Joflanze (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
Der folgende Artikel befasst sich mit der Stadt Joflanze, in der am Ende des XII. Buches bis zum Ende des XV-Buches des Parzival einige sehr wichtige Geschehnisse stattfinden. In der Nähe von Joflanze werden drei wichtige Kämpfe zwischen Parzival, Gawan und Gramoflanz geführt. Wichtiger hingegen sind die zwei großen Feste. Beim ersten Fest erlebt die Familie von König Artus eine Wiedervereinigung, es wird Frieden besiegelt und einige Hochzeiten finden statt. Im zweiten Fest wird Parzivals Bruder Feirefiz begrüßt und außerdem zum Mitglied der Tafelrunde ernannt. Außerdem erreicht hier Parzival die freudige Nachricht, dass er Gralskönig wird. Im Artikel wird Joflanze zuerst allgemein untersucht. Anschließend werden die großen Kämpfe kurz dargestellt und am Schluss noch die wichtigsten Stationen der beiden Feste erläutert.
Über Joflanze
Wolfram von Eschenbach gibt keine genaue "Angabe" im Roman, wo sich Joflanze befinden könnte. Anhand von Wolframs Beschreibungen lässt sich vermuten, dass sich die Stadt in der Nähe eines Hafen befindet.[Schmitz 2012: S. 172-173] Feirefiz verspricht den Mitgliedern der Tafelrunde nämlich Geschenke, die allerdings erst von seinen Schiffen geholt werden müssen. Er bittet die Anwesenden noch vier Tage zu warten, bevor sie abreisen:
und gib mir boten in mîne habe, | und gib mir Boten zum Hafen, |
dâ der prêsent sol komen abe. | von den Schiffen dort sollen die Präsente kommen. |
dô lobten si dem heiden, | Da versprachen sie dem Heiden, |
sine wolten sich niht scheiden | sie wollen nicht fortreiten von dem Feld, |
von dem velde in vier tagn. | ehe vier Tage vergangen wären. |
(Parzival 785,19-23)[1]
Feirefiz schätzt die Entfernung auf vier Tage ein. Die Boten allerdings kehren bereits nach drei Tagen zurück: "ame dritten tage ûzs heidens her wart ze Jôflanze brâcht" (Parzival 786,20,21). Somit kann man durchaus vermuten, dass Joflanze unweit des Hafen liegt, an dem Feirefiz' Heer wartet.
Man erfährt außerdem, dass sich der Ort in Gramoflanz Herrschaftbereich befindet. Gramoflanz bittet nämlich Gawan, dass er Artus nach Joflanze einladen soll:
iu bringet ziwerm teile | Ladet zu Eurer Partei |
iwer œheim Artûs | auch Euren Oheim Artus, |
von eime lande daz alsus, | der soll von dem Land |
Löver, ist genennet; | das Löver heißt, anreisen. |
habt ir die stat erkennet, | Kennt Ihr die Stadt, die ich meine: |
Bems bî der Korchâ? | Bems an der Korchâ. |
diu massenîe ist elliu dâ: | Der ganze Hof hälft sich dort auf. |
von hiute übern ahten tac | Heute in acht Tagen |
mit grôzer joye er oman mac. | könnte er herkommen mit festlichem Statt. |
von hiute am sehzehenden tage | Am sechzehnten Tag, von heute an gerechnet, |
kum ich durch mîn alte klage | komme ich mit meiner alten Klage |
ûf den plân ze Jôflanze | auf den Plan von Joflanze |
(Parzival 620,12-23)
Anhand von Gramoflanz' Beschreibungen erfährt man, dass sich Artus zur Zeit in der Stadt Bems an der Korchâ aufhält, die zu Artus' Herrschaftsbereich Löver gehört. Laut Gramoflanz würde Artus mit seinem Hofstaat nur acht Tage benötigen um nach Joflanze zu kommen.[Brüggen 1996: S. 209] Allerdings lässt sich nicht erahnen, ob Gramoflanz von einer generellen Reisezeit von acht Tagen spricht oder ob er damit die Zeit vorgibt, die eine große Gesellschaft wie der Artushof zur Anreise benötigt. Dennoch kann man sagen, dass sich Joflanze nicht sonderlich weit von Artus' Herrschaftsbereich entfernt befindet.
Die Kämpfe
Ursprünglich war nur ein Kampf geplant. Gawan und Gramoflanz legen nämlich die Umgebung von Joflanze als Schauplatz für ihren Zweikampf fest, da sich Gramoflanz wegen des gestohlenen Kranzes rächen will. Dieser geplante Kampf wird allerdings durch zwei unerwartete Kämpfe zweimal verschoben.
Der erste Kampf: Gawan gegen Parzival (Parzival 679,1-693,20)
In der Nähe des geplanten Schauplatzes trifft Gawan auf einen ihm zuerst unbekannten Ritter. Er erkennt die rote Rüstung seines Cousins Parzival nicht und kämpft, im Glauben gegen Gramoflanz zu kämpfen, mit ihm. Parzival fordert Gawan alles ab und gilt als sicherer Sieger. Der Kampf wird allerdings jäh unterbrochen, als Artus' Boten Gawan beim Namen rufen und Parzival sich schockiert zu erkennen gibt. Gawan und Parzival bereuen ihren Bruderkampf. Gramoflanz erscheint und sagt, dass er erst morgen gegen Gawan antreten will, da er wenig Ehre am geschwächten Gawan gewinnen kann. Parzival will den Kampf für Gawan streiten, dieser lehnt die gut gemeinte Hilfe seines Cousins aber aus Ehrgründen ab:
iwer keinem ich gestaten wil | Keinem von euch allen will ich es erlauben, |
daz er für mich vehte. | an meiner Stelle zu kämpfen. |
(...) | (...) |
got lôn dir daz du biutes strît: | Gott vergelt's dir, daß du dich für mich schagen willst, |
es ist ab für mich noh niht zît | doch ist das vorerst noch nicht nötig. |
(Parzival, 701,24-25; 701,29-30)
Gawan lehnt jegliche Hilfe von Parzival und Artus ab, da der Kampf gegen Gramoflanz sein Kampf wäre, da er für Orgeluse kämpfen muss. Er spricht aber Dankbarkeit gegenüber Parzival aus, dass dieser sich bereit erklärt an seiner Stelle zu kämpfen. Allerdings fühlt sich Gawan immer noch stark genug den Kampf selbst bestreiten zu können.
Der zweite Kampf: Parzival gegen Gramoflanz (Parzival 703,21-708,20)
Am frühen Morgen des nächsten Tages stiehlt sich Parzival früh aus dem Lager davon und sucht den Kampfplatz erneut auf. Dort trifft er auf Gramoflanz, den er sofort herausfordert. Obwohl der König am Vortag Parzival in dessen roter Rüstung gesehen hat, ist er im Glauben gegen Gawan zu kämpfen. Gramoflanz unterliegt dem starken roten Ritter und Gramoflanz' Überheblichkeit erleidet einen kräftigen Dämpfer:[Bumke 2004: S. 113] "er het in underwîset" (Der [Parzival] hat ihm [Gramoflanz] eine Lektion erteilt)(Parzival, 705,25). Gawan und Artus erreichen kurz darauf den Schauplatz. Artus rügt Parzival für seinen unerwünschtes Handeln, während Gawan seinen Kampf erneut verschiebt, um auch dem besiegten Gramoflanz eine Pause zu gönnen:
hêr künec, ich wil iu hiute tuon | Herr König, ich will heute an Euch tun, |
als ir mir gestern tâtet, | wie Ihr gestern an mir getan habt mit der Bitte, |
dô ir mich ruowen bâtet. | ich möge mich ausruhen: |
nu ruowet hînt: ir wirt iu nôt | Ruht Euch aus heute nacht, Ihr werdet es morgen nötig haben. |
(Parzival, 707,16-19)
Gawan zeigt an dieser Stelle Größe, indem er die Schwäche von Gramoflanz nicht ausnutzt und seinen Kampf gegen den König auf den nächsten Tag verschiebt. So wie Gramoflanz will auch Gawan keinen Kampf, an dem er keine Ehre und keinen Ruhm gewinnen kann.
Der dritte Kampf: Gawan gegen Gramoflanz (Parzival 710,9-729,30)
Der eigentlich geplante Kampf findet letztendlich nicht mehr statt. Auf Bitten von seiner Nichte Itonje vermittelt Artus zwischen Gawan und Gramoflanz. Der Kampf würde großen Schaden anrichten, da Gawans Schwester Itonje und Gramoflanz ineinander verliebt sind. Obwohl sich die Liebenden noch nie von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden[2], bekennt Gramoflanz sich zu Itonje und beide Kämpfer verzichten auf die Kämpfe um Itonje nicht zu verletzen. Auch Orgeluse wird von Gawan gebeten sich mit Gramoflanz auszusöhnen. Bei der Vermittlung zwischen Gramoflanz und Orgeluse erhält Artus Unterstützung von König Brandelidelin.
Das erste Fest
Wolfram beschreibt das Fest von Joflanze als den Höhepunkt der Gawan-Handlung. Er beschreibt ausführlich wie das Fest gestaltet wird, wie prächtig die Zelte sind und wer alles von Rang und Namen aus Artus' Heer, den befreiten Rittern und Damen aus Schastel marveile und dem Gefolge Orgluses anwesend ist. Auslöser des Festes war die lang herbeigesehnte Familienzusammenführung von Artus' Familie. Des Weiteren kommt er zu einer Versöhnung zwischen Gramoflanz und Orgeluse. Abgerundet werden die Feierlichkeiten mit einigen Hochzeiten. Das Fest von Joflanze wird als freudiges Erlebnis dargestellt. Allerdings bricht Wolfram diese Freude ständig, in dem er auch Szenes des Leides einbaut. Obwohl Parzival wieder an der Tafelrunde aufgenommen wird, kann er sich kaum am Fest erfreuden, da ihn seine Sehnsucht nach seiner Frau Condwiramurs und dem Gral quält.
Die Familienzusammenführung
Als Gawan Boten losschickt, um Artus herbeizurufen, hat er bereits seine Verwandten aus Schastel Marveile befreit. Als Artus eintrifft, erfährt er nach einiger Zeit, dass es sich bei den anwesenden Menschen um seine lange verschollenen Verwandten handelt. Bereits im II. Buch erfährt man, dass Artus seine Mutter sucht, die von Clinschor entführt wurde (Parzival 66,2-6). Mit der Zusammenführung endet seine jahrzehntelange Suche. Zu den befreiten Verwandten gehören außerdem seine Nichte Itonje und seine Schwester Sangive. Der König ist so erfreut über das Treffen mit seinen langen gesuchten Verwandten, dass er das große Fest im Lager vor Joflanze ausrufen lässt.
Die Versöhnung
Im Laufe der Kampfzeit erfährt Artus, dass Gramoflanz, der Gegner Gawans, auch um die Hand seiner Nichte Itonje anhalten möchte, da sie beide ineinander verliebt sind. Arnive und Itonje bitten Artus um Intervention, da Itonje weder ihren Bruder noch ihren Liebsten verlieren möchte. Artus stellt eine Bedingung: Wenn Gramoflanz sie erkennt, dann verhindert er den Kampf. Gramoflanz erkennt und küsst Itonje. Somit steht einer Befriedung mit Gawan nichts im Wege. Orgeluse, die Gawan darum gebeten hat, den Kranz zu stehlen, weil sie sich in einer Fehde mit Gramoflanz befindet, muss einlenken, ihren Stolz ablegen und ihrem langjährigen Feind den Versöhnungskuss geben: "ir süezer Mund rôt gevar, den künec durch suone kuste" (Parzival, 729,18-19)
Hochzeiten
Im Laufe des ersten Festes werden drei Hochzeiten zur Versöhnung besiegelt. Vermählt wird Gramoflanz mit Itonje[3], Lischoys mit Gawans Schwester Kundrie[4] und Turkoyte Flôrand mit Gawans Mutter Sangive[5]. Im Laufe des Festes verteilt Artus weitere Frauen an verschiedene Ritter. Wolfram stellt diese Szene etwas übertrieben dar: "Artûs was fouwen milte: solher gâbe in niht bevilte" (Parzival 730,11-12).[Bumke 2004: S. 114-115]. Wolfram beschreibt, dass Artus die Frauen so verteilt, als ob sie Geschenke wären.
Das zweite Fest
Nachdem Parzival Joflanze zum ersten Mal verlassen hat und kurze Zeit später zurückkehrt, richtet Artus ein zweites Fest aus um Feirefiz in die Gesellschaft zu integrieren.
Feirefiz' Aufnahme an der Tafelrunde
Nach dem Kampf zwischen Parzival und seinem Halbbruder Feirefiz kehren beide nach Joflanze zurück und treffen auf Artus und die Ritter der Tafelrunde. Feirefiz wird freudig von Artus und Gawan begrüßt. Artus organisiert am nächsten Tag ein neues Fest um den Neuankömmling zu ehren und im Laufe der Feier zum Mitglied der Tafelrunde zu ernennen. Feirefiz genießt das Fest und freut sich über die schönen Frauen innerhalb der Gesellschaft: "Feirefîz was vrô, daz er sô clâre frouwen sach" (Parzival 758,28-29).
An diesem Fest hat auch Parzival diesmal Freude. Zum einen kann er die Zusammenführung mit seinem Halbbruder feiern und zum anderen erscheint Kundrie und teilt ihm die Berufung zum Gralskönig mit. Erfreut endlich sein Ziel erreicht zu haben, reist er in Begleitung seines Bruders und der Gralsbotin nach Munsalvaesche.[Bumke 2004: S. 115]
Fazit
Die Geschehnisse von Joflanze bilden sicherlich den Höhepunkt der Gawan-Saga.[Brüggen 1996: S. 211] An diesem Ort führt Gawan seine lange verschollen Verwandten zurück zum Artushof. Damit endet Artus' Suche nach seiner entführten Mutter endlich. Außerdem kehrt der lange vermisste Parzival zurück zur Tafelrunde. Die darauffolgenden Kämpfe zeigen seine Stärke und lassen Gramoflanz einen Sinneswandel durchmachen. Letzterer lässt sich, Itonje zuliebe, dazu überreden den Kampf zu vergessen und sich in Freundschaft der Tafelrunde anzuschließen. Die Feste werden von Wolfram als Ereignisse großer Freude beschrieben, auch wenn nicht jeder sich daran erfreuen kann. Er beschreibt vor allem das Leid Parzivals, der sich nach dem Gral und seiner Ehefrau sehnt. Bei Parzivals Rückkehr mit seinem Halbbruder Feirefiz nimmt Artus Feirefiz an der Tafelrunde auf. Am Ende der Ereignisse erfährt Parzival von Cundrie, dass er vom Gral berufen wurde. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Joflanze ein Ort ist, an dem Freude und Leid gleichermaßen vertreten sind und sehr viele Freundschaften und Bündnisse geschlossen werden. Anhand der Ereignisse in Joflanze sieht man auch, dass der Artushof sich mit Feinden aussöhnen kann und sie auch in seine Reihen aufnimmt. Des Weiteren sieht man auch, dass der Artushof auch Heiden unter sich aufnimmt und die Religion in ihren Reihen einer eher zweitrangige Rolle spielt.[Brunner 2008: S. 48]
Fußnoten
- ↑ Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
- ↑ Itonje zu Artus über Gramoflanz: "wir minn ein ander âne sehn." (Parzival, 712,22)
- ↑ "Artûs gab Itonjê Gramoflanz ze rehter ê." (Parzival 729,27-28)
- ↑ "Lischoiys wart Cundriê gegeben: âne freude stuont sîn lebn, unz er ir werden minne enpfant." (Parzival, 730,3-5)
- ↑ "dem turkoiten Flôrand Sangîven Artûs ze wibe bôt: die her dâ vor der künec Lôt. der fürste ouch sie vil gerne nam: diu gâbe minne wol gezam." (Parzival 730,6-10)
Literaturverzeichnis
<HarvardReferences/>
[*Brunner 2008] Brunner, Horst: Artûs der wîse höfsche man, Zur immanenten Historizität der Ritterwelt im 'Parzival' Wolframs von Eschenbach (erstmals 1983), in: Brunner, Horst: Annäherungen, Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Berlin 2008, S. 38-49 (Philologische Studien und Quellen 210).
[*Brüggen 1996] Brüggen, Elke: Inszenierte Körperlichkeit, Formen höfischer Interaktion am Beispiel der Joflanze-Handlung in Wolframs 'Parzival', in: Müller, Jan Dirk [Hrsg.]: "Aufführung" und "Schrift" in Mittelalter und früher Neuzeit, Stuttgart 1996.
[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36).
[*Pratelidis 1994] Pratelidis, Konstantin: Tafelrunde und Gral, Die Artuswelt und ihr Verhältnis zur Gralswelt im "Parzival" Wolframs von Eschenbach, Würzburg 1994 (Würzburger Beiträge zur deutschen Philologie 12).
[*Schmitz 2012] Schmitz, Michaela: Der Schluss des Parzival Wolframs von Eschenbach, Kommentar zum 16. Buch, Berlin 2012.