Der Tod im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen

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=Der Tod im Mittelalter im Vergleich zur Neuzeit=
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Seit der Mensch zur Reflexion fähig ist, stellt sich ihm die Frage, was denn der Tod sei. Diese Frage kann den Menschen auch gar nicht verlassen, da sie einen jeden selbst im Innersten trifft und im Tod eines Nächsten auch als existenzielle Situation erfahrbar ist. Nun ist der Umgang und die Sichtweise des Todes, obwohl er jeden Menschen in gewisser Weise gleich betrifft, doch auch von dem herrschenden Menschen- und Weltbild abhängig von welchem aus nach ihm gefragt wird. Im Mittelalter war der Tod allgegenwärtig. Die  Kindersterblichkeit war enorm hoch und man konnte mit einer Lebenserwartung um die 40-50 Jahre rechnen, sofern man die ersten zehn  Jahre überstand.[Borst 1995: Vgl. S. 120.] Wer krank wurde, musste sich auch für das Sterben bereitmachen und das "enge Beieinanderleben von Gesunden und Kranken [...] senkte die Lebenserwartung erneut."[Borst 1995: S.121]  
Seit der Mensch zur Reflexion fähig ist, stellt sich ihm die Frage, was denn der Tod sei. Diese Frage kann den Menschen auch gar nicht verlassen, da sie einen jeden selbst im Innersten trifft und im Tod eines Nächsten auch als existenzielle Situation erfahrbar ist. Nun ist der Umgang und die Sichtweise des Todes, obwohl er jeden Menschen in gewisser Weise gleich betrifft, doch auch von dem herrschenden Menschen- und Weltbild abhängig von welchem aus nach ihm gefragt wird. Im Mittelalter war der Tod allgegenwärtig. Die  Kindersterblichkeit war enorm hoch und man konnte mit einer Lebenserwartung um die 40-50 Jahre rechnen, sofern man die ersten zehn  Jahre überstand.[Borst 1995: Viedrich die "Wiederholungsfigur" des "Minnetods" auf.[Friedrich 2010: S. 398.] Isenhart ist ausgezogen um im Dienste Belacanes Ruhm im Kampf zu erwerben und fällt im Kampf gegen Vridebrant. gl. S. 120.] Wer krank wurde, musste sich auch für das Sterben bereitmachen und das "enge Beieinanderleben von Gesunden und Kranken [...] senkte die Lebenserwartung erneut."[Borst 1995: S.121]  
Unter anderem wegen dieser Allgegenwärtigkeit behauptet Philippe Ariès, dass in früherer Zeit unter den Menschen die Einstellung herrschte, dass "für [sie] der Tod nah und vertraut und zugleich abgeschwächt und kaum fühlbar war", im Gegensatz zu unserer heutigen Zeit.[Ariès 2005: S. 42] Daher erlaubt er sich, vom Tod früher der Neuzeit als einem "gezähmten Tod" zu sprechen.[Ariès 2005: S. 42] Dem widerspricht Patschovsky vehement: "Nie hat man [den Tod] gezähmt oder als gezähmt empfunden, und gerade die zahllosen Versuche, ihn und sein Wirken in Form zu fassen, verraten, wie beunruhigend man seine Allgegenwart empfand, [...] erst recht im Mittelalter.[Patschovsky 1993: S. 9]  
Unter anderem wegen dieser Allgegenwärtigkeit behauptet Philippe Ariès, dass in früherer Zeit unter den Menschen die Einstellung herrschte, dass "für [sie] der Tod nah und vertraut und zugleich abgeschwächt und kaum fühlbar war", im Gegensatz zu unserer heutigen Zeit.[Ariès 2005: S. 42] Daher erlaubt er sich, vom Tod früher der Neuzeit als einem "gezähmten Tod" zu sprechen.[Ariès 2005: S. 42] Dem widerspricht Patschovsky vehement: "Nie hat man [den Tod] gezähmt oder als gezähmt empfunden, und gerade die zahllosen Versuche, ihn und sein Wirken in Form zu fassen, verraten, wie beunruhigend man seine Allgegenwart empfand, [...] erst recht im Mittelalter.[Patschovsky 1993: S. 9]  
Wenn man sich heute einen schnelleren Tod wünscht, als von Maschinen am Leben erhalten zu werden, so war der plötzliche Tod im Mittelalter eher nicht erwünscht, da dieser keine Möglichkeit der Vorbereitung auf ihn, vor allem keine letzte Eucharistie ermöglichte. Insgesamt war das Verhältnis zum Tod stark christlich geprägt, mitsamt Hoffnung auf das Jenseits, als auch Angst vor "der möglichen ewigen Höllenpein, dem gefürchteten >zweiten< Tod."[Patschovsky 1993: S. 9.]  
Wenn man sich heute einen schnelleren Tod wünscht, als von Maschinen am Leben erhalten zu werden, so war der plötzliche Tod im Mittelalter eher nicht erwünscht, da dieser keine Möglichkeit der Vorbereitung auf ihn, vor allem keine letzte Eucharistie ermöglichte. Insgesamt war das Verhältnis zum Tod stark christlich geprägt, mitsamt Hoffnung auf das Jenseits, als auch Angst vor "der möglichen ewigen Höllenpein, dem gefürchteten >zweiten< Tod."[Patschovsky 1993: S. 9.]  
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==Verbindung von Tod, Kampf und Minnedienst==
==Verbindung von Tod, Kampf und Minnedienst==
Vor allem am sehr häufig anzufindenden [[Das Leid im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Leid]] der Frauen im ''Parzival'', wird deutlich, dass "der Riß, den der permanente Einbruch des Todes un der dadruch bedingten Leiderfahrung in die ritterliche Welt bringt, durch alle beschriebenen Bereiche geht."[Brackert 1989: S. 151.] Sehr häufig ist der Minnedienst und der damit verbundene Kampf die Ursache für den Tod eines Mannes, welcher wiederum das Leid der Dame verursacht, der er gedient hat. Insgesamt scheint die Ehre oder der Tod das Ziel der Ritterschaft zu sein.<ref>Man denke nur an die Szene innerhalb des Iwein, an welcher Kalogerant dem Waldschrat erklärt, was denn "âventiure" sei.(Vgl. Iwein. 529-537.) Dort wird deutlich, dass es wohl zwei Möglichkeiten des Ausgangs einer âventiure gibt: Ruhm oder Tod.</ref> Mit Ausnahme des Todes von Ither begenet man dem Tod im ''Parzival'' also nicht direkt, sondern vermittelt durch Berichte der leidenden Personen. Als Beispiele (aus vielen) können der Bericht Gurnemanz über den Verlust seiner Söhne (Vgl. Parzival. 177,14-178,26) vor allem aber die Berichte [[Sigune (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Signues]] über den Tod des Schianatulander (Vgl. Parzival. 139,25-141,24.) und [[Orgeluse (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Orgeluses]] über Cidegast (Vgl. Parzival 615, 22-619,19) dienen.<ref>Für eine komplette Auflistung der Todesfälle und ihre Berichte sei auf Brackert 1989 (S. 146f.) und Friedrich 2010 (S. 396f.) verwiesen.</ref>
Vor allem am sehr häufig anzufindenden [[Das Leid im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Leid]] der Frauen im ''Parzival'', wird deutlich, dass "der Riß, den der permanente Einbruch des Todes un der dadruch bedingten Leiderfahrung in die ritterliche Welt bringt, durch alle beschriebenen Bereiche geht."[Brackert 1989: S. 151.] Sehr häufig ist der Minnedienst und der damit verbundene Kampf die Ursache für den Tod eines Mannes, welcher wiederum das Leid der Dame verursacht, der er gedient hat. Insgesamt scheint die Ehre oder der Tod das Ziel der Ritterschaft zu sein.<ref>Man denke nur an die Szene innerhalb des Iwein, an welcher Kalogerant dem Waldschrat erklärt, was denn "âventiure" sei.(Vgl. Iwein. 529-537.) Dort wird deutlich, dass es wohl zwei Möglichkeiten des Ausgangs einer âventiure gibt: Ruhm oder Tod.</ref> Mit Ausnahme des Todes von Ither begenet man dem Tod im ''Parzival'' also nicht direkt, sondern vermittelt durch Berichte der leidenden Personen. Als Beispiele (aus vielen) können der Bericht Gurnemanz über den Verlust seiner Söhne (Vgl. Parzival. 177,14-178,26) vor allem aber die Berichte [[Sigune (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Signues]] über den Tod des Schianatulander (Vgl. Parzival. 139,25-141,24.) und [[Orgeluse (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Orgeluses]] über Cidegast (Vgl. Parzival 615, 22-619,19) dienen.<ref>Für eine komplette Auflistung der Todesfälle und ihre Berichte sei auf Brackert 1989 (S. 146f.) und Friedrich 2010 (S. 396f.) verwiesen.</ref> An dem Beispiel vom Tod [[Isenhart (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Isenharts]] im Minnedienst der [[Belacane (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Belacane]] zeigt Friedrich die "Wiederholungsfigur" des "Minnetods" auf.[Friedrich 2010: S. 398.] Isenhart ist ausgezogen um im Dienste Belacanes Ruhm im Kampf zu erwerben, und da sie sich weigert ihm ihre Liebe zu gewähren, wirft er sich in immer waghalsigere aventiuren. Er fällt schließlich im Kampf gegen Prothizilas, einem Untergebenen der Belacane, der jedoch nicht in ihrem Auftrag kämpfte und ebenfalls stirbt.(Vgl. Parzival. 27,11-28,5.) Isenharts Angehörige vermuten Verrat von seiten Belacanes und greifen sie an. So ist die (unerfüllte) Minne, da sie den Ruhm im Kampf für ihre Erfüllung voraussetzt, Ursache für Tod, Leid und Krieg. Diese Konstellation lässt sich an mehreren Stellen des Romans wiederfinden.
Der Tod [[Isenhart (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Isenharts]] im Minnedienst der [[Belacane (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Belacane]] löste sogar noch einen weiteren Krieg aus und war somit Ursache für noch mehr Leid und Totschlag.


===Tod aus Liebe===
===Tod aus Liebe===
Ebenfalls mit der Minne verbunden ist das Nachsterben
====Der Tod Sigunes====
====Der Tod Sigunes====
====Der Tod Herzeloydes====
====Der Tod Herzeloydes====

Version vom 24. Juli 2012, 15:15 Uhr

Der folgende Artikel untersucht den Tod im höfischen Roman Parzival von Wolfram von Eschenbach. Auch wenn die Hauptfiguren Parzival und Gawan im Werk selbst nicht sterben, so ist der Tod doch an einigen Stellen des Romans gegenwärtig, vornehmlich als vorzeitiger Tod durch Gewalt oder durch Liebe. Unter anderem soll der Zusammenhang zwischen Tod, Kampf und Minne untersucht werden.

Der Tod im Mittelalter im Vergleich zur Neuzeit

Seit der Mensch zur Reflexion fähig ist, stellt sich ihm die Frage, was denn der Tod sei. Diese Frage kann den Menschen auch gar nicht verlassen, da sie einen jeden selbst im Innersten trifft und im Tod eines Nächsten auch als existenzielle Situation erfahrbar ist. Nun ist der Umgang und die Sichtweise des Todes, obwohl er jeden Menschen in gewisser Weise gleich betrifft, doch auch von dem herrschenden Menschen- und Weltbild abhängig von welchem aus nach ihm gefragt wird. Im Mittelalter war der Tod allgegenwärtig. Die Kindersterblichkeit war enorm hoch und man konnte mit einer Lebenserwartung um die 40-50 Jahre rechnen, sofern man die ersten zehn Jahre überstand.[Borst 1995: Viedrich die "Wiederholungsfigur" des "Minnetods" auf.[Friedrich 2010: S. 398.] Isenhart ist ausgezogen um im Dienste Belacanes Ruhm im Kampf zu erwerben und fällt im Kampf gegen Vridebrant. gl. S. 120.] Wer krank wurde, musste sich auch für das Sterben bereitmachen und das "enge Beieinanderleben von Gesunden und Kranken [...] senkte die Lebenserwartung erneut."[Borst 1995: S.121] Unter anderem wegen dieser Allgegenwärtigkeit behauptet Philippe Ariès, dass in früherer Zeit unter den Menschen die Einstellung herrschte, dass "für [sie] der Tod nah und vertraut und zugleich abgeschwächt und kaum fühlbar war", im Gegensatz zu unserer heutigen Zeit.[Ariès 2005: S. 42] Daher erlaubt er sich, vom Tod früher der Neuzeit als einem "gezähmten Tod" zu sprechen.[Ariès 2005: S. 42] Dem widerspricht Patschovsky vehement: "Nie hat man [den Tod] gezähmt oder als gezähmt empfunden, und gerade die zahllosen Versuche, ihn und sein Wirken in Form zu fassen, verraten, wie beunruhigend man seine Allgegenwart empfand, [...] erst recht im Mittelalter.[Patschovsky 1993: S. 9] Wenn man sich heute einen schnelleren Tod wünscht, als von Maschinen am Leben erhalten zu werden, so war der plötzliche Tod im Mittelalter eher nicht erwünscht, da dieser keine Möglichkeit der Vorbereitung auf ihn, vor allem keine letzte Eucharistie ermöglichte. Insgesamt war das Verhältnis zum Tod stark christlich geprägt, mitsamt Hoffnung auf das Jenseits, als auch Angst vor "der möglichen ewigen Höllenpein, dem gefürchteten >zweiten< Tod."[Patschovsky 1993: S. 9.] Weit verbreitet war auch die Annahme, dass jeder so stirbt, wie er gelebt hat: "Der arge Sünder stirbt hündisch, der Brave ehrenvoll."[Borst 1995: S. 121.]

Der Tod in der Literatur des Mittelalters

Im Gegensatz zur "imperativischen Didaktik des Todes in der frühmittelhochdeutschen Literatur" spielt der Tod in der höfischen Literatur eindeutig eine sekundäre Rolle.[Haas 1989: S. 141.] Dies erklärt sich daraus, dass vornehmlich das Leben eines Helden im Vordergrund steht und dieses dargestellt werden soll. Wenn der Tod des Protagonisten tatsächlich geschildert wird, dann kommt diesem Tod freilich eine gewisse Bedeutung zu, bespielsweise der "Verherrlichung des Todes des Helden" im Epos.[Haas 1989: S. 141.] Der Tod des Helden im Heldenepos ist das Ziel auf welches die gesamte Erzählung hinsteuert. Als tugendhafter Mensch wird ihm auch, gemäß der mittelalterlichen Vorstellung, ein ehrenhafter Tod zuteil. Im höfischen Roman hingegen, und zu diesem wird der Parzival gezählt, erscheint der Tod in einer abgestufteren Variante, als Unfall beispielsweise im Kampf oder lediglich als Tod einer Nebenperson. Der Tod des Helden wird nicht berichtet, sondern "die Biographie des Protagonisten endet meist im Ungefähren, in einer Art Märchenschluß", in einem Moment "utopischen Endlosigkeit", ähnlich dem modernen Happy End.[Haas 1989: S. 142.] Als Beispiel dafür kann der Iwein Hartmanns gelten, der mit folgenden Versen endet:

ez was guot leben wænlîch hie: Sie lebten nun, denke ich, in Freuden.
ichn weiz aber waz ode wie Ich weiß aber nicht, was und wie
in sît geschæhe beiden. ihnen seither widerfuhr.
ezn war mir niht bescheiden Der, von dem ich diese Geschichte habe,
von dem ich die rede habe: hat es mir nicht erzählt.

(Iwein. 8159-8164) [1]

Das Ziel, auf welches der höfische Roman zuläuft, ist demnach nicht der Tod des Helden, sondern "die Retablierung der Gesellschaftsordnung, die im Rahmen des Artusreich vorgegeben ist und nun auflebt und aktuell wird; oder das zukzessive Heraustreten der Gralsbestimmung und Sippenordnung im Parzival".[Wehrli 1969: S. 49.] Die Erzählung selbst wird zwar nicht fortgeführt und kommt zu einem Ende, aber die Figur selbst bleibt auf gewisse Weise erhalten, nämlich "in der Genealogie, im Jenseits oder im Märchenschluss".[Friedrich 2010: S. 393.] Aufgrund dieser Konstruktion wirkt der Tod nicht im Leben aufgehoben und zu ihm gehörend wie im Epos, sondern erscheint als ein zufälliges Ereignis.

Der Tod im Parzival

Mann kann diese Stellung des Todes im höfischen Roman wie geschildert annehmen, jedoch räumt Friedrich dem dargestellten Konzept von Haas, im Hinblick auf die Dichtungen des Parzivals und des Tristans, diesen eine gewisse Sonderstellung ein, indem er dem Tod in diesen Dichtungen eben doch eine "elementare Funktion" zuschreibt.[Friedrich 2010: S. 394.] Das die Helden Parzival und Gawan nicht sterben, spricht zwar für das Konzept, aber Friedrich sieht das Todesmotiv sich wiederholend in den Text eingearbeitet. Vor allem die "Verzahnung der drei Komponenten Minne, Kampf und Tod" sind ausschlaggebend für sein Urteil.[Friedrich 2010: S. 394.] Inwieweit diese drei Komponenten zusammenwirken, beziehungsweise der Tod selbst als Movens der Handlung wirkt, soll nun aufgezeigt werden.

Die Geburt Parzivals als genealogische Fortsetzung von Gahmurets Leben

Zu Beginn der Handlung des Parzival steht der Tod von Gandin, Gahmurets Vater. Sein gesamtes Erbe fällt an Gahmurets Bruder Galoes und Gahmuret selbst zieht hinaus um als Ritter Ruhm zu erwerben.(Vgl. Parzival. 5,29-11,8.) Der väterliche Tod ist somit Anlass, wenn auch nicht alleiniger Grund, für Gahmuret auf Reisen zu gehen. Er fällt schlussendlich auch im Kampf und die Handlung folgt fortan seinem Sohn Parzival. Der Text stellt den Tod Gahmurets und die Geburt Parzivals direkt nebeneinander und nur die anstehende Geburt des Sohnes hält Herzeloyde davon ab, sich selbst umzubringen:

>mir sol got senden >Gott gewähre mir
die werden fruht von Gahmurete. die edle Frucht des Gahmuret;
daz ist mînes herzen bete. von Herzen bitte ich darum.
got wende mich sô tumber nôt: Gott behüte mich vor Panik -
daz wær Gahmurets ander tôt, es stürbe Gahmuret noch einmal,
ob ich mich selben slüege, legte ich die Hand an mich,
die wîle ich bî mir trüege solange ich hier in mir trage,
daz ich von sîner minne enphienc, was mir seine Liebe schenkte.

(Parzival, 110, 14-21.)[2]

Dazu kann man annehmen, dass Herzeloyde in Parzival den wiedergeborenen Gahmuret sieht, was die Worte "bin sîn muoter und sîn wîp" ("bin seine Frau und seine Mutter", Parzival. 109,25.) nahelegen. Hinzu kommt die starke Ähnlichkeit der Eigenschaften und des Lebens von Gahmuret und Parzival (Siehe dazu folgenden Artikel: Biografische Parallelen zwischen Gahmuret und Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)). "[D]as Ende des Vaters [wird] durch die Geburt des Sohnes aufgefangen [...], [es] tritt wieder Genealogie an die Stelle von Biographie".[Friedrich 2010: S. 389.] "Das Leben des Heros erhält über die Genealogie einen über ihn selbst hinausweisenden Zusammenhang und Sinn."[Friedrich 2010: S. 389.] Ebenso verfährt Wolfram auch am Schluss des Romans, wenn er den Anfang der Geschichte von Loherangrîn, Parzivals Sohn, andeutet. (Textstelle noch angeben!)


Verbindung von Tod, Kampf und Minnedienst

Vor allem am sehr häufig anzufindenden Leid der Frauen im Parzival, wird deutlich, dass "der Riß, den der permanente Einbruch des Todes un der dadruch bedingten Leiderfahrung in die ritterliche Welt bringt, durch alle beschriebenen Bereiche geht."[Brackert 1989: S. 151.] Sehr häufig ist der Minnedienst und der damit verbundene Kampf die Ursache für den Tod eines Mannes, welcher wiederum das Leid der Dame verursacht, der er gedient hat. Insgesamt scheint die Ehre oder der Tod das Ziel der Ritterschaft zu sein.[3] Mit Ausnahme des Todes von Ither begenet man dem Tod im Parzival also nicht direkt, sondern vermittelt durch Berichte der leidenden Personen. Als Beispiele (aus vielen) können der Bericht Gurnemanz über den Verlust seiner Söhne (Vgl. Parzival. 177,14-178,26) vor allem aber die Berichte Signues über den Tod des Schianatulander (Vgl. Parzival. 139,25-141,24.) und Orgeluses über Cidegast (Vgl. Parzival 615, 22-619,19) dienen.[4] An dem Beispiel vom Tod Isenharts im Minnedienst der Belacane zeigt Friedrich die "Wiederholungsfigur" des "Minnetods" auf.[Friedrich 2010: S. 398.] Isenhart ist ausgezogen um im Dienste Belacanes Ruhm im Kampf zu erwerben, und da sie sich weigert ihm ihre Liebe zu gewähren, wirft er sich in immer waghalsigere aventiuren. Er fällt schließlich im Kampf gegen Prothizilas, einem Untergebenen der Belacane, der jedoch nicht in ihrem Auftrag kämpfte und ebenfalls stirbt.(Vgl. Parzival. 27,11-28,5.) Isenharts Angehörige vermuten Verrat von seiten Belacanes und greifen sie an. So ist die (unerfüllte) Minne, da sie den Ruhm im Kampf für ihre Erfüllung voraussetzt, Ursache für Tod, Leid und Krieg. Diese Konstellation lässt sich an mehreren Stellen des Romans wiederfinden.

Tod aus Liebe

Ebenfalls mit der Minne verbunden ist das Nachsterben

Der Tod Sigunes

Der Tod Herzeloydes

Der Totschlag Ithers und Trevrizents Verweis auf Kain und Abel

Quellen

  1. Alle Versangaben zum Iwein beziehen sich auf die Ausgabe: Hartmann von Aue: Gergorius, Der arme Heinrich, Iwein, hg. und übersetzt von Volker Mertens, Franfurt am Main 2008.
  2. Alle Versangaben zum Parzival beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Dieter Kühn. Kommentiert von Eberhard Nellmann, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main, 2006.
  3. Man denke nur an die Szene innerhalb des Iwein, an welcher Kalogerant dem Waldschrat erklärt, was denn "âventiure" sei.(Vgl. Iwein. 529-537.) Dort wird deutlich, dass es wohl zwei Möglichkeiten des Ausgangs einer âventiure gibt: Ruhm oder Tod.
  4. Für eine komplette Auflistung der Todesfälle und ihre Berichte sei auf Brackert 1989 (S. 146f.) und Friedrich 2010 (S. 396f.) verwiesen.

<HarvardReferences />


[*Ariès 2005] Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. 11. Aufl., München 2005.

[*Brackert 1989] Brackert, Helmut: "der lac an riterschefte tôt". Parzival und das Leid der Frauen, in: Ist zwîvel herzen nâchgebûr. Günther Schweikle zum 60. Geburstag, hg. von Rüdiger Krüger, Jürgen Kühnel und Joachim Kuolt, Stuttgart 1989, S. 143-163.

[*Borst 1995] Borst, Arno: Lebensformen im Mittelalter. 14. Aufl., Frankfurt/M, Berlin 1995.

[*Friedrich 2010] Friedrich, Udo: Erzählen vom Tod im Parzival. Zum Verhältnis von epischem und romanhaften Erinnern im Mittelalter, in: Historische Narratologie, Mediävistische Perspektiven. hg. von Harald Haferland und Matthias Meyer, Berlin/New York 2010, S. 385-414.

[*Haas 1989] Haas, Alois M.: Todesbilder im Mittelalter. Fakten und Hinweise in der deutschen Literatur, Darmstadt 1989.

[*Patschovsky 1993] Patschovsky, Alexander: Tod im Mittelalter. Eine Einführung, in: Tod im Mittelalter. hg. von Arno Borst, Gerhart von Graevenitz, Alexander Patschovsky und Karlheinz Stierle, Konstanz 1993, S. 9-24.

[*Wehrli 1969] Wehrli, Max: Formen mittelalterlicher Erzählung. Zürich 1969.