Johann Jakob Bodmers "Parcival"

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Die literarische Rezeption des Parzvial in Deutschland beginnt im Jahre 1753 mit Johann Jakob Bodmer. Hier soll untersucht werden, welchen Schwerpunkt Bodmer in seiner Nachdichtung legt und inwieweit sich dies für die gesamte Parzival-Rezeption[1] als prägend erweist.

Bodmers Parcival

Johann Jakob Bodmer veröffentlicht Der Parcival ein Gedicht in Wolframs von Eschilbach Denkart eines Poeten aus den Zeiten Kaiser Heinrichs VI. im Jahre 1753. Dieses Gedicht ist eine stark kürzende Fassung, die vor allem auf den Büchern 5, 9, 15 und 16 des Wolframschen Parzvial aufbaut. Er überträgt Teile des Werks in neuhochdeutsche Hexameter, aufgrunddessen man von einer „Homerisierung Wolframs“ [Dallapiazza 2009: S. 145] spricht, die dem damaligen Zeitgeist entspricht. Die Nachdichtung markiert damit einen Berührungspunkt mehrerer Epochen: das epische Versmaß entstammt der Antike, der Inhalt ist eine mittelalterliche Erzählung und die verwendete Sprache ist modern in Bodmers historischem Kontext. Trotzdem konnte Bodmer mit seiner Nachdichtung nur wenig Begeisterung für den Parzival wecken, da es beispielsweise kaum öffentliche Reaktionen hervorgerufen hat.[Debrunner 1996: vgl. S. 110]

Inhalt und Aufbau

In der Vorrede erklärt Bodmer, dass es sich bei seinen Veränderungen ausschließlich um Weglassungen episodischer Stücke handelt. Der Parcival gliedert sich dann in den ersten und den zweiten Gesang. Im ersten Gesang wird Parzivals Besuch auf der Gralsburg und seine zweite Begegnung mit Sigune. Im zweiten Gesang wird kurz von Parzivals Heldentaten berichten sowie von seinem Aufenthalt bei Trevrizent, dem Kampf mit Feirefiz und dem Zusammentreffen mit Artus. Der Gesang endet wie bei Wolfram mit der Berufung Parzivals zum Gralskönig durch Cundrie und dem dortigen Wiedersehen mit Condwiramur und seinen Söhnen, jedoch ohne die Taufe und Heirat Feirefiz'.

Schwerpunktverschiebung hin zum Gral

Bodmer rechtfertigt diese Kürzungen durch das übergeordnete Ziel einer einheitlichen Handlung: Da sich im mittelhochdeutschen Text die Begebenheit durchkreuzen, wie er sagt, nimmt er starke Kürzungen zugunsten einer Haupthandlung ohne Unterbrechungen vor. Dadurch fällt nicht nur die gesamte Gawan-Handlung weg, sondern auch der Artushof tritt nur einmal auf. Übrig bleibt nur die Geschichte um den Gral, und es geht „Bodmer fast ausschließlich um den Gral“ [Dallapiazza 2009: S. 145], wie auch Dallapiazza schlussfolgert. Die Schwerpunktverschiebung macht sich auch bei den einzelnen Episoden deutlich, da z.B. auch beim Gespräch mit Trevrizent die Aufklärung über den Gral im Vordergrund steht und nicht die Auseinandersetzung Parzvials mit Gott und seinen begangenen Sünden. Der Gral ist in Bodmers Parcival kein Stein, sondern ein grünes Behältnis, das die Wurzel des Lebens ist. Offensichtlich hat das Geschehen um den Gral Bodmer sehr beeindruckt [Wasielewski-Knecht 1993: vgl. S. 32]. Dabei ist der Begriff des ‚Wunderbaren‘ bei den Schweizern hinzuziehen, der unter anderem als Dichtungstheorem der rationalistischen Dichtung Bodmers das Interesse des Lesers hervorrufen soll. Somit symbolisiert der Gral für Bodmer „das Göttliche, das Wunderbare, Wahre, das Neue“[Wasielewski-Knecht 1993: S. 35], wodurch sich also der Fokus auf den Gral erklären lässt.

Fazit zum Parcival

Es zeigen sich antike und aufklärerische Einflüsse in der sprachlichen Ausgestaltung der Nachdichtung sowie in der Auswahl der Episoden. [Wasielewski-Knecht 1993: vgl. S. 38] Außerdem überwiegt in der Erzählung der Bereich des Grals und, was damit zu erklären ist, dass Bodmer ‚das Wunderbare‘ in Form des Grals besonders reizt. [Wasielewski-Knecht 1993: vgl. S. 38] Um eine einheitliche Handlung zu schaffen, lässt Bodmer alle Teile, die nichts mit dem Gral zu tun haben, weg und reduziert die eigentlich komplexe Handlungsstruktur des Parzival auf nur eine Ebene – und zwar die des Grals. Wichtig ist, dass Bodmer durch seine rezipierende Nachdichtung des Parzvial sowie durch seine weiteren Bemühungen das Mittelalter zu glorifizieren, ein Wegbereiter für die Wiederentdeckung des Mittelalters in der Romantik war, indem er es überhaupt wieder zugänglich gemacht hat.[Buschinger 2007: vgl. S. 7]

Ausblick: Ist Bodmers Parcival prägend für spätere Rezeptionen?

Als erste literarische Rezeption nimmt die Nachdichtung von Bodmer auf doppelte Weise eine besondere Stellung ein. Einerseits ist sie der Beginn einer Neuentdeckung des Mittelalters und eine erste Rezeption des Parzival. Andererseits ist die Frage zu stellen, inwieweit sich die rezeptionelle Interpretation Bodmers in Hinblick auf seine Schwerpunktsetzung auch auf spätere Rezeptionen ausgewirkt hat. Dazu gibt Wasielewski-Knecht eine zusammenfassende Auswertung der gesamten Parzvial-Rezeption. Trotz der vielen und sehr unterschiedlichen Rezeptionen bis hin in die Gegenwart, lässt sich in den inhaltlichen Strukturen immer wieder ein und derselbe Stoff erkennen: Das Geschehen um Parzival als Protagonisten und den Gral, zwar mit unterschiedlichen Rahmenhandlungen, jedoch ähneln sie sich in der Kernaussage, wie Wasielewski-Knecht zusammenfasst. [Wasielewski-Knecht 1993: vgl. S. 305] Deshalb lässt sich sagen, dass Bodmer sich mit seiner Schwerpunktsetzung auf spätere Rezeptionen auswirkt. Dennoch ist zuletzt die kritische Frage zu stellen, ob eher die Mystik und das Wunderbare des Grals der Grund für die häufige Fokussierung ist.

Fußnoten

  1. Hierbei sei auf folgenden Artikel verwiesen, der einen allgemeinen Überblick über die Rezeption des Parzival gibt: Die Rezeption des "Parzival".

Quellennachweise


[*Buschinger 2007] Buschinger, Danielle: Das Mittelalter Richard Wagners, Würzburg 2007.
[*Dallapiazza 2009] Dallapiazza, Michael: Wolfram von Eschenbach: Parzival, Berlin 2009 (Klassiker-Lektüren 12).
[*Debrunner 1996] Debrunner, Albert M.: Das güldene schwäbische Zeitalter. Johann Jakob Bodmer und das Mittelalter als Vorbildzeit im 18. Jahrhundert. Würzburg 1996.
[*Wasielewski-Knecht 1993] Wasielewski-Knecht, Claudia: Studien zur deutschen Parzival-Rezeption in Epos und Drama des 18. - 20. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1993.