrimursel aufmacht. König Artus will den Roten Ritter, der durch seine Taten auf sich aufmerksam gemacht hat, in den Kreis der Tafelrunde aufnehmen. Zu diesem Zeitpunkt ist Parzival noch unerkannt und seine Identität wird erst durch Gawan aufgedeckt. Mit großer Besonnenheit löst dieser einen Konflikt, der durch ein Missverständnis zwischen Parzival und den Artus-Rittern entsteht. [Bumke 2004: Vgl. S. 74.] Im weiteren Verlauf der Handlung treten zwei weitere Personen auf: Kundrie, die häßliche Gralsbotin, die Parzivals Versagen auf der Gralsburg beklagt (316, 29-30) und seine Anwesenheit bei der Tafelrunde als Schande für die ritterliche Gesellschaft bezeichnet (315, 7-9), und Kingrimursel, der mit Gawan ins Gericht geht. Er beschuldigt ihn des Mordes (321, 10-15) und will ihn nun in einem Gerichtskampf zur Rechenschaft ziehen. Er bestellt ihn nach Schanpfanzûn, um dort einen Kampf gegen ihn auszuführen (321, 16-20).


lougent des hêr Gâwân, Wenn es der Herr Gawan leugnet,
des antwurte ûf Kampfes slac von hiute [uber] den vierzegisten tac, so soll er sich heute in vierzig Tagen mit dem Schwert rechtfertigen
vor dem künec von Ascalûn vor dem dem König von Ascalun
in der houbetstat ze Schanpfanzûn. und in der Hauptstadt Schampfanzun.
ich lade in kampflîche dar Ich fordere ihn in aller Form auf,
gein mir ze komenne kampfes var. dahin zu kommen, bereit zum Zweikampf mit mir


321, 16-22 [1]


So begibt sich der Beschuldigte also in Richtung Schanpfanzûn, um Kingrimursel entgegenzutreten.

Gawans Reisen und Abenteuer (338,1 - 432,30)

In der Stadt Bearosche (338,1 - 397,30)

Von hier an nimmt Gawan für einige Zeit die Hauptrolle der Erzählung ein. Parzivals Entwicklung auf der Suche nach dem Gral werden in den Hintergrund gerückt. [Bumke 2004: vgl. S. 79.] Auf dem Weg nach Schampfanzun wird Gawan Zeuge eines militärischen Aufmarsches (339, 18-23). Wie schon so oft geht es bei diesem Aufmarsch um die Liebe. König Meljanz zieht gegen seinen eigenen Vasallen Lippaut in den Krieg (347, 25-30), da ihn dessen Tochter abgewiesen hat (345, 27-30) und er diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen will. Ein Heer vom König Poydiconjunz kommt ihm zu Hilfe. (343, 19-22) Lippaut auf der anderen Seite bekommt Hilfe von seinem Bruder Marangliez und vom König Schirniel von Lirivoyn. Unbemerkt von den Truppen reitet Gawan weiter in Richtung Bearosche zur Burg (350, 16). Dort angekommen belauscht er ein Gespräch zwischen den beiden Töchtern Lippauts. Obie und Obilôt geraten in der Frage nach Gawan Absichten in ein Streitgespräch. Während Obie ihn zunächst für einen Kaufmann und später für einen Betrüger hält, glaubt Obilôt an seine ehrenwerten Absichten und sieht in ihm ihren Erlöser und Retter. Der Burggraf Scherules entdeckt sofort, dass der Gast ein vornehmer Herr ist, und führt ihn daraufhin in die Stadt. [Bumke 2004: vgl. S. 79-80.] Mit Hinblick auf seinen Kampf in Schampfanzun will Gawan jedoch nicht in die bevorstehenden Kamphandlungen eingreifen. Obilôt, die in ihm schon von Beginn an den Ritter gesehen hat, der ihr hilft, versucht ihn vom Eingriff in den Kampf zu überzeugen. Sie ernennt ihn zu ihrem Minneritter und überredet ihn somit ihrem Vater zur Hilfe zu kommen. Gawan lässt sich davon überzeugen und stimmt zu den Kämpfen beizuwohnen. [Dallapiazza 2009: vgl. S. 55.]

So zieht er am nächsten Tag in die Schlacht und erweist sich als bester Kämpfer unter allen Anderen. Durch die Gefangennahme des Königs Meljanz gelingt ihm eine entscheidende Tat im Hinblick auf die Beendigung der Kämpfe und zeigt klar, dass er aus verzwickten Situationen klare Lösungen finden kann. [Bumke 2004: vgl. S. 146-148.] Der König wird zu Obilôt geschickt, die ihm nahelegt, sich mit Obie zu versöhnen und sie zu heiraten. Der Streit und die Kampfhandlung werden durch die Hochzeit der Beiden beendet. Gawan hat bewiesen, welch ein tapferer und starker Ritter er ist. Zwar geht es in den Büchern VII und VIII besonders um Gawan, doch auch Parzival tritt kurz auf. Er zeichnet sich auch durch seine kämpferischen Fähigkeiten aus und nimmt König Schirniel und Herzog Marangliez gefangen. Durch die Einbindung von Parival in das Geschehen verlieren die ritterlichen Taten des Gawan ein wenig an Glanz. Hierbei ist aber positiv zu erwähnen, dass man nun eine zeitliche und räumliche Koordinierung der beiden Handlungsstränge gewinnt. [Bumke 2004: vgl. S.82.]

Gawan in Schanpfanzûn (398,1 - 432,30)

Gawan und Antikonie

Der tapfere Ritter zieht nun weiter in Richtung des Gerichtskampfes. Unmittelbar nach seiner Ankunft im Land Ascalun trifft er auf König Vergulaht, dessen Vater Gawan erschlagen haben soll. Dieser ist mit der Vogeljagd beschäftigt und verweist den Ritter an seine Schwester Antikonie in Schanpfanzun. Zu diesem Zeitpunkt weiß der König noch nichts von der Identität des Gastes. [Bumke 2004: vgl. S.83.] Antikonie empfängt den Ritter freundlich und die Szene lädt sich nach wenigen Momenten erotisch auf (405, 16-21). Gawan ist von seiner Gastgeberin derart angetan, dass er ihr sein sexuelles Interesse unverhüllt vor Augen führt (405, 26-29). Doch auch Antikonie fühlt sich zu ihrem Gast hingezogen 407, 5-6), doch bevor Weiteres passieren kann, werden sie von einem Ritter ertappt. (407, 5-12)


von der liebe alsöhle nôt gewan beidiu magt und ouch der man, Den beiden, dem Mädchen wie dem Mann, war so wohl dabei, es kam über sie mit solcher Macht,
daz dâ nâch was ein dinc geschehen, daß da beinah etwas geschehen wäre,
hetenz übel ougen niht ersehen. wenn nicht böse Augen dazu dazugekommen wären.
des willn si bêde wârn bereit: Am Willen hat es den beiden nicht gefehlt.
nu seht, dô nâht ir herzeleit. Doch seht, es naht, ihr Herzeleid
dô gienc zer tür în aldâ Zur Tür herein ging da
ein ritter blanc: wand er was grâ. ein silberner Ritter - denn der war schon ganz grau.


407, 5-12


Dieser Ritter erkennt Gawan sofort und schlägt Alarm, da er glaubt, eine Vergewaltigung erblickt zu haben. Darüber hinaus erkennt er ihn als den Mörder des früheren Königs. Durch das Alarmgeschrei kommen viele Stadtbewohner in den Turm, in dem sich die vermeintliche Vergewaltigung zugetragen hat und wollen Antikonie zur Hilfe eilen (407, 13-21). Ohne richtige Waffen und nur mit einem Schachbrett und einem Türriegel bewaffnet, versucht sich Gawan zu verteiden. Dabei wird er von der Schwester des Königs unterstützt, die mit Schachfiguren auf die Angreifer wirft (408, 19-22). Der König ist derweil wieder zurück in der Stadt und erfährt erst jetzt, wen er zu sich eingeladen hat. Auch er ergreift nun Partei gegen seinen Gast und verletzt somit dessen Recht auf freies Geleit, welches ihm zuvor von Kingrimursel zugesichert wurde. Genau dieser tritt jetzt in die Szenerie und stellt sich auf die Seite von Gawan und somit gegen seinen eigenen König. Dies aber nur deshalb, weil der Gerichtskampf noch nicht stattgefunden hat. [Dallapiazza 2009: vgl. S. 56.] Nachdem das Volk sich weigert, gegen Kingrimursel, ihren Landgrafen zu kämpfen, werden die Waffen niedergelegt und die Verhandlungen über die weitere Zukunft des Gastes aufgenommen. Hierbei wird vorgeschlagen den Gerichtskampf um ein Jahr nach hinten zu verschieben. Herzog Liddamus, der nun zur Szenerie tritt, schlägt vor, mit Gawan kurzen Prozess zu machen. Doch man einigt sich darauf, Gawan zur Gralssuche zu verpflichten. Diese Aufgabe wird hierbei vom König, der von einem Ritter besiegt wurde und daher, um sein Leben zu retten, zur Gralssuche verpflichtet wurde, auf ihn übertragen. So soll er sich nun auf den Weg machen den Gral zu suchen und darf schlussendlich die Stadt ungehindert verlassen. [Dallapiazza 2009: vgl. S. 56.]

Fazit

Gawan wird als ein ein edler und stolzer Ritter dargestellt. Er fühlt sich daher verpflichtet, im Gerichtskampf gegen Kingrimursel anzutreten. Die Angst, sein ritterliches Ansehen zu verlieren, ist größer als die Befürchtung, im Kampf zu sterben. In der Stadt Bearosche wird deutlich, wie ernst er die Aufforderung von Kingrimursel nimmt, denn er will sich zunächst nicht in die Kämpfe rund um die Stadt einmischen. Er befürchtet dabei verletzt oder getötet zu werden und so nicht mehr zum Kampf gegen Kingrimursel antreten zu können. Er steckt dabei in einer Art Zwickmühle. Einerseits will er schnellstmöglich und ohne weitere Ablenkung zum Gerichtskampf, andererseits ist er ein Ritter und kann sich so der Bitte Obilets nicht entziehen. Als Ritter wäre es verwerflich, bei solchen Kämpfen nicht mitzuwirken. Gawan ist nicht nur edel und stolz, sondern auch klug. Immer wieder schafft er es Konflikte durch seine kluge Regie zu lösen. [Bumke 2004: Vgl. S. 82.] Dies zeigt sich zum einen in Bearosche, als er den gefangen genommenen König an Obilet übergibt, und der Konflikt daraufhin gelöst wird, und zum anderen wird dies beim ersten Aufeinandertreffen von Parzival und ihm deutlich. Auch hier löst er einen Konflikt zwischen Parzival und den Artus-Rittern. Hier beweist er, dass er die Fähigkeit besitzt, Konflikte ohne den Kampf, sondern mit kluger Besonnenheit zu lösen. Im weiteren Verlauf der Gawan-Handlungen stellt er dies noch öfter unter Beweis. [Bumke 2004: Vgl. S. 74.] Zu Gawan ist noch zu sagen, dass er ein sehr guter Kämpfer ist. In Bearosche zeigt er sich derart geschickt im Umgang mit dem Schwert, dass er jedem Gegner trotzt und sich als der beste Kämpfer erweist. So verwundert es nicht, dass er derjenige ist, der den Krieg durch die Gefangennahme des Königs beendet. Herauszuheben ist, dass er ein außergewöhnlicher Ritter ist und den Vergleich mit Parzival nicht scheuen muss.

Gawans Darstellung in der Artusepik und die Bedeutung der Szene für seine Person

Die Abenteuer rund um Gawan nehmen einen beträchtlichen Teile der Erzählung ein. Vor allem die Bücher VII und VIII sagen viel über seine Persönlichkeit aus und dabei grenzt sich seine Beschreibung, von der aus dem Conte du Graal ab. Allgemein ist zu sagen, dass sich Gawan in der Artusepik als eine eher zwielichtige Person beschrieben wird. Er wird als Frauenheld dargestellt und bekommt eine eher negativen Charakter zugeschrieben. Im Parzival kommt er deutlich positiver weg und erfährt somit eine Art Rehabilitation. Somit grenzt sich Wolfram klar vom Conte du Graal, bezüglich Gawans Darstellung, ab. Dort ist sein Bild, wie eben erwähnt, vorwiegend negativ. [Dallapiazza 2009: vgl. S. 56.]

Quellennachweise

[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004.

[*Dallapiazza 2009] Dallapiazza, Michael: Wolfram von Eschenbach: Parzival, Berlin 2009

  1. Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.